Salon der Generationen
"Ich bin stolz auf meine grauen Haare", sagt Helga Müller, als sie ihr Spiegelbild betrachtet. In der nächsten halben Stunde möchte sie aber einmal etwas anderes ausprobieren.
Im Friseursalon der Generationen bekommen Kongressteilnehmer ganz unterschiedlichen Alters Frisuren, die gerade nicht "alterstypisch" sind und in ganz anderen Jahrzehnten als modern galten. So finden sich 20-Jährige mit blonden Wallmähnen à la Doris Day der späten 1960er Jahren wieder. Oder so wie Matthias, der sein schüttes Haar normalerweise kurz trägt, auf einmal aber ein volle, graue Frisur trägt. Nicht nur eine riesige Auswahl an Perücken haben die drei Damen des Friseursalons von Monika Nadal zu bieten, sondern auch handwerkliches Geschick: Von der eleganten Steckfrisur bis zur Elvis-Tolle wird jeder Wunsch erfüllt. An drei Arbeitsplätzen wird gewaschen, geföhnt und gelegt. Studentinnen sitzen mit Lockenwicklern im Haar unter der Trockenhaube, blättern in "Bunte" oder "GALA". Wenn sie schließlich vom Friseurstuhl aufstehen, wirken Jeans und T-Shirt zu den 50er-Jahre-Hausfrauenfrisuren seltsam fehl am Platz.
Manche Dinge ändern sich nie
Zwischendurch kommen immer wieder Bewohner des GDA-Wohnstifts und wollen Termine für den regulären Friseurbetrieb vereinbaren. Das Team rund um Monika Nadal kennt jeden Bewohner mit Namen. Der kleine Salon eröffnete 1992 gemeinsam mit dem Wohnstift. Vor fünf Jahren übernahm Monika Nadal die Leitung. Ihre Vorgängerin, Ingeborg Braun, hilft immer noch im Laden aus. Auch wenn die meisten Kunden Bewohner des Wohnstiftes sind, kommen einige Termine auch von außerhalb. Im alltäglichen Geschäft sei aber kein Unterschied zwischen älteren und jüngeren Personen zu erkennen: "Es geht darum, dass die Frisur zur Person passt. Das ist vielmehr von der Haarstruktur abhängig als vom Alter." Außerdem trügen ältere Menschen heutzutage sehr moderne Schnitte, so wie die Mode werde auch das Angebot an Frisuren zahlreicher und individueller. Mit Perücken arbeiten die Friseurinnen in der Regel nur noch bei Krebspatienten.
Neue Frisur! Neues Gefühl?
Vermisst haben die Salondamen in den letzten beiden Tagen vor allem Models mit kürzeren Haaren. Im vergangenen Jahrhundert trugen gerade ältere Damen kurze Wellenfrisuren. “Bei den langen Haaren kann man nicht viel mehr machen als hochstecken", erklärt Braun seufzend. Langsam werden die Haarnadeln knapp. Im Anschluss an die Verwandlung werden die Frischfrisierten von Mitarbeiterinnen des Kongressteams zu ihren persönlichen "Alter(n)sbildern", Zukunftsängsten und Vorfreuden befragt. Unterscheidet sich das gefühlte Alter vom biologischen? Willst du 100 werden? Ab wann sind Menschen für dich "alt"? Die Antworten sind so verschieden wie die Frisuren. Ein ganzes Jahrhundert leben möchte fast niemand. Doch je älter die Befragen, desto höher steigt die Grenze zum Altsein. Eine Schülerin mit brauner Steckperücke fühlt sich plötzlich wie 45. Eine Frührentnerin freut sich darauf, die Ruhe der nächsten Jahre genießen zu können. Mit den Frisuren sind sie fast alle zufrieden, auch wenn sie diese im Alltag wohl nicht tragen würden. Helga Müllers Haare werden schließlich lediglich neu geföhnt. Für die 65-Jährige die Bestätigung, dass die Frisur zu ihr und ihrem Alter passt.