Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine | Ukraine-Analysen | bpb.de

Ukraine Wirtschaft / Rohstoffe / Kriegsschäden und Wiederaufbau Analyse: Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit in einer schwierigen Gesamtlage Analyse: Die Rohstoffe der Ukraine und ihre strategische Bedeutung Analyse: Schäden und Wiederaufbau der ukrainischen Infrastruktur Chronik: 11. Januar bis 21. Februar 2024 Zwei Jahre Angriffskrieg: Rückblick, aktuelle Lage und Ausblick (23.02.2024) Analyse: Zwei Jahre russischer Angriffskrieg. Welche politischen, militärischen und strategischen Erkenntnisse lassen sich ziehen? Kommentar: Die aktuelle Lage an der Front Kommentar: Wie sich der russisch-ukrainische Krieg 2024 entwickeln könnte Kommentar: Die Ukraine wird sich nicht durchsetzen, wenn der Westen seine eigene Handlungsfähigkeit verleugnet Kommentar: Wie funktioniert das ukrainische Parlament in Kriegszeiten? Kommentar: Wie die Wahrnehmung des Staates sich durch den Krieg gewandelt hat Umfragen: Stimmung in der Bevölkerung Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Statistik: Russische Raketen- und Drohnenangriffe, Verbrauch von Artilleriegranaten, Materialverluste im Kampf um Awdijiwka Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Landwirtschaft (09.02.2024) Analyse: Zwischenbilanz zum Krieg: Schäden und Verluste der ukrainischen Landwirtschaft Analyse: Satellitendaten zeigen hohen Verlust an ukrainischen Anbauflächen als Folge der russischen Invasion Statistik: Getreideexporte Chronik: 17. Dezember 2023 bis 10. Januar 2024 Kunst, Musik und Krieg (18.01.2024) Analyse: Ukrainische Künstler:innen im Widerstand gegen die großangelegte Invasion: Dekolonialisierung in der Kunst nach dem 24. Februar 2022 Analyse: Musik und Krieg Dokumentation: Ukrainische Musiker:innen, die durch die russische Invasion umgekommen sind Statistik: "De-Russifizierung" der ukrainischen Youtube-Musik-Charts Umfragen: Änderung des Hörverhaltens seit der großangelegten Invasion Chronik: 21. November bis 16. Dezember 2023 Eintritt in eine neue Kriegsphase? / Selenskyjs Appelle an Russland (19.12.2023) Interview: "Dieser Krieg bleibt in erster Linie ein Artilleriekrieg, der die Munitionslieferungen zu einem sehr wichtigen Faktor macht" Statistik: Geländegewinne seit Beginn der Großinvasion Kommentar: Deutschland: Ein Schlüsselakteur in der neuen Kriegsphase? Statistik: Internationale Hilfen für die Ukraine Analyse: Selenskyjs Appelle an russische Staatsbürger:innen im ersten Jahr des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine Dokumentation: Ansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an das russische Volk am Vorabend der großangelegten Invasion Chronik: 28. Oktober bis 20. November 2023 Der Globale Süden und der Krieg (24.11.2023) Analyse: Der Blick aus dem Süden: Lateinamerikanische Perspektiven auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Krieg gegen die Ukraine und Afrika: Warum die Afrikanische Union zwar ambitioniert, aber gespalten ist Analyse: Eine Kritik der zivilisatorischen Kriegsdiplomatie der Ukraine im Globalen Süden Umfragen: Umfragedaten: Der Globale Süden und Russlands Krieg gegen die Ukraine Dokumentation: Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chronik: 16. bis 27. Oktober 2023 Zwischen Resilienz und Trauma: Mentale Gesundheit (02.11.2023) Analyse: Mentale Gesundheit in Zeiten des Krieges Karte: Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur der Ukraine Analyse: Den Herausforderungen für die psychische Gesundheit ukrainischer Veteran:innen begegnen Umfragen: Umfragen zur mentalen Gesundheit Statistik: Mentale Gesundheit: Die Ukraine im internationalen Vergleich Chronik: 1. bis 15. Oktober 2023 Ukraine-Krieg in deutschen Medien (05.10.2023) Kommentar: Der Kampf um die Deutungshoheit. Deutsche Medien zu Ukraine, Krim-Annexion und Russlands Rolle im Jahr 2014 Analyse: Die Qualität der Medienberichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine Analyse: Russlands Aggression gegenüber der Ukraine in den deutschen Talkshows 2013–2023. Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. Ein Erfahrungsbericht Statistik: Auswirkungen des Krieges auf Forschung und Wissenschaft der Ukraine Innenpolitik / Eliten (26.05.2023) Analyse: Zwischen Kriegsrecht und Reformen. Die innenpolitische Entwicklung der Ukraine Analyse: Die politischen Eliten der Ukraine im Wandel Statistik: Wandel der politischen Elite in der Ukraine im Vergleich Chronik: 5. April bis 3. Mai 2023 Sprache in Zeiten des Krieges (10.05.2023) Analyse: Die Ukrainer sprechen jetzt hauptsächlich Ukrainisch – sagen sie Analyse: Was motiviert Ukrainer:innen, vermehrt Ukrainisch zu sprechen? Analyse: Surschyk in der Ukraine: zwischen Sprachideologie und Usus Chronik: 08. März bis 4. April 2023 Sozialpolitik (27.04.2023) Analyse: Das Sozialsystem in der Ukraine: Was ist nötig, damit es unter der schweren Last des Krieges besteht? Analyse: Die hohen Kosten des Krieges: Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die Armut verschärft Chronik: 22. Februar bis 7. März 2023 Besatzungsregime / Wiedereingliederung des Donbas (27.03.2023) Analyse: Etablierungsformen russischer Herrschaft in den besetzten Gebieten der Ukraine: Wege und Gesichter der Okkupation Karte: Besetzte Gebiete Dokumentation: Human Rights Watch: Torture, Disappearances in Occupied South. Apparent War Crimes by Russian Forces in Kherson, Zaporizhzhia Regions (Ausschnitt) Dokumentation: War and Annexation. The "People’s Republics" of eastern Ukraine in 2022. Annual Report (Ausschnitt) Dokumentation: Terror, disappearances and mass deportation Dokumentation: Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen Wladimir Putin wegen der Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland Analyse: Die Wiedereingliederung des Donbas nach dem Krieg: eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung Chronik 11. bis 21. Februar 2023 Internationaler Frauentag, Feminismus und Krieg (13.03.2023) Analyse: 8. März, Feminismus und Krieg in der Ukraine: Neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten Umfragen: Umfragen zum Internationalen Frauentag Interview: "Der Wiederaufbau braucht einen geschlechtersensiblen Ansatz" Statistik: Kennzahlen und Indizes geschlechterspezifischer Ungleichheit Korruptionsbekämpfung (08.03.2023) Analyse: Der innere Kampf: Korruption und Korruptionsbekämpfung als Hürde und Gradmesser für den EU-Beitritt der Ukraine Dokumentation: Statistiken und Umfragen zu Korruption Analyse: Reformen, Korruption und gesellschaftliches Engagement Chronik: 1. bis 10. Februar 2023 Kriegsentwicklung / Jahrestag der Invasion (23.02.2023) Analyse: Unerwartete Kriegsverläufe Analyse: Die Invasion der Ukraine nach einem Jahr – Ein militärischer Rück- und Ausblick Kommentar: Die Unterstützung der NATO-Alliierten für die Ukraine: Ursachen und Folgen Kommentar: Der Krieg hat die Profile der EU und der USA in der Ukraine gefestigt Kommentar: Wie der Krieg die ukrainische Gesellschaft stabilisiert hat Kommentar: Die existenzielle Frage "Sein oder Nichtsein?" hat die Ukraine klar beantwortet Kommentar: Wie und warum die Ukraine neu aufgebaut werden sollte Kommentar: Der Krieg und die Kirchen Karte: Kriegsgeschehen in der Ukraine (Stand: 18. Februar 2023) Statistik: Verluste an Militärmaterial der russischen und ukrainischen Armee Chronik: 17. bis 31. Januar 2023 Meinungsumfragen im Krieg (15.02.2023) Kommentar: Stimmen die Ergebnisse von Umfragen, die während des Krieges durchgeführt werden? Kommentar: Vier Fragen zu Umfragen während eines umfassenden Krieges am Beispiel von Russlands Krieg gegen die Ukraine Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine zu Kriegszeiten: Zeigen sie uns das ganze Bild? Kommentar: Meinungsforschung während des Krieges: anstrengend, schwierig, gefährlich, aber interessant Kommentar: Quantitative Meinungsforschung in der Ukraine zu Kriegszeiten: Erfahrungen von Info Sapiens 2022 Kommentar: Meinungsumfragen in der Ukraine unter Kriegsbedingungen Kommentar: Politisches Vertrauen als Faktor des Zusammenhalts im Krieg Kommentar: Welche Argumente überzeugen Deutsche und Dänen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen? Dokumentation: Umfragen zum Krieg (Auswahl) Chronik: Chronik 9. bis 16. Januar 2023 Ländliche Gemeinden / Landnutzungsänderung (19.01.2023) Analyse: Ländliche Gemeinden und europäische Integration der Ukraine: Entwicklungspolitische Aspekte Analyse: Monitoring der Landnutzungsänderung in der Ukraine am Beispiel der Region Schytomyr Chronik: 26. September bis 8. Januar 2023 Weitere Angebote der bpb Redaktion

Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Ukraine-Analyse Nr. 288

Oleksandr Opanasenko

/ 12 Minuten zu lesen

Die ökologischen Folgen der russischen Invasion in der Ukraine sind massiv und betreffen die Pflanzen- und Tierwelt sowie Gewässer, die Böden und die Luft.

Ein durch Kriegshandlungen ausgebrannter Wald im Oktober 2022 bei Isjum in der Donezker Oblast. (© picture-alliance, Photoshot)

Zusammenfassung

Die ökologischen Folgen der russischen Invasion in der Ukraine sind erheblich und zeigen sich in allen Bereichen. Da der Krieg weiterhin andauert, lassen sich die verursachten Schäden nicht genau bestimmen, doch selbst vorläufige Schätzungen deuten auf erhebliche Auswirkungen für die Umwelt hin. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Auswirkung des Krieges auf die Pflanzen- und Tierwelt sowie Gewässer und die Boden- und Luftqualität. Frühere Kriege und Konflikte in der Welt zeigen, dass die Beseitigung ökologischer Kriegsfolgen mehr als ein Jahrzehnt dauert.

Hinweis

Anmerkung der Redaktion: Das Manuskript wurde Ende Mai, kurz vor der Sprengung des Kachowka-Staudamms am 6. Juni, abgeschlossen, und nachträglich um die Passage zum Staudamm ergänzt.

Einleitung

Russland begann 2014 einen Krieg im Osten der Ukraine und auf der Krim. Seit Februar 2022 wird das gesamte Territorium der Ukraine angegriffen, ist aber in sehr unterschiedlichem Ausmaß von Zerstörungen durch das Kriegsgeschehen betroffen. Der Kampf für die Existenz und den Schutz des größten Landes in Europa, die Sicherheit unseres Volkes und die Wahrung unserer Werte ist eine vorrangige Aufgabe. Während des Krieges wurden ganze Städte zerstört; die endgültige Zahl der Toten ist noch unbekannt. Auch die Umwelt wurde durch den Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen: Nach dem Sieg müssen wir nicht nur Wohnraum, Infrastruktur und Unternehmen wiederherstellen, sondern auch die von der russischen Invasion beschädigten und zerstörten Ökosysteme.

Die Ökosysteme der Ukraine sind für Europa von großer Bedeutung. Sie umfassen 35 Prozent der Artenvielfalt Europas (mehr als 70.000 biologische Arten). 29 Prozent des ukrainischen Territoriums bestehen aus natürlichen und naturnahen Ökosystemen und 16 Prozent sind von Wäldern bedeckt. In der Ukraine befinden sich 11 Prozent der Karpaten, wo ein Drittel aller Pflanzenarten Europas wächst. Der Dnepr ist der viertlängste Fluss auf dem europäischen Kontinent. Von den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges sind 20 Prozent der Naturschutzgebiete der Ukraine mit einer Gesamtfläche von etwa 1 Million Hektar betroffen. Eine vollständige Bewertung der Auswirkungen des Krieges auf die Ökosysteme kann jedoch nicht erfolgen, solange der Krieg andauert.

Wenn Russland Atomkraftwerke, Fabriken und Lagerhäuser angreift und durch Brände gefährliche Stoffe in die Umwelt gelangen oder Kläranlagen für verschmutztes Wasser zerstört werden, handelt es sich um Verstöße gegen die Genfer Konvention. Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs definiert Verbrechen gegen die Umwelt als "vorsätzliches Führen eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser […] weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis, zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen." Das heißt, die vorsätzliche und sinnlose Zerstörung der Umwelt ist ein weiteres Verbrechen durch Russland.

