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Der Freistaat Bayern zwischen Räteherrschaft und Hitler-Putsch | APuZ 44/1964 | bpb.de

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APuZ 44/1964 Artikel 1 Der Freistaat Bayern zwischen Räteherrschaft und Hitler-Putsch

Der Freistaat Bayern zwischen Räteherrschaft und Hitler-Putsch

Ernst Deuerlein

Der politische Briefwechsel zwischen dem Reichskanzler von Bethmann Hollweg und dem bayerischen Ministerpräsidenten Graf von Hertling erreicht im Sommer 1916 einen dramatischen Höhepunkt 2). Bethmann Hollweg wandte sich am 26. Juli mit einer beredten Klage an Hertling: „Wie ich höre, hat die lange Dauer des Krieges und die Lebensmittelnot, die natürlich mehr menschlicher Schuld als tatsächlichem Mangel zugeschrieben wird, bei den ober-und niederbayerischen Bauern, deren Söhne sich im Felde so ausgezeichnet haben, eine nicht unbedenkliche Stimmung entstehen lassen, die ihre Spitze gegen den Norden kehrt. In der gleichen Richtung scheint mir die Agitation der Alldeutschen und der Anhänger des rücksichtslosen U-Boot-Krieges zu wirken, die, wie man mir sagt, neuerdings in München mit besonderer Leidenschaft und Tätigkeit betrieben wird. Ich sehe diese Stimmungen .. . nicht ohne gewisse Besorgnis wachsen und möchte nichts unterlassen, was ihr Erstarken erschweren und hindern könnte." Anschließend bat der Reichskanzler um Auskunft darüber, was von Berlin aus gegen diese Entwicklung getan werden könne. Er verwies auf den Erzbischof von München und Freising, Franz Kardinal Bettinger, der nach seiner Meinung vielleicht in der Lage wäre, durch die Geistlichen auf die Bauern einzuwirken Ministerpräsident von Hertling, der vom frühen Herbst 1914 an leise und behutsam auf das steigende bayerische Unbehagen an der Reichspolitik aufmerksam gemacht hatte, erklärte in seinem Antwortbrief vom 1. August: „Einen wesentlichen Teil der Schuld an der erwähnten unerfreulichen Erscheinung schreibe ich den gerade in neuerer Zeit bei uns in Bayern besonders stark einsetzenden Umtrieben alldeutscher und ihnen nahestehender Kreise zu." Hertling gab im weiteren Verlauf seiner Darstellung eine eingehende Beschreibung der bayerischen Situation zu Beginn des dritten Kriegsjahres; er stellte mit Bedauern fest, im Norden des Reiches werde immer wieder behauptet, der Süden, und besonders Bayern, schwimme noch im Überfluß, und verwies darauf, daß in Bayern bereits eine sehr strenge Kontingentierung der unentbehrlichsten Lebensmittel eingeführt worden sei, zu der man sich in großen Teilen Norddeutschlands und in vielen großen Städten Preußens bis heute noch nicht entschlossen habe. Er regte gleichzeitig an, der Bundesratsausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten solle zur Prüfung und Erörterung der außenpolitischen Lage des Reiches zusammentreten

Wenige Tage nach Abgang des Briefes Hertlings an Bethmann Hollweg, am 5. August 1916, empfing König Ludwig III. die sogenannte Gruber-Delegation, eine von dem Münchner Hygieniker Max von Gruber angeführte Abordnung bayerischer Persönlichkeiten, die eine fünf Seiten umfassende Denkschrift übergab. In dieser wurde der König aufgefordert, das politische Gewicht Bayerns als Gliedstaat des deutschen Reiches einzusetzen, um der Kriegführung die Entschiedenheit und die Härte zu geben, die zur siegreichen Beendi-gung des Krieges erforderlich wären Die Gruber-Delegation machte sich weithin zur Sprecherin der von Bethmann Hollweg und Hertling beklagten alldeutschen Intentionen, die sich eines nicht kleinen Teiles des bayerischen Adels und des bayerischen Großbürgertums bemächtigt hatten. Einzelheiten der Gruber-Delegation wurden durch eine Presse-indiskretion bekannt, worauf es zwischen Berlin und München erneut zu einem sehr lebhaften Meinungsaustausch kam, der von zahlreichen Dementis und Beschwichtigungserklärungen begleitet war.

Diese Vorgänge, von denen nur der Empfang der Gruber-Delegation bekannt wurde, markieren den Kulminationspunkt der bayerischen Entwicklung zwischen 1914 und 1918. Sie bezeichnen aber auch die Peripetie des dramatischen Übergangs vom Ende des Luitpoldinischen Zeitalters (12. Dezember 1912) bis zur Unterzeichnung der Bamberger Verfassung (14. August 1919).

Zur Illustrierung der Situation Bayerns beim Ausgang der Regentschaft des Prinzen Luitpold wird mit Vorliebe Thomas Manns Lobpreisung Münchens in dessen Novelle „Gladius Dei" zitiert:

„Die Kunst blüht, die Kunst ist an der Herrschaft, die Kunst streckt ihr rosenumwundenes Zepter über die Stadt hin und lächelt. Eine allseitige respektvolle Anteilnahme an ihrem Gedeihen, eine allseitige, fleißige und hingebungsvolle Übung und Propaganda in ihrem Dienste, ein treuherziger Kultus der Linie, des Schmuckes, der Form, der Sinne, der Schönheit obwaltet... München leuchtete."

Diese verklärte Betrachtung verschließt ihre Augen vor den bereits überall sichtbaren politischen und sozialen Wandlungen, die Bayern in eine tiefgreifende Veränderung hineinführten. Sieben Jahre nach dem Tode des Prinzregenten, im Sommer 1919, war diese — nach schweren Geburtswehen — vollzogen, über München waren die Revolution vom 7. November 1918 und die Episode der Räteherrschaft hin-weggegangen.Die Regierung hatte sich in die barocke Gemächlichkeit Bambergs geflüchtet und zeigte zunächst geringe Eile, an die Isar zurückzukehren. Unruhe und Ungewißheit irrlichterten über dem verdunkelten Glanz Münchens. Bereits am 24. Januar 1919 hatte Josef Hofmiller in sein Tagebuch eingetragen: „Das Aussehen unserer Stadt und unserer öffentlichen Einrichtungen ist ungeheuer verkommen: Seit vier Jahren kein Haus heruntergeputzt, keine abgebröckelte Fassade erneuert; das Straßen-pflaster unglaublich verwahrlost, voller Löcher, die Wagen der Straßenbahn nicht mehr gefirnißt, abgestoßen, die Farbe abgeblättert, die Metallteile zerbeult, die Messingteile durch verbeultes Eisen ersetzt, und was hatten wir für blitzblanke Wagen! Die Anlagen ungepflegt, Gras und Unkraut die Wegränder überwuchernd (zum Teil übrigens von malerischer Wirkung, wie im Park von Nymphen-burg). Die Revolution scheint sich's zur Aufgabe zu machen, die öffentlichen Gebäude und Denkmäler mit Anschlägen zu verpflastern: Am Hoftheater, an der Hauptpost, am Siegestor, am Ordinariat, an der Alten Akademie: Riesenplakate so scheckig wie eine Kasperlgaudi. Die Denkmäler in der Maximilianstraße mit Wahlzetteln verklebt. Das Denkmal des Juristen Kreittmayr am Promenadeplatz zeigt ein riesenhaftes Plakat mit dem Namen Eisners; aber es ist am Hintern des großen Rechtsgelehrten aufgeklebt, wodurch sich das Verhältnis unseres derzeitigen Ministerpräsidenten zum Recht völlig korrekt ausdrückt. — Eisners Enthüllungen vernichten uns. Poincare hat in der Rede, mit der er neulich eine Art Vorfriedensversammlung eröffnete, bereits darauf Bezug genommen. Bethmann Hollwegs Einfalt vom Unrecht an Belgien war seit vier Jahren schon halb vergessen; unsere Funde in den belgischen Archiven wiesen zu deutlich nach, daß wir in der Verteidigung waren. Die Entente brauchte einen verbrecherischen Narren, der Deutschland ins Unrecht setzte durch eine groteske Selbstanklage. Sie fand diesen verbrecherischen Narren in Kurt Eisner. Wer auch den kommenden . Frieden'unterschreibt, die wichtigste aber unsichtbare Unterschrift wird lauten: Kurt Eisner." Stufen der bayerischen Entwicklung 1918— 1924

Der rasche und dramatische Wechsel von einer in sich ruhenden Geborgenheit zu einer der Ausweglosigkeit und Verzweiflung verwandten Unsicherheit bildet den Auftakt zu der bayerischen Entwicklung, die am 7. November 1918 ihren Anfang nahm. Sie eröffnete eine Phase elementarer Erschütterungen des modernen bayerischen Staates, die die Vorgänge um den Thronverzicht Ludwig I. im Frühjahr 1848 und die Ereignisse der Königstragödie vom Juni 1886 an Bedrohlichkeit weit übertrafen. Die Stationen dieser krisenreichen Zeitspanne sind bekannt:

Die am 7. November 1918 proklamierte Veränderung der staatlichen Verhältnisse wird zwar gerne als Überraschung und Überrumpelung ausgegeben, ist jedoch Endpunkt der dramatischen Zuspitzung der innerbayerischen Entwicklung seit dem Sommer 1916.

Die Auseinandersetzungen zwischen Kurt Eisner und den — zunächst benommenen und handlungsunfähigen — politischen Kräften des Landes beherrschen den Winter 1918/19. Eisners Ermordung am Tage der Eröffnung des ersten Nachkriegslandtags (21. Februar 1919) bedeutet eine Gabelung der innerbayerischen Entwicklung:

Während Ministerpräsident Hoffmann vor und nach der Übersiedlung nach Bamberg bemüht ist, die revolutionäre Entwicklung in verfassungsrechtlich geordnete Verhältnisse zu überführen, geht in München die aus den Tiefen der angestauten Unzufriedenheit genährte blutige Burleske der Räteherrschaft über die politische Bühne.

Der Vorhang fällt darüber, als vom 1. Mai 1919 an München von Regierungstruppen besetzt wird. Die Tatsache, daß aus Sicherheitsgründen in München eine Art Militärverwaltung bestimmend ist, hat für die nachfolgende Entwicklung Bayerns richtunggebende Bedeutung.

Am 31. Mai 1919 bildet sich in Bamberg —-nach Weimarer Vorbild — eine Koalition aus Sozialdemokraten, der neugegründeten Bayerischen Volkspartei und Demokraten, — womit die kurze Phase des politischen Zusammenwirkens der Kräfte, die bereit waren, die Verantwortung für die rechtsstaatliche parlamentarische Demokratie zu übernehmen, beginnt. Äußere und innere Schwierigkeiten behindern deren Entfaltung. Die internen Meinungsverschiedenheiten reichen von der Beurteilung der Stellung Bayerns im republikaniB sehen Deutschen Reich bis zu der Frage der Begnadigung des Mörders Eisners, des Grafen Arco-Valley. Die Verkündung der neuen Reichsverfassung am 11. August 1919 stellt für die bayerische Koalition insofern eine schwere Belastung dar, als die Ansichten über die Folgen der veränderten verfassungsrechtlichen Position Bayerns in Deutschland auseinandergingen. Die Koalition ist nicht in der Lage, die in Bayern mit Verzögerung in Erscheinung getretenen Auswirkungen des Kapp-Putsches zu überstehen. Ein erneuter Richtungswechsel ist die Folge.

Die „Wende zu Kahr" — die Ernennung des Regierungspräsidenten von Oberbayern Gustav Ritter von Kahr zum bayerischen Ministerpräsidenten (16. März 1920) — bedeutet zunächst den Verzicht auf die volle parlamentarische Regierungsform. Die politische Verantwortung wird Angehörigen der Ministerialbürokratie überlassen, die in Bayern zu keiner Zeit vor.der Gefahr bewahrt sind, Verwalten als Regieren anzusehen und auszugeben. Die „Wende zu Kahr“ ist eine Ermutigung der Stimmungen und Kräfte, die aus den verschiedensten Gründen das republikanische Reich ablehnen. Die „Wende zu Kahr" ist schließlich ein Sieg derer, die zehn Monate vorher, im Mai 1919, von den maßgebenden polizeilichen Positionen — man kann sagen „von den Schaltstellen der Macht" — in München Besitz ergriffen hatten.

Die Auswirkungen der „Wende zu Kahr" lassen nicht auf sich warten; sie lösen permanente Spannungen zwischen Berlin und München, zwischen dem Reich und Bayern aus und erreichen in den Konflikten über die Einwohnerwehren im Februar 1921 und wegen der Reichsausnahmeordnung Ende August 1921 ihre Höhepunkte. Bestrebt, den Mediatisierungsprozeß Bayerns unter allen Umständen aufzuhalten, ist das Gesamtstaatsministerium unter Kahr entschlossen, dem Reich weitere Einflußnahme auf die innerbayerische Entwicklung zu verwehren. So wie München 1916 Refugium der alldeutschen Bewegung war, so wird München jetzt Tummelplatz derer, die glauben, die bayerische Opposition gegen das Reich für ihre Interessen, die in den wenigsten Fällen mit den bayerischen Vorstellungen übereinstimmen, ausnützen zu können.

Dem Geschick des Grafen Lerchenfeld, der am 21. September 1921 als Nachfolger Kahrs zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt wird, gelingt es zwar, den schwelenden Konflikt zwischen dem Reich und Bayern beizulegen.

Lerchenfeld ist jedoch nicht in der Lage, die bei der Verabschiedung des Republikschutzgesetzes auftretenden Spannungen zu eliminieren.

Als Eugen von Knilling am November 1922 Lerchenfeld ablöst, ist die bayerische Situation explosiv. Knilling erwartet von der Aktivierung des nationalen Bewußtseins und von der Regierung des Reichskanzlers Cuno einen Ausgleich der Beziehungen zwischen dem Reich und Bayern und eine Abkühlung der erregten Zustände in Bayern. Als sich diese Hoffnungen nicht erfüllen, muß sich Knilling einverstanden erklären, am 26. September 1923 Kahr die vollziehende Gewalt in Bayern zu übergeben.

