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New-Workisierung von Arbeit | bpb.de

New-Workisierung von Arbeit Zeitdiagnose zum Wandel der Arbeitswelt

Friedericke Hardering

/ 15 Minuten zu lesen

New Work hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Versprechen auf eine bessere Arbeitswelt entwickelt. Inwieweit dieses Versprechen eingelöst werden kann, hängt von der jeweiligen Intention ab, mit der New-Work-Maßnahmen in Unternehmen eingeführt werden.

Wer sich gegenwärtig mit dem Wandel der Arbeitswelt beschäftigt, kommt um das Schlagwort "New Work" kaum herum. "New Work" zählt wie "New Normal" oder "Arbeit 4.0" zu den Begriffen, die im Kontext der Corona-Pandemie Auftrieb erhalten haben und auf Wandlungstendenzen in der Arbeitswelt hindeuten. Unter New Work werden aktuell vor allem neue Formen der Arbeitsorganisation wie Homeoffice, neue Bürokonzepte, hybride Arbeit, Vier-Tage-Woche, Selbstorganisation, New Leadership oder agiles Arbeiten verstanden. Diese zeichnen sich insbesondere durch eine zeitliche und räumliche Flexibilisierung von Arbeit sowie neue Formen der Zusammenarbeit aus. Ursprünglich ist der Begriff "New Work" durch Frithjof Bergmann geprägt, der 2004 in "Neue Arbeit, neue Kultur" ein Konzept für eine andere Arbeitsgesellschaft entworfen hat. Ihm ging es darum, aufzuzeigen, wie sich Gesellschaften von der Fixierung auf Lohnarbeit lösen können. New Work umfasst daher neben organisationalen Gestaltungsansätzen auch die Idee einer anderen Arbeitswelt, in der Erwerbsarbeit neben anderen Tätigkeitsformen steht. Insgesamt handelt es sich um einen vielschichtigen Begriff, der verschiedene Ansätze der Arbeitsorganisation sowie ein neues Verständnis von Arbeit jenseits der Erwerbsarbeit einschließt und vielleicht gerade wegen seiner Vieldeutigkeit so populär werden konnte.

Bei aller Unschärfe hat sich New Work in den vergangenen Jahren zu einem Versprechen einer besseren Arbeitswelt entwickelt, und es lässt sich gegenwärtig ein Prozess der "New-Workisierung" von Arbeit beobachten. Mit der New-Workisierung von Arbeit wird die gegenwärtige Bedeutungszunahme der Idee des neuen Arbeitens bezeichnet. Dem Ruf nach New Work kann sich demnach kaum jemand entziehen, und als Folge der New-Workisierung ist New Work ist zu einer generalisierten Erwartungsstruktur in der Arbeitswelt geworden: wenn schon Arbeit, dann New Work. Die New-Workisierung ist Ausdruck der Überzeugung, dass altgediente Verfahrensweisen und Ansätze in der Arbeitswelt nicht länger wirksam sind. In diesem Kontext ist eine neue Welle organisationaler Transformationsprozesse entstanden.

Betrachtet man gegenwärtige Definitionen von New Work, die auf mehr Selbstbestimmung und Sinnhaftigkeit der Arbeit zielen, so kann die New-Workisierung zunächst als Prozess der Verbesserung der Arbeitswelt gedeutet werden. Gleichzeitig impliziert die New-Workisierung eine problematische Überakzentuierung des Neuen. So werden in der Debatte einerseits frühere Entwicklungen in Richtung einer Neuen Arbeit kaum berücksichtigt. Damit wird die Kontinuität von New Work unterschätzt. Andererseits wird die positive Seite überhöht und die mit neuen Arbeitsformen einhergehende Zunahme von Belastungen und Konflikten teilweise ausgeblendet. Auch kann die verallgemeinerte Erwartungsstruktur, dass Arbeit nun allerorten New Work sein soll, zu einer Verwässerung des Konzeptes und Schwächung des transformatorischen Potenzials in Richtung gute Arbeit führen.

