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Die Geschichte der NATO und ihrer Mitglieder | NATO - Nordatlantikpakt | bpb.de

NATO 1949: Gründung der NATO Nordatlantikvertrag Bündnisfall Redaktion Geschichte der NATO

Die Geschichte der NATO und ihrer Mitglieder Gründung, Erweiterungen und innere Dynamiken

Cornelia Baciu

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Die NATO wurde 1949 als Wertegemeinschaft und kollektive Selbstverteidigungsorganisation von zwölf Staaten gegründet. Seitdem sind 20 weitere hinzugekommen und haben die Dynamik des Bündnisses verändert.

Im April 1952 trafen sich Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedsstaaten des Nordatlantikrats in Paris, Frankreich. Das Hauptquartier der NATO war von 1952 bis 1967 in Paris ansässig. Danach wurde es nach Brüssel, Belgien, verlegt. (© picture-alliance/akg)

In ihrer 75-jährige Geschichte sind zu den zwölf Gründungsmitgliedern der NATO 20 weitere europäische Staaten hinzugekommen. Folgende historische Entwicklungen des Nordatlantikpaktes werden näher beleuchtet: die Gründung und erste Erweiterungswellen, Frankreichs Austritt und Wiedereintritt in die Militärstruktur, die Osterweiterung, das Bündnis während der Trump-Regierung und die Norderweiterung.

Gründung und erste Erweiterungswellen

Die NATO wurde am 4. April 1949 vor dem Hintergrund einer unbeständigen europäischen Nachkriegsordnung gegründet. Vor allem europäische Staaten strebten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein sicherheitspolitisches Bündnis an, als Sie erkannten, dass die Expansion der Sowjetunion eine Bedrohung bedeutete, der sie sich nur gemeinsam stellen konnten.

Die Ausweitung der sowjetischen Einflusszone in Mittel- und Osteuropa führte zur Teilung Europas in demokratische und kommunistische Staaten und schließlich zum Beginn des Interner Link: Kalten Kriegs. Die 1947 verkündete Interner Link: Truman Doktrin zielte auf die Eindämmung (Containment) des Kommunismus und die Demokratisierung der europäischen Länder ab.

Expansion der Sowjetunion

Nach dem Ende des Interner Link: Zweiten Weltkriegs zeigte sich die expansionistische Strategie der Sowjetunion vor allem in offensiver oder subversiver Einmischung in die internen Angelegenheiten Bulgariens, Rumäniens, Polens und der Tschechoslowakei. Griechenland, Iran und die Türkei waren ebenfalls sowjetischer Einflusssphären ausgesetzt, auch wenn der strategische Fokus der Sowjetunion eher auf den europäischen Ländern lag. Die von der Sowjetunion annektierten baltischen Länder sowie die Gebiete Bessarabien und Nordbukowina, die nach dem Kollaps der Sowjetunion Teil der Ukraine sowie der Republik Moldau wurden, blieben nach dem Zweiten Weltkrieg unter sowjetischer Kontrolle.

Bei der Gründung der NATO spielte auch die sogenannte Interner Link: Deutsche Frage eine Rolle und die nachhaltige Integration Deutschlands in eine europäische Friedensordnung. Einige europäische Länder hatten Sorge vor einer erneuten deutschen Aggression. Diese Bedenken wurde mit dem Interner Link: Brüsseler Pakt vom 17. März 1948 begegnet, der ein Prinzip der kollektiven Verteidigung vorsah. Auf der Grundlage dieses Paktes gründete sich im selben Jahr die Westunion – ein Bündnis zwischen Belgien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich.

Die NATO entstand also nach dem Zweiten Weltkrieg als Wertegemeinschaft und kollektive Selbstverteidigungsorganisation. Sie wurde im euro-atlantischen Raum von zwölf Staaten gegründet: Belgien, Dänemark, Frankreich (mit den französischen Gebieten in Algerien), Großbritannien (und Malta), Island, Italien, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Portugal und USA.