Die Rückkehr Kahrs in die Landespolitik ist als Versuch einer Stabilisierung der politischen Verhältnisse in Bayern gedacht. Zunächst freilich setzt der „Fall Lossow" die Reihe der folgenschweren Kontroversen zwischen dem Reich und Bayern fort. Er wird zur Machtprobe, bei der Kahr seinen Widerstand gegen die Reichsregierung unter Beweis stellen will.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt flossen die allgemeine Entwicklung Bayerns und die Entfaltung der NSDAP zusammen. Die Etappen der letztgenannten sind bekannt:

Der Gefreite Hitler, der im Winter 1918/19 erwog, sich der SPD anzuschließen, wurde als V-Mann des Gruppenkommandos 4 mit der Parteigründung des Schlossers Anton Drexler bekannt. Noch während seiner Zugehörigkeit zur Reichswehr verkündete er das Parteiprogramm der NSDAP. Wenige Tage nach der Berufung Kahrs in das Amt des Ministerpräsidenten schied er aus der Reichs-wehr aus, um sich in der Folgezeit nur noch der Parteipropaganda zu widmen. An der Monatswende Juli/August 1921 setzte er sich durch eine von kriminellen Umständen begleitete Manipulation an die Spitze der NSDAP. In geschickter Ausnützung der Spannungen zwischen dem Reich und Bayern und der unklaren Verhältnisse in Bayern lenkte er das öffentliche Interesse auf sich.

Nach der Gründung des „Kampfbundes", der den extremsten Teil der „Vaterländischen Verbände“ umfaßte, erhielt Hitler — als dessen politischer Führer — eine vergrößerte Plattform, die ihm gleichzeitig den Zugang zu den Inhabern der politischen Gewalt in Bayern erleichterte.

Der „Kampfbund" wurde von der Einsetzung Kahrs als Generalstaatskommissar am 26. September 1923 überrascht; er bot alle Kräfte auf, die Ausschöpfung der damit verbundenen politischen Möglichkeiten Kahr nicht allein zu überlassen. Die sich hinziehende Diskussion um ein bayerisches „Losschlagen" beendete Hitler, indem er dem zögernden und zaudernden Triumvirat Kahr, Lossow und Seißer Gelegenheit zum Abspringen gab.

Der Putsch-Versuch vom 8. /9. November 1923 diente dieser Absicht. Er endete nach 16 Stunden — blutig und zunächst auch nicht mit einer Klärung, sondern mit einer weiteren Verwirrung der bayerischen Situation.

Die Bemühungen der Reichsregierung und vor allem des Reichsjustizministeriums, die gerichtliehe Erledigung an den Staatsgerichtshof beim Reichsgericht in Leipzig zu ziehen, scheiterten. Das Verfahren wurde vom 26. Februar bis 1. April 1924 vor dem Volksgericht München I abgewickelt.

Sein Ende bedeutet eine erneute Wende der bayerischen Nachkriegsentwicklung. Der Rücktritt des Ministerpräsidenten Knilling am 5. Mai 1924 beendet nicht nur die Reihe der Ministerpräsidenten aus der Ministerialbürokratie, er markiert auch die Entspannung der Beziehungen zwischen dem Reich und Bayern und den Beginn einer allmählichen Gesundung der innerbayerischen Verhältnisse: Die am 7. November 1918 eingeleitete Zwischenphase ist beendet. Bayern findet nach tiefgreifenden Veränderungen und bedrohlichen Erschütterungen wieder zu sich selbst.

Literatur und Forschungsstand Die Literatur über diese Zeitspanne bayerischer Entwicklung ist bekannt; ihre Vorstellung erübrigt sich. Grundlegend bleibt, auch nach dem Erscheinen von Akteneditionen und Einzeluntersuchungen, der Durchblick, den Karl Schwend in seiner ausgereiften Darstellung 8) gegeben hat. Wilhelm Hoegner gibt dazu in zwei eigenwilligen Veröffentlichungen wertvolle Ergänzungen.

Entgegen den zunächst geäußerten Befürchtungen ergaben inzwischen archivalische Ermittlungen, daß das zur Verfügung stehende Aktenmaterial außergewöhnlich umfangreich und ergiebig ist. Nachdem die 1945 weggeführten Bestände des Staatsministeriums des Innern und der Polizeidirektionen München und Nürnberg für die Zeit von 1918 bis 1935 zurückgegeben worden sind, stehen für die Frühgeschichte der NSDAP und für den Lebensweg Hitlers zum Teil nicht ausschöpfbare Archivalien zur Verfügung. Sobald die vordringlichen Desiderate — etwa die Veröffentlichung der Aufzeichnungen des Staatsrats Graßmann über die Entstehung der bayerischen Verfassung, die Veröffentlichung des Nachlasses des Anton Drexler und die Edition der nichtöffentlichen Sitzungen des Hitler-Prozesses — erfüllt sind, dürfte die Zusammenfassung der inzwischen vorgelegten Ergebnisse in einer Darstellung sowohl der bayerischen Entwicklung als auch der Früh-geschichte der NSDAP angezeigt erscheinen.

Bayern im Weltkrieg Wie bereits bemerkt, formten sich die Probleme des bayerischen Durchgangs durch die revolutionäre und pseudorevolutionäre Phase zwischen 1918 und 1924 im Verlauf des Ersten Weltkrieges.

Bayern hatte zwar keinen unmittelbaren Anteil an der Entscheidung über Krieg und Frieden im August 1914 — es beteiligte sich jedoch sehr lebhaft an der Erörterung der deutschen Kriegsziele Hertling war auf das tiefste bestürzt, als König Lugwig III. bei der Antrittsaudienz des neuernannten preußischen Gesandten in München, Schoen, am 15. August 1914 mit verblüffender Offenheit erklärte, diesmal dürfe es nicht wieder geschehen wie 1871, als Bayern leer ausging, ja nicht einmal die 1866 abgetretenen Gebiete zurückerhielt. Der König brachte den Wunsch nach der Aufteilung der Reichslande Elsaß-Lothringen zwischen Preußen und Bayern zum Ausdruck und betonte, Belgien müsse verschwinden, und die Rheinmündung müsse deutsch werden. Die Frage der Begünstigung Bayerns bei der Aufteilung der Reichslande Elsaß-Lothringen wurde beinahe bis zum Ende des Krieges erörtert. Auch andere territoriale Möglichkeiten zur Vergrößerung Bayerns fanden am bayerischen Hof und im bayerischen Gesamtstaatsministerium Befürworter. Der bayerische Vertreter in Berlin, Graf Lerchenfeld, und der bayerische Ministerpräsident Graf Hertling waren übereinstimmend der Auffassung, Diskussionen über die Engagements Bayerns oder des Hauses Wittelsbach an Gebietserwerbungen seien erst sinnvoll, wenn die dafür erforderlichen militärischen Voraussetzungen geschaffen seien. Lerchenfeld war bereits im Spätsommer 1914 von Zweifeln geplagt, ob Deutschland die Prüfung des Krieges erfolgreich bestehe. Hertling regte sehr früh in seinen Briefen an Reichskanzler Bethmann Hollweg Bemühungen zum Abschluß wenigstens eines Teilfriedens an.

Bayern erklärte sich bereit, die Aktion der Reichsleitung bei Kaiser Franz Joseph in Wien im Frühjahr 1915 zu unterstützen. Durch Abtretungen in Südtirol sollte Italien gewonnen werden, nicht in den Krieg einzutreten

Versuche, verwandtschaftliche Beziehungen der Wittelsbacher im Interesse der Wiederherstellung des Friedens zu aktivieren, waren erfolglos.

Der Kreis der um den Ausgang des Krieges Besorgten und der für den Frieden Wirkenden war aber auch in Bayern klein. Ihm gegenüber stand — zahlenmäßig wesentlich größer und politisch aktiver — eine Gruppe von Persönlichkeiten aus dem bayerischen Adel und dem bayerischen Bürgertum, die — im Sinne der Gruber-Delegation — eine Verschärfung der Kriegführung und eine Belebung der Reichspolitik forderten. München war ein Zentrum der alldeutschen Agitation, die — wie später Hitler — die aufkommenden bayerischen Ressentiments für ihre Zwecke ausnutzte. Was Ludendorff seit 1920 für die nationalistische Welle war war der verabschiedete Großadmiral von Tirpitz 1916/17 für die alldeutsche Agitation

Audi in Bayern wurden, wie Josef Hofmiller in seinem „Revolutionstagebuch 1918/19" berichtet, in Erwartung großer Annexions-und Kolonialgewinne zusätzliche Geographiestunden eingeführt, um die Schüler auf die Weltmachtstellung des Deutschen Reiches vorzubereiten

Die phantastischen Erwartungen auf die Ergebnisse von Sieg und Frieden gerieten in immer stärkeren Gegensatz zu der Meinüng des Volkes — zu den Ansichten der Kleinbürger, Bauern und Arbeiter. Deren Unruhe und Unzufriedenheit fanden im Winter 1915/16 erstmals in den Berichten der Regierungspräsidenten ad Majestatem ihren Niederschlag. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Die Erwartungen vom August 1914 erfüllten sich nicht. Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse verschlechterten sich rasch und spürbar. Die Dauer des Krieges nagte —-einem Zweifel gleich — an der Versicherung über den Sieg Deutschlands auf dem Schlachtfeld. Maßnahmen der Kriegsbewirtschaftung wurden als unzulässige und unerfreuliche Reglementierungen Berlins empfunden. Die in Friedenszeiten liebenswürdige und nachsichtige Frotzelei gegenüber den Norddeutschen, den Preußen, schlug in ein grantiges Räsonieren ihnen gegenüber um. Die Objektivierung des Unbehagens und die Unzufriedenheit führten zur Belebung einer weithin eingeschlafenen und politisch wirkungslosen Frontstellung gegen den Norden, der sich seinerseits falsche 'Vorstellungen über die ernährungspolitische Lage Bayerns machte. Beinahe jede Stadt des Westens und auch des Nordens schickte Aufkäufer nach Bayern, überzeugt, es handle sich hier um eine Insel der Seligen, in der noch Milch und Honig fließe. Auch Konrad Adenauer wurde dem Grafen Hertling als Interessent landwirtschaftlicher Aufkäufe avisiert.

Zwei gegensätzliche Entwicklungen Aus Mißverständnissen und Mißstimmungen erwuchs die bayerische Haltung zwischen 1916 und 1918; sie hatten zwei Richtungen:

a) Die eine umfaßt die Aktivität bayerischer Politiker, Publizisten und Bürger im Sinne der alldeutschen Agitation. Parteigänger dieser Richtung, wie etwa der Zentrumsabgeordnete Konrad Graf Preysing und der Schriftsteller Ludwig Thoma, beteiligten sich an der Gründungsversammlung der „Deutschen Vaterlandspartei" in Berlin. Das bayerische Zentrum war durch diese alldeutsche Agitation gelähmt.

b) Die zweite Richtung stellt das weithin stumme Unbehagen unter den Kleinbürgern, Bauern und Arbeitern dar, Bei der Volkszählung 1910 zählte das Königreich Bayern 6, 8 Millionen; diese Volkszahl stellte 10, 7 v. H.der Reichsbevölkerung dar. In der Sozialstruktur zeichnete sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine langsame, 12 aber stetige Umschichtung ab; die Zahl der in der Landwirtschaft Tätigen nahm ab, die Zahl der nicht-landwirtschaftlichen Lohnarbeiter nahm dagegen zu. In der Landwirtschaft waren tätig: 1852 67, 9 v. H., 1882 50, 7 v. H., 1907 40, 1 v. H.der Gesamtbevölkerung. In Handwerk, Industrie, Verkehr und häuslichen Diensten waren beschäftigt: 1852 22, 7 v. H„ 1882 33, 2 v. H„ 1907 47, 1 v. H.der Gesamtbevölkerung 15). Schauplätze dieser Verschiebung waren vornehmlich die Städte München, Nürnberg und Augsburg: „Schlossen die drei wichtigsten Städte Bayerns, die Landeshauptstadt, die fränkische Industriemetropole und die schwäbische Kreishauptstadt, 1840 zusammen etwa 200 000, 1871 erst 300 000 Einwohner in ihre Mauern, so umfaßten sie 1910 eine Bevölkerung von über 1 Million und 1919 von über 1, 13 Millionen. Die Zuwachsrate, welche für München und Nürnberg 1840— 1871 rund 770/0 betrug, hat sich unter dem Fortschritt des Reichsganzen 1871 bis 1910 für München auf über 250 %, für Nürn15) berg auf 300 °/o erhöht. Auch die meisten von den bayerischen Kleinstädten, die ja Bayerns Wirtschaftscharakter gegenüber dem Norden eine wesentliche Besonderheit verleihen, haben eine nicht minder gute Entwicklung aufzuweisen." Die politischen Auswirkungen des Überganges von einem vorwiegend agrarischen Land zu einem vorwiegend industriellen Land zeigten sich nur in den Ergebnissen der Wahlen zur Kammer der Abgeordneten; sie machten sich vor allem unter den Belastungen des Krieges bemerkbar.

Wachsende Unzufriedenheit unter Arbeitern und Bauern In den Städten München, Nürnberg und Augsburg geriet die Arbeiterschaft in die Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen MSP und USP; sie wurde, wie die Regierungspräsidenten in zunehmendem Maße ad Majestäten! berichteten, kriegsmüde und verzweifelt, bewahrte jedoch Disziplin. Am 22. August 1916 fand im Herkulessaalbau zu Nürnberg eine von einer Friedensbewegung der MSP unter der Losung „Für einen Frieden" einberufene Versammlung statt. Eine dabei beschlossene Unterschriftensammlung forderte einen Frieden, „der dem Reiche 1.seine politische Unabhängigkeit, 2.seine territoriale Unversehrtheit, 3.seine wirtschaftliche Entwicklung gewährleistet". Sie ergab bis zum 11. September 1916 allein in Nürnberg 53 000 Unterschriften 17). Die Bemerkung, die König Ludwig III. an diesem Tage anläßlich eines Empfanges im Nürnberger Rathaus machte: „Wir hoffen aber alle, daß der Krieg nicht mehr so lange dauert. Wie lange er noch dauern wird, das wissen wir freilich nicht, aber etwas anderes wissen wir, daß wir keinen Frieden schließen werden, der uns erniedrigt, sondern nur einen Frieden, der uns eine bessere Stellung sichert, als wir bisher hatten" erregte bei der politisch und gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft Mißfallen

Unter den Bauern und den landwirtschaftlichen Arbeitern gärte es in Bayern, wie der eingangs zitierte Brief des Reichskanzlers Bethmann Hollweg an Ministerpräsident Hertling beweist, früh und heftig.

