Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Bürgerkrieg im Sudan | Hintergrund aktuell | bpb.de

Bürgerkrieg im Sudan

Redaktion

/ 2 Minuten zu lesen

Seit einem Jahr führt das sudanesische Militär gegen die paramilitärische Miliz RSF Krieg. Millionen von Menschen sind auf der Flucht. Es zeichnet sich eine humanitäre Katastrophe ab.

Eine Frau aus dem Sudan zieht ihren Koffer durch ein Transitlager in der südsudanesischen Grenzstadt Renk. Seit Beginn des Bürgerkrieges im April 2023 sind fast zwei Millionen Sudanesinnen und Sudanesen aus dem Land geflohen. (© picture-alliance/dpa)

Im Sudan kämpfen seit April 2023 Armeeeinheiten des sudanesischen Militärs (Sudanese Armed Forces, SAF) und die sogenannten schnellen Eingreiftruppen (Rapid Support Forces, RSF) in einem Bürgerkrieg gegeneinander. Mehrere bereits ausgehandelte Waffenruhen wurden wiederholt von beiden Seiten gebrochen. Mittlerweile zeichnet sich für den drittgrößten Flächenstaat des afrikanischen Kontinents eine humanitäre Katastrophe ab.

Humanitäre Lage im Sudan

Fast 25 Millionen Menschen sind nach Angaben von Expertinnen und Experten der Vereinten Nationen (United Nations, UN) im Sudan auf humanitäre Hilfe angewiesen. Etwa 17,7 Millionen Menschen sind von akutem Hunger bedroht, wie die Initiative „Integrated Food Security Phase Classification“ (IPC) warnt.

Aufgrund des Bürgerkrieges sind seit April 2023 zudem Millionen Menschen auf der Flucht. Nach Angaben der UN-Organisation für Migration (International Organization for Migration, IOM) suchen 6,5 Millionen Menschen Schutz in anderen Teilen des Landes. Außerdem registrierte die IOM fast zwei Millionen Grenzübertritte in die Nachbarstaaten, darunter vor allem nach Ägypten, in den Tschad und Südsudan.

Laut Informationen der UN wurden seit Beginn des Krieges mindestens 13.000 Menschen getötet. In den internationalen Medien findet der Konflikt jedoch wenig Beachtung. Auch die internationale Gemeinschaft vernachlässige den Krieg, sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk. Er bezeichnete den Umgang mit dem Bürgerkrieg und der humanitären Lage im Sudan als „globale Amnesie“.

Hintergründe des Bürgerkrieges

Hintergrund der militärischen Auseinandersetzung ist ein Machtkampf zwischen dem Oberbefehlshaber der sudanesischen Armee (SAF) und de-Facto Präsident General Interner Link: Abdel Fattah al-Burhan und dem Anführer der paramilitärischen Miliz RSF Mohammed Hamdan Daglo, auch „Hemeti“ genannt. Die RSF wurde 2013 vom Langzeitdiktator Omar al-Baschir gegründet, unter anderem um Macht und Kompetenzen in al-Baschirs Regime auszubalancieren. Nach Massenprotesten gegen das Militärregime wurde al-Baschir im April 2019 durch einen Militärputsch abgesetzt. In der Übergangsregierung unter Premier Abdalla Hamdok behielten die beiden Generäle Burhan (SAF) und Hemeti (RSF) unter anderem die Kompetenz für Sicherheitsfragen im nationalen Souveränitätsrat.

Eigentlich sollte die Übergangsregierung aus Militärs und ziviler Opposition den Weg zu demokratischen Wahlen und einer Zivilregierung ebnen. Das Militär putschte unter Führung von Burhan im Oktober 2021 jedoch erneut, löste die Übergangsregierung auf und besetzte den Übergangsrat ohne zivile Beteiligung neu. Über die Zeit verschärften sich die Machtkämpfe der beiden Generäle. Zentral war dabei die Frage, auf welche Weise die RSF in die sudanesische Armee integriert werden sollten. Dieser Konflikt eskalierte am 15. April 2023 und löste den gegenwärtigen Krieg aus.

Die Kriegsparteien SAF und RSF

Die sudanesische Armee (Sudanese Armed Forces, SAF) ist die offizielle Militäreinheit des Sudan. Abdel Fattah al-Burhan ist ihr Oberbefehlshaber. Die SAF verfügt über eine Armee, Marine und Luftwaffe. Waffenlieferungen kamen vor allem aus China, der Ukraine und Russland, zuletzt auch aus Belarus . Zudem besitzt der Sudan eine der größten Rüstungsindustrien Afrikas.

Die Rapid Support Forces (RSF) sind eine paramilitärische Miliz, die 2013 von Langzeitdiktator Omar al-Baschir gegründet wurde. Von Beginn an war Mohammed Hamdan Daglo, auch „Hemeti“ genannt, ihr Befehlshaber. Eingesetzt wurden die RSF vor allem, um den Widerstand gegen Baschirs Regime in der westlichen Region Darfur niederzuschlagen. Zudem wirkte die RSF im Sicherheitssektor als Gegengewicht zur offiziellen Armee.

Beide Kriegsparteien verletzen nach dem Bericht des UN-Hochkommissars für Menschenrechte humanitäres Recht und Menschenrechte im Krieg. Außerdem machen Organisationen wie Human Rights Watch Hemeti und die RSF für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit verantwortlich. Sie sollen seit 2014 in Darfur außergerichtliche Tötungen, Massenvergewaltigungen, Folter und Plünderungen begangen haben.

