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Die Corona-Hilfen waren situationsgerecht | Haben die Corona-Soforthilfen gewirkt? | bpb.de

Debatte Haben die Corona-Soforthilfen gewirkt?

Standpunkt von Friederike Welter

Die Corona-Hilfen waren situationsgerecht

Friederike Welter

/ 4 Minuten zu lesen

Die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für Selbstständige und Unternehmen jeglicher Größe während der Covid-19-Pandemie waren ökonomisch sinnvoll und effektiv, meint die Bonner Ökonomin Friederike Welter. Allerdings sei die Kommunikation der Bundesregierung über ihre Hilfsprogramme verbesserungswürdig gewesen.

Im April 2020 bekam dieser Kneipenwirt aus Nordrhein-Westfalen die Corona-Soforthilfe des Bundeslandes in Höhe von 9000 Euro bewilligt. Innerhalb weniger Tage hatten mehr als 300.000 Kleinunternehmen in NRW einen Antrag auf finanzielle Unterstützung gestellt. (© picture-alliance/dpa, Roland Weihrauch)

Die Corona-Hilfsmaßnahmen im Überblick

  • Ausgangslage: Die Ausbreitung der Covid-19-Pandemie stürzte die Wirtschaft in Deutschland und Europa im Frühjahr 2020 in eine tiefe Krise. Besonders von "Lockdowns" und anderen Gesetzen zur Eindämmung der Pandemie betroffen waren Selbständige, Kleinunternehmer und Kleinunternehmerinnen. Von ihnen gibt es über vier Millionen allein in Deutschland.

  • Auswirkungen: Unternehmerinnen waren von den Auswirkungen der Corona-Pandemie häufiger betroffen als Unternehmer. Die Sorge um ihre Existenz belastete viele der Betroffenen, auch mit Anzeichen von Angst- und Depressionssymptomen.

  • Hilfsmaßnahmen: Die Bundesregierung reagierte schnell mit Hilfsmaßnahmen, da die Schockwellen der Krise viele der betroffenen Unternehmen in den Ruin zu treiben drohten. Im Verlauf der Corona-Pandemie wurden immer wieder neue, Milliarden Euro schwere Hilfsprogramme aufgelegt. Dabei ging es auch um ordnungspolitische Fragen: So wollte die Bundesregierung bei der Gestaltung der Hilfen Mitnahmeeffekte vermeiden. Da die Krise nicht selbstgemacht war und auch gesunde Firmen in der Existenz bedrohte, ergaben die Hilfen aber auch aus wirtschaftspolitischer Sicht für die Bundesregierung Sinn.

  • Bewertung: Kritiker bemängelten, dass der bürokratische Aufwand, um an die Gelder zu gelangen, immer höher wurde. Die Bundesregierung wollte mit den sich verändernden Bedingungen für die Gewährung der Hilfsleistungen auch sicherstellen, dass die Gelder zielgenau an die Bedürftigen verteilt werden – so wiederum die Befürworter.

  • Erste Beobachtungen: Laut einer Untersuchung hat die Soforthilfe, die erste Hilfsmaßnahme der Bundesregierung, im Schnitt die Wahrscheinlichkeit, trotz Pandemie selbstständig zu bleiben, nur moderat um 6,5 Prozentpunkte erhöht. Allerdings scheinen die Hilfen insgesamt gewirkt zu haben: Im Jahr 2021 nahm die deutsche Wirtschaftsleistung wieder um 2,7 Prozent zu, nachdem sie im Jahr zuvor um 4,9 Prozent eingebrochen war.

Jede unternehmerische Betätigung ist mit Risiken verbunden. Diese gering zu halten, obliegt vorrangig den Unternehmerinnen und Unternehmern – und nicht dem Staat. Daher ist ein ordnungspolitischer Ansatz, der den Unternehmen einen zuverlässigen rechtssicheren Rahmen bietet, sektoralen und betriebsbezogenen Unterstützungsleistungen prinzipiell immer vorzuziehen.

