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Tiernutzung

Werner Moskopp

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Tiernutzung

Erklärfilm

Tiernutzung

Tiernutzung kann unter verschiedenen Dimensionen betrachtet und bewertet werden. Sie hat außerdem eine historische Entwicklung, die oft so weit zurückreicht, wie wir Menschen uns überhaupt eine eigene Geschichte zuschreiben können. Aber es gibt auch eine ethische Perspektive, jedem einzelnen Lebewesen, das vom Menschen genutzt wird, als möglichem Subjekt eines (Er)Lebens zu begegnen.

Menschen Tiere nutzen Tiere auf sehr vielfältige Weise. In diesem Film beschäftigen wir uns mit einigen Aspekten der Tiernutzung, die insbes. für die Tierethik relevant sind. Freilich, ein Landwirt, ein Züchter, ein Angler usw. haben alle unterschiedliche Interessen in der Nutzung von Tieren – vermutlich würden die wenigsten ihren/den betroffenen Tieren Leid zufügen würden, wenn es eine Alternative gäbe. Werden Tiere bloß als Mittel für die Erfüllung menschlicher Zwecke gesehen, treten sie in die zweite moralisch relevante Reihe zurück.

Tiernutzung kann unter verschiedenen Dimensionen betrachtet und bewertet werden: Sie hat außerdem eine historische Entwicklung, die oft so weit zurückreicht, wie wir Menschen uns überhaupt eine eigene Geschichte zuschreiben können. Sie hat zugleich einen quantitativen Aspekt, der die Reichweite und die Anzahl von Tieren dokumentiert, der unter die verschiedenen Arten der Nutzung fällt. Aber es gibt auch eine ethische Perspektive, jedem einzelnen Lebewesen, das vom Menschen genutzt wird, als möglichem Subjekt eines (Er)Lebens zu begegnen.

„In seiner jüngsten Stellungnahme hat auch der Deutsche Ethikrat die ,Tierwohlachtung‘ zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe erklärt.“ Interner Link: (Ach 2020) Aber auch Tier ist nicht gleich Tier – menschliche und nicht-menschliche Tiere lassen sich in den Kategorisierungen ebenso unterscheiden wie die Linné’schen Gattungskategorien, die Einstufung von Tieren nach ihren Vermögen und Fähigkeiten oder nach ihrem evolutionären „Erfolg“. Je nachdem, welche Perspektive man daher einnimmt, wird die Kritik am Umgang des Menschen mit Tieren lauter oder leiser: Da gibt es die religiösen Schöpfungsmythen, deren Auswirkungen bis heute in der Bezeichnung des TSchG „Mitgeschöpf“ mitschwingen, und vor allem Menschen, die nicht gerne auf ihre Vorteile aus der Tiernutzung verzichten möchten, bedienen sich dieser Setzung und Hierarchisierung (Gott-Mensch-(Engel)-Tier). Diese relativen Argumentationen „pro domo“ (eben: zum eigenen Vorteil) sind nicht unbemerkt geblieben und wurden in der Moralphilosophie der vergangenen Jahrzehnte zunehmend kritisch untersucht.

Welche Rolle ein Tier in der Gemeinschaft der Lebewesen, in der Gesellschaft der Menschen und/oder in der Gemeinschaft der Moral einnimmt, hängt also von sehr vielen Faktoren ab, darunter immer die Sichtweise desjenigen, der gerade als Fürsprecher oder Ankläger auftritt. Da nicht-menschliche Tiere ihre Interessen nicht selbst im Kreis der moralischen Akteure vorbringen können, wird immer dringender nachgefragt, ob die Übernahme von Pflichten notwendig ist, um auch bestimmte moralische Rechte erhalten zu können. Peter Singer fiel in diesem Zusammenhang durch provozierende Vergleiche zu Embryonen, Menschen mit Beeinträchtigung und Komapatienten auf, die ebenfalls die angesetzten Fähigkeiten nicht aufweisen und Bedingungen für autonome Wesen nicht erfüllen. Kann durch diese Reflexion auf die eigenen Schwächen das Verhältnis zu anderen Lebewesen verbessert werden und wie sähe das aus?

