Sie nennen sich selbst "Ülkücü"-Anhänger – ins Deutsche übertragen bedeutet das Wort "Ülkücü" so viel wie "Idealismus". Ihr Symbol ist der "Graue Wolf" (Bozkurt), der aus einem alttürkischen Mythos stammt und Stärke und Aggressivität der Bewegung symbolisieren soll. Sie propagieren einen „ethnischen Nationalismus“, ihr großes Ideal ist "Turan", ein großtürkisches Reich, sowie die Eliminierung der politischen Gegner.
Die Rede ist von der rechtsextremen, türkisch-nationalistischen Bewegung, die seit Jahrzehnten auch in Deutschland existiert. Sie ist unter anderem in hunderten lokalen Vereinen organisiert sowie in Dachverbänden wie Türk Federasyon, ATIB oder ATB. Die sogenannten "Grauen Wölfe" überhöhen die türkische Nation und betonen angeblich islamische Werte. Sie hetzen gegen tatsächliche oder vermeintliche Linke und alle Nicht-Türken – wozu sie auch Armenier oder Kurden zählen, selbst wenn diese die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. Sie tragen Konflikte aus dem Mutterland auch in Deutschland aus. Mit schätzungsweise mehr als 18.000 Mitgliedern
Vorläufer und Ursprung der "Grauen Wölfe"
Die ideologische und geschichtliche Basis des türkischen Rechtsextremismus – und damit auch der Grauen Wölfe – bilden der türkische Nationalismus und Turanismus, der bereits im Osmanischen Reich des 19. Jahrhunderts entstand. Deren Vordenker sind unter anderem Ziya Gökalp, Hüseyin Nihal Atsız, Fethi Tevetoğlu und Reha Oğuz Türkkan. Die Ideologie des Panturkismus und Turanismus
In der Schlussphase des Osmanischen Reiches hatte die sogenannte
Im Laufe des Zweiten Weltkrieges erstarkten auch in der Türkei faschistische Bewegungen. Kurz nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland 1933 an die Macht kamen, begann eine neue Phase der deutsch-türkischen Beziehungen. Obwohl die Türkei offiziell neutral blieb, verstärkte sie die Beziehungen zu Deutschland immer mehr. Das Hitler-Regime seinerseits setzte die Politik des "Drangs nach Osten" fort, die Kaiser Wilhelm II. durch den Bau der Bagdad-Bahn (ab 1903) begonnen hatte. Die Nazis betrachteten die Türkei, den Iran und die arabischen Länder, die sie eng an sich zu binden suchten, als reiche Rohstoffquellen und ideologische Verbündete sowohl gegen die Westmächte als auch gegen das bolschewistische Russland unter Stalin. Beispielsweise gehörte die Türkei ab den 1930er Jahren zu einem der wichtigsten Lieferanten von Chromerz, das für die deutsche Kriegsindustrie wichtig war.
Unter Franz von Papen, im Nationalsozialismus Reichsbotschafter in der Türkei, förderten die Nazis faschistische türkische Bewegungen.
Im Zuge des Zweiten Weltkrieges tauchte erstmals Alparslan Türkeş auf der politischen Bühne auf, der spätere Anführer der "Grauen Wölfe". Trotz seines damals jungen Alters (Jahrgang 1917) spielte der Hitler-Sympathisant in der turanistischen Bewegung bereits eine führende Rolle. 1944, als der Sieg der Alliierten in Sichtweite rückte, ließ die türkische Regierung 23 führende politische Persönlichkeiten des Turkismus und Turanismus verhaften und verurteilen, unter ihnen Türkeş. Türkeş und seine Gesinnungsfreunde wurden in erster Instanz im sogenannten "Rassismus-Turanismus-Verfahren" zu unterschiedlich langen Freiheitsstrafen verurteilt – er selbst bekam zehn Jahre –, wurde später aber freigesprochen.
Die "Ülkücü"-Bewegung in der Türkei
Innerhalb der "Ülkücü"-Bewegung werden gegenwärtig zwei Hauptströmungen unterschieden: jene um die "Partei der Nationalistischen Bewegung" (MHP – Milliyetçi Hareket Partisi) sowie jene um die "Große Einheitspartei" (BBP – Büyük Birlik Partisi). Beide Strömungen sind in der Türkei selbst wie auch in Europa jeweils durch zwei Parteien, eigene Massenorganisationen und zahlreiche Vereine und Moscheegemeinden vertreten. Die MHP ist eine extrem nationalistische Partei, die zugleich auch das größte Sammelbecken der rechtsextremistischen Bewegung in der Türkei darstellt. Ihre Jugendorganisation "Ülkücü Gençlik" (Idealistische Jugend) ist auch in Deutschland aktiv.
