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Die Befürchtungen sind unbegründet | Globaler Handel | bpb.de

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Die Befürchtungen sind unbegründet

Galina Kolev

/ 5 Minuten zu lesen

Geringere Arbeitnehmerstandards durch TTIP würden die Ratifizierung durch die europäischen Parlamente nicht überstehen. Auch deshalb bringt das Abkommen genau das Gegenteil von dem, was viele Skeptiker des Abkommens unterstellen, meint die Kölner Ökonomin Galina Kolev.

(© Privat)

Der Schutz der Arbeitnehmerrechte gehört zu den Themen, bei denen gravierende Unterschiede in den USA und in Europa bestehen. Das in Deutschland übliche Modell mit Gewerkschaften, Betriebsräten und Tarifverhandlungen ist in den USA wenig verbreitet – und es gibt sogar Hinweise darauf, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den USA das deutsche Modell nicht bevorzugen. So hat im Februar 2014 bei der Abstimmung im VW-Werk von Chattanooga die Mehrheit der dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Betriebsrat abgelehnt und sich dagegen entschieden, von einer Gewerkschaft bei künftigen Tarifverhandlungen vertreten zu werden.

Die große Angst vieler hiesiger TTIP-Skeptiker in Bezug auf die Arbeitnehmerrechte besteht somit darin, dass sich die EU und die USA auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen könnten. Doch es gibt klare Zusicherungen der Politik und der EU-Kommission, dass die europäischen Standards erhalten bleiben sollen. Zudem ist es den Verhandlungsführern wohl bekannt, dass sie spätestens bei der Ratifizierung keine Mehrheit für TTIP finden würden, sollte das Abkommen das hohe Niveau an Arbeitnehmerschutz in Europa aufs Spiel setzen.

Viele stören sich zudem am geplanten Kapitel zum Thema Investorenschutz und Schiedsgerichte. Wenn unterschiedliche Arbeitsschutzstandards oder deren Anhebung als Handelshemmnis eingestuft würden, so stellt sich für diese Kritikerinnen und Kritiker die Frage, ob dies nicht gleich ein Fall für das Schiedsgericht wäre. Allerdings: Das wäre nur dann der Fall, wenn die Regelungen ausländische Investoren diskriminieren würden – oder wenn sie nicht verhältnismäßig wären.

Deutsche Erfahrungen mit Investitionsschutzabkommen positiv

Die bisherigen Erfahrungen in Deutschland haben gezeigt, dass die Angst vor den Schiedsgerichten übertrieben ist. Deutschland war unter den Erfindern der Investitionsschutzabkommen in den 1950er Jahren und unterhält mittlerweile etwa 130 solcher Abkommen. Dies hat die deutsche Gesetzgebung keineswegs daran gehindert, ein hohes Niveau an Arbeitnehmer-, Umwelt- und Verbraucherschutz zu erreichen. Dabei sind diese Verträge vielfach schon veraltet und lückenhaft und können somit etwa mit der im Abkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) geplanten Modernisierung des internationalen Rechts in Sachen Zusicherung staatlicher Regulierungsrechte, klarer Begriffsdefinitionen und richterlicher Standards nicht mithalten.

Im November 2015 hat die Europäische Kommission ihren Textvorschlag zum Thema Arbeitnehmerrechte veröffentlicht, der der US-amerikanischen Seite in der vorangehenden Verhandlungsrunde vorgelegt wurde. Im Rahmen dieses Textvorschlags wird auf die Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und ihre Folgemaßnahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) aus dem Jahr 1998 verwiesen. Mit dieser Erklärung haben sich alle Mitgliedstaaten der Organisation (und somit auch die USA) zu den Kernarbeitsnormen der IAO bekannt. Und zwar unabhängig davon, ob sie die einzelnen Kernarbeitsnormen ratifiziert haben oder nicht.

Würde der Textvorschlag Teil des Freihandelsabkommens werden, so sollen die TTIP-Vertragsparteien bei ihrer Gesetzgebung die Kernarbeitsnormen der IAO berücksichtigen und ihre Umsetzung fördern. Dazu gehören die Abschaffung der Kinderarbeit, die Beseitigung aller Formen von Zwangs- und Pflichtarbeit sowie der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, aber auch die Vereinigungsfreiheit und die effektive Anerkennung des Rechts zu Kollektivverhandlungen, wie sie für Tarifvereinbarungen stattfinden.

