Große Mengen an personenbezogenen Daten ermöglichen die detaillierte Analyse menschlichen Verhaltens. Das verführt leicht zu der Annahme, zukünftiges Handeln vorhersagen zu können. Bekannte Beispiele sind automatisierte Empfehlungen bei Online-Einkäufen oder standortbezogenen Diensten.
Diskussionswürdiger sind aber die Fälle, bei denen Betroffene entweder keinen Einfluss nehmen können oder unklar ist, auf welcher Datenlage die Voraussagen basieren. Beim sogenannten Geo- und Kreditscoring sollen anhand personenbezogener Merkmale Voraussagen über die Vertragserfüllung von Kredit- und Mietverträgen getroffen werden. Neben harten Fakten wie vergangene, nicht erfüllte Verträge oder Insolvenzen fließt auch der Wohnort beim Scoring ein. Solche weichen Faktoren sind aber grundsätzlich fehleranfällig, weil die individuelle Verlässlichkeit gar nicht mit ihnen korrelieren muss. Da beispielsweise die Schufa, die in Deutschland Scoring als Service für Kreditgeber anbietet, ihre genauen Formeln geheim hält, ist es unklar, welche Faktoren auf die Bewertung einer Person genau Einfluss haben. Abstrakt betrachtet geht es beim Scoring um die Bewertung von Risiko. Ganz ähnliche Mechanismen greifen bei umgangssprachlich „Gefährderdatei” genannten Datenbanken mit potenziellen Verdächtigen, die von den Sicherheitsbehörden erstellt werden. Diese enthalten Namen von auffällig gewordenen Fußballfans sowie vermeintlich linken, rechten oder islamistischen Radikalen. Die entsprechenden Behörden glauben, dass sich durch solche Werkzeuge das Risiko zukünftigen strafbaren Verhaltens minimieren lässt.Die Gefährderdateien werden in Deutschland momentan vor allem von Hand befüllt. Dennoch bleiben die Prozesse und Kriterien, die zu einem Eintrag auf diesen Listen führen, unklar. Betroffene Personen werden über einen Eintrag nicht informiert, und selbst wenn sie Kenntnis erlangen, ist ein Antrag auf Löschen selten erfolgreich. Diese Listen gibt es zudem nicht nur in Deutschland, sondern auch anderswo, wie z. B. die Terrorist Screening Database in den USA, die 2013 über 700.000 Personen beinhaltete.
Neben diesen manuell geführten Listen greifen Strafverfolgungsbehörden immer häufiger auf automatisierte Adhoc-Überwachungsmaßnahmen zurück. Bei der immer öfter und in immer größerem Umfang stattfindenden Funkzellenabfrage
Sich dagegen zu wehren ist kaum möglich. Auch ohne gesetzliche Realnamenpflicht im Internet gibt es noch genug Daten, die mit einer Person verknüpfbar sind. In sozialen Netzwerken ist es immer schwerer möglich, unter Pseudonym aufzutreten und verschiedene digitale Persönlichkeiten zu entwickeln. Mit Hilfe von Technologien wie Stilometrie ist es mittlerweile einfach, Autoren zu identifizieren
Schreitet diese Tendenz so voran, muss man sich über eines im Klaren sein: Menschen, die die Kontrolle über die eigene Zukunft nicht verlieren möchten, werden nicht umhin kommen, sich bereits früh in ihrem Leben angepasst und möglichst unauffällig zu verhalten. Für eine Demokratie, die von der Offenheit und der Möglichkeit zur freien Entscheidung und Entfaltung lebt, ist ein Konflikt entstanden, dem Bürger, aber genauso der Gesetzgeber mittlerweile ziemlich hilflos gegenüber zu stehen scheinen. Wenn Sie diesen Text lesen, werden Sie jedenfalls als eine der beiden folgenden Gruppen in die Geschichtsbücher eingehen: Entweder als die erste Generation, die die Kontrolle verloren hat. Oder Ihr Leben wird als museale Attraktion betrachtet, die zeigt, wie leichtsinnig damals mit personenbezogenen Daten umgegangen wurde.