Die MHP als faschistische Massen- und Aktionspartei entstand in den 1960er Jahren aus ihrer Vorgängerpartei, der Republikanischen Nationalen Bauernpartei (CKMP - Cumhuriyetçi Köylü Millet Partisi). Am 27. Mai 1960 stürzte eine aus 38 Offizieren bestehende Gruppe "Komitee der Nationalen Einheit" die national-konservative Regierung der Demokratischen Partei (DP) unter Adnan Menderes, die 1950 aus den ersten freien Wahlen in der Türkei hervorgegangen war. Menderes und zwei weitere Führungspersönlichkeiten der Regierung wurden im Zuge des Putsches hingerichtet und die DP verboten. Zu den Putschisten gehörte auch Alparslan Türkeş, der insbesondere seine turanistischen Ideen durchsetzen wollte. Er wurde jedoch bald aus dem Komitee ausgeschlossen und als Militärattaché an die türkische Botschaft Neu-Delhi versetzt.
1964 schied Türkeş aus dem Militärdienst aus und trat am 31. März 1964 der CKMP bei. Er und seine Anhängerschaft gewannen in der Partei schnell an Einfluss und setzten 1969 die Umbenennung in Nationalistische Bewegungspartei (MHP) durch. Die Fahne der Partei wurde in drei auf den Rücken gekehrte Halbmonde auf rotem Hintergrund geändert. Das Zeichen der drei Halbmonde – der offiziellen Flagge des einst mächtigen Osmanischen Reiches – sollte dazu dienen, weitere nationalkonservative und islamisch orientierte Wählerschichten anzusprechen.
In den 1960er und 1970er Jahren radikalisierte sich die Bewegung. Türkeş hatte eine Strategie der sogenannten drei Stufen ausgegeben und in der MHP-nahen Zeitung Devlet (Der Staat) beschrieben: Die Eroberung der Straßen, die Eroberung des Staates und die Eroberung des Parlaments. So wurden unter dem Namen "Graue Wölfe" militante Jugendgruppen gebildet und paramilitärische Kommandos aufgebaut, die mit Terror und Gewalt für die Eroberung der Straße zuständig sein sollten. Diese Gruppen verübten in den 1960er, 1970er, 1980er und 1990er Jahren in der Türkei zahlreiche, teils paramilitärische Mordanschläge gegen Sozialistinnen und Sozialisten, Gewerkschafter, Studentenanführer, fortschrittliche Lehrkräfte und Wissenschaftler, Journalisten oder kurdische Politikerinnen und Politiker, weiterhin Pogrome gegen Aleviten, etwa in Kahramanmaraş, Çorum, Sivas, Gazi, Ümraniye. Auch Mehmet Ali Ağca, der 1981 auf dem Petersplatz in Rom das Attentat auf Papst Johannes Paul II. verübte, war Anhänger der Grauen Wölfe. Ihr Ziel bestand darin, in der Türkei einen Bürgerkriegszustand zu schaffen, der den Ruf nach dem "starken Mann" laut werden lassen und letztendlich die MHP an die Macht bringen sollte.
In jener Zeit verzeichnete die MHP auch parlamentarische Erfolge. Bei Wahlen errang sie bis zu 6,8 Prozent der Wählerstimmen und beteiligte sich in den 1970er Jahren an zwei Mitte-Rechts-Regierungen der sogenannten "Nationalistischen Front". Die MHP verstand sich stets als militanter und radikaler Flügel des Staatsnationalismus'. Nach einem weiteren Militärputsch am 12. September 1980 wurden zunächst alle Parteien verboten und 1982 eine neue Verfassung ausgearbeitet, die u.a. eine Zehn-Prozent-Sperrklausel bei den Parlamentswahlen in Kraft setzte. Die MHP reagierte auf das Verbot 1983 mit Neugründung unter anderem Namen "Partei der Nationalistischen Arbeit" (MÇP – Milliyetçi Çalışma Partisi). Mit der Aufhebung des allgemeinen Parteienverbots 1992 nahm sie wieder den Namen MHP an.