Ziel dieses Beitrags ist es, die Ambivalenzen des Prozesses der New-Workisierung der Arbeit aufzuzeigen. Dazu wird zunächst der Begriff "New Work" beleuchtet, der sowohl eine kapitalismuskritische Sicht auf Erwerbsarbeit und ein erweitertes Arbeitsverständnis als auch Hoffnungen auf einen Gestaltwandel von Arbeit in Organisationen umfasst. Anschließend wird gezeigt, dass viele der als New Work beschriebenen Maßnahmen weit weniger neu sind, als suggeriert wird. Um die aktuellen Veränderungen besser einordnen zu können, ist es hilfreich, sich die kritische Perspektive der Arbeitsforschung zu vergegenwärtigen. In einem nächsten Schritt werden die Ambivalenzen konkreter New-Work-Maßnahmen beleuchtet. Abschließend werden zwei Szenarien der New-Workisierung skizziert und Anregungen formuliert, wie die Diskussion um New Work versachlicht werden kann.

Chancen für einen Bedeutungsgewinn von New Work ergeben sich vor allem dann, wenn Maßnahmen differenziert betrachtet werden, wenn New Work in Verbindung mit etablierten Gestaltungsansätzen von Arbeit gedacht wird und wenn sich die Debatte von der Erwerbsarbeitszentrierung löst und andere Tätigkeitsfelder einbezieht.

Versprechen einer besseren Arbeitswelt

Der Bedeutungsgewinn von New Work fällt in eine Zeit, in der die Zukunft der Arbeit durch technologische Innovationen und einen weiteren Digitalisierungsschub neu verhandelt wird. Viele New-Work-Gestalter*innen nehmen an, dass durch veränderte Rahmenbedingungen wie die Klimakrise oder den Fachkräftemangel alte Gestaltungsansätze für Organisationen ausgedient haben. Ein grundlegend neues Verständnis von Arbeit sei notwendig. Diese Sichtweise findet sich insbesondere in Annahmen rund um das Thema Agilität, wo davon ausgegangen wird, dass die VUCA-Welt, die volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig ist, alte Annahmen über die Arbeitswelt obsolet macht.

In dieser Gemengelage hat sich New Work als ein Versprechen entwickelt, Organisationen Angebote zu bieten, um innovativer zu werden und sich im globalen Wettbewerb behaupten zu können. So finden sich mittlerweile zahlreiche Leitfäden, Toolbooks und Empfehlungen, wie Organisationen durch New-Work-Ansätze transformiert werden können. Kern der heterogenen Definitionen von New Work sind neue Formen der Arbeitsorganisation, die durch räumliche und zeitliche Flexibilität sowie durch neue Führungskonzepte mehr Eigenverantwortung, Selbstorganisation, Autonomie und Sinnstiftung der Beschäftigten ermöglichen. Gleichzeitig wird mit New Work eine Steigerung der Innovationsfähigkeit und Produktivität verbunden. Die Ziele, die mit New-Work-Maßnahmen verbunden sind, können also sehr unterschiedlich sein: Mal liegt der Fokus stärker auf der Organisationsentwicklung, und es geht um die Gesundheit und das Sinnerleben der Beschäftigten, mal zielen die Maßnahmen eher darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit der Organisationen zu erhöhen. Je nach Zielsetzung können auch die Folgen für die Beschäftigten unterschiedlich sein und von einer tatsächlichen Verbesserung der Arbeitsqualität bis hin zu Arbeitsverdichtung und erhöhten Arbeitsbelastungen reichen. Inwieweit die Versprechen von New Work für eine bessere Arbeitswelt eingelöst werden können, hängt also wesentlich von der Intention ab, mit der die Maßnahmen eingeführt werden. Um ein klares Bild zu erhalten, ist daher eine differenzierte Betrachtung der Maßnahmen notwendig.