Im Folgenden wird ein Überblick gegeben über die Auswirkungen des Krieges auf die Pflanzen- und Tierwelt sowie Gewässer und die Boden- und Luftqualität.

Pflanzen- und Tierwelt

Im Krieg werden natürliche Ökosysteme zerstört. Nach vorläufigen Schätzungen befanden sich zum 1. März 2022 insgesamt 900 Objekte des ukrainischen Naturschutzfonds mit einer Fläche von 1,24 Millionen Hektar unter militärischer Besatzung bzw. im Kriegsgebiet. Dies entspricht in etwa einem Drittel der Fläche des Naturschutzfonds der Ukraine. Etwa 200 Naturschutzgebiete mit einer Fläche von 2,9 Millionen Hektar, die zum "Smaragd-Netzwerk" der Berner Konvention zur Erhaltung natürlicher Lebensräume in Europa gehören, sind von der Zerstörung bedroht. Die "Ukrainische Umweltschutzgruppe" berichtete, dass 44 Prozent der wertvollsten Naturschutzgebiete der Ukraine unter russischer Besatzung seien, darunter seit 2014 insgesamt 17 Ramsar-Gebiete (Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung) mit einer Fläche von 627.300 Hektar.

Acht Naturschutzgebiete und zehn Nationalparks sind besetzt oder befinden sich in den Kampfgebieten, darunter die Biosphärenreservate "Askanija-Nowa" und "Schwarzes Meer", die Nationalparks "Dscharylhatsch", "Oleschky-Sande" und "Swjati Hory". Fast 80 Prozent des Nationalparks "Swjati Hory" wurden zerstört. Ende März 2023 intensivierte Russland die militärische Kontrolle über "Askanija-Nowa" – nun herrscht dort eine humanitäre Krise. Etwa 3 Millionen Hektar Wald sind vom Krieg betroffen, was rund ein Drittel aller ukrainischen Wälder ist. Etwa 23.300 Hektar Wald wurden verbrannt, was ungefähr der Fläche von Frankfurt am Main entspricht. Die Fläche der Waldbrände hat sich während des Krieges im Vergleich zu den Vorjahren fast verhundertfacht. Im Mai 2022 brannten wegen des Krieges die Reliktwälder der Kinburn-Nehrung eine ganze Woche lang. Aktuell sind 450.000 Hektar Wald von Russland besetzt und 650.000 Hektar Waldfläche müssen entmint werden. Insgesamt etwa 2,45 Millionen Hektar Waldfläche müssen wiederhergestellt werden. Es dauert durchschnittlich 25 Jahre bis beschädigte oder verbrannte Bäume ersetzt sind.

Die Tierwelt leidet ebenfalls unter den Kriegshandlungen. Etwa 600 Tierarten sind vom Aussterben bedroht. Durch den Krieg werden nicht nur die Überwinterungs- und Nistplätze vieler Vogelarten zerstört, sondern auch die Routen "nicht-ukrainischer" Zugvögel sind betroffen. Die Ukraine liegt am Schnittpunkt der Zugvögel-Routen der Westpaläarktis und der afro-eurasischen Region, wodurch mehr als 400 Vogelarten betroffen sind.

Leider kann verlorene Flora und Fauna nicht schnell wiederhergestellt werden. Natürliche Ökosysteme wie Wälder, Gewässer, Steppen, Meere sind zur Selbstregeneration fähig. Dies dauert jedoch lange. Die Erholungsdauer hängt von individuellen Faktoren ab, beispielsweise der Intensität des Beschusses oder dem Ausmaß der Kontamination. Für die Wiederherstellung jedes Bereichs muss ein individueller Plan entwickelt werden.

Auswirkungen auf das maritime Ökosystem

Der Krieg wirkt sich stark auf die Ökosysteme des Asowschen und Schwarzen Meeres aus. Die Küstenlänge der Ukraine beträgt etwa 2.700 km. In der Ukraine gibt es 45 Meeresnaturschutzgebiete. Durch die Annexion der Krim 2014 verlor die Ukraine den Zugang zu elf Meeresnaturschutzgebiete in ihrer Küstenzone. Seit dem Beginn des großflächigen russischen Angriffskriegs verlor sie auch den Zugang zum "Schwarzmeer-Biosphärenreservat" und zum Nationalpark "Swjatoslaw (Weiße Küste)", die im Süden der Region Cherson liegen. Die Hauptfolgen des Krieges für Küsten- und Meeresökosysteme sind chemische und akustische Verschmutzung sowie physische Schäden.