1993 spaltete sich von der MHP die "Große Einheitspartei" (BBP – Büyük Birlik Partisi) als extrem nationalistische und zugleich stark am Islam ausgerichtete Partei ab. Sie verfügt über eine Massenjugendorganisation namens "Alperen
Der Konflikt um Minderheitenrechte für die Kurden und die Auseinandersetzung mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)
Im Zuge dieser äußeren Mäßigung und der Annäherung an die AKP-Regierung zeigten sich innerhalb der MHP neue Spaltungstendenzen. Beispielsweise versucht die inzwischen aus der MHP ausgeschlossene Meral Akşener, die beim Verfassungsreferendum 2017 ein Referendum gegen Präsident Erdoğan mobilisierte, gemeinsam mit dem ehemaligen Vize-Vorsitzenden der MHP, Ümit Özdağ, eine neue nationalistische und rechtspopulistische Partei zu gründen.
Die Ideologie der Grauen Wölfe
Die Ideologie und Gesinnung der türkischen Rechtsextremisten und der Grauen Wölfe stützt sich auf ein Konglomerat verschiedener Diskurse und Grundpfeiler. Hierzu gehören neben rassistischen Positionen auch Sexismus, Homophobie, Antisemitismus und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen sowie Autoritarismus, Führerkult, Gewaltakzeptanz etc. Folgende Elemente sind insbesondere hervorzuheben:
Nationalismus und "Idealismus" (Milliyetçilik ve Ülkücülük)
Ausgangspunkt der politischen Ideologie der türkischen Rechtsextremisten ist ein sogenannter "idealistischer Nationalismus". Dieser beinhaltet einen ausgeprägten Nationalismus und Rassismus gegenüber allen (im ethnischen Sinne) nicht-türkischen Bevölkerungsteilen.
Rassismus
Auch wenn innerhalb der Grauen Wölfe aus taktischen Gründen eine offene rassistische Position ausgeblendet oder häufig geleugnet wird, bildet der Rassismus einen zentralen Pfeiler der MHP-Ideologie. Er richtet sich vor allem gegen Armenier, Kurden und Juden. Nihal Atsız, ein Vordenker der Grauen Wölfe, hat die wichtigsten Elemente des Turkismus vor mehr als 60 Jahren wie folgt formuliert: "Ein Türke glaubt an die Überlegenheit der türkischen Rasse, schätzt deren nationale Vergangenheit und ist bereit, sich für die Ideale des Türkentums zu opfern, besonders gegen Moskau [also die damalige, kommunistische Sowjetunion], den erbitterten Feind."
Neun-Lichter-Doktrin (Dokuz Işık)
Im Zentrum der MHP-Politik steht die sogenannte Neun-Lichter-Doktrin von Alparslan Türkeş, in der er übersteigerten, extremen Nationalismus und islamische Frömmigkeit vereinte. Die neun Eckpunkte der MHP-Ideologie sind laut Türkeş: Nationalismus, Idealismus, Ehrgefühl, Wissenschaft, Einheit, Bauernschaft, Freiheit und Selbstständigkeit. Das Wichtigste an der Neun-Lichter-Doktrin ist jedoch weniger ihr Inhalt, sondern vielmehr dass durch sie Türkeş' Autorität als Ideologiestifter begründet und permanent gefestigt wurde. Die Politikwissenschaftler Karl Binswanger und Fethi Sipahioğlu stellen in diesem Sinne fest, dass "Diktion und Inhalt (…) an Hitlers 'Mein Kampf' erinnern".
Führerprinzip (Başbuğ)
Autoritäre Strukturen und unhinterfragbare Gefolgschaft spielen bei Grauen Wölfen wie MHP eine wichtige Rolle. Parteigründer Türkeş wird auch lange nach seinem Tod als "Führer" (Başbuğ) verehrt. Sein Foto hängt in allen Lokalitäten der Grauen Wölfe und wird auf Großveranstaltungen gezeigt. Die Biografie von Türkeş ist auf allen Internet-Seiten der Bewegung zu finden. Seine Prinzipien werden von der Anhängerschaft der Grauen Wölfe wie ein Befehl befolgt.