Dies ist auch die Voraussetzung, um Tendenzen eines "New-Work-Washing" zu erkennen. Kennzeichnend dafür ist, dass an die Rhetorik von New Work in einer humanistischen Tradition angeknüpft, tatsächlich aber eine andere Agenda verfolgt wird. New-Work-Washing ist kein gänzlich neues Phänomen: Bereits in den Debatten um einen "neuen Geist des Kapitalismus" Anfang der 2000er Jahre wurde darauf verwiesen, wie positiv besetzte Begriffe wie "Selbstverwirklichung", "Autonomie", "Authentizität" oder "Kreativität", die eigentlich aus der Kapitalismuskritik stammen, nun im Kontext der Arbeitswelt genutzt werden, um als Motivationsgrundlage zu fungieren und eine positive Bezugnahme auf die Arbeitswelt zu ermöglichen. Die Begriffe dienen auch dazu, die neuen Unsicherheiten eines flexiblen Kapitalismus zu verdecken. Dieser Gedanke der Vereinnahmung von Kritik an der Arbeitswelt lässt sich auch auf New Work übertragen: Die von Frithjof Bergmann beschriebene Neue Arbeit steht ursprünglich in der Tradition kapitalismuskritischer Ansätze, die für eine Erweiterung des Arbeitsbegriffs plädieren. Bergmann ging es vor allem darum, den Begriff der Arbeit nicht nur auf Erwerbsarbeit zu beziehen, sondern auf andere Tätigkeitsfelder wie Subsistenzarbeit oder selbstständige Arbeit auszuweiten. Von dieser Idee ist in der Debatte um New-Work-Maßnahmen in Organisationen wenig übrig geblieben. So wird der einst kritische Begriff vereinnahmt und stellenweise als rhetorische Figur genutzt, um einen positiven Bezug zur Arbeit zu ermöglichen. New Work kann so zu einem Etikett verkommen und darüber hinaus das im Konzept angelegte transformative Potenzial für eine andere Arbeitswelt verlieren.

Neue und alte Kritik

Vieles an New Work ist keineswegs so neu, wie der gegenwärtige Hype um das Thema suggeriert. In der Arbeitssoziologie wurde die Vergrößerung zeitlicher und räumlicher Gestaltungsspielräume schon seit den 1980er Jahren unter dem Stichwort "Flexibilisierung von Arbeit" verhandelt. Diskutiert wurden neue Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung wie Gleitzeit, aber auch Telearbeit und die Ausbildung atypischer oder prekärer Beschäftigungsformen. Eine weitere Entwicklung neben der Flexibilisierung von Arbeit ist die seinerzeit diagnostizierte Subjektivierung von Arbeit. Darunter wurde einerseits der Wunsch von Beschäftigten nach größerer innerer Beteiligung an der Arbeit verstanden, andererseits die erweiterte organisationale Indienstnahme subjektiver Fähigkeiten wie Kreativität und Selbststeuerungsfähigkeit. Viele Untersuchungen in dieser Tradition richten das Augenmerk auf die Ambivalenzen, die mit den neuen Flexibilisierungsmöglichkeiten und Subjektivierungserwartungen einhergehen: Demnach können die neuen Freiheiten im Kontext gestiegener betrieblicher Leistungserwartungen aufgezehrt werden und zur Selbstausbeutung führen.

Zugespitzt wird dieser Gedanke in der These von der Entgrenzung der Arbeit. Hier wird davon ausgegangen, dass die altbekannten Trennlinien zwischen Arbeitswelt und Lebenswelt beziehungsweise zwischen Person und Arbeitskraft erodieren und dies als Teil einer neuen betrieblichen Rationalisierungsstrategie zu verstehen ist: Demnach wächst die Verantwortung der Beschäftigten für den Markterfolg, sie sollen selbst Lösungen für die gestiegenen Marktanforderungen finden. Dazu werden ihnen mehr Autonomie und Möglichkeiten zur Selbstorganisation angeboten. Diese Verantwortungsübernahme der Beschäftigten kommt auch in Konzepten des "Arbeitskraftunternehmers" oder des "unternehmerischen Selbst" zum Ausdruck, die die Erwartung an Beschäftige hervorheben, unternehmerisch zu handeln und ihren Alltag um die Arbeit herum zu organisieren.

