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Aktuelle Instrumente zum Schutz der Menschenrechte von Kindermigranten | Kinder- und Jugendmigration | bpb.de

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Aktuelle Instrumente zum Schutz der Menschenrechte von Kindermigranten

Jacqueline Bhabha

/ 9 Minuten zu lesen

Es gibt viele internationale Rechtsinstrumente, die auf den Schutz von Kindern in der Migration abzielen. Dennoch leiden Migranten- und Flüchtlingskinder weiterhin unter Menschenrechtsverletzungen.

Kinder der Rohingya-Minderheit in einem Lager in Bangladesch. (© picture-alliance, ZUMA Press)

Interner Link: English Version

Überall auf der Welt beteiligen sich Interner Link: zahlreiche Kinder und Jugendliche an grenzüberschreitenden Migrationen. Die Umstände, unter denen sie migrieren, sind ebenso verschieden wie ihre Bedürfnisse nach internationalem Rechtsschutz. Während viele junge Menschen zusammen mit ihren Eltern oder anderen Verwandten die Grenze überqueren, reist ein erheblicher Teil völlig alleine oder in der Gesellschaft von nicht verwandten Erwachsenen, einschließlich Schleuser_innen oder Menschenhändler_innen. Daneben gibt es noch andere große Unterschiede hinsichtlich der verschiedenen Arten der Kindermigration und den damit einhergehenden Schutzbedürfnissen. Einige Kinder Interner Link: ziehen wegen der Arbeit ihrer Eltern um, andere sind gezwungen zu fliehen, um Verfolgung oder Krieg zu entgehen. Einige Kindermigrant_innen reisen sicher mit einem legalen Status; andere reisen ohne Visum oder vorherige Erlaubnis, oft unter gefährlichen und missbräuchlichen Bedingungen. Für einige Kinder führt Migration zu sozialen und wirtschaftlichen Verbesserungen in ihrem neuen Leben, einschließlich der Wiedervereinigung mit Familienmitgliedern und dem Zugang zu hochwertiger Schul- und Gesundheitsversorgung. Für andere geht Migration mit sozialer Isolation oder dem Risiko von Ausbeutung und wirtschaftlicher Not einher. Angesichts dieses breiten Spektrums verschiedener Arten der Interner Link: Migration von Kindern variiert die Bandbreite der rechtlichen Schutzmaßnahmen, die Kinder benötigen. Einige können sich auf ihre Familien und breitere soziale Netzwerke verlassen, um ihre Bedürfnisse und Rechte zu schützen; sie benötigen keine Hilfe von offiziellen Sozialdiensten. Viele andere Kindermigrant_innen sind jedoch weniger begünstigt. Für sie kann internationaler rechtlicher Schutz ein wichtiges Sicherheitsnetz sein, das den Unterschied zwischen ernsthafter Gefahr und Leiden oder einem durch Rechte geschützten Leben ausmacht.

Internationale Schutzinstrumente für Kinder- und jugendliche Migranten

Kindermigrant_innen haben unabhängig von ihren Lebensumständen Anspruch auf eine breite Palette von internationalen Bestimmungen zum Schutz ihrer Externer Link: Menschenrechte. Dieser Schutz ergibt sich aus einer Vielzahl internationaler Rechtsinstrumente, die zusammen das gegenwärtige Menschenrechtsregime bilden. Die Gesetze beinhalten allgemeine Übereinkommen, die die bürgerlichen und politischen Rechte aller Menschen schützen, wie das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, das Recht auf Glaubensfreiheit und das Recht auf Schutz vor Diskriminierung wegen seiner Rasse, Nationalität, seines Geschlechts oder eines anderen sozialen Status. Zu den rechtlichen Maßnahmen zählen auch Übereinkommen, die die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte aller Menschen schützen, wie das Recht auf kostenlose Grundschulbildung und "das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit". Zusätzlich zu diesen allgemeinen Menschenrechtsbestimmungen gibt es spezielle Übereinkommen, die sich mit den Rechten bestimmter Zielgruppen befassen. Zu den Übereinkommen, die für minderjährige Migrant_innen besonders relevant sind, zählen