An den Küsten der Länder des Schwarzmeerbeckens wurden viele Fälle von gestrandeten Delfinen gemeldet. Allein das Team des Nationalparks "Tuzly-Lagunen" berichtet von tausenden gestrandeten Delfinen, einige mit schweren Verbrennungen, wahrscheinlich durch Bomben- oder Minenexplosionen. Durch die Sonartechnik der russischen Kriegsflotte verlieren die Tiere ihr Orientierungsvermögen und damit ihre Überlebensfähigkeit.

Zu Beginn der großflächigen Invasion griff Russland ukrainische Häfen an. Östlich von Odesa wurden zwei Schiffe,Millennial Spirit undNamura Queen , getroffen, die Treibstoff und Chemikalien geladen hatten, was zu einem Feuer auf der Meeresoberfläche führte. Nach Angaben des Informationssystems "EcoZagroza" des ukrainischen Umweltministeriums gelangten im ersten Kriegsjahr 11.000 Tonnen Erdölprodukte ins Wasser. An den Stränden und Küsten wurden Minenfelder verlegt.

Der Krieg hatte erhebliche Auswirkungen auf die Seeschifffahrt im Schwarzen und Asowschen Meer und veränderte das Management- und Kontrollsystem der Fischerei. Eine Verringerung der Schifffahrt kann sich positiv auf die Meeresumwelt auswirken. Eine Analyse der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ergab, dass ukrainische Fischereiboote im Jahr 2022 nicht mehr ausfuhren und fast den gesamten jährlichen Fischfang im Schwarzen und Asowschen Meer verloren, der sich auf 13.000 Tonnen belief. Dies führte zu einem Anstieg der Fischfänge in Binnengewässern und Flussdeltas.

Im Zeitraum März bis November 2022 kam es zu einem starken Rückgang des Seeverkehrs, der unter anderem auf die russische Seeblockade zurückzuführen ist. Die Belastung der Meeresumwelt durch die kommerzielle Schifffahrt dürfte deutlich zurückgegangen sein.

Die Auswirkungen des Krieges auf Süßwasserreservoirs

Auch Binnengewässer werden durch den russischen Angriffskrieg geschädigt: durch die Zerstörung von Kläranlagen und Dämmen sowie die Behinderung von für die Wasserversorgung zuständigen Dienstleistern. Die Zerstörung des Damms am Kyjiwer Stausee in der Stadt Irpin beschädigte fruchtbare Böden erheblich, hunderte Hektar wurden überflutet.

Der Oskil-Stausee südlich von Kupjansk in der Oblast Charkiw ist flächen- und volumenmäßig einer der zehn größten Stauseen in der Ukraine. Im Oktober 2022 sprengten die russischen Besatzer seinen Damm teilweise, wodurch 76 Prozent des Wassers abflossen. So wurde das Ökosystem des Stausees zerstört, Fische und Weichtiere starben, die Lebens- und Migrationszyklen der Wasservögel wurden gestört.

Im Frühjahr 2022 wurden Kläranlagen in Mariupol, Berdjansk und anderen Städten an der Küste des Asowschen Meeres zerstört. Das Abwasser gelangte nicht in die Kanalisation, sondern in Flüsse, verunreinigte das Grundwasser und gelangte schließlich ins Meer, was sich negativ auf das Meeresökosystem auswirkte. Beispielsweise zerstörte Russland am 14. März 2022 nach dem Beschuss der Kläranlagen des Wasserversorgungs- und Entwässerungswerks Wassylkiwsk das Gebäude der Abwasserpumpstation. Dadurch gelangte für einige Zeit ungeklärtes Rücklaufwasser in den Dnepr.