Exkurs in die Gründungsverhandlungen der NATO

Dem Nordatlantikvertrag gingen die sogenannten Pentagon-Gespräche zwischen den USA, Kanada und dem Vereinigten Königreich im März 1948 voraus. Verhandlungen über einen Sicherheitsvertrag zwischen den Vereinigten Staaten und den westeuropäischen Nationen waren bereits vor diesem Datum geführt worden. Mit Verweis auf die zerstrittenen Veto-Mächte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) und die Möglichkeit einer UN-Reform erwähnte der kanadische Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten während seiner Rede bei den UN im September 1947 die Perspektive einer Sicherheitsorganisation demokratischer Staaten unter den UN-Prinzipien. Auch gab es die sogenannten Washingtoner Erkundungsgespräche (Washington Exploratory Talks, WET) zwischen den USA, Großbritannien, Kanada und den Interner Link: Benelux-Staaten. Die Protokolle dieser Treffen dokumentieren unter anderem die Verschränkung zwischen dem Nordatlantikvertrag und der UN-Charta sowie die Sondierungen mit den zwölf Gründungsmitgliedern.

Die USA spielten bereits bei der Gründung der NATO eine bedeutende Rolle. Durch ihr Arsenal von Nuklearwaffen nahm die USA im Bereich der Abschreckung der Sowjetunion und dem Schutz der anderen NATO-Mitglieder eine wichtige Sicherheitsrolle ein (nuklearer Schutzschirm). Großbritannien lässt sich als Konzepturheber des Nordatlantikpakts betrachten. Einerseits erwies sich die enge Beziehung Großbritanniens zu den USA als wichtiger Vermittlungskanal zwischen Frankreich und den Benelux-Ländern auf der einen und USA auf der anderen Seite. Andererseits verfügte Großbritannien über erhebliche militärische Fähigkeiten und ein weitreichendes Netzwerk von Stützpunkten rund um die Welt. Der damals autoritär geführte Staat Portugal wurde in die NATO wegen seiner strategisch günstigen Lage am Atlantik, aufgrund seiner anti-kommunistischen Haltung sowie als enger Partner von Großbritannien aufgenommen. Dänemark und Norwegen entfernten sich aufgrund der Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg – beide Staaten waren von der deutschen Wehrmacht besetzt worden – von ihrer traditionellen Neutralitätspolitik. Da sich kein skandinavischer Militärpakt etablierte, wurden beide Staaten im Kontext einer kommunistischen Sicherheitsbedrohung NATO-Gründungsmitglieder. Island wurde in die NATO aufgenommen, obwohl das Land (bis heute) über keine ständige Armee verfügte. Wie aus den WET-Protokollen zu entnehmen ist, wurden auch Irland, Italien, Schweden, Spanien sowie Österreich und Deutschland in den Gründungsgesprächen erwähnt. Obwohl Interner Link: Westdeutschland und Österreich als zukünftige Mitglieder betrachtet wurden, wurden sie aufgrund ihrer zu diesem Zeitpunkt eingeschränkten Souveränität und ihres Besatzungsstatus als Gründungsmitglieder ausgeschlossen.

Griechenland und die Türkei, zwei strategisch wichtige Staaten, die Zugang zum Nahen Osten boten, traten der NATO 1952 bei. Damit kamen zwei Staaten in die NATO, die bis heute ein traditionell angespanntes Verhältnis zueinander haben. Für Griechenland und die Türkei war der NATO-Beitritt eine Sicherheitsgarantie gegenüber der sowjetischen Expansion. Der Wunsch der beiden Länder, sich an das westliche Verteidigungsbündnis anzuschließen, wurde auch durch den Interner Link: Koreakrieg bestärkt, in dem die Sowjetunion das kommunistische Nordkorea unterstützte und sowohl die Türkei als auch Griechenland militärisch auf Seiten Südkoreas beteiligt waren. Die Türkei sah sich zudem durch Gebietsansprüche der Sowjetunion an ihrer Ostgrenze zum Kaukasus bedroht. Mit dem NATO-Beitritt und der damit einhergehenden Westbindung erteilte die Türkei den Ansprüchen eine klare Absage.