Wenige Wochen nach dem Briefwechsel zwischen Reichskanzler Bethmann Hollweg und Ministerpräsident Hertling am 31. August 1916 sah sich der angehende Privatdozent für allgemeine und deutsche neuere Geschichte sowie bayerische Geschichte an der Universität München, Karl Alexander von Müller, veranlaßt, in einem Brief an den Kabinettschef des Königs, Staatsrat Otto von Dandl, die ihn beunruhigende Stimmung der bäuerlichen Bevölkerung des Oberlandes eingehend zu schildern: „Ich bin seit vierzehn Jahren regelmäßig Besucher der Schlierseer, Miesbacher und Leizachtaler Gegend und glaube Land und Leute dort aus nahem Umgang zuverlässig zu kennen. Auch heuer habe ich Juli und August fast jedes Wochenende dort zugebracht. Darf ich es persönlich gefärbt sagen: Weniges in diesem Weltkrieg war mir erschütternder als die Stimmung, die ich unter diesen kernbayerischen, bisher grundkonservativ und königs-treu gesinnten Bauern angetroffen habe. Sie äußert sich, in erschreckendem Umfang, unverhohlen, in der Öffentlichkeit, im Gasthaus, auf der Straße, in der Bahn, wie in persönlichem Gespräch. Es sind in weitem Umkreis immer die gleichen Empfindungen und Gedanken, die, sehr oft mit den gleichen Worten, ausgesprochen werden. Es scheinen vor allem zwei Hauptrichtungen, in denen sie sich bewegen. Ich zeichne für beide ganz kurz in Schlagworten einige wenige Hauptredensarten auf, denen man überall begegnet:

Die eine, ganz allgemein, ja man muß fast sagen ausnahmslos verbreitete Richtung ist die antipreußische. Sie nährt sich zum einen Teil aus Erzählungen und Briefen aus dem Feld, zum anderen aus den Schwierigkeiten und Gegensätzen der Ernährungsfrage in der Heimat. Hier ist wohl unnötig, einzelnes anzuführen — es entspricht im wesentlichen dem, was man auch in München hören kann. Das Ganze ist aber in dieser ländlichen Bevölkerung zu einem Grad gesteigert, von dem man sich kaum einen übertriebenen Begriff machen kann. Man muß wohl sagen, daß zur Zeit, mitten im Ringen des deutschen Volkes um sein Dasein, in diesen Gegenden nichts verB haßter ist als der , Saupreuße'— ein anderes Wort wird kaum je gebraucht.

, Wir wären noch lieber mit Frankreich zusammen, die Franzosen tun uns nichts. ’ . Nach dem Krieg werden wir halt französisch werden, lieber aber schon noch als preußisch, das haben wir jetzt satt, das sagt jeder Soldat, der aus dem Feld kommt. ’ . Wartet nur, wenn der Krieg aus ist, dann geht’s schon anders, wenn auch die Franzosen hereinkämen, uns tun sie ja doch nichts; die Bauern bräuchten dann weniger Steuern zu zahlen wie jetzt, den Bauern tut ein Franzose überhaupt nichts. ’ Ich möchte nicht unterlassen zu wiederholen, daß dies nicht gelegentliche, vereinzelte, sondern tagtägliche, überall und immer wiederholte Äußerungen sind.

Die zweite Richtung ist eine antimonarchische. Sie argumentiert etwa folgendermaßen:

, Der ganze Krieg ist ein Schwindel. Dem Volk wird was weisgemacht. Die Oberen haben sich untereinander vereinbart, die Kleinen müssen hin werden. Wir werden uns aber überlegen, künftig Kinder in die Welt zu setzen und mühsam aufzuziehen, bloß daß die Oberen sie dann für nichts hinschlachten. ’ , Da hört man immer von den Sklaven von früher; wir sind aber ärgere Sklaven, als es je gegeben hat. ’ . Die Leute werden ihnen halt zu viel, drum haben sie den Krieg angefangt, das weiß man schon, und verlieren tun wir ihn auf alle Fälle, das sieht jeder, der nicht blind ist. ’ . Der Krieg gegen die Engländer ist ein Schein-krieg, weil der Kaiser es im Herzen mit den Engländern hält. Er hat sein Geld auf der Bank von England, drum will er es nicht mit den Engländern verderben. Das macht einem sonderbare Gedanken über die Monarchie. ’ Auch dies alles sind weitverbreitete, immer wiederholte Äußerungen, über den Ursprung und die Art der Verbreitung dieser Stimmungen vermag ich persönlich nichts beizubringen. Vor acht Wochen gingen sie schon von Mund zu Mund, seitdem hat ihr Umlauf nur zugenommen, ihre Bitterkeit sich noch vertieft. Zweifellos strömt sehr vieles davon aus dem Feld herein; aber ebenso vieles auch aus der Heimat hinaus. Ob und inwieweit sie von feindlichen oder umstürzlerischen Agenten verbreitet werden, dafür habe ich keinen Anhalt. Der ursprüngliche Nährboden ist neben den schweren Kriegsopfern ohne Zweifel durch den Mangel eines greifbaren Kriegszieles für das breite Volk und durch die verhängnisvollen Folgen des gegenwärtigen Systems der politischen Zensur gegeben. Die Ziellosigkeit und Verwirrung, die jetzt große Teile unseres Volkes durchsetzt, äußert sich bei den Bauern nur nach ihrer Weise handgreiflicher, praktischer, gefährlicher; sie greift aber auch bei ihnen tiefer und wird schwerer wieder gut zu machen sein.

Nahe Freunde berichten mir das gleiche, oft wörtlich übereinstimmend, aus der Garmischer Gegend, aus dem Chiemgau. Wenn ich meinen persönlichen Eindruck zusammenfassen soll, so scheint mir eine schleunige und umfassende Gegenwirkung auf das dringendste geboten. Treiben die Dinge in der bisherigen Richtung weiter, so sind die Folgen, insbesondere bei einer längeren Dauer oder einem etwaigen halben Ausgang des Feldzuges, nicht zu übersehen. Jeder umstürzenden Agitation ist in dieser Stimmung ein Boden geboten, wie ihn das bayerische Bergland in seiner ganzen tausendjährigen Geschichte noch nie geboten hat."

Ein Jahr später, 1917, schrieb ein Kleinhäusler aus einem bayerischen Dorf an den berühmten und einflußreichen „Bauerndoktor" Georg Heim, der gleichzeitig mit alldeutschen Tagträumen und altbayerischem Unbehagen sympathisierte: „Möchte zugleich Herrn Doktor auf eine in hiesiger Gegend sich breit machende Stimmung des Volkes aufmerksam machen. Es herrscht nämlich die Anschauung, daß es für uns besser wäre, wenn wir den Krieg verlieren. Durch eine Revolution mit Einführung der Republik erhoffen sich die meisten alles Glück. Auch alte, gereifte, sonst gut katholische Männer sind dieser Ansicht. Im Wirtshaus, auf der Eisenbahn, bei der Arbeit und überall kann man solche Reden hören. Sagt man dann, daß eine Revolution für einen Bauern oder Arbeiter das schlimmste ist, was passieren kann, dann heißt es einfach: Aber es kommt doch so, die Großen wollen es nicht anders." 21)

Die Agitation unter den unzufriedenen Arbeitern wurde von der USP die Agitation unter den Bauern vor allem vom Bayerischen Bauernbund betrieben. Dessen Repräsentant war Ludwig Gandorfer. Von ihm und seiner Tätigkeit während des Krieges berichtete der Münchner Journalist Max Kolmsperger: „Bevor Ludwig Gandorfer den väterlichen Zollhof in Pfaffenberg übernahm, war er Farmer in Afrika, von dort war er fast erblindet zurückgekehrt. Er war kein Revolutionär, aber er war ein Revoluzzer. Heimgekehrt, hatte er den Zollhof mit einer Mauer umgeben und mit alten Kanonenrohren bestükken lassen. Im oberen Stock ließ er zu beiden Seiten eines Beratungszimmers je drei Gästezimmer einrichten. Nach der Verdun-Schlacht begann er, sozialdemokratische Landtags-und Reidistagsabgeordnete zu sich einzuladen. Waren sie ungefähr seiner Meinung, wurden sie mit rar gewordenen Naturalien bedacht, denn es herrschte Hungerszeit! Waren sie es nicht, gingen sie leer aus. Später, als es Mehrheitssozialdemokraten und Unabhängige gab, ließ er die rote Flagge hissen, wenn Unabhängige bei ihm zu Gast waren. So großzügig war man im Königreich, daß niemand dagegen einschritt, vielleicht auch, weil man eher mit dem Ende der Welt als mit dem Sturz der Monarchie gerechnet hatte. Darin mußte ich Thoma Recht geben, daß die Bauern gegen Ende des Krieges viel radikaler als die Arbeiter waren, aber nicht nur die Dienstboten, von denen Thoma das Schlimmste zu befürchten schien. An der bäuerlichen Radikalisierung waren in erster Linie die Blutopfer schuld, die der lange Krieg forderte, die Zwangswirtschaft, von der man auf dem Lande eine Rückkehr in eine neue Leibeigenschaft befürchtete, und die Korruption der Kommunalverbände." 24)

Zur Beurteilung Kurt Eisners Für das unterirdische Grollen in Bayern zwischen 1916 und 1918 gibt es zahlreiche und eindeutige Belege. Diese gestatten nicht, den Demonstrationszug Eisners vom 7. November 1918 als Überraschung und Überrumpelung zu deklarieren. Das sich ausbreitende Unbehagen richtete sich schließlich nicht nur gegen den Norden, gegen Berlin, gegen Preußen, gegen die Hohenzollern, gegen das Reich —-es richtete sich auch gegen die Wittelsbacher, vornehmlich gegen den regierenden König, gegen das Gesamtstaatsministerium — es richtete sich vor allem gegen den Krieg und seine Begleiterscheinungen. Die Meinung setzte sich rasch durch, Bayern könne sich aus der nahenden Katastrophe heraushalten, wenn es einer neuen Entwicklung mutig den Weg bahne. Aus bayerischen Alldeutschen wurden im Spätherbst 1918 bayerische Partikularisten. Ungewißheit über die bisherige Entwicklung und Undurchsichtigkeit der nächsten Zukunft lösten eine allgemeine Unsicherheit aus, die auf einen Mann, auf einen Handelnden, wartete. Ist es von dieser Sicht aus möglich, das Phänomen Eisner aufzuschlüsseln? Es geht bei dieser Fragestellung nicht um die Rechtfertigung der politischen Torheiten Eis-* ners, es geht dabei ausschließlich um die Freilegung der Gegebenheiten, die das Auftreten Eisners möglich machten.

Ernst Toller berichtet in seiner Selbstbiogra1 phie: „Auch in Bayern war das Volk kriegs-müde, zur Kriegsmüdigkeit kam die Angst, daß italienische Truppen nach dem Zusammenbruch Österreichs in Bayern einmarschieren würden. Die Bauern hatten den Krieg in Frankreich und Rußland gesehen, sic dachten an die granatenzerwühlten Gräber, die zerschossenen Dörfer, die verwüstete Erde. Der traditionelle Haß gegen Preußen, gegen die Hohenzollern, erwachte; mögen die den Krieg weiterführen, ohne sie. Vom Hause Wittelsbach erwarteten sie nichts mehr, der König, sagten die Bauern, hat sich von Berlin einwickeln lassen, würde er sich sonst nicht gegen die bürokratischen Kriegsgesellschaften, die agrarischen Zwangsmaßnahmen, gewehrt haben? Weils die in Berlin so haben wollen, dürfen sie in Bayern ihr Korn nicht mahlen, weil die Saupreußen schlechtes Bier trinken, müssen auch sie Spülwasser schlukken. Eisner mit psychologischem Instinkt erfaßte die Stimmung des Landes, er gewann die Bauern und Arbeiter für den Sturz der Monarchie gegen den Widerstand der Rechts-24) Sozialisten, die über die Bildung einer konstitutionellen Regierung verhandelten."

Die Vorgänge im Herbst 1918 konzentrierten sich zwar auf München, waren jedoch begleitet von einem Einverständnis des Landes. Die bayerische Revolution ist zwar kein verspäteter Bauernkrieg, doch entluden sich unter den Bauern und in der bäuerlichen Arbeiterschaft angestaute Unzufriedenheit und Verbitterung. Ludwig Thoma schrieb am 14. Januar 1919: „Wir in Bayern stehen vor der furchtbaren Gefahr der Revolutionierung der landwirtschaftlichen Arbeiter und Dienstboten. Sie würde vollen Zusammenbruch bedeuten, Zusammenbruch der Arbeit und damit der Ernährung. Sie würde zur Verrohung einer schon immer zur Zügellosigkeit und Roheit neigenden Bevölkerung führen und Zerstörung des Landes verursachen. Ich kenne die Leute. Es ist nicht wahr, daß sie gute Katholiken sind; sie sind etwas abergläubisch, aber nicht tiefgläubig. Der altbayerische Dienstbote ist unwissend, unbändig, zu wilden Ausschreitungen aufgelegt und wird in sozialistischen Theorien nur die Aufforderung wie die Möglichkeit zu schlimmsten Verbrechen sehen."

