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EU verlängert Glyphosat-Genehmigung

Redaktion

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Die EU-Kommission hat im November 2023 die Nutzung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat für weitere zehn Jahre genehmigt. Das in Deutschland geplante Verbot kann damit nicht umgesetzt werden.

Auf einem abgeernteten Feld bei Göttingen wird das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat versprüht. (© picture-alliance/dpa)

Glyphosat ist weltweit der meistverkaufte Wirkstoff zur Vernichtung unerwünschter Pflanzen. Als sogenanntes Totalherbizid tötet es viele grüne Pflanzen ab, die nicht durch gentechnische Veränderungen resistent gegen den Wirkstoff sind.

1974 brachte der Chemiekonzern Monsanto das erste Herbizid mit dem Wirkstoff Glyphosat unter dem Markennamen „Roundup“ auf den Markt. Heute ist die Nutzung umstritten. Glyphosat soll die Biodiversität verringern und steht im Verdacht, krebserregend zu sein.

Nach einer mehrjährigen Diskussion hat die Interner Link: Europäische Kommission im November 2023 die Zulassung von Glyphosat in der EU verlängert. Es darf mindestens weitere zehn Jahre bis Dezember 2033 verwendet werden.

Wirkungsweise von Glyphosat

Glyphosat wurde erstmals 1950 von einem Schweizer Unternehmen hergestellt. In den 1970er Jahren erkannte das US-Unternehmen Monsanto, dass sich der Wirkstoff als Herbizid eignet. Seit der Markteinführung im Jahr 1974 kommen Glyphosat-haltige Herbizide auch in Deutschland zum Einsatz. Zu Beginn der 1990er Jahre entwickelte Monsanto Interner Link: gentechnisch verändertes Saatgut, dessen Pflanzen nicht von dem Herbizid angegriffen werden. Bei diesen Pflanzen kann Glyphosat auch während des Wachstums angewendet werden.

Pro Jahr werden weltweit etwa 770.000 Tonnen Glyphosat verwendet. Nach Angabe des Deutschen Bauernverbandes werden in Deutschland 37 Prozent der Ackerflächen mit Glyphosat-haltigen Herbiziden behandelt. Der Verbrauch sinkt seit 2008.

Häufig wird Glyphosat vor der Aussaat zur Vorbereitung des Feldes genutzt. Die Unkräuter sterben ab, ohne dass der Acker gepflügt werden muss. Das kann den Boden vor Erosion, also dem Abtragen oder Auswaschen des Bodens, schützen. Glyphosat wird nur über die grünen Pflanzenteile aufgenommen, nicht aber über die Wurzeln. Die frisch keimende Kulturpflanze wird daher nicht angegriffen.

Im Boden bindet Glyphosat schnell an Minerale. Nach Angaben der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft ist daher nicht zu erwarten, dass der Wirkstoff ins Grundwasser sickert. Möglich sei hingegen, dass Glyphosat durch Regen in Flüsse und Seen ausgewaschen wird. Außerdem ist der Wirkstoff kaum flüchtig: Wird das Herbizid mit Traktoren versprüht, bleibt es nah am Feld und breitet sich nicht in der Umwelt aus.

Hiermit bietet Glyphosat der industriellen Landwirtschaft im Gegensatz zu anderen Unkrautvernichtungsmitteln Vorteile. Diese – und der vergleichsweise günstige Preis – haben es zum meistgenutzten Herbizid weltweit gemacht.

Kritik: Glyphosat verringert Artenvielfalt

Unter anderem Umweltverbände sowie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft stehen Glyphosat sehr kritisch gegenüber.

Sie vermuten, dass Glyphosat die Artenvielfalt (Biodiversität) verringere. Glyphosat lasse nicht nur unerwünschte Pflanzen absterben, sondern auch Wildkräuter, von denen sich etwa Insekten, Spinnen und Würmer ernähren. Beim Versprühen des Herbizids kämen Tiere außerdem direkt mit dem Wirkstoff in Kontakt oder nähmen ihn über die Nahrung auf. Studien belegen, dass Bestäuber wie Hummeln oder die Florfliege hierdurch geschädigt würden – auch wenn Glyphosat für sie nicht sofort tödlich sei.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden) wie Glyphosat gilt daher als Interner Link: einer der Gründe für das weltweite Insektensterben.

Kritik: Möglicherweise krebserregend

Diskutiert wird zudem, ob Glyphosat krebserregend ist. Unter anderem europäische Behörden wie auch die Interner Link: Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben hierzu Bewertungen veröffentlicht. Im Jahr 2015 legte die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO eine Externer Link: Studie vor, die Glyphosat als „möglichweise krebserregend bei Menschen“ klassifizierte. Grundlage für diese Einstufung waren „begrenzte Beweise“ für eine krebserregende Wirkung bei Menschen und „ausreichende Beweise“ für eine krebserregende Wirkung bei Labortieren.

Die Interner Link: Europäische Chemikalienagentur (ECHA) kam bei einer Externer Link: Gefahrenbewertung im Jahr 2022 zu dem Schluss, dass Glyphosat die wissenschaftlichen Kriterien „für eine Einstufung als karzinogener [krebserregender], mutagener [erbgutverändernder] oder reproduktionstoxischer [fortpflanzungsgefährdender] Stoff“ nicht erfülle. Ähnlich Externer Link: urteilte die Interner Link: Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Jahr 2023. Sie erkannte jedoch Datenlücken, wie fehlende Daten über Glyphosatrückstände in Gemüse oder Risiken für Wasserpflanzen, und sieht daher weiteren Forschungsbedarf. Ihr Urteil basiert laut eigener Angabe auf 2.400 ausgewerteten Studien.

