Inhaltsbeschreibung
Den russischen Überfall auf die gesamte Ukraine im Februar 2022 rechtfertigte Wladimir Putin unter anderem durch missbräuchliche Bezüge auf die russisch-ukrainische Geschichte: Mit Verweisen etwa auf die Geschichte der Kiewer Rus seit dem 9. Jahrhundert oder auf das als „Wiedervereinigung“ gedeutete Bündnis der Saporoger Kosaken mit Zar Alexei I. Mitte des 17. Jahrhunderts sprach er der Ukraine das Recht auf Eigenstaatlichkeit ab.
Der Osteuropahistoriker Andreas Kappeler zeichnet die Geschichte Russlands und der Ukraine vom Mittelalter bis in die Gegenwart nach und beleuchtet die wechselhaften Beziehungen, die diese Territorien und die dort lebenden Menschen zueinander pflegten. Er verdeutlicht, wie sich in der russischen und der ukrainischen Geschichtsschreibung unterschiedliche Narrative über die gemeinsame und getrennte Geschichte herausbildeten, und fragt nach der Stichhaltigkeit der jeweiligen Sichtweisen. Kappeler zeigt, dass die Ukraine bereits in der frühen Neuzeit einen eigenen Platz auf der mentalen Landkarte Europas besaß. Er macht darauf aufmerksam, dass sich insbesondere seit der staatlichen Unabhängigkeit 1991 auch eine über die ethnische Zugehörigkeit hinausgehende staatsbürgerliche Identität der Ukrainerinnen und Ukrainer herausgebildet habe. Diese verfestigte sich seit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine 2014, dessen Hintergründe und Verlauf der Autor in seinen verschiedenen Eskalationsstufen bis 2022 nachzeichnet.