Insgesamt werden die neuen Arbeitsformen in den bisherigen Debatten als ambivalent und widersprüchlich eingeschätzt, da die gewachsene Verantwortung den Einzelnen einerseits überfordern und überlasten kann, andererseits aber auch die Chance bietet, die eigene Persönlichkeit stärker in die Arbeit einzubringen. Im Unterschied zu früheren Debatten ist in der aktuellen öffentlichen Diskussion um New Work ein deutlich optimistischerer Ton zu vernehmen, der vor allem die Gestaltungschancen Neuer Arbeit und Flexibilisierung als Weg zu menschengerechter Arbeit herausstellt. Allerdings regt sich mittlerweile auch zunehmend Kritik an dieser allzu optimistischen Lesart. Für die weitere Diskussion um New Work ist es wichtig, sowohl die älteren als auch die jüngeren Kritiken nicht aus dem Blick zu verlieren.

Gelingende Humanisierung der Arbeitswelt?

Inwieweit tragen organisatorische Veränderungen unter dem Label "New Work" tatsächlich zu einer Humanisierung der Arbeitswelt bei? Um die Vor- und Nachteile für Beschäftigte und Organisationen bestimmen zu können, müssen die Maßnahmen differenziert betrachtet werden, da sie sehr unterschiedlich sein können und von räumlichen und zeitlichen Flexibilisierungsprozessen bis hin zur Einführung von agiler Arbeit reichen. Inwieweit die Transformationen tatsächlich das Ziel einer verbesserten Arbeitsqualität erreichen, wird kritisch diskutiert.

Ein Beispiel ist das Homeoffice, das in den vergangenen Jahren vor allem durch die Corona-Pandemie massiv an Bedeutung gewonnen hat und oft als Inbegriff von New Work gesehen wird. Telearbeit gab es zwar schon früher und wurde bereits in den 1990er Jahren vereinzelt genutzt, aber erst mit den verbesserten technischen Möglichkeiten hat sich die Nutzungshäufigkeit verändert. Die Befunde zum Homeoffice sind heterogen: Homeoffice ist beliebt. Viele Beschäftigte wünschen sich die Möglichkeit, mehrere Tage in der Woche von zu Hause aus zu arbeiten. Darüber hinaus deuten Studien auf eine Verbesserung der Work-Life-Balance durch die flexible Zeiteinteilung und den Wegfall von Fahrzeiten zur Arbeit hin. Inwieweit Stress im Homeoffice zu- oder abnimmt, wird dagegen kontrovers diskutiert. Gerade in der Zeit der Pandemie erlebten Wissensarbeitende ein Gefühl der sozialen Isolation und des Gemeinschaftsverlustes, und trotz vielfältiger Strategien der Sinnfindung blieb die Antwort auf die Frage nach dem Warum der eigenen Arbeit teilweise unklar.

Aus Sorge um sinkende Produktivität ermutigen viele Unternehmen ihre Beschäftigten mittlerweile, wieder ins Büro zurückzukehren. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre deuten darauf hin, dass hybrides Arbeiten, also die Kombination von Homeoffice und Büroarbeit, auch in Zukunft relevant sein wird. Auch wenn die Einführung von Homeoffice in vielen Unternehmen kein geradliniger Prozess war und die Reduktion von Belastungen eine fortwährende Aufgabe bleibt, liegt der Mehrwert vor allem in der erhöhten zeitlichen und räumlichen Autonomie der Beschäftigten, die ein wesentlicher Faktor für gesundes und zufriedenes Arbeiten ist.

