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Internationaler Tag für die Beseitigung der Armut | Hintergrund aktuell | bpb.de

Internationaler Tag für die Beseitigung der Armut

Redaktion

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Am 17. Oktober ist der internationale Tag für die Beseitigung der Armut. Viele Jahre erzielte die Weltgemeinschaft Fortschritte im Kampf gegen Armut – doch die wirtschaftlichen Folgen von Corona und der Ukrainekrieg machten diese vielerorts zunichte.

Ein obdachloser Mensch schläft auf einer Bank in der bangladeschischen Stadt Barishal. Aufgenommen wurde das Bild im Corona-Lockdown im Juli 2021. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | Mustasinur Rahman Alvi)

Weltweit setzen sich viele Organisationen für die Belange armer Menschen ein. In diesem Zusammenhang entstand auch der Tag für die Beseitigung der Armut. Der Aktionstag geht auf den 17. Oktober 1987 zurück, als sich mehr als 100.000 Menschen in Paris öffentlich mit den Betroffenen von Armut solidarisierten. Am 22. Dezember 1992 erklärte die Interner Link: UN-Generalversammlung den 17. Oktober zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut, vor 30 Jahren wurde er das erste Mal begangen.

Seit Ende des Interner Link: Kalten Kriegs ist die Interner Link: Weltbevölkerung stark gewachsen: seit 1990 stieg sie von 5,3 Milliarden Menschen auf etwa 8 Milliarden. Dennoch sank die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, laut Interner Link: Weltbank rund drei Jahrzehnte lang – von etwa 1,9 Milliarden im Jahr 1990 auf knapp 650 Millionen. „Dieser Trend wurde jedoch im Jahr 2020 unterbrochen“, heißt es in einer Analyse der Weltbank von Ende 2022. Ursache sei die Interner Link: Coronakrise und deren Folgen für die Weltwirtschaft.

Aktionstag 2023

In diesem Jahr steht der Aktionstag unter dem Motto „Menschenwürdige Arbeit und Soziale Sicherung: Würde für alle in die Praxis umsetzen“. Hintergrund hierfür ist laut Vereinten Nationen, dass Menschen, die in extremer Armut leben, oft in irregulären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten müssen und um ihre Arbeitnehmerrechte gebracht werden. Im Jahr 2020 hat nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) weltweit mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer keinerlei Sozialschutzleistung genossen.

Absolute und relative Armut

Grundsätzlich unterscheidet die Armutsforschung zwischen absoluter und relativer Armut. Als absolute Armut ist dabei ein Zustand definiert, in dem ein Mensch seine wirtschaftlichen und sozialen Grundbedürfnisse nicht befriedigen kann und unter dem Existenzminimum lebt. Laut Definition der Weltbank sind Menschen extrem arm, wenn sie weniger als 2,15 Dollar pro Tag zur Verfügung haben.

Relative Armut beschreibt hingegen Armut im Verhältnis zum jeweiligen gesellschaftlichen Wohlstandsniveau eines Landes: Demnach zählt jemand dann als relativ arm, wenn sein Einkommen deutlich unter dem nationalen Durchschnittseinkommen liegt und der betroffenen Person dadurch die sozioökonomische sowie soziokulturelle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt ist.

Weltbank: Extreme Armut hat durch Corona zugenommen

Die Zahl der Menschen in extremer Armut stieg den Schätzungen der Weltbank im Lauf des Jahres 2020 von gut 650 um 70 Millionen auf fast 720 Millionen Menschen an. Die ärmsten Menschen der Welt hätten durch die Pandemie die empfindlichsten Einbußen hinnehmen müssen, so die Weltbank. Ihre Einkommensverluste waren ihr zufolge "doppelt so hoch wie die der Reichsten der Welt". Für die Ärmsten habe sich durch Corona auch die Situation bei Bildung und Gesundheit enorm verschlechtert. Bis Ende 2022 sank die Zahl der extrem armen Menschen dann wieder auf maximal 685 Millionen. "Steigende Lebensmittel- und Energiepreise – teilweise angeheizt durch den Interner Link: Krieg in der Ukraine sowie Interner Link: Klimaschocks und Interner Link: Konflikte – haben eine rasche Erholung behindert", stellte die Weltbank Ende 2022 fest.

Viele Staaten in der Schuldenfalle

Besonders betroffen von extremer Armut sind diverse afrikanische Staaten südlich der Sahara-Zone. In vielen Ländern des Globalen Südens stiegen während der Coronakrise die Schuldenstände stark an, was auch angesichts gestiegener Zinsen zu höheren Belastungen für die ohnehin schon armen Staaten führte. Zudem sind diese Staaten oft von Getreideimporten aus Russland und der Ukraine abhängig. Durch die unsichere Versorgungslage mit Lebensmitteln verschärfte sich die Situation noch. Nach Berechnungen der Interner Link: Welternährungsorganisation waren 2022 zwischen 80 und 170 Millionen Menschen mehr von Hunger betroffen als 2019.

Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt von weniger als 7 Dollar pro Tag

Das Ziel der Interner Link: Vereinten Nationen, die extreme Armut dauerhaft zu beseitigen, scheint derzeit in weiter Ferne. Ende 2022 ging die Weltbank davon aus, dass auch noch im Jahr 2030 mehr als eine halbe Milliarde Menschen in absoluter Armut leben werden. Zwar sank in den vergangenen Jahrzehnten die Zahl derer, die kurz vor dem Verhungern stehen. Doch lebt laut Weltbank knapp die Hälfte der Weltbevölkerung von weniger als 6,85 US-Dollar am Tag.

Deutschland: Armutsgefährdungsquote stagniert

In Deutschland muss im Regelfall niemand hungern. Hierzulande wird deshalb die relative Armut erfasst. Eine Person gilt nach der EU-Definition als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Im vergangenen Jahr lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 15.000 Euro netto im Jahr. Laut Statistischem Bundesamt waren im vergangenen Jahr demnach 14,7 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht.

Im Vergleich zu 2021 (16 Prozent) fiel die Quote im vergangenen Jahr damit geringer aus. Die Armutsgefährdungsquote bewegt sich in der Bundesrepublik seit längerem auf einem ähnlichen Niveau: seit 2008 lagen die Werte immer zwischen ca. 15 und 17 Prozent. Besonders betroffen sind ältere Menschen: bei Personen ab 65 Jahren lag die Armutsgefährdungsquote 2022 mit 18,3 Prozent fast vier Prozentpunkte höher als bei der Gesamtbevölkerung.

Eine besondere Belastung für viele Menschen mit geringem Einkommen stellen die seit dem Ukrainekrieg stark gestiegenen Preise für Nahrungsmittel und Energie dar, da diese einen größeren Anteil ihres Einkommens für diese Produkte aufwenden müssen. Einer Berechnung der Europäischen Kommission zufolge ist die Ausgabenbelastung der ärmsten zehn Prozent in Deutschland deutlich stärker gestiegen als die der reichsten zehn Prozent. Auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft konstatierte 2022 eine Zunahme der Energiearmut bis hin in die untere Mittelschicht. In einer Mitteilung aus dem August 2023 warnte das Institut allerdings, dass aufgrund fehlender Daten noch keine endgültigen Aussagen über die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs möglich seien.

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit seiner Armutsgefährdungsquote im unteren Mittelfeld. Am höchsten ist die Quote in Bulgarien, dem Baltikum und Rumänien. Besonders niedrige Werte weisen hingegen Tschechien, Slowenien und Ungarn auf.

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