Alle genannten Rechte und andere für minderjährige Migrant_innen relevante Rechte wurden in einem einzigen Instrument festgeschrieben: der Interner Link: UN-Konvention über die Rechte des Kindes von 1989. Dieses internationale Dokument ist in der Praxis der wichtigste Bezugspunkt für den Schutz, den Kindermigrant_innen erhalten können – unabhängig davon, ob diese Kinder Interner Link: Asylsuchende oder Überlebende von Interner Link: Menschenhandel sind, ob sie von ihren Eltern begleitet werden oder alleine reisen, ob sie einen regulären Einwanderungsstatus besitzen oder undokumentiert sind, egal ob es sich um Kleinkinder oder Teenager handelt. Durch die Zusammenfassung aller für Kinder relevanten Menschenrechte in einem einzigen Dokument bietet die Kinderrechtskonvention einen geeigneten Bezugspunkt für die verfügbaren Gesetze und Politiken. Darüber hinaus ist der Ausschuss für die Rechte des Kindes – das Expertengremium, das die Umsetzung der Kinderrechtskonvention überwacht – von Bedeutung: Von Zeit zu Zeit erstellt es "Allgemeinen Bemerkungen", die eine wichtige Quelle für die Auslegung der in dem Übereinkommen verbrieften Rechte und der Kommentare zu besonderen menschenrechtlichen Herausforderungen für Kinder sind. Die Allgemeine Bemerkung Nr. 6 konzentriert sich auf die "Behandlung unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder außerhalb ihres Herkunftslandes". Sie ist eine nützliche Referenzquelle. Von den vielen internationalen rechtlichen Schutzbestimmungen, auf die Kindermigrant_innen Anspruch haben, gehen einige der wichtigsten auf grundlegende Prinzipien zurück, die für alle Kinder gelten und für alle Staaten verbindlich sind, die die Kinderrechtskonvention ratifiziert haben (alle Staaten der Welt mit Ausnahme der Vereinigten Staaten). Drei Bestimmungen sind hervorzuheben. Die erste ist der Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Er verbietet es Staaten, Kinder aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrer nationalen Herkunft oder ihres rechtlichen Status unterschiedlich zu behandeln. Maßnahmen, die Migranten- oder undokumentierte Kinder aus der Grundschule ausschließen oder deren Zugang zu medizinischer Notfallversorgung einschränken, würden mit dieser Bestimmung in Konflikt geraten. Das zweite ist das Prinzip des Kindeswohls. Es besagt, dass Staaten bei allen Handlungen, die das Kind betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigen müssen. Für Migrantenkinder bedeutet das, dass Staaten, die eine Einwanderungs- oder Flüchtlingsentscheidung treffen, bei der Entscheidung das Interesse des Kindes beurteilen und berücksichtigen müssen. Das heißt zwar nicht, dass ein Staat das Wohl des Kindes gegenüber allen anderen Faktoren priorisieren muss (das würde bedeuten, dass das Kindeswohl als überragende oder übertrumpfende Erwägung behandelt werden müsste, nicht nur als vorrangige Überlegung). Es bedeutet jedoch, dass Staaten bei ihrem Umgang mit Kindern nicht einfach die Interessen des Kindes ignorieren können. Staaten, die Migrantenkinder von ihren Familien trennen, die asylsuchende Kinder in Gewahrsam nehmen, die unbegleiteten Kindern den Zugang zu unentgeltlicher Rechtsvertretung oder Vormundschaft verwehren, wenn sie komplizierte und ungewohnte administrative oder rechtliche Verfahren durchlaufen, verletzen den Grundsatz des Kindeswohls. Ein drittes grundlegendes Prinzip in der Kinderrechtskonvention, das für Migranten- und Flüchtlingskinder von großer Bedeutung ist, ist der Grundsatz der Gewährleistung eines Rechts auf legale Identität. Dieses umfasst das Recht auf Geburtenregistrierung unmittelbar nach der Geburt, das Recht auf einen Namen und das Recht auf eine Staatsangehörigkeit. Transit- oder Zielländer, die asylsuchende Familien beherbergen, verstoßen gegen diese Bestimmung, wenn sie die Geburt von Kindern nicht in ein Register eintragen oder Kindern, die in ihrem Hoheitsgebiet geboren wurden und sonst staatenlos wären, das Recht auf ihre Staatsangehörigkeit verwehren.