Islamischer Nationalismus und Türkisch-Islamische Synthese
Im Laufe der Geschichte der MHP wurde der Islam in verschiedenen Phasen unterschiedlich akzentuiert. Zwar steht ein "idealistischer" türkischer Nationalismus im Zentrum der MHP-Ideologie, doch wird dem Islam eine relativ starke Bedeutung zugeschrieben. Die Bezugnahme auf den Islam diente und dient im Rahmen des gesellschaftlichen Diskurses als Gegenpol zum Einfluss säkularer, liberaler und oft pluralistischer Ideen, wie etwa Minderheitenrechte und Gleichstellung. Die MHP hat damit einen aktiven Beitrag dazu geleistet, dass die von Politologen sogenannte "Türkisch-Islamische Synthese"
Mobilisierung des "Europäischen Türkentums"
Im Zuge der polarisierenden migrationspolitischen Diskussionen der 1990er Jahre in Deutschland prägte der damalige MHP-Vorsitzende Türkeş 1995 auf einer Jahreshauptversammlung der Türk Federasyon in Essen den Begriff des "Europäischen Türkentums" (Avrupa Türklüğü) als Sammelbegriff für die türkisch-nationalistische Identität von Anhängern außerhalb der türkischen Landesgrenzen. Damit sind türkei-stämmige Menschen angesprochen, die zwar ihren Lebensmittelpunkt in (West-)Europa haben, aber dennoch ihre türkisch nationalistische Identität weiterverbreiten sollen. Dieser Logik entspricht auch der Slogan "Werde Deutscher, bleibe Türke!", mit dem nahezu alle türkisch-rechtsextremistischen Organisationen in der Bundesrepublik ihre Mitglieder auffordern, zwar die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben, doch diese dann für angeblich türkisch-nationale Interessen und die Bildung einer starken türkisch-nationalistischen Lobby in Deutschland zu nutzen. Insbesondere geht es dabei um die Rekrutierung türkischsprachiger Jugendlicher der dritten oder vierten Einwanderer-Generation, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, aber häufig in Identitätsschwierigkeiten stecken. Sie sollen politisiert und für die türkisch-rechtsextremen Organisationsstrukturen mobilisiert werden.
Vergleicht man deutschen und türkischen Rechtsextremismus, so zeigen sich viele Parallelen – aber auch einige bedeutsame Unterschiede.
Organisationen und Aktivitäten der Grauen Wölfe in Deutschland
In Deutschland sind schon seit der sogenannten Gastarbeiter-Einwanderung in den 1960er und 1970er Jahren zahlreiche türkisch-rechtsextreme Vereine entstanden. Viele von ihnen schlossen sich 1978 im Dachverband ADÜTDF (Türkische Föderation der Idealistenvereine in Deutschland, heute bekannt als Türk Federasyon) zusammen. Die Türk Fedarasyon ist als eingetragener Verein mit Sitz in Frankfurt/Main juristisch selbstständig, inhaltlich und ideologisch aber kann sie als Tochterorganisation der MHP bezeichnet werden. Ähnlich der Türk Fedarasyon gibt es Dachverbände für MHP-Anhänger in zahlreichen weiteren westeuropäischen Ländern (etwa in Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Österreich oder in der Schweiz), aber zum Beispiel auch in Australien und den USA.
Im Zuge interner Auseinandersetzungen spalteten sich von der Türk Federasyon die ATB (Europäisch-Türkische Union) und ATIB (Türkisch Islamische Union Europa) ab, die sich mehr als islamisch orientierter Flügel der Szene der "Grauen Wölfe" verstehen. Bundesweit unterhalten Türk Federasyon, ATIB und ATB gemeinsam ungefähr 300 lokale Vereine und Zweigstellen
Die Türk Federasyon ist sehr hierarchisch strukturiert. Laut Satzung gehört zu den Organen des Vereins neben Vorstand und Aufsichtsrat auch ein "Disziplinarrat", der Verstöße gegen die Prinzipien des Verbandes ahnden soll. Seinen Mitgliedsvereinen macht die Türk Federasyon strenge Vorgaben: Beispielsweise haben sie die ausdrückliche Pflicht, "Entscheidungen der Föderationsorgane zu verwirklichen", einen zentral festgelegten Teil der eigenen Einnahmen abzuführen und vom Dachverband "nicht befürwortete Aktivitäten zu unterlassen".
Die Namen der lokalen Mitgliedsorganisationen lassen bisweilen auf die Zugehörigkeit zur Szene der Grauen Wölfe schließen, sie lauten beispielsweise "Türkischer Idealistenverein [Ortsname] e.V." Häufig klingen die Namen aber auch völlig unpolitisch, etwa "Türkisches Kulturzentrum", "Verein türkischer Arbeitnehmer" oder "Türkisch-Deutscher Freundschaftsverein".
Alparslan Türkeş' Konzept des "Europäischen Türkentums" wird jedenfalls auch in Deutschland von der Türk Federasyon aktiv propagiert: "Wir kämpfen für den Erhalt der nationalen und ideellen Werte der hiesigen türkischen Volksgemeinschaft und deren Weitergabe an die nachfolgenden Generationen", sagte der damalige Vorsitzende Şentürk Doğruyol im Mai 2009 auf einem bundesweiten Kongress der ADÜTDF in Essen. Auch nach Annahme des deutschen Passes hätten eingebürgerte Türken "doch türkische Wurzeln und sind ehrenvolle Angehörige des großen türkischen Volkes. (...) Wir europäischen Türken tragen den türkischen Ausweis mit Stolz und werden ihn auch weiterhin mit Stolz tragen."