Ein weiteres Feld organisationaler New-Work-Transformationen sind Veränderungen von Hierarchiestrukturen, die Einführung neuer Führungskonzepte oder neue Formen der Selbstorganisation. Auf dem Weg zu New Work entstehen oft zunächst mehr Konflikte, Unsicherheiten und Belastungen. Neue Ansätze treffen auf etablierte Denk- und Handlungsmuster. Routinen geraten ins Wanken. Sei es bei der Einführung eines digitalen Kollaborationstools oder der Einführung soziokratischer Strukturen und Selbstorganisation. Die Chancen auf eine gelingende Transformation erhöhen sich, wenn Beschäftigte gut begleitet werden und Weiterbildung gefördert wird. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass mehr Selbstverantwortung, die ursprünglich dem Wunsch nach mehr Autonomie entspricht, in neue Zwänge und damit in Überforderung umschlagen kann. Anders als beim Thema Homeoffice, bei dem die Studienlage gut ist, gibt es für organisationale New-Work-Transformationen und die Einführung von Selbstorganisation weit weniger vergleichbare wissenschaftliche Befunde, dafür aber Fallstudien und Praxisberichte.

Ähnlich dürftig und anekdotisch war lange Zeit die Studienlage zum agilen Arbeiten, einer kollaborativen Arbeitsmethode, bei der Teams in kurzen Zeitzyklen eng zusammenarbeiten und durch regelmäßiges Feedback ihre Herangehensweisen anpassen. Agiles Arbeiten wurde ursprünglich vor allem im Bereich der Softwareentwicklung genutzt und prägt mittlerweile die Arbeitskultur in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern und Branchen. Doch gerade in den vergangenen Jahren konnten Studien die positiven Auswirkungen agiler Praktiken auf die psychische Gesundheit durch geringere Arbeitsanforderungen und mehr Ressourcen sowie die positiven Effekte agilen Projektmanagements auf Leistung und Innovation nachweisen.

Ob Homeoffice, agiles Arbeiten oder neue Führungskonzepte: Mit Blick auf die wissenschaftliche Erforschung von New-Work-Maßnahmen zeigt sich ein sehr heterogenes Bild, und für viele von ihnen sind weitere empirische Untersuchungen notwendig, die Einblicke in Wirkmechanismen und Erfolgsfaktoren geben. Deutlich wird: New-Work-Ansätze können zu mehr Zufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten beitragen, sie können aber auch Belastungen, Arbeitsintensivierung und Konflikte fördern. Daher ist es wichtig, auch die Schattenseiten von Transformationsprozessen in den Blick zu nehmen, um ihnen adäquat durch Weiterbildungsmaßnahmen oder Belastungsreduktion begegnen zu können. Zudem ist – wie bei anderen organisationalen Transformationen auch – die Einbindung der Beschäftigten elementar: Fühlen sich Beschäftigte bei der Umsetzung nicht gut informiert oder übergangen, entstehen Konflikte, und auch gute Gestaltungsansätze können wirkungslos bleiben.

New Work als Gestaltungschance

Die New-Workisierung der Arbeitswelt bietet erhebliche Chancen für eine Verbesserung der Arbeit. New-Work-Maßnahmen sind aber weder Allheilmittel noch Selbstläufer, es kommt letztlich immer auf die konkrete Ausgestaltung an. Größere Spielräume für eine flexible Arbeitsgestaltung, die von den Beschäftigten gewünscht werden, können mit neuen Gesundheitsrisiken einhergehen. Auch organisationale Veränderungsprozesse hin zu Neuer Arbeit verlaufen keineswegs geradlinig. Vielmehr kommt es zu Rückschlägen. Überforderung und Stressanstieg können die Folge sein. Ob sich am Ende eines Prozesses tatsächlich die angestrebten Verbesserungen einstellen, ist ungewiss. Inwieweit New Work tatsächlich zu mehr Autonomie und Sinnstiftung führt, hängt nicht nur von den flexiblen Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung ab, sondern maßgeblich von den Leistungserwartungen im Unternehmen. Konterkarieren diese die Vorteile flexibler Arbeitsmöglichkeiten, können Arbeitsverdichtung, Erreichbarkeitserwartungen und unrealistische Zielvorgaben die neu gewonnenen Chancen untergraben.