Abgesehen von diesen allgemeinen Grundsätzen werden Migranten- und Flüchtlingskinder durch spezifischere Bestimmungen geschützt, die für ihre Bedürfnisse besonders relevant sind. Zum Beispiel legt die Kinderrechtskonvention detailliert die Rechte von asylsuchenden und Flüchtlingskindern fest. Dazu zählen das Recht auf "angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe", Unterstützung bei der Suche nach Familienmitgliedern, wenn sie von ihnen getrennt worden sind, und die Bestimmung, ihnen "denselben Schutz zu gewähren wie jedem anderen Kind, das (...) aus seiner familiären Umgebung herausgelöst ist." Dies bedeutet, dass unbegleitete minderjährige Migrant_innen zumindest ebenso beschützend und großzügig behandelt werden sollten wie einheimische Kinder, die nicht in Familien leben. Ihnen sollte die gleiche Qualität und Fachkompetenz in der Sozialen Arbeit und der gleichen Grad an institutioneller Versorgung zuteilwerden. Besondere Schutzmaßnahmen gelten auch für Kinder, die der Rekrutierung als Interner Link: Kindersoldaten entkommen, sowie für Kinder, die Opfer von Interner Link: Kinderhandel, Prostitution oder Pornographie sind.

Diese internationalen Grundsätze und die diesbezüglichen erläuternden Rahmenwerke wurden in viele nationale und regionale Regime integriert. Das umfassendste regionale System, das sich mit den Rechten von minderjährigen Migranten befasst, Externer Link: ist das der Europäischen Union. Das erste gemeinsame Bemühen um den Schutz von Kindermigranten geht auf einen Aktionsplans aus dem Jahr 2010 zurück, der Rechtsbeistand, Vormundschaft und Schutz vor Inhaftierung von Migrantenkindern gewährleisten soll. Im Juni 2017 hat der Rat der Europäischen Union Externer Link: Maßnahmen zu diesen Themen verabschiedet, die von der Europäischen Kommission vorbereitet wurden. Die EU hat auch Kinderrechtsgrundsätze in ihre Politiken bezüglich Grenzkontrollen und der Aufnahme (Unterbringung) von Asylsuchenden aufgenommen. Auf der Grundlage des internationalen Rechts haben einige zivilgesellschaftliche Organisationen Richtlinien und Empfehlungen für den Umgang mit minderjährigen Migranten und Flüchtlingen entwickelt. Eine nützliche Externer Link: Zusammenstellung grundlegender Prinzipien wurde von vielen der wichtigsten internationalen und nichtstaatlichen Organisationen, die im Bereich der Kindermigration arbeiten, verbreitet und anerkannt. Zu den Grundprinzipien gehört die Vorgabe, dass Maßnahmen des Migrationsmanagements die Menschenrechte von Kindern nicht verletzen dürfen.

Befolgen Staaten die Vorschriften zum Schutz von Migrantenkindern oder dominieren in der Praxis Interessen zur Kontrolle von Migration? Trotz des soliden Fundaments des geltenden Völkerrechts, das die Rechte von Migranten- und Flüchtlingskindern schützt, haben viele Menschenrechtsverletzungen weiterhin schwerwiegende Folgen für ihr Leben. Überall auf der Welt, Interner Link: ob sie nun in Flüchtlingslagern oder in großen Metropolen leben, ob sie von Familienmitgliedern begleitet werden oder alleine überleben, ob sie sich noch im Transit befinden oder bereits an ihren Zielorten angekommen sind, sind viele Migranten- und Flüchtlingskinder mit beständiger Not konfrontiert. Der dramatischste Beweis für Rechtslücken ist die hohe Zahl der Todesfälle von Kindermigrant_innen: Kinder stellten 2015 mehr als 30 Prozent der registrierten Todesfälle in der Ägäis dar. Viele Kinder sterben in Wüsten, bei dem Versuch, über Mexiko in die USA einzureisen, oder in Subsahara-Afrika auf der Suche nach Sicherheit außerhalb ihres Herkunftslandes. Seit 2014 wurden von der Interner Link: Internationalen Organisation für Migration über 1.200 Todesfälle von Kindern registriert, "wenngleich die tatsächliche Zahl wahrscheinlich viel höher liegt". Wenn Kinder, die vor Gefahr und Konflikten fliehen, einen Interner Link: sicheren und legalen Zugang zu Schutz hätten, anstatt mit scharfen Grenzkontrollen konfrontiert zu sein, würden diese Todesfälle vermieden.