Die Frage, ob Glyphosat krebserregend ist, beschäftigt auch Gerichte. In den USA sieht sich der Bayer-Konzern, der 2018 Monsanto übernommen hat, zehntausenden offenen Klagen und Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe gegenüber. Bislang wurde der Konzern teilweise zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet, in anderen Fällen wurden die Ansprüche abgelehnt.

Kritik: wirtschaftliche Abhängigkeit

Neben möglicher Folgen für Natur und Mensch steht auch das Wirtschaftsmodell von Monsanto in der Kritik. Einerseits vertreibt Monsanto (seit 2018 Teil des deutschen Chemiekonzerns Bayer) Glyphosat, andererseits das dazu passende, gentechnisch veränderte Saatgut. Dem Unternehmen wurde wiederholt vorgeworfen, Landwirte in ein Abhängigkeitsverhältnis zu treiben. Zudem trage die Kopplung von Herbizid und Saatgut dazu bei, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die Vielfalt an Kulturpflanzen verringert habe. Nach Angaben der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft sind in den USA 90 Prozent des angebauten Maises, Rapses und Sojas inzwischen gegen Glyphosat resistent. Die intensive Verwendung von Glyphosat hat auch dazu geführt, dass sich resistente Unkräuter entwickelt haben. 2020 waren 50 solcher Unkrautarten bekannt.

EU-Kommission verlängert Genehmigung um zehn Jahre

Im Dezember 2019 reichten mehrere Agrar- und Chemieunternehmen einen Antrag zur Verlängerung der Nutzungserlaubnis des Wirkstoffs Glyphosat bei der EU-Kommission ein. Insgesamt dauerte das Genehmigungsverfahren vier Jahre.

Im November 2023 entschied die Europäische Kommission schließlich, die Nutzung von Glyphosat für weitere zehn Jahre bis 2033 zu genehmigen. Dabei stützte sie sich auf die Bewertungen von EFSA und ECHA. Zuvor hatten sich die Mitgliedsstaaten nicht einigen können. Die nun beschlossene Verlängerung ist an Bedingungen geknüpft. So sollen Landwirte zum Rand eines mit Glyphosat behandelten Feldes einen Pufferstreifen von fünf Metern einhalten und die EU-Mitgliedstaaten können die Verwendung von Glyphosat national einschränken.

Deutschlands Haltung im Glyphosat-Streit

Deutschland enthielt sich in der Abstimmung der EU-Mitgliedsländer über eine Verlängerung der Glyphosat-Nutzung, da die Bundesregierung aus SPD, GRÜNEN und FDP keine gemeinsame Haltung gefunden hatte. Die vorherige Regierung aus CDU und SPD hatte im Februar 2021 ein deutschlandweites Verbot von Glyphosat ab 2024 entschieden. Mit der erneuten Verlängerung durch die europäische Kommission wäre die Umsetzung dieses Beschlusses rechtswidrig. Ein generelles Verbot von Glyphosat-haltigen Mitteln in Deutschland wird es demnach nicht geben.

Bereits heute ist die Anwendung von Glyphosat in Deutschland allerdings eingeschränkt. So muss ein Mindestabstand von fünf Metern zu Gewässern eingehalten werden, außerdem darf Glyphosat bei resistenten Kulturpflanzen nicht vor der Ernte eingesetzt werden. Einschränkungen wie diese möchte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ausweiten.

Folgen für Landwirtschaft und Alternativen

Aktuell gibt es nach Angabe des Julius-Kühn-Instituts kein Herbizid auf dem Markt, das ähnlich wirksam wie Glyphosat ist und weniger schädlich für die Umwelt wäre. 2015 untersuchte das Institut, welche Folgen der Verzicht auf Glyphosat für die Landwirtschaft haben könnte. Demnach gebe es im Ackerbau die größten Einsparpotentiale: Unerwünschte Kräuter können durch eine mechanische Bearbeitung des Bodens wie Pflügen und Eggen bekämpf werden. Das sei besonders auf Böden sinnvoll, die nicht erosionsgefährdet sind. Auch eine angepasste Fruchtfolge kann die Anzahl der Unkräuter verringern. Schwieriger seien Alternativen für die Ausbringung von Herbiziden im Obstanbau. Außerhalb der Landwirtschaft verzichtet beispielsweise die Deutsche Bahn bereits auf Glyphosat. Zur Unkrautbekämpfung im Gleisbett nutzt sie Pelargonsäure. Auch der Einsatz von Wasserdampf und heißem Schaum wird geprüft.

Der Hersteller Bayer geht davon aus, dass ein Verbot von Glyphosat zu hohen Ernteverlusten führen würde, da Unkräuter nicht ausreichend bekämpft werden könnten. Außerdem weist der Konzern darauf hin, dass alternative Methoden mehr CO2 freisetzen würden. Für mehrmaliges Pflügen werde mehr Kraftstoff benötigt, außerdem entweiche auf diese Weise im Boden gespeicherter Kohlenstoff.

Eine Externer Link: Überblicksstudie, an der Forschende der ETH Zürich beteiligt waren, untersuchte die möglichen wirtschaftlichen Folgen eines Verbots. Je nach Kulturpflanze gäbe es demnach große Unterschiede: Während bei Mais ein wirtschaftlicher Verlust von drei Euro je Hektar verursacht würde, steige dieser im Weinbau auf über 500 Euro je Hektar.

Der Thinktank Ecologic Institute weist darauf hin, dass bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Auswirkungen auch die externen Kosten der Umweltschäden beachtet werden sollten, die Herbizide wie Glyphosat verursachen. Zudem zeige der ökologische Landbau Möglichkeiten einer Landwirtschaft ohne Pestizide.

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