Für die Arbeitswelt lassen sich aus diesen Überlegungen ein optimistisches und ein pessimistisches Szenario der New-Workisierung ableiten: Im optimistischen Szenario gelingt die Umsetzung neuer Arbeitsformen. Negative Effekte, die in Umbruchsituationen entstehen, werden abgefedert, und die Beschäftigten werden adäquat weitergebildet. New Work trägt in diesem Szenario zu einer Humanisierung der Arbeitswelt bei.

Anders sieht es im pessimistischen Szenario aus. Hier wird das Etikett "New Work" vor allem dazu benutzt, Effizienzsteigerungen durchzusetzen und den Beschäftigten mehr Verantwortung für den Markterfolg zu übertragen. Die Folgen können weitere Arbeitsverdichtung, Überforderung und Erschöpfung sein. Psychische Belastungen können weiter zunehmen. Die Intensivierung digitaler Arbeit kann Entfremdung fördern und Beschäftigte im Homeoffice mehr und mehr isolieren. Gleichzeitig können durch die fortschreitende Digitalisierung und den vermehrten Einsatz von Künstlicher Intelligenz Unsicherheit und Angst vor Arbeitsplatzverlust bei den Beschäftigten zunehmen.

In Teilen der Arbeitswelt zeigen sich die Schattenseiten der New-Workisierung bereits: im Bereich der Microworker, die als Selbstständige digitale Kleinstaufgaben bearbeiten, konkurrierend und isoliert um fragmentierte Aufgaben kämpfen und mit schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert sind. Oder im Bereich der hochqualifizierten Wissensarbeit, wo New-Work-Maßnahmen von oben über die Köpfe der Beschäftigten hinweg verordnet werden. Was aber braucht es, damit New Work zu einer wirklichen Verbesserung der Arbeitswelt führt?

Stärken, Herausforderungen und Grundannahmen der Neuen Arbeit

Die New-Workisierung der Arbeitswelt eröffnet neue Möglichkeitsräume für gute Arbeit. Dies gelingt jedoch nur, wenn auch die Schattenseiten aktueller Transformationsprozesse, also Ambivalenzen und Widersprüche, in die Debatte einbezogen werden. Auch die detaillierte Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen Befunden zu einzelnen New-Work-Maßnahmen und ihrer Wirksamkeit auf die Gesundheit oder Zufriedenheit der Beschäftigten ist ein wichtiger Baustein, um die Diskussion zu versachlichen. Für viele der neuen Maßnahmen ist es jedoch wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass es jenseits einer vermuteten Evidenz eben noch keine belastbaren Wirksamkeitsnachweise gibt.

Zu einer adäquaten Einschätzung des Neuen gehört auch ein nüchterner Blick auf die Diskussion um die veränderten Arbeitsorientierungen der Generation Z, also die Generation der heutigen Berufsanfänger. In der medial zugespitzten Diskussion wird vor allem die Unterschiedlichkeit generationaler Vorstellungen betont. Gleichzeitig weist die Forschung darauf hin, dass sich die Wünsche der Beschäftigten verschiedener Generationen an eine gute und sinnstiftende Arbeit nur geringfügig unterscheiden. Es ist daher nicht zielführend, New-Work-Maßnahmen auf eine vermeintlich ganz andere Generation auszurichten. Wichtiger ist es, stereotype Vorstellungen abzubauen und sich an den Gemeinsamkeiten zu orientieren, die sich in den Erwartungen an die Arbeit zeigen.

