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FAQ: Was ist ein Streik?

Redaktion

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In Deutschland wurde zuletzt oft gestreikt. Doch wie ist das Streikrecht gesetzlich geregelt? Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Arbeitskampf.

Ein Schild mit der Aufschrift „Warnstreik!“ hängt im Terminal 1 des Flughafen Hamburg. (© picture-alliance/dpa, Marcus Brandt)

Wie kommt es zum Streik?

Tarifverhandlungen beginnen damit, dass die Verhandlungsführer der Interner Link: Arbeitgeber und der gewerkschaftlich organisierten Interner Link: Arbeitnehmer (Tarifparteien) die Höhe von Löhnen und Gehältern sowie Arbeitsbedingungen, wie etwa Arbeitszeiten, verhandeln und diese dann in Interner Link: Tarifverträgen festschreiben. Dies geschieht frei von staatlichen Eingriffen (Interner Link: Tarifautonomie). Wenn Arbeitgeber und Interner Link: Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen nicht zur Einigung kommen, können die Tarifparteien die Verhandlungen als gescheitert erklären. Nun ist es zur Durchsetzung der eigenen Interessen möglich, den Arbeitskampf mit zeitlich befristeten oder gar unbefristeten Arbeitsniederlegungen auszurufen.

Manchmal rufen Gewerkschaften auch bereits während laufender Tarifverhandlungen zu sogenannten Warnstreiks auf, um die Entschlossenheit der Arbeitnehmervertreter deutlich zu machen – etwa wenn sie den Eindruck haben, dass die Angebote der Gegenseite eine baldige Einigung unwahrscheinlich erscheinen lassen. Mitunter rufen Gewerkschaften auch zum Interner Link: Streik auf, um Stellenstreichungen zu verhindern und/oder Sozialtarifverträge durchzusetzen, die möglichen Nachteile aus Betriebsveränderungen wie etwa Standortschließungen ausgleichen oder abmildern sollen.

Was ist ein Streik?

Von einem Streik spricht man, wenn die Belegschaft als Ganze oder in Teilen ihre Arbeit niederlegt – dies kann einzelne Betriebe oder ganze Branchen betreffen. Streik ist in Deutschland ein gesetzlich zulässiges Arbeitskampfmittel der Gewerkschaften zur Durchsetzung arbeitsrechtlicher Forderungen. Dieser muss allerdings von Gewerkschaften organsiert sein. Streiks hingegen, die nicht von einer Gewerkschaft getragen werden (sogenannte wilde Streiks), sind in Deutschland nicht erlaubt. Indem möglichst viele Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung verweigern, versucht eine Gewerkschaft einen Arbeitgeberverband oder einen einzelnen Betrieb zu Zugeständnissen in Tarifverhandlungen zu bewegen. Die Arbeitnehmerseite darf in laufenden Tarifkonflikten kollektiv oder teilweise die Arbeitsleistung verweigern. Andernfalls könnten Unternehmen die Arbeitskonditionen ohne Berücksichtigung der Belegschaftsinteressen vorgeben.

Während des Streiks muss der Arbeitgeber die Mitarbeiter nicht entlohnen. Die Gewerkschaft zahlt ihren Mitgliedern Streikgeld, das aus ihren Mitgliederbeiträgen bestritten wird. Firmen dürfen Mitarbeiter für die Teilnahme an legalen Streiks weder abmahnen noch kündigen. Arbeitgeber können sich gegen Streiks jedoch wehren, indem sie arbeitswillige Mitarbeiter aussperren – dies kann für die Gewerkschaften die Kosten eines Streiks erhöhen oder den Unmut nicht organisierter Mitarbeiter auf eine Gewerkschaft zur Folge haben. Aussperrungen sind hierzulande aber selten. Unternehmen und Arbeitgeberverbände können zudem gegen einen Streik klagen, wenn sie ihn im Lichte seiner Auswirkungen und/oder angesichts des Stands der Tarifverhandlungen für unverhältnismäßig halten.

Wer darf mit welchem Ziel streiken?

Ein Arbeitskampf ist in Deutschland nur rechtens, wenn eine Gewerkschaft zu ihm aufgerufen hat, diesen organisiert und leitet. Auch Arbeitnehmer, die nicht in einer Gewerkschaft sind, dürfen an einem solchen Streik teilnehmen. Sie bekommen jedoch kein Streikgeld. Ein Arbeitskampf muss immer ein Ziel haben: einen Tarifvertrag abzuschließen oder abzuändern. Streiks, die einem anderen Zweck dienen oder sich an Dritte richten, sind unzulässig. So dürfen Gewerkschaften hierzulande nicht versuchen, mit Arbeitsniederlegungen eine Regierung unter Druck zu setzen. Interner Link: „Politische Streiks“ sind nicht erlaubt, auch wenn es solche in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder einmal gegeben hat.

In Deutschland dürfen Beamte nicht streiken. Hierzulande gilt ein generelles Beamtenstreikverbot, welches sich laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018 aus den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ ergibt. Erstreikt werden dürfen nur Tarifverträge, Gehälter und Arbeitsbedingungen im Beamtentum hingegen sind gesetzlich geregelt.

Welche Regeln gelten für Streiks?

