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Integration in Österreich: Status und Befunde | Österreich (2015) | bpb.de

Integration in Österreich: Status und Befunde

Heinz Fassmann

/ 2 Minuten zu lesen

Österreich hielt lange an der Vorstellung fest, dass die in den 1960er Jahren angeworbenen "Gastarbeiter" wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren würden. Erst um die Jahrtausendwende wurden auf Bundesebene integrationspolitische Maßnahmen ins Leben gerufen. Die gesellschaftlichen Teilhabechancen der einzelnen Zuwanderergruppen sind bis heute sehr unterschiedlich.

Unter dem Titel "Kicken für ein besseres Zusammenleben in Österreich" fand 2015, die Integrations-Fussball-WM mit einem Team der Flüchtlinge aus der Zeltstadt Salzburg (Blaue Dressen) statt. (© picture-alliance/dpa)

Das Ausmaß an Integration ist aufgrund der strukturellen Unterschiede der Interner Link: Zuwandererbevölkerung uneinheitlich. Grob zusammengefasst und anhand der gängigen Integrationsindikatoren des Integrationsmonitorings (wie z.B. Bildungsabschlüsse, Positionierung auf dem Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeits- und Armutsrisiko, Identifikation mit Österreich bzw. mit dem Herkunftsland) beurteilt, ergeben sich folgende Befunde:

Die Interner Link: Zuwanderung der "Gastarbeiter" zielte auf die Besetzung offener Stellen und niedrigqualifizierter Arbeitsplätze. Eine Konzentration der Ausländerbeschäftigung im Baugewerbe, im Tourismus, bei Dienstleistungen und in ausgewählten Industrien war die Folge. Weder die Gastarbeiter, noch deren Kinder konnten sich von dieser spezifischen Arbeitsmarktpositionierung lösen. Die niedrige Schulausbildung wurde ebenso vererbt wie das höhere Arbeitslosigkeitsrisiko, das unterdurchschnittliche Einkommen und die eher beengten Wohnverhältnisse. Trotz der teilweise beachtlich langen Aufenthaltsdauer deuten die strukturellen Indikatoren auf eine nur partiell geglückte Integration in eine österreichische Mittelschichtsgesellschaft hin. Besonders bei der Bevölkerung mit türkischem Migrationshintergrund ist die strukturelle Eingliederung weniger gut gelungen und die Identifikation mit Österreich weniger stark ausgeprägt, was zum einen Ergebnis einer gewissen Binnenorientierung an der eigenen Zuwanderungsgruppe ist, zum anderen aber auch auf integrationspolitische Versäumnisse und strukturelle Hürden (z.B. institutionelle Diskriminierung im Schulsystem) verweist.

Ganz anders ist die Situation qualifizierter Zuwanderer aus den USA, aus Kanada und aus Westeuropa. Sie sind als Manager, Techniker, Wissenschaftler oder Künstler nach Österreich gekommen und haben dort erfolgreich einen Arbeitsplatz gefunden oder wurden von ihrem Arbeitgeber dorthin entsandt (unternehmensinterne Transfers). Ihr Arbeitslosigkeitsrisiko ist gering, ihr Einkommen überdurchschnittlich hoch und ihr Sozialprestige ebenso. Sie werden im gesellschaftlichen Diskurs über Integrationsprobleme nicht beachtet, weil sie oft nicht als Zuwanderer wahrgenommen werden, obwohl sie mitunter dieselben Tendenzen zeigen, die bei der unterschichtenden Zuwanderung von Politik und Öffentlichkeit kritisiert werden: nur Kontakte innerhalb der eigenen Gruppe, Ballung in bestimmten Wohnvierteln und eine starke Bindung zum Herkunftsland.

Strukturell steht die Zuwanderung aus den neuen Mitgliedstaaten der EU im östlichen Europa zwischen der unterschichtenden "Gastarbeiterzuwanderung" und einer sozial überschichtenden Zuwanderung aus Westeuropa und Übersee. Die "neue Ost-West-Wanderung" setzt sich aus qualifizierten Arbeitskräften ebenso zusammen wie aus unqualifizierten, die zunehmend in die wirtschaftlichen Sektoren eindringen, die traditionell von den Migranten der "Gastarbeitergeneration" bedient wurden. Eine Verdrängung dieser Migranten in die Arbeitslosigkeit oder in geringer entlohnte und körperlich belastende Jobs ist erkennbar. Zuwanderer aus den neuen Mitgliedstaaten der EU weisen ein mittleres Arbeitslosigkeits- und Armutsrisiko auf. Die soziale Aufwärtsmobilität, gemessen an der Arbeitsmarktpositionierung und der Bildungsaspiration der Kinder, ist ausgesprochen stark ausgeprägt. Polnische, slowakische oder ungarische Zuwanderer finden sich in Österreich ausgesprochen gut zurecht, wie ein Blick auf Integrationsindikatoren verdeutlicht. Sie zeigen eine vergleichbar hohe Identifikation mit Österreich und sie streben danach, dass es ihren Kindern über eine höhere Schulausbildung "einmal besser gehen soll". Die Integration dieser Zuwanderergruppe kann mit Blick auf die strukturelle, kognitive, soziale und identifikatorische Dimension als mehrheitlich gelungen interpretiert werden.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Länderprofils Österreich.

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Heinz Fassmann ist Professor für Angewandte Geographie an der Universität Wien, Obmann der Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Vorsitzender des Expertenrates für Integration beim österreichischen Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres sowie Mitglied des Migrationsrates beim Bundesministerium für Inneres.