Seit Februar 2022 wurden in den Regionen Luhansk und Donezk durch russische Maßnahmen zehn Bergbauschächte überflutet, wodurch das Grundwasser ebenfalls verunreinigt wurde. Von 2014 bis 2020 wurden groben Schätzungen zufolge mindestens 39 Schächte im besetzten Gebiet überflutet. Die häufigste Ursache für Überflutungen waren Stromausfälle. Überschwemmungen in Bergwerken, die ein kritisches Ausmaß erreichen, stellen zahlreiche Risiken für die Umwelt dar: Unbehandeltes Grubenwasser kann sich mit Grundwasser vermischen, das als Trinkwasserquelle genutzt wird. Zudem können Grubengase in die Luft gelangen, wenn Bergwerke überflutet sind.

Am 6. Juni 2023 gegen drei Uhr nachts sprengten die russischen Besatzer das Wasserkraftwerk Kachowka. Dieses Kriegsverbrechen betrifft mehr als 80 flussabwärts gelegene Siedlungen, die nukleare Sicherheit des AKW Saporischschja, die Ernährungssicherheit, das Energiesystem und die Umwelt der Ukraine. Diese Katastrophe zeigt ein weiteres Mal, dass Russland für seine Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden muss. Über die langfristigen Auswirkungen dieses "Ökozids" lässt sich noch keine Aussage treffen, da das Ausmaß der Folgen derzeit unklar ist. Auf den kurzzeitigen Anstieg des Wasserspiegels im Dnepr und eine Überschwemmung der Gebiete folgte die Austrocknung weiter Teile des Stausees, mit schwerwiegenden Folgen für das Ökosystem der Region (vgl. die Analysen in dieser Ausgabe).

Die ersten Schritte zur Wiederherstellung der Wasserqualität sollten die Minenräumung und die Sanierung alter bzw. der Bau neuer moderner Kläranlagen sein. Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Wiederherstellung von Naturschutzgebieten in den Uferbereichen. Dank der geschützten Uferstreifen werden die Stauseen nicht verschmutzt und verschlammt. Gleichzeitig wird der Oberflächenabfluss aus angrenzenden Gebieten gefiltert. Geschützte Uferstreifen bieten Lebensräume für Fische und andere Wasserlebewesen. Wichtig ist dafür auch die Aktualisierung der entsprechenden Gesetzgebung.

Die Auswirkungen des Krieges auf die Böden

Die Auswirkungen des Krieges auf die Bodenqualität sind kaum zu übersehen, da fast alle Kampfhandlungen mit dem Boden in Berührung kommen. Explosionskrater, Schützengräben, Verminung und Ölverschmutzungen, giftige Substanzen und die Transporte schwerer Maschinen sind nur ein Teil der durch den russischen Krieg verursachten Schäden. Die wichtigsten Arten der Bodenverschmutzung sind mechanische, physikalische und chemische.

Derzeit müssen rund 470.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche in neun Regionen der Ukraine entmint werden, davon etwa 174.000 Hektar sofort. Die Verminung, die mit akuter Lebensgefahr verbunden ist, verhindert den Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen. Erst nach einer gründlichen Kontrolle und Entminung kann das Land wieder bewirtschaftet werden. Trotz der Aufstockung des Personals des Staatlichen Katastrophenschutzes der Ukraine und der außerordentlichen Anstrengungen, die dieses unternimmt, wird es Jahre dauern, bis alle Gebiete entmint sein werden. Ein großer Teil der Arbeit kann erst nach dem Ende der Kampfhandlungen beginnen, wenn der Zugang zu allen Gebieten wieder möglich ist.

Böden und ihre fruchtbare Schicht bilden sich über Tausende von Jahren (unter natürlichen Bedingungen dauert es mehr als 100 Jahre, bis sich 2 cm fruchtbarer Boden gebildet haben). Militärische Operationen können all dies in wenigen Tagen oder Wochen zerstören. Beschuss, der zu Kratern durch Explosionen führt, der Transport von schweren Waffen über Felder, Schützengräben und andere Befestigungen verursachen große Schäden am Boden. Und das hat schwerwiegende Folgen, da sich die Bodenressourcen nur langsam erholen.

Heute kennen wir den Zustand des Bodens in den umkämpften Gebieten nicht. Wir können also nur Schlussfolgerungen aus der Untersuchung der bereits befreiten Gebiete ziehen. Laboruntersuchungen haben gezeigt, dass die chemische Verseuchung des Bodens weit über die Grenzwerte, vor allem mit Schwermetallen wie Kadmium, Arsen, Blei, Zink und Kupfer, ein großes Problem darstellt.

Die Wiederherstellung geschädigter Böden ist ein komplexer, aber machbarer Prozess. Der erste Schritt auf staatlicher Ebene ist eine systematische Erfassung des Bodenzustands, um das Ausmaß der Schäden zu ermitteln. Die NGO "Ecoaction" ("Ecodija") hat im Frühjahr 2023 eine Externer Link: Analyse der Auswirkungen des Krieges auf den Zustand der ukrainischen Böden verfasst. Ecoaction verfolgt zwei Ansätze: Rekultivierung und Konservierung. Bei der Rekultivierung handelt es sich um Maßnahmen zur künstlichen Wiederherstellung einer nutzbaren Landschaft. Bei der Konservierung wird die Nutzung des Bodens durch Menschen untersagt und der Boden wird der natürlichen Erholung überlassen. Nur die Flächen, die für eine sichere Bewirtschaftung völlig ungeeignet sind, müssen konserviert werden.

Die Auswirkungen des Krieges auf die Luft

Der Krieg verschlechtert die Luftqualität erheblich. Die durch Brände von Erdölprodukten verursachten Luftemissionen beliefen sich auf fast 500.000 Tonnen. Durch russische Angriffe auf Erdöldepots sowie Kraft- und Schmierstofflager verbrannten mehr als 34.100 Tonnen Ölprodukte. Durch solche Brände gelangen gefährliche Stoffe in die Luft: Kohlenmonoxid, Benzo[a]pyren, Schwefel und Schwefelanhydride, Kohlenmonoxid (IV), Stickstoffoxide, gasförmige und feste Produkte unvollständiger Verbrennung von Kraftstoff, Vanadiumverbindungen, Natriumsalze, usw.

Nach Berechnungen von Ökologen der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität Kyjiw gleicht die Luftverschmutzung beim Brand eines Öldepots mit mehreren Tanks ungefähr der Luftverschmutzung des gesamten Straßenverkehrs der Stadt Kyjiw in einem Monat. Nach Angaben der Kyiv School of Economics hat Russland mindestens 27 solcher Öldepots beschädigt oder zerstört.

Geschosse, die Chemiefabriken trafen, etwa in Rubischne in der Region Luhansk oder in Sumy, führten zum Austritt von Stickstoff und Ammoniak. Am 21. März 2022 kam es infolge des Beschusses des Unternehmens Sumychimprom zum Austritt von Ammoniak aufgrund der Beschädigung einer Pipeline. Mitarbeiter des Staatlichen Katastrophenschutzes ergriffen Maßnahmen zur Bekämpfung der Ammoniakwolke. Außerdem sprengten die russischen Besatzer am 5. und 9. April in der Stadt Rubischne einen Tank mit Salpetersäure. Mit Stand vom 22. Mai 2023 wurden die durch Luftverschmutzung verursachten Kriegsschäden von der staatlichen Umweltinspektion der Ukraine auf 995 Milliarden Hrywnja (zum aktuellen Wechselkurs etwa 25 Milliarden Euro) geschätzt.

Strahlengefahr wegen des Krieges

Der Krieg gefährdet die nukleare Sicherheit der Ukraine. Russland bombardierte wiederholt die experimentelle Nuklearanlage "Neutronenquelle" des Physikalisch-Technischen Instituts Charkiw. Der bekannteste Fall einer Strahlengefahr war jedoch die Besetzung der Atomkraftwerke Saporischschja und Tschernobyl. Das Atomkraftwerk Saporischschja (das größte in Europa) verfügt über sechs Reaktoren und produzierte etwa 20 Prozent des gesamten Stroms der Ukraine. Am 4. März 2022 eroberten russische Truppen die nahegelegen Stadt Enerhodar und beschossen das Atomkraftwerk. Mehrere Stunden lang tobten Kämpfe beim Atomkraftwerk, in deren Verlauf die Besatzer mehrmals einen der Reaktoren trafen. Während des Gefechts fing das Trainingszentrum des Kraftwerks Feuer – glücklicherweise konnte das Feuer rechtzeitig gelöscht werden. Seitdem wird das Atomkraftwerk von der russischen Armee und Vertretern der russischen staatlichen Atomenergieholding Rosatom kontrolliert. Seit der Besetzung befand sich das Atomkraftwerk mehrmals am Rande des Katastrophenzustands. Dank des ukrainischen Personals, das im Besatzungsgebiet verblieben ist, konnte ein nuklearer Unfall bisher verhindert werden. Seit September 2022 ist das Atomkraftwerk komplett heruntergefahren. Während des ersten Jahres der Besatzung kam es im Atomkraftwerk fünf Mal zu völligen Stromausfällen, so dass Dieselgeneratoren eine Notversorgung sicherstellen mussten. Ohne die Dieselgeneratoren wäre es zu einem Reaktorunfall mit Kernschmelze gekommen. Solche Unfälle bedrohen nicht nur die Ukraine, sondern ganz Europa.