Unterstützer der Kriegsparteien

Die RSF scheinen im aktuellen Bürgerkrieg von der russischen Wagner-Gruppe unterstützt zu werden. Auch Libyen und der Südsudan sollen die RSF unterstützen. Die Miliz verfügt in der Region über starke Netzwerke, über die Waffen ins Land geschmuggelt werden.

Länder wie Ägypten, die Türkei und Saudi-Arabien haben sich hingegen auf die Seite der sudanesischen Armee gestellt. Beiden Konfliktparteien haben sich zudem regionale Milizen angeschlossen. Dies bestärkt Konflikte und Machtkämpfe in anderen Teilen des Landes.

Chronologie des Krieges

15. April 2023: In der Hauptstadt Khartum brechen schwere Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und der RSF aus. Auch in anderen Regionen des Landes gibt es bewaffnete Auseinandersetzungen, so zum Beispiel in Nyala, der Hauptstadt der Region Dschanub-Darfur.

11. Mai 2023: Der Menschenrechtsrat der UN fordert in einer Resolution alle Konfliktparteien zu einer Einstellung der Feindseligkeiten auf. Auf Vermittlung der Regierungen der USA und Saudi-Arabiens wird am gleichen Tag der Vertrag von Dschidda vereinbart. Er soll nach seinem Inkrafttreten am 22. Mai den Schutz der Zivilbevölkerung sichern und den Weg für Verhandlungen über eine humanitäre Feuerpause freimachen. Die Kämpfe gingen jedoch trotzdem weiter.

29. August 2023: Der sudanesische Militärherrscher al-Burhan unternimmt erstmals seit Ausbruch des Krieges eine Reise ins Ausland. In Kairo trifft er den ägyptischen Militärdiktator Abdel Fattah al-Sisi. Anschließend bereist er weitere Länder. Ende September 2023 spricht er vor der UN-Generalversammlung und fordert die Mitglieder auf, die RSF als terroristische Vereinigung einzustufen.

Ende Oktober 2023: Die RSF nimmt die Regionalhauptstadt Nyala des Bundestaates Dschanub Darfur ein. Kurze Zeit später erobert die RSF auch Zalingei, die Hauptstadt von Zentral-Darfur, und Al-Dschunaina, die Hauptstadt von West-Darfur. Truppen der sudanesischen Armee fliehen vor den vorrückenden RSF-Einheiten.

November 2023: Nachdem die RSF ihre Positionen in Darfur gesichert hat, greift sie Ziele in der Provinz Nord-Kurdufan an. Auch weite Teile der Hauptstadt Khartum sind unter der Kontrolle der Miliz.

1. Dezember 2023: Der UN-Sicherheitsrat beschließt das Ende der Stabilisierungsmission UNITAMS im Sudan, die den Übergang zu einer demokratischen Regierung begleiten sollte.

18. Dezember 2023: Die RSF nehmen Wad Madani ein, die Hauptstadt der Region al-Dschazira.

Februar 2024: Die sudanesische Armee durchbricht die Belagerung der Stadt Omdurman am Nil nahe der Hauptstadt Khartum. Es ist der erste Offensiverfolg der sudanesischen Armee in diesem Krieg.

8. März 2024: Der Weltsicherheitsrat der UN fordert eine sofortige Waffenruhe während des Fastenmonats Ramadan. Die sudanesische Armee lehnt diese ab.

Rückschlag für Demokratiebewegung

Der Sudan war bis 1956 eine britische Kolonie. Danach brachen immer wieder Bürgerkriege aus. Für internationale Schlagzeilen sorgte vor allem der Interner Link: Darfur-Konflikt, der 2003 begann. In den Regionen Darfurs kämpften Rebellengruppen gegen Milizen der sudanesischen Armee. Nach UN-Schätzungen starben 300.000 Menschen innerhalb von zwei Jahren in dem Konflikt, 2,5 Millionen wurden vertrieben.

2011 spaltete sich der Südsudan als eigenständiges Land ab. Massenproteste und ein Militärputsch Interner Link: stürzten im Sudan 2019 Diktator Omar al-Baschir, der das Land 26 Jahre diktatorisch regiert hatte. Das Land erlebte anschließend eine kurze Phase der Hoffnung. Organisationen der Zivilgesellschaft sowie zahlreiche Sudanesinnen und Sudanesen lehnen die Militärherrschaft ab. Sie forderten eine zivile Regierung und eine Demokratisierung des Landes – und konnten einige Erfolge erzielen: So wurden Interner Link: die Scharia abgeschafft und die Rechte religiöser Minderheiten gestärkt. Auch hinsichtlich der Pressefreiheit gab es leichte Verbesserungen. Zudem wurden die Gewerkschaften sowie die Frauenrechte in dieser Zeit gestärkt. De facto blieben allerdings stets die Armee und andere bewaffnete Gruppierungen einflussreiche Akteure.

Mehr zum Thema

Weitere Inhalte

„Hintergrund Aktuell“ ist ein Angebot der Onlineredaktion der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Es wird von den Redakteur/-innen und Volontär/-innen der Onlineredaktion der bpb redaktionell verantwortet und seit 2017 zusammen mit dem Südpol-Redaktionsbüro Köster & Vierecke erstellt.

Interner Link: Mehr Informationen zur Redaktion von "Hintergrund aktuell"