New Work needs (good) Old Work

Auch für New Work gilt: Neu ist nicht immer besser. Wesentliche Gestaltungsgrundsätze guter Arbeit sind seit Langem bekannt und haben sich im Laufe der Zeit kaum verändert. Hierzu zählen stabile und sichere Beschäftigungsverhältnisse, gute Arbeitsbedingungen, eine faire Bezahlung und gute Beziehungen zu Führungskräften und Kolleg*innen. Darüber hinaus tragen Autonomie, Zeitelastizität, eine sinnstiftende Aufgabe sowie Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten dazu bei, dass Beschäftigte motiviert und gesund arbeiten können. Es kommt daher auf eine gute Kombination von alten und neuen Gestaltungsansätzen an. Dies bedeutet auch, dass neuere Ansätze wie die Vier-Tage-Woche wichtig sein können, um die zeitliche Flexibilität zu erhöhen, ohne dabei die Relevanz längst etablierter und verbreiteter Instrumente wie der Gleitzeit aus den Augen zu verlieren.

Ganze Arbeit in den Blick nehmen

New Work steht mit Bergmanns Überlegungen in der Tradition erweiterter Arbeitskonzepte. In dieser Tradition, die stark von den Bewegungen für Nachhaltigkeit und Geschlechtergerechtigkeit inspiriert ist, geht es um das Zusammenspiel von Erwerbsarbeit mit anderen Tätigkeitsformen wie Sorgearbeit, aber auch Freiwilligenarbeit und politischem und kulturellem Engagement. Die Arbeitswelt lässt sich nur verbessern, wenn es ein ehrliches Bild von dem gibt, was Menschen tagtäglich leisten, auch wenn diese Arbeit nicht bezahlt wird und teilweise unsichtbar bleibt. Dazu gehört auch die Frage: Welche Arbeit brauchen wir? Wo können wir sinnlose Arbeit vermeiden? Und wie können wir Arbeit nachhaltig gestalten? Ein Wandel hin zu einer menschengerechteren Arbeitswelt bedeutet immer, die ganze Arbeit in den Blick zu nehmen. Gegenwärtig kreist die Diskussion vielfach nur um Erwerbsarbeit, und Fragen der Sorgearbeit, aber auch alternative Perspektiven auf eine wünschenswerte Zukunft der Arbeit werden ausgeblendet. Damit die New-Work-Debatte einen produktiven Beitrag zur nachhaltigen Transformation der Arbeitswelt leisten kann, ist die (Wieder-)Einbindung erweiterter Arbeitskonzepte unabdingbar.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Frithjof Bergmann, Neue Arbeit, neue Kultur, Freiburg/Br. 2004.

  2. VUCA steht für Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit).

  3. Vgl. Franziska Schölmerich/Jan Koch/Carsten C. Schermuly, Eine Taxonomie von New Work-Praktiken – Unterschiede in Wirkungsziel und Wirkungsebene, in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching 2/2023, S. 213–230.

  4. Vgl. Luc Boltanski/Ève Chiapello, Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz 2003.

  5. Vgl. Eckhard Heidling/Nick Kratzer, New Work Flexible, Mobile, Project-Driven: Can Increasing Self-Organization Contribute to a New Design of Work?, in: Ronggui Ding/Reinhard Wagner/Constanta-Nicoleta Bodea (Hrsg.), Research on Project, Programme and Portfolio Management, Cham 2022, S. 65–85.

  6. Vgl. Nick Kratzer/Dieter Sauer, Flexibilisierung und Subjektivierung von Arbeit, in: Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland. Arbeit und Lebensweisen, Wiesbaden 2005, S. 125–149.

  7. Vgl. Frank Kleemann/Ingo Matuschek/Gerd-Günter Voß, Subjektivierung von Arbeit. Ein Überblick zum Stand der Diskussion, in: Manfred Moldaschl/Gerd-Günter Voß (Hrsg.), Subjektivierung von Arbeit, München–Mering 2002, S. 53–100; Martin Baethge, Arbeit, Vergesellschaftung, Identität. Zur zunehmenden normativen Subjektivierung der Arbeit, in: Soziale Welt 1/1991, S. 6–19.

  8. Vgl. Nick Kratzer, Arbeitskraft in Entgrenzung. Grenzenlose Anforderungen, erweiterte Spielräume, begrenzte Ressourcen, Berlin 2003.