Die im Mai 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland (BRD) wurde 1955 in die NATO aufgenommen, nachdem die Gründung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft an der Opposition Frankreichs gescheitert war. Infolge der Interner Link: Pariser Verträge, die den Besatzungsstatus Westdeutschlands beendeten, der Gründung der Westeuropäischen Union (WEU) als kollektiver militärischer Beistandspakt und des NATO-Beitritts der BRD wurde 1955 der Interner Link: Warschauer-Pakt zwischen der Sowjetunion, Albanien, Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien, der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Tschechoslowakei unterzeichnet. Der von der Sowjetunion gesteuerte Warschauer Pakt war bis zu seinem Ende 1991 der zentrale militärische Gegner der NATO in Europa.

1982 erfolgte der NATO-Beitritt Spaniens und setzte die Tradition der NATO als Wertegemeinschaft fort. Die Aufnahme Spaniens erfolgte erst nach dem Ende der Franco-Diktatur und der demokratischen Wende des Landes. Anfangs beteiligte Spanien sich nur innerhalb der politischen Strukturen der Organisation und war nicht Teil der integrierten Militärstruktur. Erst 1999 trat Spanien auch der militärischen Kommandostruktur der NATO bei.

Frankreichs Austritt und Wiedereintritt in die Militärstruktur

Nachdem die Sowjetunion 1962 Interner Link: Atomraketen auf Kuba stationierte, entwickelte sich eine nukleare Krise zwischen den beiden Supermächten USA und Sowjetunion. Zugleich nahmen auch die Spannungen in Europa mit der zweiten Berliner Krise und dem Bau der Berliner Mauer 1961 zu. Vor diesem Hintergrund adoptierte die NATO ihr viertes strategische Konzept und wechselte zu einer Strategie der „flexiblen Erwiderung“ (Interner Link: flexible response). Wegen Uneinigkeiten in puncto NATO-Integration und der Nuklearstrategie schied Frankreich 1966 aus der NATO-Militärstruktur aus. Insbesondere lehnte Frankreich die Gründung einer multilateralen Atomstreitmacht (multilateral force) innerhalb der NATO ab und bevorzugte stattdessen die volle Autonomie über die eigenen Nuklearfähigkeiten. Frankreich blieb aber weiterhin Mitglied der politischen Struktur der NATO.

Der damalige französische Präsident Charles De Gaulle zog schon 1959 und 1963 französische Einheiten aus dem Marinekommando der NATO ab. Im März 1966 forderte Frankreich, dass alle US- und kanadischen Streitkräfte ihre Einrichtungen auf französischem Boden bis zum 1. April 1967 räumen sollten. Hauptgründe für die Differenzen zwischen Frankreich und der NATO waren de Gaulles Bestrebungen nach mehr Kontrolle über die eigenen Streit- und Atomkräfte und dem Status einer Nuklearmacht, die für die weltweite Sicherung französischer Interessen als frühere Kolonialmacht wichtig waren, aber auch andere Visionen für die europäische Sicherheitsarchitektur. Die Divergenzen zwischen Frankreich und dem euro-atlantischen Bündnis entstanden aber schon früher, während der Interner Link: Suezkrise 1956.

2009 kehrte Frankreich unter Präsident Nicolas Sarkozy mit seiner pro-amerikanischen Ausrichtung in die NATO-Militärstruktur zurück, nachdem ein erster Versuch unter seinem Vorgänger Jacque Chirac aufgrund innen- und außenpolitischer Faktoren misslang. Frankreichs offizielle Rückkehr in die NATO-Militärstrukturen stärkte die europäische Säule der NATO. Die Politik der Annährung (Rapprochement) und die Normalisierung der Beziehungen hatte bereits im Dezember 1992 begonnen mit der Aufstellung des militärischen Verbands „Interner Link: Eurocorps“ zwischen Frankreich, Deutschland und der NATO. 1995 hatte der französische Außenminister Hervé de Charette während einer Rede vor dem Nordatlantikrat schließlich verkündet, dass Frankreich in die NATO-Militärstruktur zurückkehren wolle.