Die Revolution in Bayern war mehr als der Demonstrationszug vom 7. November 1918. Sie war Entladung eines Unbehagens, das schließlich das ganze Land erfaßt hatte. Eisner war nicht der Urheber, sondern nur der Vollstrecker einer Entwicklung, die sich seit 1916 vorbereitet hatte. Das Emotionelle im Grundwasser der bayerischen Politik und die burleske Form des Politiktreibens Eisners fanden rasch zueinander. Bemühungen des Innenministers Erhard Auer, die Entwicklung unter Kontrolle zu bringen, waren erfolglos. Einem Wildbach gleich traten die Ereignisse über die Ufer und rissen Institutionen, Einrichtungen und Personen, die als Säulen des monarchischen Staates und der monarchischen Gesellschaft gepriesen worden waren, mit sich. Lerchenfeld, der 38 Jahre lang Bayern in Berlin vertreten hatte, schrieb von den „Strohhalmen, auf denen der Thron der Wittelsbacher gestanden war" 25

Von dubiosen Ratgebern und Einflüsterern umgeben handelte Eisner zwiespältig. Er veröffentlichte, gekürzt und verstümmelt, die wenigen bayerischen Dokumente zum Kriegsausbruch, von der Meinung geleitet, durch ein freimütiges Eingeständnis das Wohlwollen der Siegermächte erreichen zu können Er erkannte — mit einer bei ihm nicht vermuteten Sicherheit — die Gefahr, die Bayern von der verfassungsrechtlichen Neugestaltung des Reiches drohte 29).

Die Wahlen zum ersten bayerischen Nachkriegslandtag am 12. Januar 1919 erbrachten die Unhaltbarkeit der Position Eisners Die Unabhängigen Sozialdemokraten erhielten bekanntlich nur 3 von insgesamt 180 Mandaten. Der neu gegründeten Bayerischen Volkspartei gelang es nicht, die vom Zentrum von 1869 bis 1918 behauptete absolute Mehrheit zu erringen. Sie blieb mit geringem Vorsprung die stärkste Partei des Landtags. Ihr folgten hartauf die Mehrheitssozialdemokraten. Ein Zusammenstoß zwischen den parlamentarisch erfolgreichen Kräften und Eisner, der in den Arbeiter-, Soldaten-und Bauernräten Unterstützung suchte, war unausbleiblich. Bevor es dazu kam, wurde Eisner am 21. Februar 1919 ermordet.

Die bayerische Entwicklung gabelte sich:

Der neu gewählte Ministerpräsident Hoffmann zog es — nach Berliner Beispiel — vor, mit dem Gesamtstaatsministerium nach Bamberg auszuweichen, da ihm die Verhältnisse in München als ungeeignet erschienen, die Beratung einer neuen bayerischen Verfassung ungestört durchzuführen und die niedergebrochene Verwaltungstätigkeit wiederaufzunehmen. Die „Räterepublik Bayern" im Ostblock Gegenstand von Erinnerungen, Gedenkfeiern und zeitgeschichtlichen Forschungen, war keine „proletarische Revolution", kein Aufstand der Massen zur Erringung der Diktatur des Proletariats, auch wenn Lenin sie als Brückenkopf der Weltrevolution in Mitteleuropa feierte. Ihre Definition bereitet insofern Schwierigkeiten, weil sie einen Zusammenfluß der verschiedensten Auffassungen und Forderungen darstellt und anarchistische Züge trägt. Wäre die Räterepublik unblutig an München vorübergegangen, müßte sie als Kuriosität mit dem Anrecht auf Nachsicht betrachtet werden. Die Zuspitzung der Gegensätze entfesselte jedoch einen gespenstischen Blutrausch.

Nach polizeilichen Ermittlungen kosteten die Kämpfe um München zwischen dem 30. April und dem 8. Mai insgesamt 557 Menschen das Leben. Hiervon fielen im Kampf „ 93 rote und 38 weiße Soldaten, 7 Bürger und 7 Russen". Standrechtlich erschossen wurden 42 Angehörige der Roten Armee und 144 Einwohner. Unverschuldet, durch eigene Leichtfertigkeit oder durch tückische Zufälligkeit kamen nicht weniger als 184 Menschen um. In 42 Fällen ließ sich die Todesursache nicht ermitteln 32). Die Zahl der standrechtlich erschossenen Soldaten und Bürger ist bemerkenswert hoch; sie zeigt, daß die Verbände, die München besetzten, hart zuschlugen.

Vollendung der Mediatisierung Bayerns Mit sich selbst auf das stärkste beschäftigt, war Bayern nicht in der Lage, bei der Vorbereitung und Beratung der neuen Reichsverfas-sung mit dem notwendigen Gewicht aufzutreten. Bayern mußte die Vervollständigung seiner Mediatisierung hinnehmen.

Durch den nicht ganz freiwilligen Eintritt in den Norddeutschen Bund im Herbst 1840 verlor Bayern die 1806 erreichte und 1815 bestätigt erhaltene Souveränität; es wurde Gliedstaat des Deutschen Reiches. Bismarck hatte ihm durch eine Reihe bedeutsamer Zugeständnisse den Weg in das kleindeutsche Reich erleichtert 33). Maxime der bayerischen Politik war die Behauptung der Reservate, die freilich zwischen 1871 und 1918 eine Abwertung erfuhren. Im Bundesrat, in dem Preußen ein verfassungsrechtlich garantiertes Übergewicht hatte, verteidigte Bayern mit großer Entschiedenheit die Rechte der Gliedstaaten. Der bayerische Gesandte in Berlin, Lerchenfeld, der beinahe vier Jahrzehnte lang, von 1880 bis 1918, Gelegenheit hatte, die Entwicklung des Organs der Reichssouveränität, des Bundes-rates, zu beobachten, warnte immer wieder vor dessen Überschätzung und Überforderung. Er ließ nach dem August 1914 keinen Zweifel daran, daß die Kriegszwangsmaßnahmen eine Verschiebung der politischen Gewichte zur Folge haben würden. Seine zahlreichen Hinweise blieben entweder unbeachtet oder führten zu Protesten bei den Reichskanzlern, die nicht müde wurden zu versichern, die Reichs-leitung denke nicht daran, die Rechte der Gliedstaaten zu schmälern. Der erste Brief, den Ministerpräsident Dandl an seinen Vorgänger, den nunmehrigen Reichskanzler von Hertling; schrieb, war eine laute Klage über die Benachteiligung Bayerns. Zu diesem Zeitpunkt, im Winter 1917/18, wurde im Interfraktionellen Ausschuß offen von der Abwertung des Bundesrates und der Gliedstaaten gesprochen.

Die Verfassungsentwürfe von Hug 6 Preuß zielten nicht auf eine zeitentsprechende Umwandlung der Reichsverfassung vom 16. April 1871, sondern auf die Schaffung eines weithin zentralisirten Einheitsstaates als des Ideals des Nationalstaates Die Republik verstahd sich als Volksreich, das die Stammes-und Länder-gefälle als nicht existent erklärte. Starke Kräfte drängten in der Weimarer Nationalversammlung auf das einheitliche Reich; sie waren der Meinung, daß die den Gliedstaaten zugestandenen Vorrechte und Privilegien mit den Monarchen in Wegfall gekommen waren. Bayern Wurde von dieser verfassungsrechtlichen Einebnung nicht ausgenommen. Sich dagegen erfolgreich zu Wehr zu setzen, war Bayern auf Grund seiner inneren Schwierigkeiten versagt. Gerade diese wurden aber als Argument für die Eliminierung des Staats-charakters der Länder angesehen. Der unge-hemmten Aktivität der Nationalversammlung stand die erzwungene Passivität Bayerns gegenüber. Die sehr spät einsetzenden Bemühungen, in Weimar nicht nur für Bayern, sondern für alle Länder wenigstens fragmentarische Positionen zu retten, waren weithin erfolglos. Bayern verlor nicht nur seine Reservate — es wurde in den Einheitsstaat eingefügt. Die Folgen des mangelnden Verständnisses für die bayerische Situation in der Weir marer Nationalversammlung sind für die bayerische und auch für die deutsche Entwicklung nach 1919 nicht geripg zu veranschlagen. Bayern mußte nach bayerischer Auffassung deg verlorenen Krieg doppelt bezahlen — durch die allgemeinen Leistungen und Ablieferungen und durch den Verlust seiner Reservate. Eine erste Welle der Verreichlichung ging über das Land hinweg. Die Mediatisierung Bayerns kam zum Abschluß. Was Bayern verblieb, waren Girlanden einer nur noch deklamatorischen Eigenstaatlichkeit. Die Weimarer Nationalversammlung ließ Preußens territoriale Gestalt zwar unangetastet, beseitigte jedoch die verfassungsrechtlichen Sicherungen der süddeutschen Länder dagegen. Sie schuf damit eine Problematik, die, wie die Ereignisse der Jahre 1932 und 1933 ausweisen, zum Schicksal des republikanischen Reiches wurde.

Steigende Aversion gegen Berlin In dem Maße, in dem das bayerische Gesamtstaatsministerium seine politische Handlungsfreiheit gegenüber dem Reich zurückgewann, wandte es sich gegen die 1919 vorgenommene Gleichschaltung. Es leistete gegen alle Versuche des Reiches, die verbliebene Eigenstaatlichkeit der Länder weiter auszuhöhlen, erbitterten Widerstand. Da andererseits bei der Reichsregierung die Tendenz bestand, die eingeleitete Entwicklung fortzuführen und zu Ende zu bringen, waren Meinungsverschiedenheiten und Konflikte unausbleiblich. Sie betrafen nicht nur untergeordnete Angelegenheiten, sondern, wie die Kontroversen über die Einwohnerwehren und über die Anwen34) düng des Republikschutzgesetzes beweisen, Existenzfragen des republikanischen Reiches. Durch den Nichtvollzug des Republikschutzgesetzes war das Urteil des Staatsgerichtshofes des Reichsgerichts in Leipzig gegen die NSDAP vom 15. März 1923 37) in Bayern rechtsunwirksam. Der Einwand, bei einer Güterabwägung hätte Bayern seine Wünsche und Forderungen zugunsten des gefährde: ten Reiches zurückstellen müssen, ist anachronistisch. Die aus dem Krieg überlieferte Aversion gegen den Norden stieg an: „Berlin" wurde zum Synonym der Ablehnung der Weimarer Verfassung und der Weimarer Koalition. Bereits im Herbst 1918 hatte Josef Hofmiller in sein Tagebuch eingetragen: „Berlin ist schon unmöglich als Hauptstadt von Gebieten wie Rheinprovinz. Es ist noch unmöglicher als Hauptstadt von Deutschland." In die Unzufriedenheit mit „Berlin" eingebettet war das Unbehagen an der Republik. Es ist nicht zufällig, daß der Verfassungsstreit der deutschen Katholiken — die Auseinaridersetzung über Absatz 2 Artikel 1 der Reichsverfassung, „Die Staatsgewalt geht vom Volke aus" — vor allem in Bayern ausgetragen wurde 3).

Mit Verzögerung traten in Bayern die Auswirkungen des Kapp-Putsches im März 1920 in Erscheinung. Während es im Reich gelang, den Kapp-Putsch aufzufangen, kam es in Bayern unter dem nachweisbaren Druck der Garnison und unter der Mitwirkung der Politischen Abteilung des Polizeipräsidiums München zu einer Regierungskrise. Dietrich Eckart erklärte bei seiner Einvernahme nach dem 9. November 1923, im Zeitpunkt des Kapp-Putsches mit Hitler in engere Beziehungen gekommen zu sein. Er führte aus: „Mir war es damals weniger um Kapp zu tun, als darum, mit Hilfe des Putsches das sozialdemokratische Ministerium in München hinwegzubekommen. Ich unterhandelte damals mit General von Epp und Herrn von Kahr, mit letzterem in der entscheidenden Nacht im Münchner Polizeipräsidium. Von Kapp drang nach München nichts mehr durch, und so entschloß ich mich, zu ihm nach Berlin zu fliegen. Auf diesem Flug von Augsburg aus begleitete mich der damals noch gänzlich unbekannte Hitler." Die Aussage belegt, daß Gustav von Kahr, der Regierungspräsident von Oberbayern, am Sturz der Regierung Hoffmann maßgebend beteiligt war. Da der favorisierte Kandidat, Georg Heim, nicht bereit war, an die Spitze des Gesamtstaatsministeriums zu treten, wurde Kahr bayerischer Ministerpräsident. Er verstand seine Berufung als Gegenzug zu der am 7. November 1918 ausgelösten Entwicklung. Er war zwar auf das Vertrauen des Parlaments angewiesen, versuchte jedoch, sich davon unabhängig zu machen, indem er die Kräfte förderte, mit Hilfe derer er glaubte, neue Verhältnisse in Bayern, die die alten vorrevolutionären Zustände sein sollten, zu schaffen. Die Wiederherstellung der Monarchie machte er von zahlreichen Bedingungen abhängig. Kahr förderte alle antimarxistischen und antisozialistischen Bewegungen und Tendenzen. Er unterstützte die Einwohnerwehren. Er gestattete, daß München zum Sammelbecken politischer Phantasten und revoltierender Landsknechte, in München als „oberschlesische Abenteurer" bezeichnet, wurde. Die Villa Ludendorffs in Solln wurde zur nationalen Pilgerstätte.

Die Rolle der Einwohnerwehren Die erste Kraftprobe zwischen der Reichs-regierung und dem bayerischen Gesamtstaats-ministerium unter Kahr war die von den Alliierten geforderte Auflösung der Einwohnerwehren. Deren Anfänge reichen in den Herbst 1918 zurück. Der Versuch des Innenministers Auer, eine Art Einwohnerwehr zu bilden, wurde von Eisner hintertrieben. Die apathische Bürgerschaft raffte sich zur Selbsthilfe auf. Im Frühjahr 1919 bildeten sich auf dem Lande die ersten Formationen. Nach der Besetzung Münchens entstand eine Bürger-wehr. Auf der Grundlage dieser Zusammenschlüsse entwickelte sich die schließlich gut organisierte, auf breiter Basis aufgebaute Einwohnerwehr. Diese war ursprünglich durchaus unpolitisch und zählte auch Sozialdemokraten zu ihren Mitgliedern. Das Trauma der Räteherrschaft war aber so stark, daß die nach rechts gerichteten Kreise schließlich überwogen und bestimmten. „Die Einwohnerwehr führte", so berichtete der württembergische Gesandte in München nach Stuttgart, „ein etwas geräuschvolles Dasein, was teils dem bayerischen Volkscharakter zuzuschreiben ist, der vergnügungssüchtig ist, teils dem unklugen Verhalten der Leiter derselben, insbesondere ihres geistigen Urhebers, des Herrn von Kahr." Dieser weigerte sich zunächst, der ihm von der Reichsregierung übermittelten alliierten Forderung nach Auflösung der Einwohnerwehren zu entsprechen. Er mußte schließlich doch nachgeben.