  9. Vgl. Gerd-Günter Voß/Hans J. Pongratz, Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft?, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 1/1998, S. 131–158; Ulrich Bröckling, Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Frankfurt/M. 2007.

  10. Vgl. Thomas Fuchs/Lukas Iwer/Stefano Micali (Hrsg.), Das überforderte Subjekt. Zeitdiagnosen einer beschleunigten Gesellschaft, Berlin 2018.

  11. Vgl. Detflef Gerst, New Work: Zwischen neuer Freiheit und fremdbestimmter Flexibilität, in: WSI-Mitteilungen 1/2023, S. 62–68; Elke Ahlers, New Work(load). Gestaltungsansätze für selbstorganisierte Formen der Arbeitsorganisation 2023, WSI Policy Brief Nr. 78/2023, Externer Link: http://www.boeckler.de/fpdf/HBS-008600/p_wsi_pb_78_2023.pdf.

  12. Vgl. Gerst (Anm. 11).

  13. Siehe hierzu auch den Beitrag von Michael Homberg/Mirko Winkelmann in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.).

  14. Vgl. Tanja Carstensen, Zwischen Homeoffice, neuer Präsenz und Care. Die räumliche und digitale Neuordnung von Arbeit, in: WSI-Mitteilungen 1/2023, S. 3–9.

  15. Vgl. Alan Felstead, Remote Working. A Research Overview, Milton 2022.

  16. Vgl. Friedericke Hardering/Mareike Biesel, Sinn finden im Homeoffice: Barrieren und Strategien der Sinnfindung, in: Personal Quarterly 1/2023, S. 10–15.

  17. Vgl. Lene Baumgart, New Work – Old Problem? Wie Postbürokratie die Digitalisierung erschwert, in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching 2/2023, S. 181–194.

  18. Vgl. Christian Geyer, Verteilte Führungsarbeit statt vertikale Hierarchie, in: Sozialwirtschaft 2/2023, S. 28ff.

  19. Vgl. Nicole Bischof, Self-Leadership in selbstorganisierten Systemen am Beispiel Holacracy, in: Christoph Negri (Hrsg.), Führen in der Arbeitswelt 4.0, Berlin–Heidelberg 2019, S. 63–72.

  20. Vgl. Sarah Rietze/Hannes Zacher, Relationships Between Agile Work Practices and Occupational Well-Being: The Role of Job Demands and Resources, in: International Journal of Environmental Research and Public Health 3/2022; Jan Koch/Ivana Drazic/Carsten C. Schermuly, The Affective, Behavioural and Cognitive Outcomes of Agile Project Management: A Preliminary Meta-Analysis, in: Journal of Occupational and Organizational Psychology 3/2023, S. 678–706.

  21. Vgl. Martin Schröder, Der Generationenmythos, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 3/2018, S. 469–494.

  22. Vgl. Friedericke Hardering, Die Sinnsuche der Generation Y. Zum Wandel von Ansprüchen an den Sinn (in) der Arbeit, in: Bernhard Badura et al. (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2018. Sinn erleben – Arbeit und Gesundheit, Berlin 2018, S. 75–83.

  23. Vgl. Eberhard Ulich, Arbeitspsychologie, Stuttgart 20117.

  24. Vgl. Beate Littig/Markus Spitzer, Arbeit neu. Erweiterte Arbeitskonzepte im Vergleich. Literaturstudie zum Stand der Debatte um erweiterte Arbeitskonzepte, Hans-Böckler-Stiftung, Arbeitspapier 229/2011.

  25. Vgl. Teresa Bücker, Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit, Berlin 2022.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Friedericke Hardering für Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de

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ist Professorin für Zukunft der Arbeit und Digitalisierung an der FH Münster. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Sinn der Arbeit, Arbeitssoziologie, Digitalisierung der Arbeit und New Work.
E-Mail Link: f.hardering@fh-muenster.de