Frankreich verfügt neben den USA und dem Vereinigten Königreich als einziger NATO-Mitgliedsstaat über eigene Nuklearstreitkräfte (Force de dissuasion nucléaire française, Force de frappe). Allerdings trat das Land der Nuklearen Planungsgruppe der NATO bis heute nicht bei und stellt ihr Nukleararsenal in Rahmen der Nuklearen Teilhabe nicht zur Verfügung. Frankreich fürchtet, durch eine stärkere Einbindung seine Eigenständigkeit und Souveränität zu verlieren.

Frankreichs Einfluss auf die strategische Entwicklung der NATO

Das Verhältnis zur NATO war ein andauerndes Dilemma französischer Präsidenten. 2019, kurz vor dem NATO-Gipfeltreffen in London, Interner Link: erklärte Emmanuel Macron die NATO für „hirntot“. Die Aussage sorgte für großes Aufsehen in dem Bündnis. Sowohl Macrons Kritik an der NATO 2019 als auch Frankreichs Austritt aus der Militärstruktur 1966 lösten Reflexionsprozesse über die strategische Ausrichtung der NATO aus. 1967, ein Jahr nach Frankreichs Austritt aus der Militärstruktur, entstand der Harmel-Bericht zur Lage der NATO. Dieser bekräftigte die grundlegenden NATO-Prinzipien und führte die Strategie der Abschreckung und Entspannung ein – ein erster Schritt in Richtung kooperativer Ansätze für Sicherheitsfragen. 2020, ein Jahr nach Macrons Aussage, die NATO sei „hirntot“, wurde der Bericht „NATO 2030: United for a New Era“ von einer Expertengruppe verfasst. Dieser mündete 2022 in das neue strategische Konzept der NATO.

Die NATO-Osterweiterung – eine strategische Neuausrichtung

Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre führten die politischen Umbrüche in Osteuropa, der Fall der Berliner Mauer und die deutsche Wiedervereinigung zum endgültigen Ende des Kalten Kriegs. Mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Paktes 1991 öffnete sich die NATO auch in Richtung Osten.

Die Strategische Neuausrichtung der NATO nach Ende des Kalten Kriegs

Verschiedene strategische Dokumente, wie das Wittmann-Papier 1990, die London-Erklärung 1990 sowie das neue strategische Konzept 1991, markierten die Wende im NATO-Bündnis und beschrieben seine Rolle in der europäischen Friedensordnung nach dem Ende des Kalten Kriegs. Die Londoner Erklärung legte fest, dass die nun unabhängig gewordenen Demokratien in Mittel- und Osteuropa Teil der neuen politischen Friedensordnung in Europa werden sollten. Ehemalige Mitglieder des Warschauer Pakts wurden eingeladen institutionelle Beziehungen mit dem Bündnis einzugehen.

Außerdem beschloss das Dokument eine Politik der Annäherung an Russland und begrüßte ein Treffen mit der russischen Führung in Moskau. In dem strategischen Konzept von 1991 wurde die Verbesserung der Sicherheitslage in Europa und die Veränderung der Bedrohungslage für die NATO deutlich herausgestellt. Die Gefahr einer Aggression aus dem Osten erschien nicht mehr plausibel und man nahm an, dass der geplante Abzug sowjetischer Truppen aus Mittel- und Osteuropa sowie die Auflösung des Warschauer Pakts zu einer positiven Wende beitragen würde.

Politische Instabilität wegen ethnischer und nationaler Konflikte sowie „religiöser Fundamentalismus und der destabilisierende Einfluss stagnierender Volkswirtschaften“ wurden als neue Bedrohungen wahrgenommen. In einer Rede am 17. Mai 1990 betonte der NATO-Generalsekretär Werner Wörner Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Gleichheit und Selbstbestimmung seien grundlegende Werte der zukünftigen europäischen Friedensordnung und nannte die Unterstützung mittel- und osteuropäischer Staaten bei ihrem demokratischen Aufbauprozess als wichtigste Aufgabe der NATO. Außerdem betonte Wörner, dass die europäische Führungsrolle mit der amerikanischen gleichwertig sein soll. Das strategische Konzept der NATO von 1991 betonte den ausschließlich defensiven Charakter der NATO und umriss die vorausschauende Entwicklung einer europäischen Sicherheitsidentität. Die Entwicklung einer europäischen Sicherheits- bzw. Verteidigungsidentität wurde im Strategischen Konzept der NATO von 1990 erwähnt und bringt die Stärkung der europäischen Sicherheitssäule und Verteidigungsrolle zum Ausdruck.

Die Osterweiterung stellt ein wichtiges Moment in der Geschichte der NATO dar. Sie war mit 14 neuen Mitgliedern bis 2020 die größte Erweiterungswelle des Bündnisses: Polen, Tschechien und Ungarn traten der NATO im Jahr 1999 bei und Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien im Jahr 2004. 2009 folgten Albanien und Kroatien, 2017 Montenegro und 2020 Nordmazedonien. Die NATO-Osterweiterung trug nicht nur zur demokratischen Konsolidierung der neu beigetretenen Mitgliedsstaaten bei, sondern prägte auch die europäische Sicherheitsarchitektur stark.

Russlands Reaktion auf die Osterweiterung

Russland sieht die NATO-Osterweiterung als Verletzung seiner Sicherheitsinteressen – mit denen das Land auch seine Aggressionen gegen Georgien und die Ukraine bis heute rechtfertigt – und stellt die Osterweiterung als vermeintlichen „Wortbruch“ dar. Ausführliche Recherchen und Auswertungen des Archivmaterials der Verhandlungen der 1990er Jahre belegten jedoch, dass es faktisch kein offizielles Versprechen für eine Erweiterungsbremse der NATO nach dem Kalten Krieg gab. Diese Kontroverse entstand mit Verweis auf die Verhandlungen des Interner Link: Zwei-Plus-Vier-Vertrags, in dem die ehemaligen Alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs – darunter auch die zerfallende Sowjetunion – die volle Souveränität eines wiedervereinigten Deutschlands anerkannten. Zahlreiche Historikerinnen und Historiker belegen auf der Grundlage der empirischen Untersuchung von damaligen Protokollen, Zeitdokumenten und Zeugenaussagen, dass sich die Idee eines Erweiterungsstopps nach Osten möglicherweise einzig auf die NATO-Mitgliedschaft der DDR bezog. Interner Link: Artikel 6 des Zwei-Plus-Vier-Vertrags sicherte dem vereinten Deutschland letztlich zu, frei über die eigene Bündniszugehörigkeit zu entscheiden – ohne Vorbehalte.

Weiterführende Informationen:

Die Osterweiterung stellte sowohl für die Länder in Mittel- und Osteuropa als auch für die NATO eine natürliche Entwicklung dar. Für die nun unabhängigen Länder des Ostblocks war der Beitritt zur NATO, einer Organisation der kollektiven Verteidigung und einer politischen Gemeinschaft demokratischer Werte und Freiheiten, eine natürliche Etappe in ihren Demokratisierungsprozessen. Die NATO war auch eine Sicherheitsgarantie für die territoriale Integrität der neuen Mitglieder. So war für Rumänien die NATO-Mitgliedschaft nicht nur eine Bestätigung der Zugehörigkeit zum freien und demokratischen Westen – Werte, die Rumänien während der blutigen Revolution 1989 hart erkämpft hatte. Sie war auch eine Sicherheitsgarantie gegen mögliche wiederkehrende territoriale Ambitionen Russlands in der Region, die in der Wahrnehmung Rumäniens mit dem Interner Link: Transnistrien-Krieg signalisiert wurden. Für die baltischen Länder, die 1940 von der Sowjetunion annektiert wurden und 1990 bis 1991 ihre Unabhängigkeit und politische Selbstbestimmung wiedererlangten, war die NATO-Mitgliedschaft ebenfalls eine Sicherheitsgarantie gegen eine potenzielle zukünftige Aggression. Für die NATO, die 1990 einen institutionellen Wandel und eine strategische Neuausrichtung erfuhr, stellte die Aufnahme der neuen demokratischen Länder in Mittel- und Osteuropa die beste Option für eine stabile und prosperierende politische Ordnung auf dem europäischen Kontinent dar.

Das Verhältnis zwischen Russland und NATO nach Ende des Kalten Kriegs

Nach dem Ende des Kalten Kriegs gab es zunächst einen Annäherungsprozess zwischen der NATO und Russland und es entstand eine enge politische Koordination zwischen den beiden Akteuren. 1994 trat Russland der Partnerschaft für Frieden (Partnership for Peace, PfP) bei. 1997 wurde die NATO-Russland-Grundakte beschlossen, die zur Gründung des Ständigen Gemeinsamen NATO-Russland-Rats und später dem NATO-Russland Rat (NRR) auf dem NATO-Gipfel 2002 in Rom führte. In einem Interview im Jahr 2000 schloss der russische Präsident Wladimir Putin eine potenzielle NATO-Mitgliedschaft Russlands nicht aus.

Jedoch nahm das Verhältnis zwischen Russland und der NATO in den darauffolgenden zwei Jahrzehnten eine dramatische Wende. Nicht zuletzt durch die aggressive Außen- und Sicherheitspolitik Putins. Nach der russischen Annexion der zur Ukraine gehörenden Krim 2014 brach die NATO die praktische Zusammenarbeit mit Russland ab. Die Kommunikationsmechanismen im NRR und im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat wurden auf Botschafterebene aber beibehalten, um die Möglichkeit zum Austausch aufrechtzuerhalten. Seit 2014 hat der NRR elfmal getagt, zuletzt im Januar 2022, unmittelbar vor dem russischen Angriff auf die gesamte Ukraine. Bereits als Reaktion auf die Interner Link: Annexion der Krim und erneut nach der russischen Invasion in die Ukraine verstärkte die NATO ihre militärische Präsenz an der Ostflanke, insbesondere in den baltischen Staaten.

Die NATO während der Trump-Regierung

Während der Regierungszeit von US-Präsident Donald Trump 2017 bis 2021 durchlitt die NATO eine der größten institutionellen Krisen in ihrer Geschichte. Nach dem US-amerikanischen Rückzug aus dem Iran-Abkommen, dem Pariser Klimaabkommen und der Interner Link: UNESCO blickten die europäischen Staaten auch mit großer Sorge auf Trumps NATO-Politik. In seiner Rede zur Lage der Nation 2018 behauptete Trump, die Vereinigten Staaten würden „seit Jahren […] von der NATO sehr unfair behandelt“. In seiner Rede vom Februar 2024 in South Carolina sorgte Trump für große Aufregung, als er behauptete, NATO-Staaten nicht mehr schützen zu wollen, die mit ihren Verteidigungsausgaben unter das vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel der NATO fallen.

Trump stellte zum ersten Mal in der Geschichte der NATO die US-Unterstützung für Interner Link: Art. 5 des Interner Link: Nordatlantikvertrags in Frage. In seinen Reden im Rahmen der US-Vorwahlen 2024 behauptete Trump, dass er den Krieg in der Ukraine rasch beenden könnte. Diese Haltung ließ viele Expertinnen und Experten befürchten, dass Trump nach einer möglichen Wiederwahl als US-Präsident im November 2024 bereit sein könnte, nicht nur die Souveränität der Ukraine, sondern auch die US-Sicherheitsgarantien für Europa in Frage zu stellen.

Die USA haben durch die nukleare Teilhabe (extended deterrence) eine Sonderstelle in der NATO. Die nukleare Abschreckung stellt einen wesentlichen Teil des Schutzkonzepts gegen einen möglichen Angriff auf die NATO-Mitglieder dar. Durch die nukleare Teilhabe, an der sich auch Deutschland, die Niederlande, Türkei und Italien beteiligen, stellt die USA ihr Nukleararsenal zum Schutz aller NATO-Mitglieder zur Verfügung. Ein Rückzug der USA würde die Sicherheit Europas wesentlich gefährden, da die Nuklearwaffen Großbritanniens und Frankreichs für eine effektive Abschreckung als nicht ausreichend gelten.

Um einen möglichen Rückzug der USA aus der NATO zu erschweren, wurden in den Vereinigten Staaten unter der Administration des amtierenden US-Präsidenten Joe Biden zuletzt innenpolitische Vorkehrungen getroffen. So umfasst das Genehmigungsgesetz zur nationalen Verteidigung 2024 (National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2024) eine konkrete Einschränkung: Künftig ist der Präsident auf die Zustimmung des Senats oder des Kongresses angewiesen, um aus der NATO auszutreten. Nichtsdestotrotz könnte eine erneute Präsidentschaft Trumps wegen seiner provokativen und unberechenbaren Regierungsweise nicht nur der NATO und den transatlantischen Beziehungen, sondern auch der Sicherheit Europas schaden.

Die Norderweiterung – eine historische außenpolitische Wende für die skandinavischen Länder

Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine entschieden sich die skandinavischen Länder Finnland und Schweden, die traditionell eine Außenpolitik der Neutralität verfolgten, der NATO beizutreten. Die Debatten über einen NATO-Beitritt gab es in den beiden Staaten schon Mitte der 1990er Jahre, als diese der Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace, PfP) und der Europäischen Union beitraten. Die Unterstützung innerhalb der Bevölkerung für eine NATO-Mitgliedschaft war damals jedoch sehr gering. Die öffentliche Zustimmung für eine NATO Mitgliedschaft stieg allerdings von ca. 25 Prozent vor der Invasion auf über 70 Prozent nach Russlands Einmarschs in die Ukraine. In Schweden stieg die gesellschaftliche Unterstützung für eine NATO-Mitgliedschaft bereits nach der Annexion der Krim. Interner Link: Finnland wurde am 4. April 2023 NATO-Mitglied und will sich an der permanenten Minenräumung in der Ostsee sowie an der Luftverteidigungsmission in Rumänien und Bulgarien am Schwarzen Meer beteiligen. Schwedens Beitritt wurde vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und vom ungarischen Präsidenten Viktor Orbán verzögert. Das Land wurde erst im März 2024 offizielles NATO-Mitglied.

Wie frühere Erweiterungen erfolgte auch die Norderweiterung aus der Initiative der neu beitretenden Staaten, eine Sicherheitsgarantie und den Schutz ihrer territorialen Integrität im Falle einer Aggression zu erlangen. Denn obwohl sich die Gestalt, Bedeutung und Wirkmacht der NATO in ihrer 75-jährigen Geschichte durch interne Meinungsverschiedenheiten und politische Differenzen ihrer Mitglieder, aber auch durch historische Umbrüche und strategische Veränderungen kontinuierlich gewandelt haben: Im Kern ist und bleibt die NATO das, als was sie 1949 gegründet wurde – eine Wertegemeinschaft und kollektive Selbstverteidigungsorganisation.

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Dr. Cornelia Baciu ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft und Zentrum für Militärstudien an der Universität Kopenhagen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind internationale Sicherheitsorganisationen, Konfliktforschung und normative Dynamiken.