Vorschlag der Kommission geht weit über das sonst in Freihandelsabkommen Übliche hinaus

Zu den einzelnen Arbeitsnormen hat die Kommission jeweils einen separaten Paragrafen vorgeschlagen, um einzelne Aspekte genauer zu spezifizieren, die damit verbunden sind. Neben der Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen sollen im Einklang mit den Prinzipien und Rechten bei der Arbeit der IAO die Formierung und die Mitgliedschaft bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden möglich sein. Weiterhin soll das Streikrecht gewährleistet sein sowie für einen effektiven sozialen Dialog gesorgt werden. Zwar sind in dem Textvorschlag bei weitem nicht alle Regelungen konkret erfasst, die das deutsche Arbeitsmarktrecht umfasst. Trotzdem geht die Kommission hier weit über das hinaus, was in Sachen Arbeitnehmerrechte für Freihandelsabkommen typisch ist.

Inwieweit sich der Textvorschlag in der finalen Version des Freihandelsabkommens TTIP wiederfindet, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Doch ein Blick in den Text des Abkommens zwischen der EU und Kanada gibt erste Hinweise darauf, dass Arbeitnehmerrechte in der Tat einen wichtigen Punkt darstellen, der nicht unabhängig von der Freihandelsthematik ist. In Kapitel 23 von CETA wird nicht nur auf die Prinzipien und Rechte bei der Arbeit der IAO verwiesen, sondern auch das Regulierungsrecht festgeschrieben: Artikel 23.2 beinhaltet die "Anerkennung des Rechts jeder Vertragspartei, im Bereich Arbeit ihre eigenen Prioritäten zu setzen, das Niveau des Arbeitsschutzes selbst zu bestimmen und ihre Rechtsvorschriften und Strategien […] entsprechend festzulegen oder zu ändern". Das Regulierungsrecht der beteiligten Staaten bleibt somit im Hinblick auf die Arbeitnehmerrechte bestehen. Deutschland dürfte auch nach Inkrafttreten von CETA selbst und im Dialog mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern bestimmen, welche Regelungen im deutschen Arbeitsrecht gelten sollen.

Zudem schreibt Artikel 23.4 fest, dass die Vertragsparteien anerkennen, "dass es unangemessen ist, Handel oder Investitionen dadurch zu fördern, dass das in ihrem Arbeitsrecht und ihren Arbeitsnormen garantierte Schutzniveau aufgeweicht oder abgesenkt wird". Das ist genau das Gegenteil von dem, was viele Skeptiker des Abkommens insinuieren. Weiterhin ist vorgesehen, dass die Vertragsparteien nicht auf die Anwendung ihres Arbeitsrechts und ihrer Arbeitsnormen verzichten, um "den Handel oder die Niederlassung, den Erwerb, die Ausweitung oder die Aufrechterhaltung von Investitionen in ihrem jeweiligen Gebiet zu fördern". Der sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Bernd Lange, der den Handelsausschuss im Europäischen Parlament leitet, sieht laut einem im August 2016 veröffentlichten Papier in CETA "ein klares Bekenntnis zum Schutz von Arbeitnehmerrechten".

Es spricht also vieles dafür, dass das hohe Niveau an Arbeitnehmerschutz in Europa auch mit TTIP und CETA aufrechterhalten bleibt. Trotzdem ist zu bedenken, dass die genannten Formulierungen – typisch für internationale Handelsabkommen – der genauen Auslegung bedürfen. Es ist nicht zu erwarten, dass die USA allein wegen TTIP ihre Arbeitnehmerrechte anheben – was auch nicht der eigentliche Zweck eines Handelsabkommens ist. Es ist aber definitiv zu fordern und auch zu erwarten, dass die USA unsere Arbeitnehmerrechte respektieren – nicht zuletzt, um am Ende die Zustimmungsfähigkeit des Abkommens sicherzustellen.

(© DGB)

Standpunkt Stefan Körzell:



Interner Link: "Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Gewerkschaften dafür zu sorgen, dass Wettbewerb nicht über die niedrigsten Löhne, sondern vor allem über gute Produkte ausgetragen wird."

Dr. Galina Kolev ist am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln Leiterin der Forschungsgruppe Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur. Zudem ist die Ökonomin am IW für die Freihandelsabkommen zuständig.