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Flüchtlingslager im globalen Süden: Eine ethnographische Perspektive | 14. Bensberger Gespräche 2016: Flucht und Asyl | bpb.de

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Flüchtlingslager im globalen Süden: Eine ethnographische Perspektive

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Anhand zweier Beispiele von Flüchtlingslagern in Zambia berichtete Prof. Dr. Katharina Inhetveen (Universität Siegen) über soziale und politische Strukturen und das Leben in Flüchtlingslagern des globalen Südens. (© bpb)

Prof. Dr. Inhetveen stellte zunächst die Arbeitsweise ethnographischer Forschungstätigkeiten vor, bei der zentral sei, mehrere Monate vor Ort zu leben. Sie stellte zwei zum Teil sehr unterschiedliche Lager vor, in denen sie selbst im Jahr 2003 insgesamt 6 Monate gelebt hatte. Das Lager Meheba ist dadurch gekennzeichnet, dass es viel Platz gibt und die Bewohner eigene landwirtschaftliche Flächen bewirtschaften können. Das andere Lager, Nangweshi, ist sehr dicht bebaut, eine Familie hat eine 10x20m große Parzelle zur Verfügung, eigene Landwirtschaft zur Selbstversorgung ist nicht möglich, die Bewohner leben von Lebensmittelrationen des Welternährungsprogramms. Plurale Hierarchien und Abhängigkeiten

In allen Lagern seien UNHCR, staatliche Institutionen und NGOs vor Ort. Es gebe plurale Hierarchien und Abhängigkeiten, etwa der Regierung vom UNHCR. Nicht selten gebe es Auseinandersetzungen über Kompetenzen und Weisungsberechtigungen. Die Flüchtlinge wüssten oft nicht, an wen sie sich mit ihren Anliegen wenden könnten. Es gebe zwar demokratisch gewählte Flüchtlingsvertreter, die meisten Lagerbewohner hätten jedoch nie etwas mit der Verwaltung zu tun. Es gebe einen großen sozialen Abstand zwischen der Lagerverwaltung und der Flüchtlingsbevölkerung. Die Flüchtlinge brächten häufig ihren eigenen politischen Hintergrund und entsprechende Strukturen mit. So sei es etwa im Lager Nangwesi, wo die angolanische Unita-Partei das Sagen und viele Funktionäre noch ihre alten Funktionen hätten, so Inhetveen. Die von den Internationalen Organisationen verlangten demokratischen Strukturen stünden häufig im Widerspruch zu den alten Machtstrukturen der Kriegspartei. In Meheba hingegen sei die Bevölkerung stärker fragmentiert, dadurch allerdings auch schwieriger zu steuern und zu koordinieren.

Bildungsmaßnahmen

Prof. Inhetveen stellte auch edukatorische Maßnahmen in den Flüchtlingslagern vor, deren Ziele Empowerment, Capacity Building, Prävention, die Vermittlung westlicher Werte und der Menschenrechte seien. Die Beteiligung und Vertretung von Frauen sei den Organisationen sehr wichtig, sie müssten diese in ihren Reports auch stets nachweisen. Ein Problem sieht Inhetveen im Denkmuster vieler Vertreter/-innen von NGOs und internationalen Organisationen, die meinten, ihre westlichen Werte seien denen in muslimischen Ländern oder in Entwicklungsländern überlegen und es gelte, die Bevölkerung zu "zivilisieren". Inhärent sei, dass die Flüchtlinge häufig als defizitär, nicht als erwachsene mündige Bürger betrachtet würden.

Einrichtungen des Zwangs

Flüchtlingslager beschreibt Inhetveen als "Einrichtungen des Zwangs", der Aufenthalt sei in der Regel nicht freiwillig. Die Bewohner benötigten einen Gate Pass, um das Lager zu verlassen. Bei Verlassen des Geländes ohne eine solche Genehmigung könne eine Haftstrafe erfolgen. Innerhalb dieser Zwangseinrichtung seien die Zugriffsmöglichkeiten der Verwaltung jedoch sehr gering, es gebe etwa sehr wenige zeitliche Vorgaben und der Alltag der Menschen werde nicht von der Verwaltung strukturiert.

Dokumentation: Katharina Reinhold