12. Festival
Herbst 2025

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Via Intolleranza II

Via Intolleranza II von Christoph Schlingensief

/ 3 Minuten zu lesen

Warum wollen wir Afrika ständig helfen, wenn wir uns selbst nicht helfen können? Was kann das Ziel einer Zusammenarbeit sein, wenn sie ohne jegliche Hilfsideologie und Sentimentalität auskommen muss? Diese Fragen sind Ausgangspunkt von Christoph Schlingensiefs letztem Theaterstück.

Via Intolleranza II (© Aino Laberenz)

Hat das Wort Intoleranz auf dem afrikanischen Kontinent überhaupt eine Bedeutung? Warum wollen wir ständig dem afrikanischen Kontinent helfen, obwohl wir uns selber nicht helfen können? Was kann das Ziel einer Zusammenarbeit sein, wenn sie ohne jegliche Hilfsideologie und Sentimentalität auskommen muss? Diese Fragen sind Ausgangspunkt von Schlingensiefs letztem Theaterstück, in dem er anfänglich noch selbst mit auf der Bühne stand: „Via Intolleranza II“. Luigi Nonos Avangarde-Oper „Intolleranza“ aus dem Jahr 1960 – ein flammender Appell gegen Intoleranz und Unterdrückung – steht für den Abend Pate und ist Ausgangspunkt der Beschäftigung mit unserem Verhältnis zum afrikanischen Kontinent heute. „ich mixe banale, lustige, bittere, sehr trockene, aber auch sehr üppige Momente aus meiner Sicht. ... ich will Afrika auf gar keine fälle helfen, weil die sich viel besser helfen. nicht alle Länder Afrikas, aber doch immer mehr. Die sind viel selbständiger als ich oder wir hier in Europa“, sagt Schlingensief, der sich in seiner Inszenierung nicht zuletzt auch mit seinem eigenen Operndorf-Projekt auseinandersetzt: In der bunten, sehr humorvollen, aber auch bissig-scharfen Collage überlagern sich unterschiedlichste Texte und Moderationen, Schauspiel, Filmbilder von der Entstehung des Operndorfes bis hin zu Stummfilmszenen aus Dantes „L’inferno“, Musik von burkinesischer Folklore über Oper und Rap bis hin zum deutschen Volksklied. Und das alles wird präsentiert von zwölf Darstellern, Tänzern und Musikern aus Burkina Faso und Europa sowie dem Fönix-Orchester unter der Leitung von Arno Waschk. Schlingensiefs Rolle übernimmt der Schauspieler Stefan Kolosko. „Via Intolleranza II“ war zum Berliner Theatertreffen 2011 eingeladen. Christoph Schlingensief wurde mit seiner Inszenierung posthum mit dem 3sat-Preis ausgezeichnet.

Mit vielzähligen Theater- und Operninszenierungen, Kunstinstallationen, Filmen, Aktionen und Ausstellungen mischte sich Christoph Schlingensief über zwei Jahrzehnte lang unbeirrt in den kulturellen und politischen Diskurs ein und wurde so zu einem der wichtigsten Künstler der Gegenwart. Mit seinen Inszenierungen war er mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladen, der ihm gewidmete deutsche Pavillon auf der Biennale in Venedig erhielt in diesem Jahr den Goldenen Löwen. In seinen Kunstaktionen und Theaterstücken machte er auch immer wieder seine Krebserkrankung zum Thema, nicht zuletzt in seinem Buch „So schön wie hier kann es im Himmel gar nicht sein“. Bereits schwer erkrankt gründete Schlingensief die Initiative Festspielhaus Afrika. Am 8. Februar 2010 war die Grundsteinlegung für Remdoogo, das erste Operndorf der Welt in Afrika, das mit einer Schule mit Film- und Musikklassen, Werkstätten, Wohnhäusern, Krankenstation und einer Theaterbühne und vielem mehr in Burkina Faso entsteht. Im August 2010 ist Christoph Schlingensief gestorben.

„Niemandem sonst gelingt so ein essayistischer Zugriff auf ein Thema. In Monologen des Regisseurs, den jetzt Stefan Kolosko spielt, wird das Verhältnis Europas zu Afrika auf den Punkt gebracht: Wir, die selbst geschädigten, die sich selbst nicht helfen können, suchen jetzt andere, denen wir helfen können, um von der eigenen Nabelschau wegzukommen.“
die taz

„Eine Mischung aus Afrika-Folklore, Radikalmahnung, Spendenaufruf und einem nahezu manischen Versuch der Krankheitsbewältigung. ‚Via Intolleranza II‘ ist eine wilde Collage, die mit Gesang, Monolog und Tanz beeindruckt und diese Elemente nutzt, um das Afrikabild der Europäer ad absurdum zu führen.“
Süddeutsche Zeitung

Mit: Brigitte Cuvelier, Kerstin Graßmann, „Kandy“ Mamounata Guira, Friederike Harmsen, Claudia Sgarbi, Olivia Stahn, Isabelle Tassembedo, Jean Marie Gomzoubou Boucoungou, Jean Chaize, Issoufou Kienou, Stefan Kolosko, Amado Komi, Johannes Lauer, Ahmed Soura, Nicolas Ulrich Severin Tounga, Abdoul Kader Traore, Arno Waschk, Wilfried Zoungrana
Konzept und Regie: Christoph Schlingensief
Bühne: Thekla von Mülheim, Christian Schlechter
Kostüme: Aino Laberenz
Licht: Voxi Bärenklau, Michael Dietze
Video: Meika Dresenkamp
Musik und Dirigat: Arno Waschk
Sound Design: David Gierth
Dramaturgie: Anna Heesen, Carl Hegemann
Produktion: Festspielhaus Afrika gGmbH
Koproduktion: Kampnagel Hamburg, Kunstenfestivaldesarts Brüssel und Bayerische Staatsoper München
Kooperation: Burgtheater Wien, Impulstanz und Wiener Festwochen

Mit freundlicher Unterstützung von: Goethe-Institut, Maxim Gorki Theater Berlin, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin, ECC – European Creative Center, Uferstudios GmbH

Spielstätte:

Schauspielhaus

Vorstellungstermine:

Di., 1.11.2011, 19:00 – 20:30 Uhr

Mi., 2.11.2011, 19:30 – 20:30 Uhr
// im Anschluss Publikumsgespräch

Externer Link: https://www.schlingensief.com

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