Wenige Begriffe erscheinen in aktuellen Debatten und Praktiken so umkämpft wie der der Identität. Wer spricht aus welcher Perspektive mit welcher Legitimation? Welche (angenommenen) Zugehörigkeiten beeinflussen den Zugang zu Entscheidungspositionen, Privilegien, medialer Präsenz, Repräsentation, Wohlstand, Bildung, sprich zu gesellschaftlicher Teilhabe? Manche Identitäten bzw. Bestandteile dieser werden uns von außen zugeschrieben, manche werden als vermeintlich natürlich konstruiert. Manche verändern sich im Laufe eines Lebens, andere wiederum werden aufrechterhalten oder gar selbst erstritten. Seit einigen Jahren dienen Identitäten insbesondere rechten Bewegungen auch dazu, in Frage gestellte Privilegien einer weißen Mehrheitsgesellschaft zu festigen.
Historisch gesehen ist die Identität gesellschaftlicher Minderheiten sowie von Marginalisierung, Diskriminierung und Ausschluss betroffener Gruppen meist eng mit ihrem Kampf um Gleichberechtigung verbunden. Die einen sehen in diesem emanzipatorischen Prozess, der eurozentristische Vorstellungen von Universalität hinterfragt, das Symptom einer auf die Spitze getriebenen gesellschaftlichen Zersplitterung, die sie als unangemessen und bedrohlich erachten. Für die anderen ist die Erkundung der eigenen Persönlichkeit oft mit Gewalt- und Ausgrenzungserfahrungen verbunden. Die Auseinandersetzung mit Identitäten kann es notwendig machen, soziale Ungleichheiten zu benennen und zu überwinden. Die Reflexion, Entwicklung und Artikulation von Identitätsaneignung sind, je nach Kontext, eine Strategie des Widerstands und des Empowerments und damit Ausdruck politischen Handelns. Denn mit der Anerkennung von Differenzen werden nicht zuletzt auch Räume für die Stärkung von Solidaritätsstrukturen und Bündnissen eröffnet. Das Themenfeld der Identitäten ist in jeder Hinsicht komplex – Erfahrungen und Sichtweisen sind ebenso vielfältig wie das, was sich unterschiedliche Menschen wünschen und erträumen. Wir freuen uns auf viele spannende Diskussionen und Erkenntnisse im Rahmen des Festivals.