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"Gewalt ist einfach. Alternativen zur Gewalt sind komplex." | Schritte gegen Gewalt | bpb.de

Schritte gegen Gewalt "Gewalt ist einfach. Alternativen zur Gewalt sind komplex." Rolle der Primärprävention Besondere Programme zur Gewaltprävention Unterrichtliche Präventionskonzepte Elemente unterrichtlicher Konzepte Rechtsextremismus an Schulen Stellenwert pädagogischer Prävention

"Gewalt ist einfach. Alternativen zur Gewalt sind komplex."

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Was kann man gegen Gewalt unternehmen? Gibt es überhaupt ein Allheilmittel, mit dem man beispielsweise gegen Vandalismus oder politisch motivierte Taten vorgehen kann?

Gewalt kann vermieden werden. Aber wie? (© H. Kulick)

Für den Realitätsgehalt dieser These von Friedrich Hacker und ihre Alternativen spricht vieles. Die Überschrift "Schritte gegen Gewalt" könnte deshalb auch hinsichtlich Erfolg und Wirksamkeit mit einem Fragezeichen versehen werden. Es gibt jedenfalls kein Allheilmittel, keine kompakte und konsistente Strategie, wie der Gewalt im gesellschaftlichen Raum, sei es als Kriminalitätsdelikt oder als Vandalismus, als Mobbing, als brutale Aggression gegen Mitmenschen oder als politisch motivierte Tat wirkungsvoll – und möglichst nachhaltig – begegnet werden kann. Im Sommer 2000 hat unter den Vorzeichen von Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus eine intensive Diskussion darüber stattgefunden, wie diesen Erscheinungen wegen der massiven Verletzung der Menschenwürde und der schlimmen Auswirkungen auf die hier lebenden Ausländer und Minderheiten, der innenpolitischen Gefährdung und der fatalen Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland begegnet werden kann.

Schwerpunkte der Diskussion waren Überlegungen zu Parteiverboten, Einschränkungen von Demonstrationen aus der rechten Szene, rasche Verurteilung von Tätern, Eindämmung der braunen Informationsflut im Internet, Intensivierung der pädagogischen Arbeit in den Schulen sowie Appelle zur Stärkung der Zivilcourage. Hinzu kamen Aufrufe zu Bündnissen, Demonstrationen und Aktionen gegen rechts. Diese Diskussion bietet durchaus Chancen für eine Intensivierung der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Gewalt, vermag wachzurütteln und Impulse für mittel- und langfristige Perspektiven und Konzeptionen freizusetzen; sie kann allerdings auch Alibifunktionen wahrnehmen und Profilierungsversuchen und Aktionismus Vorschub leisten. Das Thema "Gewalt" lädt leider auch zu Schuldzuweisungen und zur Abschiebung von Verantwortung ein. So können Eltern die Verrohung in der Schule und Lehrer die fehlende oder falsche Erziehung in den Familien beklagen. Es wird versucht, Politik, Justiz und Polizei in die Pflicht zu nehmen; Politiker fordern Zivilcourage und bewussteres Handeln von den Bürgern ein. Medien heben ihre Wächterfunktion und ihre Informationspflicht hervor, und Kritiker verweisen darauf, dass Gewalt für Medien ein einträgliches Geschäft ist und dass Formen der medialen Dramatisierung der rechten Szene erst die gewünschte Publizität und Aufmerksamkeit verschaffen. Vor allem der Schule werden gravierende Defizite und den Lehrern in den neuen Bundesländern zusätzlich Rollenverunsicherung unterstellt.

Bei dieser Problematik geht es um die Verantwortung der einzelnen Bürgerinnen und Bürger, der Jugendlichen und Erwachsenen. Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei die pädagogische Frage, wie Kinder und Jugendliche lernen können, ihre Verantwortung zu erkennen, eine begründete Position zu Formen der Gewalt einzunehmen, Formen friedlicher Konfliktaustragung einzuüben, Gewalt aus dem Wege zu gehen, zur Deeskalation beizutragen und auf Gewaltanwendung zu reagieren. In der konkreten Arbeit wird man allerdings die gesellschaftlich-politische Verantwortung nie ausblenden können und dürfen. Gerade die Einforderung von Zivilcourage – zumal aus dem Mund von Politikern – provoziert Rückfragen und Kritik, beginnend bei Jugendarbeitslosigkeit, mangelnden Freizeitangeboten für Jugendliche bis hin etwa zur Rolle der Polizei und der Justiz.

In diesem Beitrag geht es ausschließlich um die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen, um Konfliktfähigkeit, Zivilcourage und Toleranz.

Ausgelöst durch eine Folge fremdenfeindlicher Gewalttaten zu Beginn der neunziger Jahre – Hoyerswerda (Sachsen) 1991, Hachenburg (Rheinland-Pfalz) 1991, Rostock-Lichtenhagen (Mecklenburg-Vorpommern) 1992, Mölln (Schleswig-Holstein) 1992, Solingen (Nordrhein-Westfalen) 1993 – ist die Suche nach geeigneten Präventionsprogrammen schon zu der damaligen Zeit intensiviert worden. In den letzten zehn Jahren ist deshalb dazu eine umfangreiche fachwissenschaftliche und didaktisch-methodische Literatur erschienen. Trotz aller Differenzierungen und unterschiedlicher Perspektiven kristallisiert sich in der Fülle der Beiträge und Detailuntersuchungen viel Übereinstimmendes und Konsensfähiges heraus. Einige dieser Aspekte – bezogen auf Prävention und Handlungsmöglichkeiten – sollen im folgenden hervorgehoben werden, ohne Anspruch auf Systematik und unter Inkaufnahme des Verlustes von Differenzierungen und Details.