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Nationalratswahlen in der Slowakei | Hintergrund aktuell | bpb.de

Nationalratswahlen in der Slowakei

Redaktion

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Am 30. September wurde in der Slowakei ein neues Parlament gewählt. Anlass war der Bruch der Mitte-Rechts-Koalition von Ministerpräsident Eduard Heger Ende 2022.

Robert Fico, hier auf einer Pressekonferenz am 1.10.2023, hat die Wahl in der Slowakei gewonnen und wurde mit seiner Partei Smer-SD stärkste Kraft. (© picture alliance/dpa/CTK | Ondrej Deml)

Bei den Nationalratswahlen in der Slowakei wurde die linkspopulistische Partei Smer-SD stärkste Kraft. Die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Robert Fico erhielt 22,9 Prozent der Stimmen. Zweitstärkste Partei wurde die liberale Partei PS mit 18,0 Prozent, gefolgt von der sozialdemokratischen Hlas mit 14,7 Prozent. Insgesamt werden sieben Parteien, beziehungsweise Wahlbündnisse im neuen Parlament vertreten sein. Dazu gehören die Partei OL’aNO, die im bisherigen Parlament stärkste Kraft war, sowie die Parteien KDH, SaS (SASKA) und SNS. Die Wahlbeteiligung lag bei 68,5 Prozent.

Zur Bildung einer Regierung wird eine Koalition aus mindestens drei Parteien notwendig sein. Ob Fico und seiner Partei Smer-SD dies gelingt, wird von der drittstärksten Partei Hlas abhängen. Falls die Hlas kein Bündnis mit der Smer-SD eingeht, hätte die zweitstärkste Partei PS die Möglichkeit, eine Regierungskoalition zu bilden.

Wer ist derzeit in der Regierung?

Die Interner Link: slowakischen Nationalratswahlen vom 29. Februar 2020 gewann das konservative Protestbündnis „Gewöhnliche Leute und unabhängige Personen“ (Obyčajní ľudia a nezávislé osobnosti, OL‘aNO) mit 25 Prozent der Stimmen. OL’aNO bildete mit der rechtspopulistischen Partei „Wir sind eine Familie“ (Sme rodina, SR), der liberalen Partei „Freiheit und Solidarität“ (Sloboda a Solidarita, SaS) und der Mitte-Rechts-Partei „Für die Menschen“ (Za ľudí) eine Regierung.

Ministerpräsident war zunächst Igor Matovič (OL’aNO). Er musste sich bereits im Sommer 2020 einem Misstrauensvotum stellen, nachdem bekannt wurde, dass er bei seiner Diplomarbeit an der Comenius-Universität in Bratislava plagiiert hatte. Anfang 2021 gab es in der Interner Link: Koalition Kontroversen um die Corona-Politik der Regierung. Die Slowakei hatte unter Matovič große Mengen des russischen Impfstoffs "Sputnik" eingekauft. In der Folge trat Matovič Ende März 2021 als Regierungschef zurück. Sein Nachfolger als Ministerpräsident wurde Eduard Heger (OL’aNO).

Im September 2022 trat die liberale SaS aus der Koalition aus. Grund dafür war ein Konflikt mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Matovič, der weiterhin als Finanzminister der Regierung angehörte. Ministerpräsident Heger setzte nach dem Austritt von SaS seine Arbeit mit einer Minderheitsregierung fort. Am 15. Dezember 2022 wurde die Regierung schließlich durch ein Misstrauensvotum im Nationalrat gestürzt. Heger amtierte fortan nur noch als Chef einer Interimsregierung. Anfang 2023 scheiterte eine Volksabstimmung zur Änderung der Verfassung. Vorgesehen war die Ergänzung eines Passus, der vorgezogene Neuwahlen möglich machen sollte. Daraufhin stimmte das Parlament am 25. Januar 2023 über die Verfassungsreform ab und verabschiedete sie mit der nötigen Drei-Fünftel-Mehrheit. Der Weg für Neuwahlen war damit frei.

Aufgrund von Unstimmigkeiten mit Staatspräsidentin Interner Link: Zuzana Čaputová trat Interims-Ministerpräsident Heger am 7. Mai 2023 von seinem Amt zurück. Čaputová berief eine Expertenregierung unter der Führung des stellvertretenden Nationalbankchefs Ľudovít Ódor ein, die bis zur Bildung einer neuen Regierung nach der Nationalratswahl am 30. September 2023 die Geschäfte führte.

Wahlsystem der SlowakeiWie wird gewählt?

Der Slowakische Nationalrat ist ein Interner Link: Einkammerparlament und wird auf vier Jahre gewählt. Das Wahlalter liegt bei 18 Jahren, das passive Wahlrecht gilt für alle Bürgerinnen und Bürger, die das 21. Lebensjahr vollendet haben. Die Listen der Kandidaten müssen von den Parteien bis spätestens 90 Tage vor der Wahl eingereicht werden. Der Nationalrat hat 150 Sitze, die per Verhältniswahlrecht vergeben werden. Um in den Nationalrat einziehen zu dürfen, müssen Parteien mindestens fünf Prozent der Stimmen erhalten, Wahlbündnisse mindestens sieben Prozent.

