„Vorurteile und Zerrbilder abbauen“: Andreas Dresen gewinnt den einheitspreis 2012
Der Regisseur Andreas Dresen gewinnt den einheitspreis 2012. Die Zeitschrift SUPERillu und die bpb verliehen den Preis am 14. Juni 2012 in Berlin. Erstmals entschied keine Jury über den Preis, sondern ausschließlich die Leser von SUPERillu und bpb.
Beim einheitspreis sei es immer um Beiträge derer gegangen, die den Begriff „Einheit“ mit Leben erfüllen, betonte bpb-Präsident Thomas Krüger bei der Preisverleihung in Berlin: „Nicht die großen politischen Gesten waren gesucht, sondern Menschen, die sich im Alltag oder im Beruf auf beispielhafte Weise engagieren. Der einheitspreis würdigt aber auch Menschen, die den Finger in die Wunde legen, wenn es um den richtigen Umgang mit der schwierigen DDR-Vergangenheit geht“, sagte Krüger.
Rund 150 geladene Gäste waren am 14. Juni in die Landesvertretung Thüringen in Berlin gekommen. Darunter auch die Nominierten der Initiative "3. Generation Ost" und die Brandenburger Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur", Ulrike Poppe. Nominiert waren außerdem der Chef der DEFA-Stiftung, Helmut Morsbach, die Unternehmerin Viola Klein und die Journalistin Jana Simon. Der Liedermacher und Dichter Stephan Krawczyk präsentierte Klassiker und neue Lieder aus seiner neu erschienenen CD "erdverbunden, luftvermählt”.
Der Staatssekretär und Regierungssprecher von Thüringen, Peter Zimmermann, erinnerte an die vielen Erblasten, die vierzig Jahre deutsche Teilung hinterließen, von denen allerdings viele heute überwunden seien. Weil sich der Filmemacher Andreas Dresen für dieses Zusammenwachsen von Ost und West einsetze, erhielt er den einheitspreis 2012. Der gebürtige Geraer erzählt in seinen Filmen vom Leben in der DDR und vom heutigen Alltag in den ostdeutschen Bundesländern. Zu seinen vielfach ausgezeichneten Arbeiten gehören u. a. die Filme ”Halbe Treppe“, ”Sommer vorm Balkon“ und „Halt auf freier Strecke“. Der Chefredakteur der SUPERillu, Robert Schneider, würdigte den Preisträger in seiner Laudatio, aus der wir hier in Auszügen zitieren:
"Andreas Dresen war 26 Jahre alt und gerade mit seinem Studium an der Potsdamer Filmhochschule fertig, als die Mauer fiel. Ich bin mit der Realität der Mauer groß geworden und hatte mich darin auch eingerichtet, sagt er. Als Bruch in der Biographie und Zeit der Desorientierung habe er Mauerfall und Wiedervereinigung erlebt. „Aber irgendwann findet man sich da rein und wieder in die Realität zurück“, sagt er heute. Aber das habe ein paar Jahre gedauert. Als einer der ersten Regisseure und zu einer Zeit, als es dafür noch keine Oscars gab, dreht er in den 90ern Filme, die sich differenziert mit der Realität in der SED-Diktatur und deren Folgen auseinander setzen. Unter diesem Eindruck entstand 1991 sein erster Spielfilm 'Stilles Land', der von den letzten Tagen der DDR erzählt, von der Grenzöffnung und auch davon, welch gravierende Auswirkungen dieses Ende der DDR auf die Kulturschaffenden im Lande hatte.
Die friedliche Revolution und die Wiedervereinigung waren eben für viele Ostdeutsche nicht nur eine Befreiung, sondern auch ein tiefer existentieller Einschnitt. Viele fragten sich, wie es nun mit ihnen weitergehen sollte, viele plagte neben der Freude Existenznot. Und das Desinteresse vieler Westdeutscher für ihr Leben davor und ihren Druck, unter diesen neuen Verhältnissen zurechtzukommen. Andreas Dresen erinnert sich daran so: 'Als die beiden deutschen Filmkulturen aufeinanderprallten, war die des Westens im Osten viel stärker bekannt als umgekehrt. Die Produzenten oder auch Fernsehredakteure, also die maßgeblichen Leute in der westdeutschen Branche, kannten kaum ostdeutsche Regisseure, die bei der DEFA oder beim DDR-Fernsehen Filme gemacht hatten.' Mit seinen Filmen und seiner Persönlichkeit hat Andreas Dresen sich dafür eingesetzt, dass sich das geändert hat. Und dass das Wirken ostdeutscher Künstler im Filmgeschäft heute mehr gewürdigt wird. Er leistete damit einen beispielhaften Beitrag für das Zusammenwachsen von Ost und West. Auch wenn ihn die Bezeichnung 'ostdeutscher Regisseur' berechtigterweise stört. Spricht man denn im Jahr 2012 umgekehrt von West-Regisseuren? Die Helden seiner Filme leben in Magdeburg, Frankfurt an der Oder, am Prenzlauer Berg oder in der Mark Brandenburg. Sie erzählen einem gesamtdeutschen Publikum von großen Lebensthemen, die uns alle bewegen. Von Alter, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit, Krankheit und Ängsten und von Freundschaft, Hoffnung – und der Liebe. Sie berichten aber auch vom ganz normalen Alltag in den östlichen Bundesländern, der sich in einem zusammenwachsenden Deutschland immer weniger voneinander unterscheiden. Das hilft, Vorurteile und Zerrbilder abzubauen.“
Andreas Dresen erinnerte sich in seiner Dankesrede daran, dass die Filme, die er in den 90er Jahren über die DDR-Vergangenheit drehte, beim Publikum zunächst gar nicht ankamen. 'Schwarz-Weiß schien damals gefragter als ein differenziertes Bild dieser Vergangenheit', so Dresen. Der Filmemacher weiter: 'Für mich gehört dazu natürlich auch der Schmerz, den wir alle damals empfanden" - aber eben auch das "Leben, wie es gewesen ist".