Die Auswirkungen des Krieges auf erneuerbare Energien

Der Anteil erneuerbarer Energien begann in der Ukraine im Zeitraum 2019–2020 schnell zu wachsen und erreichte im Jahr 2021 einen Anteil von 9 Prozent an der Stromerzeugung. Da sich der größte Teil der Produktionsanlagen im Süden der Ukraine befand, gingen durch den russischen Angriffskrieg 90 Prozent der Windenergie und etwa 40–50 Prozent der Solarenergie verloren. Insgesamt hat sich der Anteil der Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie im Vergleich zum Vorkriegsniveau mehr als halbiert. Dies ist vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen: Erstens Schäden durch direkte Kampfeinsätze und Zwangsabschaltungen, um Schäden zu verhindern sowie, zweitens, zunehmende Probleme durch fehlende Nachfrage und die große Inflexibilität der Produktion, die von den Wetterbedingungen abhängig ist.

Die Wirtschaftsstrategie der Ukraine bis 2030 definiert die Dekarbonisierung und die Entwicklung erneuerbarer Energien im Einklang mit dem "Green Deal" der EU als einen Schwerpunkt. Der Strategie zufolge soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2030 auf 25 Prozent steigen. Damit sollen die durch den Wiederaufbau steigenden Treibhausemissionen kompensiert werden. Die Ukraine sollte das Ende des Krieges nicht abwarten, sondern bereits jetzt beschädigte Kohle- und Atomkraftwerke durch alternative Energiequellen ersetzen. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf dem Ausbau einer dezentralen Stromerzeugung durch Solaranlagen auf Dächern von Wohnhäusern und Fabriken liegen.

Ausblick

Aktuell ist die Dokumentation der Umweltschäden durch die Zivilgesellschaft, das Umweltministerium, die staatliche Umweltinspektion und die Generalstaatsanwaltschaft sehr wichtig, damit alle Schäden an der Umwelt so weit wie möglich erfasst werden können und vom verantwortlichen Aggressor Schadensersatz gefordert werden kann. Eine genaue Berechnung der Kosten ist derzeit nicht möglich. Das Umweltministerium schätzt sie auf 1.961 Milliarden Hrywnja (etwa 50 Milliarden Euro) – dies ist aber nur eine grobe Schätzung, da ein großer Teil des betroffenen Territoriums der Ukraine derzeit nicht zugänglich ist, und die Kampfhandlungen weiter anhalten, was mit immer neuen Fällen von Umweltzerstörung einhergeht. Das Umweltministerium meldet öffentlich mehr als Externer Link: 2.288 Fälle von Umweltschäden durch den Krieg, doch der öffentliche Zugang zu genauen Informationen fehlt. "Ecoaction" erfasst zusammen mit einem Team von Freiwilligen potenzielle Fälle von durch Russland verursachte Umweltschäden aus offenen Quellen – bis Stand Ende Mai waren es 1.031, die in einer Externer Link: interaktiven Karte frei zugänglich sind (zum 30. August waren es bereits 1.269 Fälle, Anm. d. Red.).

Nach Kriegsende wird es neben der Dokumentation aller Umweltschäden und dem Erhalt von Reparationen wichtig sein, die Wiederherstellung und den Schutz von Ökosystemen sowie den "grünen" Wiederaufbau als Beitrag zum Klimaschutz in den Wiederaufbauplan für die Ukraine einzubeziehen.

Übersetzung aus dem Ukrainischen: Lina Pleines

Fussnoten

Weitere Inhalte

Oleksandr Opanasenko, Experte in der Klima-Abteilung des Zentrums für Umweltinitiativen "Ecoaction" ("Ecodija"), Ingenieur im Bereich "Computerbasiertes Umwelt- und Wirtschaftsmonitoring".