Auf den gescheiterten Putsch vom Juli 2016 in der Türkei hat die Erdoğan-Regierung mit der Wiederbelebung ihrer Repressionspolitik in den kurdischen Regionen und mit einer regelrechten Hetzjagd auf tatsächliche oder vermeintliche Kritiker reagiert, beispielsweise auf – wiederum tatsächliche oder vermeintliche – Anhänger der sogenannten Gülen-Bewegung, die von der türkischen Regierung für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird. Diese Mobilisierung und die innertürkische Polarisierung hat zu einem stärkeren Auftreten der Grauen Wölfe auch in Deutschland geführt: Beispielsweise folgten am 31. Juli 2016 in Köln tausende Menschen einem Demonstrationsaufruf von Erdoğan und anderen AKP-Politikern, darunter zahlreiche, an Fahnen und Symbolen der Bewegung erkennbare Anhänger der Grauen Wölfe. Auf einer Pro-Erdogan-Demonstration in München hatten Teilnehmer den sogenannten Wolfsgruß gezeigt.
Doch nicht erst seit dem Putsch vertreten Anhänger der Grauen Wölfe die nationalistische Politik der türkischen Regierung hierzulande auch auf martialische Weise. Am 26. März 2016 rief in Duisburg der türkisch-rechtsnationalistische Rocker- und Boxclub "Turan e.V." (der die großtürkisch-turanistische Zielstellung bereits im Namen trägt) zu einer Demonstration unter dem Motto "Wir unterstützen den Anti-Terrorkampf der türkischen Sicherheitsbehörden" auf, an der mehr als 350 Personen teilnahmen.
Nähe zwischen deutschen und türkischen Rechtsextremisten
Der Rassismus deutscher Rechtsextremisten und die Zunahme rassistisch motivierter Gewalt ab Ende der 1970er Jahre brachten die türkei-stämmigen Rechtsextremisten in eine paradoxe Situation. Bei ihren gewalttätigen Aktionen gegen türkische oder kurdische Linke in der Bundesrepublik sahen sie die hiesigen Neonazis als Verbündete und sich von der allgemeinen antikommunistischen Stimmung der 1970er und 1980er Jahre in der Bundesrepublik bestärkt.
In einem Rundschreiben von 1977 betonte Alparslan Türkeş die ideologische Nähe von MHP und NPD ausdrücklich: "… um die vorgesehenen Ziele zu erreichen, sind unbedingt die Aktionseinheit unserer Partei und der NPD sowie deren Erfahrung und Arbeitsmethoden auszunutzen. Den von der Zentralleitung der MHP entsandten Anweisung ist dabei Folge zu leisten".
Die gegenseitige Wertschätzung hält seit Jahrzehnten an. So fand der damalige NPD-Landeschef von Hessen, Jörg Krebs, im Jahr 2009 lobende Worte: "Bei den jüngsten Parlamentswahlen am 22. Juli 2007 schaffte es die einzige ernstzunehmende nationale türkische Partei – die uns deutschen nationalen Aktivisten sehr wohl bekannte – MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung – Graue Wölfe) mit atemberaubenden 14,29 Prozent zurück ins türkische Parlament. 70 MHP-Abgeordnete vertreten nunmehr konsequent eine Politik, die sich in erster Linie an den Interessen des eigenen Volkes orientiert und die daher einen Beitritt der Türkei zum 'Melting Pot' EU kategorisch ablehnt. Damit ist die MHP natürliche Verbündete aller nationaldenkenden Deutschen, die einen EU-Beitritt der Türkei ebenfalls ablehnen. Dieses gilt es aus meiner persönlichen Sicht in Zukunft auch im Hinblick auf den Umgang mit nationalistischen Türken in der Bundesrepublik viel stärker zu bedenken. (...) Denn ein Grundsatz gilt heute mehr denn je: 'Der Feind meines Feindes ist mein Freund'".
Doch trotz dieser teils großen ideologischen Nähe kam es über die Jahrzehnte kaum zu einer wahrnehmbaren, tatsächlichen Kooperation zwischen deutschen Rechtsextremen und Grauen Wölfen. Ereignisse wie im April 2016 in Nürnberg dürften deshalb eher die Ausnahme bleiben: Dort demonstrierten Graue Wölfe Seite an Seite mit Aktivisten der neonazistischen Partei "Die Rechte" gegen die linke, kurdische PKK.