Das Streikrecht ist in Deutschland in Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes verankert. Da seine Details jedoch gesetzlich nicht geregelt sind, obliegt dessen konkrete Ausgestaltung den Arbeitsgerichten, in der Regel dem Bundesarbeitsgericht. Demzufolge muss ein Streik verhältnismäßig sein und er darf nicht gegen eine Friedenspflicht verstoßen. In den vergangenen Jahren wurde die Rechtmäßigkeit von Streiks überwiegend anerkannt – klar ist aber auch: ein Streik ist nicht immer rechtens.

Rechtswidrig sind sogenannte wilde Streiks, bei denen Beschäftigte ohne die Unterstützung und Koordination einer anerkannten Gewerkschaft die Arbeit niederlegen. Zudem muss sich der Streik gegen einen Tarifpartner, also einen Betrieb oder einen Verband richten. Darüber hinaus muss das Ziel, das erreicht werden soll, tariflich regelbar sein – auf die Höhe des Gehalts etwa oder die Arbeitszeit und Urlaubsansprüche trifft dies zu. Ob hingegen z. B. Zuschläge für Nachtschichten besteuert werden, ist allein Sache des Gesetzgebers.

Für die Dauer laufender Tarifverträge besteht eine sogenannte Friedenspflicht. Eine Gewerkschaft darf nicht gegen gültige Inhalte eines Tarifvertrags streiken. Ist etwa die Lohnhöhe für einen bestimmten Zeitraum fix geregelt, darf die Gewerkschaft bis zu dessen Ablauf keinen Arbeitskampf ausrufen, um höhere Gehälter zu erkämpfen. Auch müssen alle Möglichkeiten zu einer friedlichen Einigung mit dem Arbeitgeber ausgeschöpft werden. Nur, wenn Verhandlungen erfolglos verlaufen sind, darf längere Zeit gestreikt werden.

Vor einem unbefristeten Streik – dem letzten und schärfsten Mittel in einem Tarifkonflikt – sehen die Statuten der großen Gewerkschaften in der Regel einen Streikbeschluss vor, der in einer Urabstimmung ermittelt wird. Nur wenn die notwendige Mehrheit der Mitglieder dafür stimmt (bei den meisten Gewerkschaften sind es 75 Prozent), kommt es zur Arbeitsniederlegung. Üblich sind auch Schlichtungsgespräche. Arbeitnehmervertreter müssen bei einem Streik auf die Verhältnismäßigkeit achten. Ein gerichtlicher Stopp eines Streiks ist selten, sie sehen Streiks meist als verhältnismäßig an. Unverhältnismäßig dürfte allerdings etwa ein längerer und umfassender Streik in Bereichen der kritischen Infrastruktur sein, der das Leben von Menschen gefährdet.

Wie lang darf ein Streik dauern?

Es gibt weder eine gesetzliche Höchstgrenze für die Dauer von Streiks noch für die Häufigkeit von Wiederholungen. Streiks können nach dem Scheitern von Tarifverhandlungen theoretisch unbefristet sein. In der Praxis jedoch dauern sie meist wenige Stunden oder eine Schicht an, seltener kommt es zu wochen- oder monatelangen Streiks am Stück. Denn nicht nur sind die Ressourcen (z. B. das Streikgeld) der Gewerkschaften endlich, auch wird darauf geachtet, dass sich die öffentliche Stimmung nicht gegen sie wendet.

Streiks beschränken sich oft auf Teile eines Betriebs oder einer Branche. Mitunter kommt es auch zu sogenannten Wellenstreiks, also mehreren aufeinanderfolgenden Kurzstreiks. Neben regulären Streiks nach dem Scheitern von Tarifverhandlungen gibt es auch sogenannte „Warnstreiks“. Diese sollen während oder vor den Verhandlungen Druck auf die Arbeitgeber ausüben. Sie dauern häufig nur wenige Stunden.

Wie ist das Streikrecht in anderen europäischen Ländern geregelt und wie häufig wird gestreikt?

Im internationalen Vergleich streikten Beschäftigte in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten vergleichsweise wenig. Externer Link: In einem Vergleich zahlreicher westlicher Industriestaaten des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) liegt Deutschland bei den durch Streiks ausgefallenen Arbeitstagen im Mittelfeld. Demnach fielen zwischen 2012 und 2021 hierzulande pro 1.000 Beschäftigte im Schnitt pro Jahr 18 Arbeitstage aus – in Belgien waren es mit 96 die meisten. Auch in zahlreichen anderen Staaten wie Frankreich (92), Kanada (78) oder Dänemark (53) wurde weit mehr gestreikt. In Ländern wie Österreich (1) oder Schweden (2) wurde im gleichen Zeitraum die Arbeit hingegen fast gar nicht niedergelegt.

Das deutsche Streikrecht ist enger gefasst als in manch anderen westlichen Industriestaaten, da es etwa wilde oder politische Streiks untersagt. In Frankreich beispielsweise sind Letztere fester Bestandteil der öffentlichen Auseinandersetzung. Auch das dort existierende individuelle Streikrecht führt zu häufigeren Arbeitskämpfen. Eine weitere Ursache für die zumindest in der Vergangenheit verhältnismäßig wenigen Streiks in Deutschland ist ein Tarifsystem, in dem große Flächentarifverträge die Arbeitsbedingungen eines relativ großen Teils der Beschäftigten regeln.

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