Die Einwohnerwehren setzten sich nach ihrer Auflösung, wie Oberstleutnant a. D. Kriebel in einer nichtöffentlichen Sitzung des Hitler-Prozesses ausführte, in zwei Richtungen fort: in den „Vaterländischen Verbänden“ und in der Geheimorganisation des Forstrats Escherich. Da Kriebel und Escherich zunächst nicht in Erscheinung treten wollten, übernahm Sanitätsrat Pittinger, der nachmalige Leiter des Bundes Bayern und Reich, zunächst die Führung der Geheimorganisation

In den Einwohnerwehren begegneten sich die Republikfeindschaft der Kriegsgeneration und die Reichsaversion der bayerischen Landesregierung. Die Einwohnerwehren waren die Vorbilder zahlreicher paramilitärischer Organisationen, die stärker als die verfassungsmäßigen Einrichtungen die politische Wirklichkeit bestimmten. Die Trennungslinie zwischen dem notwendigen Schutz der Bevölkerung und dem Mißbrauch der bewaffneten Macht gegen die Staatsgewalt war hauchdünn und stand jedem Einbruch verfassungsfeindlicher Elemente bedrohlich offen.

Die Bezeichnung „Ordnungszelle Bayern" wurde zu einem gefährlichen Schlagwort, das den Blick vieler bayerischen Politiker für die tatsächlichen Verhältnisse trübte. In einem Gespräch mit dem württembergischen Gesandten Moser erklärte Ministerpräsident Lerchen-feld im September 1922, ihm werde immer wieder versichert, die einzigen Männer in ganz Europa, die eine richtige und konsequente Politik treiben, seien Lenin und Trotzki. Die Diktatur sei auch für Deutschland die einzige Rettung. Dieser Nationalbolschewismus spuke in den Köpfen. Man wolle in Bayern eine Militärdiktatur machen, die sich dann allmählich über das ganze Reich ausbreiten solle. Man versteige sich zu der größenwahnsinnigen Idee, daß von Bayern aus die Gesundung nicht nur des Deutschen Reiches, sondern ganz Europas kommen müsse. Aber abgesehen von der Unsinnigkeit dieses Gedankens gaben sich die Leute mit ihrem Plan einer Militärdiktatur auch für das Deutsche Reich großen Illusionen hin. Die Bevölkerungsschicht, die für so etwas zu haben wäre, sei nicht nur ganz dünn und, wenn es auch hier in Bayern anders liegen sollte, so sei doch in Norddeutschland und Mittel-deutschland dafür kein Boden. Dazu käme noch, daß ein solches Vorgehen Deutschland sofort die Entente auf den Hals bringen würde. Aber selbst wenn all diese Bedenken wegfielen, würde er eine Militärdiktatur für das größte Unglück halten. Er stehe nicht an zu bekennen, daß ihm ein verfassungsmäßig regiertes Reich selbst unter den jetzigen wirtschaftlichen Nöten lieber sei als eine Militärdiktatur unter besseren wirtschaftlichen Verhältnissen

Zu diesen Auffassungen Lerchenfelds bekannte sich die Mehrheit der im Landtag vertretenen Parteien: sie besaß jedoch keine überzeugungs-und Durchschlagskraft. Die Öffentlichkeit liebäugelte, mit dem Gedanken, durch revolutionäre oder pseudo-revolutionäre Veränderungen eine Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erreichen. Sie betete mit Wilhelm Raabe: „Unsere tägliche Selbsttäuschung gib uns heute." Mit ungebrochener Illusionsfähigkeit wandten nicht wenige von denen, die 1914 gesungen, 1916 einen harten Frieden verlangt und 1920 die Bekämpfung der Republik gefordert hatten, ihre Aufmerksamkeit der NSDAP zu. Diese erzwang zwischen 1920 und 1922 ihren Durchbruch in die Öffentlichkeit.

Aufstieg der NSDAP Zwar fehlen noch immer über Hitlers Tätigkeit nach seiner Rückkehr aus dem Lazarett Pasewalk nach München im November 1918 und seiner aktenmäßigen Erwähnung als V-Mann des Gruppenkommandos 4 Ende Mai/Anfang Juni 1919 archivalische Aufschlüsse, doch stehen für seinen Eintritt in die Politik und seine Tätigkeit in der Reichswehr Quellen* zur Verfügung Das noch nicht edierte „Kassenbuch der Deutschen Arbeiterpartei für die Jahre 1918/19“ ergänzt die inzwischen publizierten Niederschriften und Aufzeichnungen. Diesen Materialien ist zu entnehmen, daß Hitler sehr früh die Chance erkannte und wahrnahm, die ihm Anton Drexler durch die Aufforderung zum Eintritt in die DAP bot. Hitler begnügte sich zunächst mit der Rolle des Propagandisten, dankbar für die zahlreichen Kontakte, die ihm Drexler vermittelte. Es gelang ihm, durch die 'Unterstützung Mayrs, durch die Förderung Drexlers und schließlich durch die Begegnung mit Röhm und Eckart zu einer politischen Eigenständigkeit zu kommen, die er rasch und skrupellos ausbaute. Er erregte zunächst Aufsehen, Sehr bald schon Beachtung und Interesse. Bereits am 14. Mai 1921 empfing ihn Ministerpräsident Kahr zu einer eingehenden Aussprache über die politische Lage Bayerhs. Die Tatsache, daß Kahr Hitler, nicht Drexler empfing, verweist auf Veränderungen und Verschiebungen der Struktur der Partei.

Der entscheidende Wendepunkt der Früh-geschichte der NSDAP liegt, wie bereits eingangs bemerkt, Ende Juli 1921. Hitler, unzufrieden mit Aufbau und Stil der Deutschen Arbeiterpartei, die sich seit dem Kongreß aller nationalistischen Parteien im Sommer 1920 in Salzbürg NSDAP nannte, hatte bereits einen Kreis von Anhängern, Bewunderern und Mitläufern um sich geschart, der bereit war, für ihn die Führung der Partei, die die radikalste Gruppe ähnlicher und gleicher Gesinnungszusammenschlüsse war, zu erstreiten. Hitler hielt sich zurück und gab sich gleichgültig; er verließ schließlich den Parteiausschuß, dessen Nummer 7 er war. Bei einer Vorsprache in der Polizeidirektion München am 25. Juli 1921 führte Drexler aus, daß es in der NSDAP zwei einander sich scharf bekämpfende Richtungen gebe, nämlich die Hitlersche, die die Parteiziele auf revolutionärem Wege eventuell unter Anwendung von Terror, Gewalt und anderen Mitteln verwirklichen wolle. Dieser stehe die Drexler-Partei gegenüber, die alle Ziele auf legalem, parlamentarischem Wege erreichen wolle In dieser Situation wurde — Ende Juli 1921 — dgn Mitgliedern der NSDAP ein anonymes Flugblatt zugeschickt:

„Adolf Hitler — Verräter?

Machtdünkel und persönlicher Ehrgeiz haben Herrn Adolf Hitler nach seiner sechswöchigen Reise von Berlin, über deren Zweck er sich bis heute noch nicht ausgesprochen hat, auf den Posten gerufen. Er glaubt die Zeit für gekommen zu erachten, um im Auftrag seiner dunklen Hintermänner Uneinigkeit und Zersplitterung in unsere Reihen zu tragen und dadurch die Geschäfte des Judentums und seiner Helfr zu besorgen. Es zeigt sich immer mehr, daß sein Zweck kein anderer war, als die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei nur als Sprungbrett für unsaubere Zwecke zu benützen, um deren Führung vollständig an sich zu reißen und sie im geeigneten Augenblick auf ein anderes Gleis zu schieben. Das beweist am besten ein Ultimatum, das er vor einigen Tagen ah die Parteileitung stellte und in dem er unter anderem vollständige alleinige Diktatur und den Rücktritt des Ausschusses und des Gründers und Führers der Partei, Werkzeug-schlosser Anton Drexler, als 1. Vorsitzenden, forderte. Diesen Posten verlangte er für seine Person; ferner verlangte er, daß innerhalb der nächsten sechs Jahre keinerlei Einigungsverhandlungen mit den übrigen Nationalsozialisten und Deutschsozialisten geführt werden. Diese Forderungen allein schon bedeuten weiter nichts, als die Partei klein zu erhalten und ihr einen weiteren Ausbau unmöglich zu machen. Welche Geldgeber ihn dabei stützen, ist unbekannt. Tatsache ist nur, daß Hitler, der Österreicher ist, mit den dortigen Kaiser-Karl-Kreisen in Verbindung steht. Er wurde bereits vor längerer Zeit einmal öffentlich als . Karlist’ bezeichnet, stellte damals zum Schein Klage und zog diese wieder zurück.

Ein weiterer Punkt ist seine Berufs-und Geld-frage. Auf Fragen seitens einzelner Mitglieder, von was er eigentlich lebe und welchen Beruf er früher gehabt habe, geriet er jedes-mal in Zorn und Erregung. Eine Beantwortung dieser Fragen ist bis heute noch nicht erfolgt. Sein Gewissen kann also nicht rein sein, zumal doch sein übermäßiger Damenverkehr, bei denen er sich des öftern schon als . König von München’ bezeichnete, sehr viel Geld kostet.

Ein weiterer Punkt ist sein schon lange bestehender Kampf gegen den Gründer und Führer der Partei, den Werkzeugschlosser Anton Drexler. Obwohl Hitler genauso gut wie jeder andere Mensch weiß mit welchen Idealen Drexler beseelt ist, obwohl er genau weiß, daß an Drexlers Charakter nicht das geringste auszusetzen ist, bezeichnete er ihn in der letzten Zeit des öfteren mit Ausdrücken wie . charakterlos', . gemeiner Hund', , Idiot'und ähnlichen Namen mehr. Und warum? Weil Hitler genau weiß, daß die Bewegung solange eine gesunde bleibt, als Drexler die Aufsicht führt, weil er ganz genau weiß, daß sein Verräterspiel erfolglos bleiben wird, da Drexler ein Mann so stark wie eine Eiche ist.

Und wie führt er den Kampf? Echt jüdisch. Er verdreht alle Tatsachen und stellt die Sache so hin, als ob Drexler nicht revolutionär genug sei und ins parlamentarische System zurückfallen werde. Was ist die Tatsache? Drexler ist noch keinen Finger breit von seinen Anschauungen abgewichen, die er bei der Gründung schon betonte. Wohl will Drexler neben der revolutionären Tätigkeit zugleich auch dem deutschen Arbeiter den Weg zeigen, welchen er gehen muß, um seine Ziele zu erreichen, das heißt, er will neben einer beißenden Kritik an den jetzigen unsauberen Verhältnissen gleichzeitig auch Wirtschaftspolitik treiben.

Bei seinen Umtrieben hat Hitler einen Kampfgenossen gefunden, Herrn Esser. Dieser Mann, der nachgewiesenermaßen ein Spitzel der Sozialdemokratie ist, den Hitler selbst wiederholt schon als Schädling der Bewegung bezeichnete, um seinen Sturz herbeizuführen, der bei Drexler schon wiederholt den Sturz Hitlers forderte, der ferner dem . Völkischen Beobachter'durch seinen Sauhirtenton das Verbot trotz wiederholter polizeilicher Verwarnungen absichtlich zuführte, diesen Mann nahm sich plötzlich Hitler, um seine dunklen Pläne durchzuführen. Das merkwürdigste ist, daß Hitler selbst wiederholt erklärte, was unter Zeugen festgestellt werden kann: „Ich weiß, daß Esser ein Lump ist, aber ich behalte ihn nur solange, als ich ihn brauchen kann!'Nationalsozialisten! Urteilt selbst über solche Charaktere! Laßt Euch nicht irreführen, Hitler ist Demagoge und stützt sich nur auf seine Rednergabe, er glaubt, damit das deutsche Volk irrezuführen und Euch besonders Dinge aufzuschwätzen, die alles andere sind als die Wahrheit!

Protestiert dagegen, daß man es mit der ehrlichen Gründung der NSDAP auch so machen will, wie es früher mit den anderen Parteien gemacht worden ist, sie durch einen zugelaufenen Größenwahn und Sprüchmacher in ein anderes Gleis zu schieben!

Zeigt, daß es noch eine ehrliche deutsche politische Partei gibt, die den Mut hat, auch Fehler einzugestehen und Schädlinge zu beseitigen, die sie früher für ehrliche Menschen gehalten hat.

Nur auf diese Weise wird es gelingen, im deutschen Volke wieder Vertrauen zu erwecken, das es gerade durch derartige Hitler-charaktere verloren hat!

Stützt Eure Ehre und die Wahrheit, die nach Uberstehung von einigen aufgepeitschten Kämpfen doch zum Siege führen wird!

Mit deutschem Heilgruß Die Nationalsozialisten Münchens"

Dieses Flugblatt wurde von mehreren Münchner Zeitungen ganz oder teilweise nachgedruckt. Drexler wurde durch Flüsterpropaganda der Nationalsozialisten verdächtigt, Verfasser des Flugblattes zu sein. Versuche, innerhalb der NSDAP über die Flugblattaffäre eine Klärung herbeizuführen, scheiterten — Hitler erreichte jedoch sein Ziel. Drexler verzichtete, verdrängt von der Gruppe Hitler und angewidert von deren Machenschaften, auf den Parteivorsitz; er begnügte sich mit dem ihm angetragenen Ehrenvorsitz. Die Entfremdung zwischen Drexler und Hitler nahm ihren Anfang. Hitler übernahm die Parteiführung. Aus der NSDAP wurde eine auf Hitler persönlich ausgerichtete und zugeschnittene politische Bewegung. Die erste erfolgreiche Usurpation der Macht stärkte und steigerte Hitlers Selbstbewußtsein und Selbstüberschätzung.