Anders sah es im Zuge der Corona-Pandemie aus. Hierbei handelte es sich um einen exogenen Schock, also ein einmaliges und nicht vorhersehbares Ereignis, das selbst wirtschaftlich gesunde Unternehmen unvermittelt traf – und sie teilweise in akute Existenznot brachte. Prinzipiell hatten zwar viele mittelständische Unternehmen aus der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09 gelernt – und eine gute Eigenkapitalausstattung aufgebaut. Mit Beginn der Pandemie bedrohten nun aber sowohl das pandemiebedingte Infektionsgeschehen als auch die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der gesundheitlichen Gefahrenlage ihre wirtschaftliche Entwicklung.

Um die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen abzufedern, war es daher richtig und sinnvoll, staatlicherseits Unterstützungsmaßnahmen zu initiieren. Sie zielten vorrangig auf die Stärkung der Liquidität und der Unternehmensressourcen. Zugleich war es Ziel der Politik, eine angemessene Balance zwischen Bestandssicherheit und Strukturwandel zu erreichen. Letzterer ist im Zuge der Pandemie vor allem durch die Digitalisierung vorangetrieben worden. In zunehmenden Maßen wirken sich aber auch die Dekarbonisierung und der Fachkräftemangel aus.

Gleichwohl sollte nicht vergessen werden, dass unabhängig von den politischen Maßnahmen – und ganz im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft – ein großer Teil der Unternehmen in eigener Initiative verschiedenste Maßnahmen (zum Beispiel durch die Anpassung des Geschäftsmodells, den Einsatz von Eigenkapital oder das Aufschieben von Investitionen) ergriffen hat, um die eigene Existenz zu sichern. Dies war vielfach zumindest vorübergehend auch hilfreich.

EU-Monitor COVID-19

Die Ausbreitung des Coronavirus und die damit verbundenen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben gravierende wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen. Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat auf seiner Website umfangreiche interaktive Grafiken und Statistiken zu den Folgen der Pandemie in den EU-Staaten bereitgestellt.

Der Externer Link: EU-Monitor COVID-19 verfolgt die Entwicklung in den EU-Staaten anhand ausgewählter Indikatoren wie Wirtschaftsleistung und -klima, Produktions-, Export- und Umsatzindizes oder Daten zum Arbeitsmarkt.

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen waren erfolgreich


Insgesamt betrachtet, waren die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen aus drei Gründen ökonomisch sinnvoll und effektiv.

  1. Die Corona-Hilfen waren von Anfang an sowohl auf die Unternehmen als auch beispielsweise auf die (Solo-)Selbstständigen zugeschnitten. Die größte Breitenwirkung entfaltete zweifellos die Soforthilfe, die im Zeitraum von Ende März bis Ende Mai 2020 für etwa 1,74 Millionen Selbstständige und Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten bewilligt wurde. Bis Ende 2021 wurden zudem laut Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mehr als 1,58 Millionen Anträge im Rahmen der Überbrückungshilfe bewilligt und Mittel in Höhe von 45,9 Milliarden Euro ausgezahlt.

    Zugleich leisteten die temporären steuerlichen Verfahrenserleichterungen für Unternehmen (Steuerstundung, Rückbuchung von Sondervorauszahlungen, Herabsetzung von Vorauszahlungen, Verlustrücktrag) einen erheblichen Beitrag zur Liquiditätssicherung aller Unternehmen. Zwar griff die Politik mit ihren direkten Unterstützungsleistungen in das normale Marktgeschehen ein – angesichts der schweren Folgen der Pandemie für die deutsche Volkswirtschaft war dies jedoch gerechtfertigt. Zugleich sicherte die Politik mit diesen Maßnahmen die Zukunft der mittelständischen Wirtschaft. Schließlich darf man nicht vergessen, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer zur Rettung ihres Unternehmens auch ihre finanziellen Reserven genutzt haben. Damit stand das Eigenkapital nicht mehr für notwendige Zukunftsinvestitionen zur Verfügung.

  2. Es gab keine Blaupause für Covid-19. Stattdessen stellte der asynchrone und schwer vorauszusagende Verlauf der Pandemie Unternehmen jeglicher Größe sowie die Politik immer wieder vor neue Herausforderungen. Hinzu kommt, dass die Unternehmen völlig unterschiedlich betroffen waren: Während weite Bereiche des stationären Einzelhandels, des Hotel- und Gaststättengewerbes und der personenbezogenen Dienstleistungen insbesondere aufgrund der antipandemischen Maßnahmen finanzieller Unterstützung bedurften, betraf das Pandemiegeschehen andere Wirtschaftsbereiche nur wenig. Einzelne Branchen wie Dienstleistungen in der Informations- und Kommunikationstechnik profitierten sogar.

    Entsprechend der Entwicklung hat die Politik die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen regelmäßig angepasst. Dabei wurden die Konditionen der Corona-Hilfen überwiegend so gestaltet, dass sie einerseits Wirksamkeit und Zielgenauigkeit gewährleisteten und andererseits mögliche Mitnahmeeffekte geringzuhalten suchten. Sicherlich dürfte die massive Unterstützung der mittelständischen Wirtschaft auch dazu beigetragen haben, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2021 wieder um 2,7 Prozent wuchs, nachdem es in 2020 mit minus 4,9 Prozent zu einem kräftigen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts gekommen war.

    Zugleich darf auch die positive Wirkung des europäischen Binnenmarktes nicht vergessen werden, die sich nach Beendigung der nationalen Grenzschließungen wieder entfalten konnte. Schließlich ist der EU-Binnenmarkt für mittelständische Unternehmen in Deutschland der mit Abstand wichtigste Absatz- und Beschaffungsmarkt.

  3. Die Pandemie hat den strukturellen Wandel verstärkt, der schon vor Corona zu beobachten war: Unter anderem hat die zunehmende Digitalisierung zu einem veränderten Konsumverhalten geführt. Auf diese Entwicklung reagierte die damalige Bundesregierung im Sommer 2020 mit ihrem "Konjunktur- und Zukunftspaket". Darin enthalten: erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten für digitale Wirtschaftsgüter, die Sozialgarantie 2021, die die Sozialversicherungsbeiträge bei maximal 40 Prozent stabilisieren soll, sowie die steuerlichen Regelungen zur degressiven Abschreibung und die Ausweitung des Verlustrücktrags, also die Verrechnung eines Verlusts mit dem Gewinn des Vorjahres. Alle diese Maßnahmen hatten das Ziel, die Liquidität der Unternehmen zu schonen und zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit beizutragen.

Jedoch wäre grundsätzlich eine transparentere Kommunikation der Auszahlungstermine, -formalitäten und -voraussetzungen durch die Politik wünschenswert gewesen. So hat es beispielsweise den Unmut der Selbstständigen, die um ihr finanzielles Überleben kämpften, geweckt, wenn Finanzhilfen zwar angekündigt, aber über einen längeren Zeitraum nicht oder nur in geringfügigem Maße ausgezahlt wurden. Dieser Aspekt würde sicherlich eine Rolle spielen, sollte eine wissenschaftliche Evaluationsstudie angestrebt werden, die unter anderem mit Hilfe einer Nutzerbefragung Verbesserungsmöglichkeiten für zukünftig ähnlich gelagerte Krisen aufzeigt.

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Prof. Dr. Friederike Welter ist hauptamtlich tätig als Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn und als Professorin an der Universität Siegen. Die Ökonomin forscht vor allem über kleine und mittlere Unternehmen. Das IfM Bonn ist eine Stiftung des privaten Rechts und wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.