"Eine erste Antwort auf diese Frage lautet folgendermaßen: Die Haltung und Nutzung von Tieren durch den Menschen ist dann vertretbar, wenn sie zu beiderseitigem Vorteil ist. Menschen gehen faire Kooperationsbeziehungen mit den Tieren ein, wenn sie diese halten und nutzen: Der Mensch nutzt Tiere für seine Zwecke; diese erhalten im Gegenzug eine ihren Bedürfnissen angemessene Versorgung. Wir dürfen mit Tieren interagieren, so zum Beispiel Christine Korsgaard, ,solange wir das in einer Weise tun, von der wir meinen, es sei plausibel zu glauben, dass sie ihr zustimmen würden, wenn sie könnten – das heißt in einer Weise, die für beide Seiten vorteilhaft und fair ist und es ihnen erlaubt, ein Leben zu führen, das einigermaßen der ihnen eigentümlichen Lebensweise entspricht.‘“ Interner Link: (Ach 2020)

„Sue Donaldson und Will Kymlicka [plädieren] in ihrem Buch Zoopolis [dafür], Tieren abhängig von den politischen Beziehungen, in denen sie zu menschlichen Gemeinschaften stehen, Mitbürger-, Koexistenz- oder Souveränitätsrechte zuzusprechen.[19] Folgt man Donaldson und Kymlicka, dann schulden wir den Tieren, die wir in unsere Gemeinschaft gebracht haben, Mitgliedschaft und Staatsbürgerschaft.“ (ebd.)

Alle Dimensionen, die lange in der Tiernutzung relevant waren, wurden zudem noch einmal durch die Globalisierung verstärkt: Tiere werden als Waren genauso gehandhabt wie Sachen, dies lässt sich sowohl bei lebendigen oder toten Tieren als auch bei Tierprodukten beobachten. Während Tierschutz an nationalen Grenzen halt macht, tut dies der Handel nicht. Ein internationales Tierschutzabkommen könnte die rechtliche Stellung und damit auch die Situation der Tiere verbessern:

„Die Thematik zeigt, dass Legislative wie Judikative davor zurückschrecken, Tiere effektiv zu schützen. Die Angst vor «Outsourcing» ist ein manifestes Totschlagargument in nationalen Debatten um den Tierschutz und birgt die reelle Gefahr, fundamentale Mechanismen jeweiliger Tierschutzgesetze (wie auch jeweiliger Verfassungen resp. Grundgesetze) zu untergraben. Denn, wie oben dargelegt, wird der regulatorische Wettbewerb unter Staaten von jenem gewonnen, der das niedrigste Schutzniveau aufweist. Und ebendiese regulatorische Abwärtsspirale (weithin bekannt als «race to the bottom»)[15]bestimmt letztendlich das Tierschutzniveau, das sich global durchsetzen wird. (...) Werden stetig strengere Standards auf ausländische Sachverhalte angewandt, so verspricht die extraterritoriale Jurisdiktion, das Tierschutzrecht zu revolutionieren: Graduell kann so das vorherrschende «race to the bottom» in ein «race to the top» umgewandelt werden.“ Interner Link: (Blattner 2020)

Rechte könnten dann nicht als ausgrenzende Kategorie in Menschen- oder Tierrechte, sondern inklusiv als Menschen- und Tierrechte formuliert werden.

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PD Dr. Werner Moskopp, geb. 1977, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar Philosophie an der Universität Koblenz-Landau. Für seine Promotion zum Thema "Struktur und Dynamik in Kants Kritiken" wurde er 2008 mit dem Hochschulpreis der Universität Koblenz ausgezeichnet. Forschungsschwerpunkte: Ethik, Kant und der Deutsche Idealismus, Nietzsche, Heidegger.