Uber die „Flugblattaffäre" kam es Ende 1921 zu einem Prozeß, bei dem die in Frage kommenden Mitglieder des Ausschusses der NSDAP als Zeugen gehört wurden. Angeklagt waren die verantwortlichen Redakteure der sozialdemokratischen Zeitung „Münchener Post" Anton Drexler hielt den Redakteur des „Völkischen Beobachters", Ernst Ehrensperger, für den Verfasser des Flugblattes. Dieser sagte daraufhin unter Eid aus, mit dem Flugblatt nichts zu tun zu haben. Hitler verlangte von Drexler, er müsse sich wegen seiner Aussage vor Gericht bei Ehrensperger entschuldigen. Die Angelegenheit blieb offen; sie führte zur weiteren Distanzierung zwischen Drexler und Hitler. 1924 wurde den bayerisehen Behörden bekannt, daß. Ehrensperger das Flugblatt verfaßt und versandt hatte, um Drexler zu verdrängen. Ehrensperger hatte einen Meineid geschworen. Er wurde schließlich wegen Bankbetrug, Meineidsleistung, falscher eidesstattlicher Versicherung als „Hochstapler und Schwindler von seltenem Ausmaß" entlarvt und zu 41/2 Jahren Zuchthaus verurteilt Die Frage der Mittäterschaft oder Mitwisserschaft Hitlers an dem von Ehrensperger verfaßten Flugblatt ist noch nicht zweifelsfrei geklärt.

Im Besitz nicht des Parteivorsitzes, sondern der Parteiführung bot Hitler alle Mittel auf, um das Interesse der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Sprechabende und Großkundgebungen jagten sich. Hitler erschien — gebeten und ungebeten — auf allen Veranstaltungen der „Vaterländischen Verbände". Er nutzte jede Gelegenheit, um sich ins Bild — und ins Gehör — zu setzen. Er konspirierte bei zahlreichen episodenhaften und peripheren Vorgängen. Er hatte dazu Zeit. Seit der Entlassung aus der Reichswehr war er nur politisch tätig. Das, was er unter Politik verstand, war für ihn der Inhalt seines Lebens, zumal er durch sehr großzügige Geldzuwendungen von zahlreichen Familien, Organisationen und Einrichtungen sich über seinen Lebensunterhalt keine Sorge machen mußte. Die Geschichte der Finanzierung der NSDAP zwischen 1919 und 1923 ist noch nicht im Detail untersucht. Das bereits erwähnte Kassenbuch der NSDAP gibt für die erste Phase bemerkenswerte Aufschlüsse. Die Unruhe, die von Hitler ausging, teilte sich der Stadt und dem Land mit. Die Demonstrationen und Ausschreitungen der Nationalsozialisten nahmen Ausmaße und Formen an, daß die Polizeidirektion München am 25. Oktober 1921 Hitler vorlud und ihm für den Fall, daß die Dinge so weitergingen, unnachsichtlich seine Ausweisung androhte Alle Versuche zur Beruhigung der allgemeinen Stimmung waren jedoch vergebens. Es entstand — durch Verwischung und Uberbrükkung aller Unterschiede — eine emotionelle Anfälligkeit. Die Erregung stieg in dem Maße, in dem sich im Laufe des Jahres 1922 durch den raschen Währungsverfall die wirtschaftliehe Lage verschlechterte. Die hemmungslose Agitation der sich an rhetorischer Gewalttätigkeit überbietenden Rechtskreise gefährdete die öffentliche Ruhe und Ordnung.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern sah sich veranlaßt, am 3. Juli 1922 zu dem bedrohlichen Ausmaß der antisemitischen Propaganda Stellung zu nehmen. In der Entschließung hieß es: „Die antisemitische Propaganda hat in letzter Zeit in verschiedenen Teilen des Landes, auch auf dem Lande, Formen angenommen, die einer friedlichen Entwicklung nicht zuträglich sind, vielmehr unter Umständen zu Bedenken für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit Anlaß geben können. Man scheute bei dieser Propaganda selbst davor nicht zurück, in mehr oder weniger verblümter Weise zu Gewalttätigkeiten gegen die Juden aufzufordern. Namentlich in kleineren Orten und auf dem Lande kann diese Aufhetzung gefährlich werden. Wenn auch die Staatsregierung zu dem Antisemitismus keine Stellung zu nehmen hat, so ist sie doch verpflichtet, seine Auswüchse zu bekämpfen, soweit sie eine Gefahr für die öffentliche Ruhe und Sicherheit bedeuten." Im Anschluß wurden die unteren Verwaltungsbehörden aufgefordert, dieser Entwicklung Aufmerksamkeit zu schenken, gegen Auswüchse einzuschreiten und vor allem durch Aufklärung den maßlosen Hetzreden einzelner Agitatoren entgegenzutreten. Wenige Wochen nach Erlaß dieser Entschließung, am 25. August, kam es zu einer verbotenen Kundgebung der Vaterländischen Verbände auf dem Karolinenplatz, bei der die Beziehungen zwischen dem Reich und Bayern erörtert wurden Der Versuch einer Aktion gegen das Gesamtstaatsministerium unterblieb, da die Polizei in der Lage war, die Versammlung unter Kontrolle zu halten. Die Explosivität der bayerischen Situation war offenkundig. Der Polizeireferent des Innenministeriums, Ministerialrat Zetlmeler, stellte in einer Zusammenfassung der ihm vorgelegten Berichte fest, mit Hitler sei ein Macht-faktor entstanden, wie es ihn seit langem nicht mehr gegeben habe Staatsrat Schmelzle, der höchste Beamte im Staatsministerium des Äußern, gab sich besorgt und bestürzt. Er meinte, angesichts seiner Wirkungen müsse Hitler eine faszinierende Persönlichkeit sein, und befürchtete, daß es bereits in den nächsten Wochen zu einem Putsch komme

Der Sturz des Ministerpräsidenten Lerchenfeld 'ist — zumindest indirekt — auf die Agitatloh der Rechtskreise zurückzuführen, die freilich’ nicht Knilling, 1 sondern Kahr im Amte des Ministerpräsidenten sehen wollten. Die Landeskoalition entschied sich jedoch nicht für Kahr, sondern für Knilling. Lerchenfeld, Schmelzle und Schwend betonen in Gesprächen mit dem württembergischen Gesandten, die Haltung Kahrs sei ziemlich undurchsichtig. Er sei ein reines Werkzeug in den Händeh der Rechtsradikalen. Staatsrat Schmelzle versicherte, ihm sei die Haltung Kahrs als Staatsbeamter unbegreiflich.

Kahr hatte mit der Rückkehr in das Amt des Ministerpräsidenten gerechnet, hatte er doch in diesem Sinne mit dem rechten Flügel der „Vaterländischen Verbände" konspiriert. Er war dabei von der Überzeugung geleitet, daß er — und zwar nur er — die bayerische Entwicklung von Grund auf ändern könne.

Die nationalsozialistische Agitation griff im Oktober 1922 erstmals über München und dessen näheren Bereich hinaus. Der „Deutsche Tag" in Coburg am 14. /15. Oktober 1922 sah den ersten brutalen Einsatz der aus München herangeführten SA. Am 22. Oktober 1922 unterstellte sich Julius Streicher mit seiner aus der „Deutschen Sozialistischen Partei“

hervorgegangenen „Deutschen Werkgemeinschaft“, die ihren Sitz in Nürnberg hatte und vornehmlich in Mittelfranken agierte, Hitler und trug damit zur gebiets-und zahlenmäßigen Vergrößerung der NSDAP bei 1 Auf Grund einer Anfrage der Regierung der, Pfalz vom 15, November 1922 gab die Polizei-, direktion München am 2. Dezember 1922 eine ausführliche Beschreibung der Entwicklung und der augenblicklichen Bedeutung der NSDAP; sie führte dabei aus: „Der starke Zulauf, den die Partei besonders seit den letzten 1 /‘ I -I > 11 ‘ I I { Monaten zu vetzeichnen hat, setzt sich aus allen Kreisen der Bevölkerung zusammen;

neben den Angehörigen des Mittelstands und des Bürgertums sind auch sehr viele Arbeiter dem nationalsozialistischen Banner gefolgt. In döm Anwachsen der Arbeiteranhängerschaft bei der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei erblicken die alten sozialistischen Parteien eine schwere Gefahr für ihren weiteren Bestand. Aus diesem Grunde ist der Kampf um die Massen in beiden Lagern sehr heftig entbrannt. Die Nationalsozialisten erblicken in 1 ihrer regen Versammlungstätigkeit ihr wirksamstes Werbemittel. Im Hinblick auf ihre Gegnerschaft fanden naturgemäß früher in den Versammlungen kleine oder größere Reibereien statt, gegen die sich die Nätionalsozialisten auf das energischste wehrten. Zur Sicherung eines ruhigen Verlaufes ihrer Veranstaltungen haben daher die Nationalsozialisten so-genannte Sturmabteilungen gebildet, welche aus der Turn-und Sportabteilung der Partei hervorgegangen sind. Diese Sturmtrupps üben den Ordnungsdienst in den Versammlungen aus, sind stramm diszipliniert und fest in der Hand ihrer Führer. Das geschlossene Auftreten dieser Abteilungen hat bei den Angehörigen der linksgerichteten Parteien ernste Befürchtungen und Bedrohungen ausgelöst. An Angriffen auf die Nationalsozialisten in dieser Richtung aus linksgerichteten Kreisen hat es bis jetzt nicht gefehlt. Der Entwicklung der Sturmabteilung der Partei sowie der Partei selbst wird seitens der Polizeibehörden ein besonderes Augenmerk geschenkt. Zu ernstlichen Ruhestörungen ist es außer Singen von vaterländischen Liedern in Gruppen innerhalb des befriedeten Bannkreises des Landtags und einigen kleineren Zwischenfällen zur Nachtzeit bisher nicht gekommen. In jüngster Zeit wurden diese Sturmabteilungen auch nach auswärts zum Schutz von Versammlungen verwendet und unter Benützung der Eisenbahn, bzw. Lastkraftwagen nach Coburg, Freising, Tegernsee, Bad Tölz als Ordnungsleute gebracht. Es besteht kein Zweifel, daß der nationalsozialistische Gedanke — vielleicht gerade deswegen, weil die Partei in ihrer Werbetätigkeit die nationale Idee besonders hochhält — heute bereits in allen Kreisen und Schichten der Bevölkerung festen Fuß gefaßt hat und die Partei als ernster politischer Machtfaktor angesehen werden muß."

Im Dezember 1922 führten die Nationalsozialisten in München zehn Großkundgebungen durch, in denen sie ihre Vorstellungen und Erwartungen für das Jahr 1923 vortrugen. Ministerialrat Zetlmeier faßte die Konsequenzen der Berichte, die ihm darüber vorgelegt wurden, in ein Resümee zusammen, in dem er schrieb: „Die Tendenz der nationalsozialistischen Bewegung ist auch durch diese zehn Versammlungen klar dargetan. Die Bewegung ist trotz des nationalistischen Triebs inhaltlich negativ und geht triebartig einer revolutionären Entladung entgegen, mag diese auch vielleicht von einem Teil der Führer nicht gewollt sein. Das kam auch in den zehn Versammlungen zum Ausdruck und ist auch psychologisch notwendig. Denn wohin soll sie sonst steuern? Parlamentarisch will sie sich nicht betätigen, und das Reden allein hat keinen Wert. Die Bewegung ist daher ohne Zweifel eine Gefahr für den Staat. Nicht nur für die derzeitige Staatsform, sondern für das Staatswesen überhaupt. Denn will sie in bezug auf das Vorgehen gegen die Juden, Sozialdemokraten, Bankkapital nur einigermaßen halten oder zur Auswirkung kommen lassen, was sie in dunklen Ideen in sich trägt, so gibt es viel Blut und Unordnung. Das wird man, ohne daß man ängstlich ist, nicht in Abrede stellen können. Die Staatsregierung steht daher zweifellos vor einer sehr ernsten Aufgabe, die für sie um so größer ist, als sie eine bürgerliche Regierung ist. Das Bild wäre ganz anders, wenn die nationalsozialistische Bewegung unmittelbar unter der sozialdemokratischen Regierung eingesetzt hätte. Die Aufgabe der Regierung ist um so ernster, als wie erwähnt die Nationalsozialisten sich weiter Sympathie erfreuen als eine nationale Partei. Die hauptsächlichsten der übrigen deutschen Staaten haben die nationalsozialistische Partei verboten. Dazu konnte sich bekanntlich Bayern nicht entscheiden."

Bayern lehnte aus verfassungsrechtlichen, nicht aus politischen Gründen es ab, sich dem Verbot der NSDAP durch zahlreiche Länder anzuschließen. Diese nahmen dabei Bezug auf das Republikschutzgesetz. Weil dieses in Bayern nicht zur Anwendung gekommen war, sah Bayern keine Möglichkeit, die NSDAP zu verbieten. Es drängt sich die Frage auf, ob sich hinter diesen formalen Bedenken politische Erwägungen verstecken. Die Antwort darauf fällt nicht leicht, da zwar das Innenministerium in Aktenvermerken, Aufzeichnungen und Denkschriften immer wieder zum Vorgehen gegen die NSDAP drängte und riet, der Ministerpräsident und das Gesamtstaatsministerium jedoch die NSDAP dilatorisch behandelten.

Bayern schenkte auch dem Urteil des 1. Senats des Staatsgerichtshofes des Deutschen Reiches vom 15. März 1923 keine Beachtung. Dieses verwarf die Beschwerden gegen die ausgesprochenen Verbote der NSDAP in Baden, Preußen, Mecklenburg-Schwerin, Hamburg, Sachsen, Bremen und Thüringen. Die ausführliche Urteilsbegründung stellt die beste Zusammenfassung der Ideen und Vorstellungen der NSDAP zwischen 1920 und 1922 dar.

