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Präsidentschaftswahl in Ägypten | Hintergrund aktuell | bpb.de

Präsidentschaftswahl in Ägypten

Redaktion

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Ägypten wählt vom 10. bis zum 12. Dezember ein neues Staatsoberhaupt. Die Wiederwahl von Abdel Fattah al-Sisi gilt als ausgemacht – auch weil die Opposition unterdrückt wird.

Der ägyptische Präsident Abdel-Fattah al-Sisi während einer Rede in Kairo am 2. Oktober 2023, in der er ankündigt, dass er bei den Präsidentschaftswahlen vom 10.-12. Dezember für eine dritte Amtszeit kandidieren wird. (© picture-alliance, AA | Presidency of Egypt / Handout)

Vom 10. bis 12. Dezember finden in Ägypten vorgezogene Präsidentschaftswahlen statt, die laut Verfassung erst Monate später anstünden. Beobachtern zufolge will Präsident Abdel Fattah al-Sisi mit dem früheren Termin einer wachsenden Unzufriedenheit angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage entgegnen: die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 40, die Interner Link: Inflation bei 20 Prozent. Mit jedem Monat verliert das Ägyptische Pfund weiter an Wert.

Wer regiert derzeit?

2013 hat eine Militärjunta unter dem früheren Militärchef Abdel Fattah al-Sisi den demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi abgesetzt, der die Interner Link: Präsidentschaftswahl 2012 als Kandidat der von der Muslimbruderschaft gegründeten Freiheits- und Gerechtigkeitspartei gewonnen hatte.

Ein Jahr später, bei der Präsidentschaftswahl 2014, siegte al-Sisi, der mittlerweile von allen Ämtern im Militär zurückgetreten war, offiziell mit 96,9 Prozent der Stimmen. Allerdings kam es vor und während der Wahlen zu Unregelmäßigkeiten: Gegenkandidaten oder Oppositionelle wurden unter Druck gesetzt oder verhaftet, ohne lange Vorankündigung wurde ein weiterer Wahltag angesetzt. Auch bei den Präsidentschaftswahlen 2018 erreichte al-Sisi etwa 97 Prozent der Stimmen – laut Beobachtern unter ähnlich repressiven Bedingungen.

2019 wurde mit einem Referendum eine umfassende Interner Link: Verfassungsänderung durchgesetzt, der laut offiziellen Angaben 88,8 Prozent der Wähler zustimmten. Dabei wurde u.a. die Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängert. Zudem wurde ein Senat, eine zweite Parlamentskammer, eingeführt, dessen Abgeordnete zu einem Drittel durch den Präsidenten bestimmt werden. Darüber hinaus wurde auch der Einfluss des Präsidenten auf die Justiz erweitert, in dem er dem Hohen Justizrat vorsitzt und den Generalstaatsanwalt sowie den Vorsitzenden des Obersten Verfassungsgerichts ernennt. Auch die Rolle des Militärs wurde bei dieser Verfassungsänderung weiter gestärkt und ausgebaut, um „die Verfassung und die Demokratie zu schützen“.

Wie wird gewählt?

Die ägyptische Präsidentschaftswahl findet vom 10. bis zum 12. Dezember 2023 statt. Ägyptische Wähler im Ausland hatten bereits vom 1. bis zum 3. Dezember die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Gewonnen hat ein Kandidat, wenn er die Interner Link: absolute Mehrheit der Stimmen erzielt. Das Ergebnis soll am 18.12. bekanntgegeben werden. Sollte kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können, wird es vom 8. bis zum 10. Januar 2024 eine Interner Link: Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten geben.

Kandidaten müssen von mindestens 20 Parlamentsmitgliedern unterstützt werden oder mindestens 25.000 Unterschriften von wahlberechtigten Bürgern aus 15 verschiedenen Regionen des Landes sammeln.

Wer tritt zur Wahl an?

Trotz der Begrenzung auf zwei Amtszeiten darf Präsident al-Sisi ein drittes Mal kandidieren, weil für ihn mit der Verfassungsänderung eine Ausnahme geschaffen wurde. Neben al-Sisi treten drei Kandidaten zur Wahl an: Farid Zahran von der „Ägyptischen Sozialdemokratischen Partei“, Hazem Omar von der „Republikanischen Volkspartei“ und Abdel-Sanad Yamama von der nationalliberalen „Wafd“-Partei („Neue Delegationspartei“). Den Herausforderern werden jedoch laut Umfragen kaum Chancen auf einen Wahlsieg eingeräumt.

Eine Kandidatur von Ahmed Tantawi von der linken „Partei der Würde“ hätte möglicherweise eine Chance darauf eröffnet, den allumfassenden Machtanspruch des autoritär herrschenden Präsidenten al-Sisi infrage zu stellen. Tantawi ist erst 44 Jahre alt und gehörte zu den wenigen Parlamentsmitgliedern, die sich der Verfassungsreform von 2019 entgegenstellten. Tantawis Versuche, bis Mitte Oktober die notwendigen Unterstützer-Unterschriften zu sammeln, scheiterten, nachdem seine Anhänger massiv eingeschüchtert wurden. So veröffentlichte Tantawi eine Woche später eine Liste mit 128 Mitgliedern seiner Kampagne, die in den Monaten zuvor verhaftet worden seien. Nun geht mittlerweile die ägyptische Justiz gegen Tantawi selbst vor: Am 28. November eröffnete sie ein Strafverfahren gegen den Politiker wegen unerlaubter Verbreitung von Wahlmaterialien.

Die einzige weibliche Kandidatin, Gameela Ismail, zog sich am 11. Oktober aus dem Präsidentschaftsrennen zurück. Die Politikerin war eine wichtige Figur beim sog. Ägyptischen Frühling, dem Aufstand 2011, der zum Sturz des langjährigen Ex-Präsidenten Hosni Mubarak führte. Ismails Kandidatur scheiterte an mangelnder Unterstützung aus ihrer eigenen Partei.

Amnesty International geht davon aus, dass seit dem 1. Oktober 2023 mindestens 196 Personen wegen der Teilnahme an nicht genehmigten Protesten oder der Verbreitung „falscher Nachrichten“ von den ägyptischen Behörden inhaftiert wurden.

Welche Themen sind in Ägypten gerade besonders aktuell?

Ägypten befindet sich seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise. Das Ägyptische Pfund wurde gegenüber dem Dollar seit 2016 mehrfach abgewertet. Vor etwa 15 Jahren war ein Dollar noch fünf Ägyptische Pfund wert, heute liegt der Kurs bei knapp 1:31. Für das Jahr 2023 könnte die Inflationsrate laut Interner Link: Internationalem Währungsfonds (IWF) bei über 20 Prozent liegen, mit tendenziell weiter steigender Tendenz. Besonders betroffen sind die Lebensmittelpreise. Durch den Interner Link: russischen Angriffskrieg in der Ukraine sind die Weizenpreise stark gestiegen, was zu einer starken Erhöhung der Brotpreise führte. Ein Großteil der Bevölkerung erhält allerdings subventioniertes Brot. Zuletzt sind zudem die Zuckerpreise stark angestiegen.

Hinzu kommt die hohe Staatsverschuldung: im vergangenen Jahr musste Ägypten einen Hilfskredit beim IWF in Höhe von etwa drei Milliarden Dollar beantragen. Derzeit berät der IWF – auch vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges – über weitere Hilfen.

Auch der Gaza-Krieg spielt eine Rolle im aktuellen Wahlkampf. Ägypten hat eine schmale gemeinsame Grenze mit dem Gaza-Streifen. Über den Grenzübergang Rafah werden unter anderem Hilfslieferungen abgewickelt. In Krankenhäusern auf der Halbinsel Sinai werden verletzte Palästinenser versorgt. Außerdem bemüht sich Ägypten auf diplomatischer Ebene um Vermittlung. So wurde der Waffenstillstand Ende November, bei dem israelische Geiseln gegen inhaftierte palästinensische Straftäter ausgetauscht wurden, unter der Regie von Ägypten und Katar verhandelt. Gleichzeitig sorgt der Konflikt für innenpolitische Unruhe: Bei pro-palästinensischen Demonstrationen wurde dabei auch Protest gegen die eigene politische Führung laut.

Wer könnte die Wahl gewinnen?

Abdel Fattah al-Sisi tritt ohne nennenswerte Herausforderer an. Es ist wahrscheinlich, dass er an seine Wahlergebnisse von 2014 und 2018 mit offiziell jeweils ca. 97 Prozent Zustimmung anknüpfen kann. Relevant dürfte eher die Wahlbeteiligung sein. Bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen hat weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Sollte die Wahlbeteiligung noch weiter sinken, könnte dies als Indiz für die mangelnde Unterstützung des autoritär herrschenden Präsidenten gewertet werden.

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