Bei der differenzierten Betrachtung der gesamtdeutschen Einkommensverteilung sind weiterhin Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland zu beobachten. Die Angleichung der Einkommensverhältnisse zwischen Ost und West lässt sich anschaulich anhand der Entwicklung der verschiedenen Einkommensschwellen der verfügbaren Haushaltseinkommen dokumentieren. Die jährlichen Angaben werden dazu bis 2014 in Perioden zusammengefasst, für den jüngsten Zeitraum 2015 bis 2018 werden die Jahre einzeln ausgewiesen. Bei dieser Darstellung werden Niveau und Verteilung der Einkommen gleichzeitig betrachtet: Die mittlere Linie der Blöcke in Abbildung 4 stellt den jeweiligen Median dar, also den Einkommensschwellenwert, der von jeweils der Hälfte der Bevölkerung unter- beziehungsweise überschritten wird. In analoger Form geben die Ober- und Untergrenzen der Blöcke die Einkommensschwellen wieder, die zusammen die mittleren 50 % der Einkommen in der Bevölkerung umfassen. Die äußeren Linien veranschaulichen schließlich die sogenannten Dezilsschwellen, die die jeweils reichsten beziehungsweise ärmsten 10 % der Bevölkerung abgrenzen. Sie beschreiben also die Einkommensspanne, die das Wohlstandsniveau von 80 % der jeweiligen Bevölkerung ohne die jeweils reichsten und ärmsten 10 % umfasst, und kennzeichnen so auch das Ausmaß an Einkommensungleichheit.
Angleichung der Einkommen zwischen Ost- und Westdeutschland
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Die Einkommen in Ostdeutschland lagen in allen Jahren bei allen Einkommensniveaus unter den vergleichbaren Schwellen in Westdeutschland. Im Zeitverlauf glich sich die Verteilung der Realeinkommen in Ostdeutschland bei allen Einkommensgruppen schrittweise an die Entwicklung der Westeinkommen an. Die unteren Einkommensgruppen (10-Prozent-Schwelle und 25-Prozent-Schwelle) schlossen unmittelbar nach der deutschen Vereinigung zunächst sehr schnell zu den höheren Westschwellen auf. Im Zuge der wirtschaftlichen Rezessionsphasen nach dem Jahrtausendwechsel vergrößerten sich die Ost-West-Abstände hier aber bis zu den Jahren 2005 bis 2009 zwischenzeitlich wieder und lagen in den Jahren 2010 bis 2014 wiederum bei etwa 87 bis 88 %; im Jahr 2018 lagen die Abstände noch bei 86 beziehungsweise 85 %. Die mittleren und höheren Einkommen (50-Prozent-Schwelle und 75-Prozent-Schwelle) näherten sich langsamer an die höheren Westeinkommen an: In den Jahren 2010 bis 2014 erzielten sie 86 beziehungsweise 82 % der jeweiligen Westeinkommen, im Jahr 2018 betrugen die entsprechenden Werte weiterhin 85 beziehungsweise 83 %. Bei den Topeinkommen (90-Prozent-Schwelle) erhöhte sich die Einkommensrelation von 65 % in den Jahren 1990 bis 1994 kontinuierlich auf 82 % im Jahr 2017 und wies lediglich im Jahr 2018 einen ersten Rückgang auf (79 %). Stellt man weiterhin bestehende Kaufkraftvorteile in Ostdeutschland (im Umfang von etwa 8 %) in Rechnung, so verringern sich bei fast allen Einkommensgruppen die Einkommensdiskrepanzen auf weniger als 10 %. Von 2015 bis 2018 sind die Einkommensrelationen sowohl bei den Topeinkommen wie auch bei allen unteren und mittleren Einkommen etwas zurückgegangen – lediglich bei den höheren Einkommen (75-Prozent-Schwelle) blieben die Einkommensunterschiede zwischen Ost und West erhalten – Ostdeutsche waren weiterhin stärker von Niedrigeinkommen und Einkommensarmut betroffen.
In Westdeutschland erhöhten sich die Abstände zwischen unteren und höheren Einkommen über einen langen Zeitraum stufenweise bis 2015. In Ostdeutschland waren die Einkommen von vornherein weit weniger ungleich verteilt. Die Ungleichheit der Osteinkommen erhöhte sich langfristig aber deutlich und glich sich zunehmend dem westdeutschen Niveau an. Die Dezil-Ratios – die Verhältnisse der Einkommensschwellen zur Abgrenzung der reichsten 10 % zu den ärmsten 10 % der Bevölkerung – überschritten in den Jahren 2005 bis 2009 bereits das Westniveau zum Zeitpunkt der deutschen Vereinigung. Die hier betrachteten Haushaltsnettoeinkommen sind in Ostdeutschland infolge der stärkeren sozialstaatlichen Umverteilung auch weiterhin noch weniger ungleich verteilt, die Ungleichheit der zugrunde liegenden Haushaltsmarkteinkommen war bereits seit Mitte der 1990er-Jahre höher als in Westdeutschland.
Bei einer regional differenzierteren Betrachtung treten auch innerhalb Westdeutschlands Unterschiede zutage. Insbesondere bei den Stadtstaaten waren erhöhte Einkommensrisiken mit gestiegenen Armutsquoten zu beobachten. Dazu wurden die westlichen Bundesländer nach Nord (Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein) und Süd (Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland) unterteilt und die Stadtstaaten (Berlin, Bremen, Hamburg) als eigene Kategorie erfasst. Die regionale Differenzierung auf der Ebene der Bundesländer zeigt zwar weitere Variationen in der Einkommensverteilung und im Armutsrisiko. Es wird aber deutlich, dass in Ostdeutschland das Einkommensniveau und die Einkommensungleichheit niedriger und das Armutsrisiko der Bevölkerung wesentlich höher waren als in den meisten westdeutschen Regionen – wobei sich die Armutsrisiken innerhalb Ostdeutschlands zwischen Stadt und Land in den Jahren 2015 bis 2018 kaum unterschieden (siehe Tabelle 4a, Seite 238).
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