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Vorwort | Magazin #2019 | bpb.de

Magazin #2019 Vorwort Ein Lied als kleiner Waffenschein Pole: Der tiefe Schatten von 1989 geht zurück Der kurze Brief zum langen Licht 15. März 1989 2018 – Das Jahr, in dem wir erwachsen wurden Zone 1989 war erst der Anfang eines endlosen Kampfes um Demokratie Menschen des Wortes Die friedlichen Revolutionen Dreißig Jahre danach. Mit dem Degen. Wandtexte Europa Vor dreißig Jahren – Zeit der Freude und der Hoffnung Der kleine Trompeter Impressum

Vorwort

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Die Bundeszentrale für politische Bildung veranstaltet zwischen 2019 und 2021 in Kooperation mit der Leipziger Buchmesse den Programmschwerpunkt "The Years of Change 1989-1991. Mittel-, Ost- und Südosteuropa 30 Jahre danach". Wir verstehen unser Programm als eine Einladung zur Vermessung der Zeit und des Raumes, zum Nachdenken über Topoi, Akteure, Positionen, Ideen und Praktiken. Wir fragen, wie die anni mirabiles in die Gegenwart hineinwirken. Wie sind all die Revolutionen nach 1989 zu bewerten, bei denen sich die Massen für Menschenrechte und demokratische Ordnung eingesetzt haben? Wie lassen sich die viele Erfahrungen des Widerstands, des Undergrounds und politischen Engagements für die Wiederherstellung des Vertrauens in Demokratien nutzen? Wir betrachten dabei Literatur als Kommunikationsmittel, sensible Zeitzeugin der Gegenwart und Seismographin der Zukunft, die die politische Bildung mit ungewöhnlichen Perspektiven, Brüchen und Bildwelten bereichert, die aufhorchen lässt, Leerstellen füllt und neue Fragen aufwirft.

Wir haben AutorInnen, JournalistInnen und ExpertInnen eingeladen, kurze Texte zum Thema "1989 und 30 Jahre danach" zu schreiben. Es wurden keine weiteren Grenzen gesetzt. Aus dieser künstlerischen Freiheit ist ein Panorama an Texten, Genres, Formaten und Sprachen entstanden, die unterschiedlicher nicht sein können und die subjektiv, poetisch und scharfsinnig sind.

Marcel Beyer ruft ein Heimatlied der Pioniere in der DDR der frühen 1950er Jahre in Erinnerung – ein Lied als "akustisches Alptraumgeschehen", das der "Heimat" in allen Belangen enge Grenzen setzt, das sich über Generationen vererbt und somit auch die heutigen gefährlichen Stimmungen im Land widerspiegelt.

Piotr Buras sieht das Ende der post-1989-Ära in Polen kommen und jüngere Generationen von Liberalen wie von Nationalisten Anspruch auf Gestaltung des politischen und gesellschaftlichen Lebens erheben. Zoltán Danyi erzählt in seinem poetischen Text vom "langen Licht" der Autos, die uns entgegenkommen. Es ist das Licht, das uns den Weg zeigen soll, uns aber gleichzeitig blendet. György Dragomán erinnert sich an den 15. März 1989, als das vierzig Jahre lang verbotene "Fest der politischen Vernunft" gefeiert wurde und eine große Freiheitsdemonstration in Budapest stattfand. Den "Moment der bewusst erlebten Freiheit" vergisst er nicht, obwohl damals keiner ahnte, "dass alles anders kommen wird, ganz anders". Pavla Holcová erinnert an die Ermordung ihres Freundes Jáno Kuciak, des investigativen Journalisten aus der Slowakei. Sie führt vor Augen, wie gefährlich die Gewaltrhetorik der autoritären Herrscher gegenüber Journalisten und Meinungsfreiheit ist. Kerstin Preiwuß reflektiert über den Begriff Zone und wie es ist, in eine Zone hineingeboren zu sein oder in eine Zone zu ziehen. In der Analyse von Martin Šimečka, der gerade die Verletzlichkeit der Demokratie erlebt, geht es um die slowakische Gesellschaft, die nach erträumter Freiheit nun "ins Zittern geraten ist". Żanna Słoniowskas Text handelt davon, dass das Aussprechen der Wahrheit in totalitären Regimes lebensgefährlich war. Sie berichtet über ihre sowjetische Kindheit und ukrainische Vergangenheit. Michał Sutowski betrachtet das Jahr 1989 als Erfahrung der Elterngeneration, wobei die politische Revolution in Polen noch nicht abgeschlossen sei. Was das Land jetzt erlebe, sei eine Imitation des politischen Prozesses, in dem die Arroganz der Eliten gegenüber Bürgern vorherrsche. Jáchym Topol gesteht, dass er sich zwar an die "dreißig Freiheitsjahre" gewöhnt hat, merkt aber an, dass sich die tschechische Gesellschaft heute von den Gespenstern der Vergangenheit treiben lässt. Der Unterschied zu früher bestehe darin, dass er keine Angst mehr vor Spukgestalten habe. Kinga Tóth nimmt uns in ihrem Gedicht auf eine Reise durch "Wandtexte Europas".

Wir danken allen AutorInnen, ÜbersetzerInnen, dem Lektor und dem Team der bpb für die Unterstützung und wünschen Ihnen anregende Gedanken beim Lesen.

Thomas Krüger
Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung

Fussnoten