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Editorial | bpb.de

Editorial

Sascha Kneip

/ 2 Minuten zu lesen

Weder Regierungen noch Unternehmen schätzen es sonderlich, wenn geheime Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Die Aufdeckung von unmoralischem, gefährlichem, illegalem oder betrügerischem Verhalten ist für den davon Betroffenen im besten Falle peinlich, im schlimmsten Falle strafbar. Insofern verwundert es nicht, dass "Whistleblowing" – die gezielte Preisgabe solcher Informationen durch Insider – innerhalb von Unternehmen, Organisationen und Behörden oft kritisch gesehen und das Enthüllen von Staatsgeheimnissen häufig sogar strafrechtlich verfolgt wird.

Dass sich auch demokratische Rechtsstaaten so schwer mit dem Whistleblowing tun, überrascht dann aber doch. Regierungshandeln transparent zu machen, Machtmissbrauch zu bekämpfen und illegale Praktiken zu unterbinden, zählt ja eigentlich zu den Kernideen von Demokratie. Gleichwohl verdanken sich die sogenannten Hinweisgeberschutzgesetze, die es mittlerweile in fast allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt, vor allem der Pflicht, eine entsprechende EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern in nationales Recht umzusetzen. Nicht nur das deutsche Umsetzungsgesetz nimmt dabei die Weitergabe von Geheiminformationen, die wesentliche Sicherheitsinteressen des Staates berühren, ausdrücklich von diesem Schutz aus.

Dies zu überdenken, wäre schon deshalb angemessen, weil in der Vergangenheit immer mehr staatliche Informationen als geheim eingestuft wurden. Vor allem aber betrifft diese Klassifizierung auch solch eklatante Fälle von Machtmissbrauch oder Rechtsbruch, von denen die demokratische Öffentlichkeit erfahren sollte, wenn sie nicht vom Staat selbst darüber in Kenntnis gesetzt wird. Dass Chelsea Manning zunächst zu 35 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, Julian Assange 175 Jahre Haft drohen und Edward Snowden ausgerechnet im Moskauer Exil ausharren muss, weil sie unter anderem Kriegsverbrechen aufgedeckt und rechtswidriges Exekutivhandeln öffentlich gemacht haben, wirft kein gutes Licht auf die liberale Demokratie.