Für Kinder, die die Reise überstehen, gibt es weitere Schutzlücken. Die Inhaftierung von minderjährigen Migrant_innen, um künftige Zuzüge zu verhindern und eine Interner Link: Rückführung zu ermöglichen, ist weiterhin ein weit verbreitetes Problem, trotz der zunehmenden Akzeptanz der Norm, dass Kinderarrest nur als letzter Ausweg und unter den am wenigsten einschränkenden Umständen für von Migration betroffene Kinder genutzt werden sollte. Zum Teil werden Kinder inhaftiert, weil ihre Behauptung, minderjährig zu sein, von Staaten infrage gestellt wird. Zur Feststellung ihres Alters werden häufig mangelhafte Altersbestimmungsverfahren angewandt, die zu Haftstrafen führen, bis erfolgreiche Berufungsprozesse gegen unsachgemäße Verfahren zur Altersbestimmung geführt werden. Selbst wenn sie sich nicht in Haft befinden, leben viele Migranten- und asylsuchende Kinder in einem schwierigen Umfeld – in Interner Link: Lagern, in denen sie keine Bildungschancen oder Zukunftsperspektiven haben; in städtischen Gebieten, in denen sie mit Schwierigkeiten beim Zugang zu hochwertigen Schulen, Lehrstellen oder Berufsausbildungsmöglichkeiten konfrontiert sind; in Interner Link: Unterkünften, wo sie Isolation und oft Depressionen erleben. Die Möglichkeiten für Inklusion, körperliche und mentale Unterstützung und Bildungsfortschritte, die die Kinderrechtskonvention vorschreibt, sind in der Praxis oft schwer erreichbar; sie sind keine Priorität für Staaten, die sich mit einer fremdenfeindlichen Wählerschaft und Forderungen nach der Ausgrenzung von Migranten konfrontiert sehen.

Ausblick

Trotz dieser Herausforderungen gibt es auch einige positive Entwicklungen. Überall auf der Welt beginnen Kindermigrant_innen, sich zu organisieren und ihre Meinungen und Wünsche zu artikulieren. Das offensichtlichste Beispiel dafür ist die Externer Link: "daca-mented"-Bewegung von jungen Menschen in den USA, die nicht über einen regulären Einwanderungsstatus verfügen, die aber aufgrund ihrer langen Wohnsitz- und Beteiligungsdauer als de facto Amerikaner_innen ein Recht auf rechtliche Inklusion im Land beanspruchen. Weitere Beispiele für Handlungsmacht von Kindermigrant_innen sind die Externer Link: Demonstrationen der afghanischen Jugend in Schweden, das Engagement von jugendlichen Migrant_innen und Flüchtlingen in sozialen Medien und Rundfunkaktivitäten in Interner Link: Deutschland und die Führungsrolle, die junge Migrant_innen bei internationalen Zusammenkünften zu Migrationsthemen einnehmen.

Darüber hinaus verhandeln die Vereinten Nationen ein neues Gerüst für das internationale Migrations- und Flüchtlingsmanagement durch die Entwicklung von zwei globalen Vereinbarungen (eine über Flüchtlinge und eine über Migranten). Man kann hoffen, dass die Rechte und die Stimme der jüngsten Migrant_innen die Bedeutung und den Schutz erhalten werden, den sie verdienen, und das starke Vermächtnis der internationalen Menschenrechtsnormen schließlich in eine auf Rechten basierende Praxis vor Ort umgesetzt wird. Nur dann werden die frühen Bestrebungen nach Inklusion, Nichtdiskriminierung und dem Schutz des Kindeswohls für alle Kinder verwirklicht.

Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel

Internetquellen

UN-Kinderhilfswerk (UNICEF) Externer Link: https://www.unicef.org/

UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) Externer Link: http://www.unhcr.org/

Internationale Organisation für Migration (IOM) Externer Link: https://www.iom.int/

Migration Policy Institute Externer Link: https://www.migrationpolicy.org/

Zum Thema


Interner Link: English Version

Dieser Artikel ist Teil des Interner Link: Kurzdossiers "Kinder- und Jugendmigration"

Weitere Inhalte

Jacqueline Bhabha ist Professorin für angewandte Gesundheitswissenschaften und Menschenrechte an der Harvard School of Public Health, Forschungsdirektorin am François-Xavier Bagnoud Zentrum für Gesundheit und Menschenrechte an der Harvard University, und Jeremiah Smith, Jr. Dozentin an der Harvard Law School. Zu ihren Arbeiten gehört das 2016 erschienene Buch Child Migration and Human Rights in a Global Age.