Das Jahr 1923

Die Verschärfung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland im Winter 1922/23 steigerte die Aktivität vornehmlich der „Vaterländischen Verbände" und löste die Erschütterungen, die Fieberschauern gleich über das Jahr 1923 hinweggingen, aus. Den Auftakt bildete eine neue Kundgebungsserie der NSDAP am 11. Januar 1923.

Der erste Reichsparteitag der NSDAP am 27. Januar zeigte bereits die verschiedenen Kräfte im Spiel um Adolf Hitler Die befürchteten Ausschreitungen und die zu erwartenden Angriffe veranlaßten Ministerpräsident Knilling, am 26. Januar den Belagerungszustand über die Landeshauptstadt zu verhängen. Innenmi-nister Schweyer verbot die Hälfte der in Aussicht genommenen Versammlungen und die öffentliche Übergabe der Standarte an die SA-Einheiten. Hitler sah sein Ansehen bedroht. Er bemühte sich deshalb um die Zurücknahme der verhängten Anordnungen. General Lossow, Regierungspräsident Kahr und Polizei-präsident Nortz empfingen Hitler. Hitler kam Lossows Aufforderung, ehrenwörtlich zu versichern, keinen Putsch zu veranstalten, nach, worauf Lossow bei dem Gesamtstaatsministerium die teilweise Zurücknahme der bereits ausgesprochenen Maßnahmen erreichte. Hitler hatte damit für sich und seine Anhänger den Beweis, sich mit Hilfe einflußreicher Persönlichkeiten in Bayern durchsetzen zu können, erbracht. Der Parteitag zeigte das militante Gefüge und Gepräge der NSDAP, er zeigte auch deren Vormarsch in die bayerische Politik. Hitler kümmerte sich sehr wenig um die ihm auferlegten Beschränkungen; er setzte auf das Wohlwollen von Kahr, Lossow und Nortz. Ist es verwunderlich, daß Hitler seine Beschützer als geheime Verbündete betrachtete, überzeugt, diese würden bei einem Losschlagen ihn nicht nur gewähren lassen, sondern an seine Seite treten?

Der 1. Mai 1923 brachte einen weiteren Versuch Hitlers, der Stadt und dem Land seinen Willen aufzuzwingen: Schon der Auftakt wirkt komödienhaft. In dem Hin und Her zwischen Zuständigkeiten und Einflußnahmen setzt sich Hitler erneut durch. Durch die Bereitstellung von Reichswehreinheiten und durch äüßerste Vorsichtsmaßnahmen gelang es, einen Zusammenstoß zwischen den Arbeitern, die den 1. Mai feiern, und dem Teil der „Vaterländischen Verbände", die die Maifeier unterdrükken wollen, zu verhindern. Die vor dem 1. Mai in der Stadt umlaufende Putschordnung wurde zuvor nicht verwirklicht, die Lage war jedoch explosiv: Auf der Theresienwiese versammelten sich die Arbeiter, auf dem Oberwiesenfeld exerzierten Nationalsozialisten und Wehr-verbände — dazwischen behauptete die Polizei, mehr Schiedsrichter der rivalisierenden Gruppen als Hüter der Ordnung, einen Sperrriegel. Da Hitler sich erneut über Sicherheitsauflagen hinwegsetzte, wurde gegen ihn ein staatsanwaltscbaftliches Ermittlungsverfahren eröffnet. Der damit befaßte Staatsanwalt Martin Dresse erhielt von Justizminister Gürtner nach Abschluß seiner Erhebungen am 1. August 1923 Anweisung, Anklage zu erheben, sobald er neue Weisungen erhalten habe. Diese blieben aus.

Kahr nahm auf die nachlässige Behandlung der warnenden Ereignisse des 1. Mai 1923 eingehend Bezug, als er am 30. Mai 1924 an Innenminister Schweyer schrieb: „Man macht mir hauptsächlich den Vorwurf, daß die Hitler-bewegung nicht früher unterdrückt wurde. Wenn die Staatsregierung wollte, so wäre der Zeitpunkt für ein solches Handeln nach dem innen-und außenpolitisch unheilvollen Auftreten Hitlers am l. Mai gegeben. Das damals einzuleitende Strafverfahren hätte sich angesichts der damaligen Ernüchterung in diesen Kreisen ohne erhebliche Verwicklungen abwickeln lassen. Bayern hätte dann Ende September keinen Generalstaatskommissär gebraucht und mir, der bayerischen Regierung, dem bayerischen Staat und dem Reich wäre die Katastrophe von 1923 und die noch größere Katastrophe des Hitler-Prozesses erspart geblieben.“ Warum es nicht zur Anklageerhebung gegen Hitler kam, ist eine bis zur Stunde nicht beantwortete und von den Akten her auch nicht beantwortbare Frage. Ob die Durchführung eines Verfahrens so einfach gewesen wäre, wie Kahr post festum meinte, erscheint jedoch zweifelhaft.

Zur Bewältigung, Beschwichtigung und Klärung der überhitzten bayerischen Situation erfolgte am 26. September 1923 die Einsetzung Kahrs als Generalstaatskommissar Hinter dieser loigenschweren Entscheidung stand der Chef des Hauses Wittelsbach, Kronprinz Rupprecht, der die politische Entwicklung Bayerns nicht nur sorgfältig beobachtete, sondern auch mit Gedanken, Anregungen und Empfehlungen beeinflußte. Die verfassungsmäßige Landesregierung trat in den abgedunkelten Hintergrund des politischen Geschehens. Ministerpräsident Knilling klagte bereits Tage später darüber, daß Kahr die Landesregierung als nicht existent betrachte und nur von der Staatsautorität, deren vollziehende Gewalt in seine Hände gelegt sei, spreche. Am Promenadeplatz gab es ein Gesamtstaatsministerium, in der Maximilianstraße einen Generalstaatskommissar, der sich als eine Art Ober-ministerium verstand. Auf die Dauer mußte eine der beiden Institutionen weichen.

Hitler war über die für ihn unerwartete Einsetzung Kahrs empört. Er geriet förmlich in Raserei, als Kahr die für den 27. September 1923 angesetzten Massenkundgebungen der NSDAP in 14 Münchner Sälen verbot. Er war jedoch entschlossen, sich auch gegenüber Generalstaatskommissar von Kahr, General von Lossow, dem Befehlshaber der 7. (Bayer.) Reichswehrdivision, und Oberst Seißer, dem Chef des Landespolizeiamtes im Staatsministerium des Innern, durchzusetzen. Die Frage, wer führt und wer geführt wird, Steht zwischen dem bayerischen Triumvirat und Hitler. Der Versuch ihrer Beantwortung macht die Problematik der bayerischen Situation im Herbst 1923 aus.

Weil Lossow mit dem Reichswehrministerium und der Heeresleitung in Konflikt geriet, rückte er in der Vorstellung und Beurteilung der Öffentlichkeit zwangsläufig an Hitler heran, auch wenn er persönlich gegen diesen erhebliche Bedenken hatte. Die Akten lassen keinen Zweifel daran, daß Kahr, Lossow und Seißer mit dem Gedanken eines Marsches nach Berlin nicht nur spielten, sondern ihn immer wieder erwogen und ihn auch vorbereiteten. In Gedanken und Worten haben auch sie geputscht; sie zögerten jedoch, ihren Vorstellungen und Ankündigungen die Tat folgen zu lassen. Zu dieser war Hitler entschlossen, der nicht Mitmarschierer, Mitläufer, sondern

Anstifter und Führer sein wollte. Für ihn verwischte sich die dünne Grenze zwischen Spekulation und Initiative. Was bei Kahr, Lossow und Seißer Überlegung und Wunschtraum war und auch blieb, wurde bei Hitler Ansporn und Unternehmung.

Auch Hitler wußte, daß Kahr in der Erwartung eingesetzt wurde, die permanente Gefahr eines Putsches zu bannen. Der Generalstaatskommissar sollte die explosiven Kräfte! des Landes sammeln, unter Kontrolle nehmen und domestizieren. Hitler erkannte instinktiv die tödliche Gefahr, die seinem Ansehen und der Existenz seiner Partei für den Fall einer administrativ oder faktisch erzwungenen Unterordnung unter Kahr drohte. Sein Eosschlagen am 8. November war die Flucht nach vorhe: Hitler wollte das Gesetz des Handelns wieder an sich reißen.

Das Ergebnis war ein komödienhafter Vorgang, der eigentlich hätte ausreichen sollen, Hitler zu durchschauen. In 45 Aktenbündel wurde das Material über die Frühgeschichte der NSDAP und über die Vorgeschichte des Bierkellerputsches zusammengetragen Dessen rechtliche Klärung war zugleich der Versuch, eine in der Anlage labile Phase der Entwicklung Bayerns zum Abschluß zu bringen.

Der Prozeß gegen Ludendorff, Hitler und Genossen Zunächst ging es um die Frage, wo das Verfahren gegen Ludendorff, Hitler und Genossen durchgeführt werden solle. Bei einer Besprechung im Reichsjustizministerium am 15. November 1923 bestand Staatssekretär Joel darauf, das Verfahren am Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik beim Reichsgericht in Leipzig anhängig zu machen. Die bayerischen Vertreter widersprachen heftig. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Bayern wünschte die Angelegenheit zu Hause zu ordnen; es wollte damit seine Eigenstaatlichkeit demonstrieren und gleichzeitig die Gefahr abwenden, daß mit Ludendorff, Hitler und Genossen auch Kahr, Lossow und Seißer auf der Anklagebank Platz nehmen mußten. Die Reichsregierung, an einer Verständigung mit Bayern interessiert, gab nach. So kam es zur Anklageerhebung vor dem Volksgericht München I. Deren Vorbereitung war schwierig, als Hitler sich zunächst weigerte, in der Voruntersuchung auszusagen. Er trug sich ernsthaft mit Selbstmordgedanken; er wollte sich für die verbotene Bewegung aufopfern. Drexler, der ihn in Landsberg besuchte, brachte ihn davon ab Bei Beginn des Prozesses hatte Hitler die Depression Vom Herbst 1923 bereits überwunden. Er ging vom ersten Tag darauf aus, das Verfahren an sich zu reißen, dem Gericht die Schau zu stehlen. Das Tribunal wurde zur Szene ungehemmter politischer Agitation. Der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Neithardt, ließ zu, daß Hitler sowohl in den öffentlichen als auch in den nichtöffentlichen Sitzungen den Staat von Weimar und auch den Freistaat Bayern unaufhörlich schmähte. Das Gesamtstaatsministerium war über den Stil des Verfahrens auf das höchste beunruhigt. Justizminister Gürtner wies jede Kritik an der Prozeßführung Neithardts zurück. Innenminister Schweyer sagte in der Ministerratssitzung vom 4. März 1924: „Gegen die Prozeßführung des Vorsitzenden beständen schwere Bedenken. Er habe schon vor dem Prozeß gegenüber Ministerialrat Zetlmeier erklärt, Ludendorff sei noch das einzige Plus, das wir in Deutschland besäßen. Gerüchten zufolge soll er sich auch dahin ausgesprochen haben, daß Ludendorff freigesprochen würde. Die Angeklagten würden nicht vernommen, sondern hielten Reden. Sie könnten vorbringen, was sie wollen . . . Der Vorsitzende habe auch von einem doch einseitigen Vorbringen eines Angeklagten als von einer . Feststellung'gesprochen. Den Angeklagten würden die größten persönlichen Freiheiten gewährt; so habe Dr. Weber, obwohl er verhaftet sei, am Sonntag Stadt-urlaub erhalten. Für den persönlichen Schutz der Zeugen müßten besondere Maßnahmen getroffen werden."

Der Ausgang des Hauptprozesses ist bekannt: Hitler wurde zu fünf Jahren Festungshaft mit der Maßgabe vorzeitiger Entlassung verurteilt. Das Verfahren gegen Kahr, Lossow und Seißer wurde eingestellt, das gegen die Polizeibeamten vor der Feldherrnhalle eröffnete Ermittlungsverfahren niedergeschlagen.

Auch in Bayern machte sich eine allgemeine Ernüchterung breit. Die Vorgänge am 8. /9. November 1923 hatten offenkundig gemacht, daß sich die bayerische Politik an einem Abgrund chaotischer Tiefe bewegt hatte. Hitlers Stimme im Gerichtssaal wirkte nicht auf München und Bayern, sie ging darüber hinweg. Die Stabilisierung der Währung trug zur Versachlichung der Politik bei. Das unter Heinrich Held neugebildete Gesamtstaatsministerium unternahm den Versuch, Hitler nach Österreich auszuweisen, doch lehnte die österreichische Regierung die Aufnahme Hitlers mit großer Entschiedenheit ab

Zwischen dem 7. November 1918, dem Tag des Demonstrationszuges von der Münchner Theresienwiese, und dem 1. April 1924, dem Tag der Urteilsverkündung im Hitler-Prozeß, durchschritt Bayern eine Phase ständiger Erschütterungen und Bedrohungen. Der Über-gang von der Monarchie zur Republik war verbunden mit dem Verlust der privilegierten Stellung, die Bayern nach der Verfassung vom 16. April 1871 im Deutschen Reich eingenommen hatte. Im Zeitpunkt eines tiefwurzelnden Unbehagens und eines beinahe alle Bevölkerungsteile erfassenden Mißtrauens mußte Bayern — der Not gehorchend — auf Rechte verzichten, die sein Selbstbewußtsein im kaiserlichen Deutschen Reich zuverlässig abgestützt hatten. Die mangelnde Einsicht in die inzwischen erfolgten Veränderungen der Sozialstruktur führte zur Unterschätzung der angestauten Gefahren.

Die grotesk-burlesken Züge, die die bayerische Entwicklung bisweilen annahm, verweisen nicht nur auf die Unsicherheit und Unentschlossenheit derjenigen Bevölkerungsteile, die die Erhaltung einer rechtsstaatlichen Ordnung wünschten, sie offenbaren auch die Triebkraft des Emotionellen in der bayerischen Politik.