Dem Amt des Staatspräsidenten kommt in der Interner Link: Slowakei eine verhältnismäßig große politische Bedeutung zu. Er ernennt beispielsweise den Regierungschef, die Minister und den Vorsitzenden des Verfassungsgerichtes. Der Nationalrat muss ebenfalls der neuen Regierung sein Vertrauen aussprechen. Mitglieder der Regierung müssen während ihrer Amtszeit ihr Abgeordnetenmandat ruhen lassen. Die Amtszeit endet mit der Wahl einer Nachfolgeregierung oder mit einem Interner Link: Misstrauensvotum im Parlament.

Wer stand zur Wahl?

Insgesamt traten25 Parteien und Wahlbündnisse zur Wahl an. Wichtigste Interner Link: Oppositionspartei war die Partei „Richtung“ (Smer – slovenská sociálna demokracia, Smer-SD), die formell sozialdemokratisch ist, faktisch aber eine populistische und russlandfreundliche Politik vertritt. Spitzenkandidat war der langjährige frühere Ministerpräsident Robert Fico. Fico trat 2018 nach den Auftragsmorden an dem Journalisten Ján Kuciak und dessen Verlobter zurück. Kuciak hatte über Korruptionsnetzwerke recherchiert, die bis in die Regierungsebene reichten. Die Empörung über seine Ermordung und die Rolle der Regierung lösten damals Massenproteste aus.

Von der Smer-SD hatte sich ein neues sozialdemokratisches Wahlbündnis abgespalten, „Stimme“ (Hlas), das mit dem Spitzenkandidaten Peter Pellegrini ins Rennen ging. Pellegrini übernahm 2018 nach Ficos Rücktritt das Amt des Ministerpräsidenten. Ein liberales Programm vertrat die Partei „Progressive Slowakei“ (Progresívne Slowensko, PS). OL’aNO trat dieses Mal als Wahlbündnis mit mehreren Kleinparteien an. Die SaS firmierte unter dem Kürzel SASKA, ihr Spitzenkandidat war Richard Sulík.

Neben konservativen Parteien traten auch mehrere Parteien an, die dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind. Hierzu gehören die „Slowakische Nationalpartei“ (Slovenská národná strana, SNS), die „Kotlebianer – Volkspartei Unsere Slowakei“ (Kotlebovci – Ľudová strana Naše Slovensko , L’SNS) und die „Bewegung Republika“ (Hnutie Republika).

Was waren die Themen des Wahlkampfes?

Der Wahlkampf in der Slowakei war von stark gegensätzlichen Positionen geprägt. Die bisherige Regierung gehörte zu den verlässlichsten Unterstützern des Nachbarlandes Ukraine nach Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022. Der ehemalige Ministerpräsident Fico versuchte dagegen mit russlandfreundlichen Positionen zu punkten. Er lehnt weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ab und machte sich die Sichtweise der russischen Regierung zu eigen, wonach angeblich ukrainische "Faschisten" vor der Invasion angefangen hätten, russische Bürger auf ukrainischem Staatsgebiet zu töten. Die EU, so Fico, bewege sich vollkommen „in den Spuren der USA“. Auch die gestiegene Inflation war ein Thema in Ficos Kampagne, die Partei Smer-SD forderte Preisobergrenzen.

Staatspräsidentin Čaputová war wiederholt Ziel von Angriffen der Smer-SD, sie wurde unter anderem als „amerikanische Agentin“ bezeichnet. Čaputová selbst hatte Fico wegen „grober Lügen“ verklagt.

Mit Wahlplakaten warben die Parteien in der slowakischen Stadt Košice um Stimmen. Die Nationalratswahl fand in der Slowakei am 30. September statt. (© picture-alliance/dpa)

Die Smer-SD ist nicht die einzige Partei, die die Politik des Landes im Ukraine-Krieg verändern möchte. Nur vier der sieben Parteien, die ins Parlament eingezogen sind, unterstützen laut dem europäischen Mediennetzwerk Euraktiv die Sanktionen gegen Russland. Themen des Wahlkampfes waren darüber hinaus der Kampf gegen Korruption, eine Verbesserung des Gesundheitssystems, die Einführung der Vier-Tage-Woche sowie die Diskussion über Sozialprogramme, wie beispielsweise eine Verlängerung des Kindergeldes. Einigkeit besand weitgehend über den Ausbau der Atomenergie: Die meisten Parteien waren dafür, neue Atomkraftwerke zu bauen. Die PS trat mit einem Wahlprogramm an, mit dem sie das Abtreibungsgesetz liberalisieren, Menstruationsurlaub ermöglichen und die Ehe für alle einführen wollte. Konservative und rechte Parteien lehnen das ab und warben mit homophoben Aussagen und Kampagnen um Stimmen.

Begleitet wurde der Wahlkämpf von mehreren Festnahmen ranghoher Mitglieder der Polizei und des Sicherheitsapparates. Ihnen werden Amtsmissbrauch, Justizbehinderung und die Beteiligung an einer kriminellen Verschwörung vorgeworfen. Der ehemalige Ministerpräsident Fico bezeichnete die Festnahmen als Putsch, der von der Präsidentin unterstützt werde.

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