Deren Entwicklung wird zunächst bestimmt vom Auftreten Eisners und von der Episode der Räteherrschaft. Die Antithese dazu ist der Aufstieg Hitlers, ein Vorgang, der nur vor dem turbulenten Hintergrund der Verhältnisse, Meinungen und Vorstellungen der bayerischen Entwicklung zwischen 1916 und 1924 verstanden werden kann.

Die „Liberalitas Bavarica" erlaubte den All-deutschen, in München Propaganda zu treiben, sie ließ Eisner zu und zeigte sich nachsichtig — unbestreitbar zu nachsichtig — gegenüber Hitler. Sie lebte auch in dieser Zeitspanne in dem Bewußtsein, stärker zu sein als die Verwandlung der Menschen und der Verhältnisse. Die existentielle Krise Bayerns zwischen 1918 und 1924 hatte den übermächtigen Fahrwind vieler Vorgänge und Bestrebungen mit sich. In bezug auf die Kraft, die endgültig das Feld behauptete, herrschte bei den Handelnden und Duldenden völlige Blindheit. Ministerpräsident Knilling bekannte nach dem 9. November 1923 freimütig erst Hitlers Putschversuch habe die bayerischen Politiker sehend gemacht.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Schreiben des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg an Ministerpräsident von Hertling vom 26. Juli 1916. GStA. München. MA. I. Nr. 961. Ausfertigung.

  2. Schreiben des Ministerpräsidenten Hertling an Reichskanzler von Bethmann Hollweg vom 1. August 1916. GStA. München. MA. I. Nr. 9961. Durchschlag. Vgl. dazu: Viktor Naumann, Dokumente und Argumente, Berlin 1928, S. 118 ff.

  3. Die König Ludwig III. am 5. August 1916 überreichte Denkschrift ist gedruckt: Der Dolchstoß-Prozeß in München /Oktober-November 1925. Eine Ehrenrettung des deutschen Volkes. Zeugen-und Sachverständigen-Aussagen. Eine Sammlung von Dokumenten, München 1925, S. 264 ff.

  4. Gedruckt u. a. in: Thomas Mann, Tristan. Sechs Novellen, Berlin 19065, S. 137 ff.

  5. Josef Hofmiller, Revolutionstagebuch 1918/19. Aus den Tagen der Münchner Revolution, Leipzig o. J„ S. 139 f.

  6. Karl Schwend, Bayern zwischen Monarchie und Diktatur. Beiträge zur bayerischen Frage in der Zeit von 1918 bis 1933, München 1954.

  7. Wilhelm Hoegner, Die verratene Republik, München 1958; ders., Der schwierige Außenseiter. Erinnerungen eines Abgeordneten, Emigranten und Ministerpräsidenten, München 1959.

  8. Karl-Heinz Janßen, Macht und Verblendung. Kriegszielpolitik der deutschen Bundesstaaten 1914— 1918, Göttingen 1963.

  9. Die Briefe des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Podewils, der Fürst Wedel nach Wien begleitete, an Ministerpräsident von Hertling vom 15., 17. und 19. Januar 1915 werde ich in der ober erwähnten Edition des Briefwechsels Hertling-Lerchenfeld veröffentlichen.

  10. Vgl. Der Hitler-Futsch, a. a. O., S. 35.

  11. Die politische Tätigkeit des verabschiedeten Großadmirals von Tirpitz im Sommer 1916 in München ist noch nicht ausreichend untersucht; ihre Kenntnis ist zum Verständnis der Ausbreitung der alldeutschen Bewegung in der bayerischen Landes-hauptstadt unentbehrlich.

  12. Vgl. Hofmiller, a. a. O„ S. 213.

  13. Friedrich Zahn, Bayern und die Reichseinheit, München 19252, S. 10.

  14. W. Zils (Hrsg.), König Ludwig III. im Weltkrieg. Briefe, Erlasse, Reden und Telegramme des Königs aus eiserner Zeit, München 1917, S. 112.

  15. Vgl. Gaertner, a. a. O., S. 193.

  16. Karl Alexander von Müller, Mars und Venus. Erinnerungen 1914— 1919, Stuttgart 1954, S. 137 ff.

  17. Eine Darstellung des Bayerischen Bauernbundes fehlt. Vgl. dazu: Heinz Gollwitzer, Zur Geschichte des Bayerischen Parteiwesens, in: Unser Geschichtsbild. Wege zu einer universalen Geschichtsbetrachtung, hrsg. v. Karl Rüdinger, Mündien 1954, S. 181 ff.

  18. Ernst Toller, Eine Jugend in Deutschland, in: Prosa, Briefe, Dramen, Gedichte, Hamburg 1961, S. 100.

  19. Ludwig Thoma, Ein Leben in Briefen (1875— 1921), München 1963, S. 358.

  20. Undatierte Aufzeichnung des Grafen Lerchen-feld. Nachlaß Lerchenfeld.

  21. P. Dirr, Bayerische Dokumente zum Kriegsausbruch und zum Versailler Schuldspruch, München 19253, S. 3 ff.

  22. Die Landtagswahlen vom 12. Januar 1919 , erbrachten einen Sieg der bürgerlichen Parteien:

  23. Vgl. dazu: J. Karl, Die Schreckensherrschaft in München und Spartakus im bayerischen Oberland, München 1919; Max Gerstl, Die Münchener Räterepublik, München 1919; Leo Hofbauer, Der Geisel-mord, München o. J. Rudolf Schricker, Rotmord über München, Berlin o. J.; Ursachen, Verlauf Und Lehren der Revolution November 1918 bis Mai 1919. Von einem Münchener, München 1919; Ernst Müller-Meiningen, Aus Bayerns schwersten Tagen, Berlin 1924; Max Siegert, Aus Münchens schwerster Zeit, Regensburg 1928; Erich Mühsam, Von Eisner bis Levine, Berlin 1929; Oberst von Pitrof, Gegen Spartacus in München und im Allgäu, München 1937; Hans Beyer, Die bayerische Räterepublik 1919, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 2. Jahrg. (1954), S. 175; ders., Von der Novemberrevolution zur Räterepublik in München, Berlin 1957 (Schriften des Instituts für Deutsche Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, Bd. 2); Walter Tormin, Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie. Die Geschichte der Rätebewegung in der deutschen Revolution 1918/19, Düsseldorf 1954 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Heft 4); Bernhard Zittel, Rätemodell München 1918/19, in: Stimmen der Zeit, Bd. 165 (1959/60), S. 25.

  24. Vgl. Erich Matthias und Rudolf Morsey (Hrsg.), Der Interfraktionelle Ausschuß 1917/18, 2 Teile, Düsseldorf 1959 (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 1/1); sub voce Bundesrat, Reichsverfassung u. a,

  25. Vgl. Willibalt Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, München 19642.

  26. Vgl. R. Piloty, Der Streit zwischen Bayern und dem Reich über die Republikschutzgesetze und seine Lösung, in: Archiv des öffentlichen Rechts, Bd. 43 (1922), S. 308 ff. Gotthard Jasper hat in seiner verdienstvollen Untersuchung „Der Schutz der Republik. Studien zur staatlichen Sicherung der Demokratie in der Weimarer Republik 1922— 1930", Tübingen 1963 (Tübinger Studien zur Geschichte und Politik, Bd. 16), leider auf die Berücksichtigung des außerordentlich umfangreichen bayerischen Aktenbestandes verzichtet,

  27. Hofmiller, a. a. O., S. 82.

  28. Einvernahme Dietrich Eckarts durch die Polizei-direktion München vom 15. November 1923. Abschrift. Nachlaß Drexler.

  29. Bericht der Württembergischen Gesandtschaft München vom 16. Mai 1923. Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 131 C 5/25. Bd. 1.

  30. In der nichtöffentlichen Sitzung des Hitler-Prozesses vom 28. Februar 1924. Hitler-Prozeß. Stenocjraphische Niederschrift, 4 Bde., Bd. 1/Dritter Verhandlungstag, Donnerstag, den 28. Februar 1924, S. 11 ff.

  31. Ber.der Württembergischen Gesandtschaft vom 6. September 1922. Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 131 C 5/25. Bd. 1.

  32. Vgl. dazu meine Dokumentation „Hitlers Eintritt in die Politik und die Reichswehr", in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 7. Jahrg. (1959), S. 177 ff. Ergänzungen dazu gibt Reginald H. Phelps in seiner Dokumentation „Hitler als Parteiredner im Jahre 1920", in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 11. Jahrg. (1963), S. 274 ff.

  33. Das im „Supplement to the Guide to captured German Documents" (Washington 1959), S. 28, Anm. 1 nachgewiesene und beschriebene Kassenbuch der NSDAP, ein Kontobuch in einem Notizbuch, liegt mir in Ablichtung vor, -es gibt Aufschluß über die Tätigkeit der DAP bzw. NDAP in den Jahren 1920/21.

  34. Niederschrift über die Vorsprache Drexlers bei der Polizeidirektion München vom 25. Juli 1921. Hauptstaatsarchiv München. Abt. Allgemeines Staatsarchiv. Sonderabgabe I Nr. 1475.

  35. Münchener Post, 35. Jahrg. (1921), Nr. 178 vom 3. August 1921.

  36. Vgl.den Prozeßbericht der „Münchener Post", 35. Jahrg. (1921), Nr. 284 vom 7. Dezember 1921.

  37. In der Kartei der Staatsanwaltschaft München I ist unter dem Aktenzeichen Proz. Reg. 73/25 das Strafverfahren gegen Ernst Ehrensperger verzeichnet. Die diesbezüglichen Akten sind jedoch nicht mehr vorhanden. Ob sie durch Kriegseinwirkung zu Verlust gingen oder vorher auf andere Weise abgezogen wurden, kann nicht mehr festgestellt werden, da die entsprechenden Register bei Kriegsende vernichtet wurden. Damalige Registratur-beamte neigen zu der Auffassung, daß die Akten abgegeben wurden, entweder an das Reichsjustizministerium oder an das Hauptarchiv der NSDAP.

  38. Niederschrift der Polizeidirektion München über die Vorladung Hitlers vom 25. Oktober 1921 Haupt-staatsarchiv München. Abt. Allgemeines Staatsarchiv. Sonderabgabe I Nr. 1474.

  39. Entschließung des Bayer. Staatsministeriums des Innern Nr. 2304 d 7 vom 3. Juli 1921. Haupt-staatsarchiv München. Abt. Allgemeines Staatsarchiv. MInn 73695.

  40. Vgl. Der Hitler-Putsch, a. a. O., S. 42 ff.

  41. Niederschrift der Besprechung über die Demonstration der sogenannten Vaterländischen Vereine am 25. August 1922. Verfasser: Ministerialrat Zetlmefer, Staatsministerium des Innern. Hauptstaatsarchiv München. Abt. Allgemeines Staatsarchiv. MInn 71712.

  42. Ber.der Württembergisdien Gesandtschaft München vom 31. August 1922. Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 131 C 5/25. Bd. 1.

  43. Vgl. Der Hitler-Putsch, a. a. O., S. 46.

  44. Schreiben der Polizeidirektion München an die “ egierung der Pfalz vom 2. Dezember 1922. Haupt-staatsarchiv München. Abt. Allgemeines Staatsarchiv. Sonderabgabe I Nr. 1474.

  45. Aufzeichnung des Ministerialrats Zetlmeier vom 22. Dezember 1922. GStA. München. MA. 1943. A. V. Nr. 425.

  46. Vgl. Der Hitler-Putsch, a. a. O„ S. 51 ff.

  47. Vgl. Der Hitler-Putsch, a. a. O., S. 56 ff.

  48. Vgl. Schwend, a. a. O„ S. 207 f.

  49. Vgl. Der Hitler-Putsch,'a. a. O., S. 65 ff.

  50. Vgl. Der Hitler-Putsch, a. a. O., S. 115.

  51. Wie in Der Hitler-Putsch, a. a. O., S. 7 u. S. 759 f„ angekündigt, bereite ich eine Edition bayerischer Akten zum Hitler-Prozeß vor.

  52. Brief Drexlers an Hitler von Ende Januar 1940. Nachlaß Drexler.

  53. Niederschrift der Ministerratssitzung vom 4. März 1924. GStA. München. MA. 1946. B. 7. Umdruck.

  54. Vgl. D. C. Watt, Die bayerischen Bemühungen um Ausweisung Hitlers 1924, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 6. Jg. (1958), S. 270 ff. Die Darstellung, die sich ausschließlich auf die Akten des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes stützt, ist unvollständig. Die jetzt verfügbaren Akten des Bayer. Staatsministeriums des Innern und der Polizeidirektion gestatten, die beiden miteinander verbundenen Probleme sowohl der Ausweisung als auch der Einbürgerung Hitlers lückenlos zu verfolgen. Von besonderer Bedeutung ist eine im Herbst 1929 vom Bayer. Staatsministerium des Innern erstellte umfangreiche Denkschrift dazu.

  55. Berichte der Württembergischen Gesandtschaft München vom 23. November und 10. Dezember 1923. Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 131 C 5/25. Bd. 1.

Weitere Inhalte

Ernst Deuerlein, Dr. phil., o. Professor für Geschichte an der Phil. -Theol. Hochschule Dillingen/Donau. Geb. 9. September 1918 in 'Rückersdorf bei Nürnberg. 1947 Eintritt in den , bayerischen Staatsdienst; vornehmlich in der; Bayerischen Staatskanzlei tätig. Habilitation an der Universität Erlangen—Nürnberg. 1961 kom. Vertreter, dann Inhaber des Lehrstuhls • für Geschichte zu Dillingen. : r Veröffentlichungen u. a.: Der Bundesratsausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten 1871— 1918, Regensburg 1955;. Das Reichskonkordat, Düsseldorf 1956; Die Einheit Deutschlands, Bd. I: Die Erörterungen und Entscheidungen der Kriegs-und Nachkriegskonferenzen 1941— 1949, Frankfurt/Main 19612; Joseph Görres, Geistesgeschichtliche und politische Schriften der Münchner Zeit (1828— 1838), in: