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Humanisierung der Arbeit. Einheit von Theorie und Praxis in der DDR? | APuZ 43/1977 | bpb.de

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APuZ 43/1977 Humanisierung der Arbeit. Entwurf eines integralen Konzepts für die Bundesrepublik Humanisierung der Arbeit. Einheit von Theorie und Praxis in der DDR?

Humanisierung der Arbeit. Einheit von Theorie und Praxis in der DDR?

Axel Bust-Bartels

/ 37 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Während es für die Bundesrepublik und die westlichen Industrieländer eine Fülle von Literatur zum Problem der „Humanisierung der Arbeit" gibt, fehlt eine solche fast vollständig in bezug auf die DDR. Da ein Teil der westlichen Industriesoziologen, die sich auf umfangreiche eigene empirische Untersuchungen stützen können, zu dem Ergebnis kommt, daß eine Strategie der Humanisierung der Arbeit sehr schnell an systembedingte Grenzen der Wirtschaftsordnung stößt, interessiert viele, trotz aller Erfahrungen mit dem „realen Sozialismus", immer noch die Frage, ob bzw. inwieweit es bei einer Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln quasi automatisch zu einer Humanisierung der Arbeit kommt. Im Rahmen dieses Beitrags wird speziell die Entwicklung von Arbeitsbelastung und Qualifikation untersucht, da diese beiden Indikatoren — neben der Sicherheit vor Arbeitslosigkeit und dem Aspekt der Entlohnung — am besten die unmittelbare Arbeitssituation in der DDR aus der Sicht der Arbeiter verdeutlichen. Wenn die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln — wie eingehend dargelegt wird — keineswegs nach einer Art Eigengesetzlichkeit zu einer Humanisierung der Arbeit führt, stellt sich die Frage, welche anderen gesellschaftlichen Veränderungen notwendig sind, um dies zu erreichen. Der Beitrag versucht Belege für die These beizubringen, daß die einseitige Orientierung der DDR an der Produktivitätssteigerung auf der Grundlage tayloristischer Prinzipien bei der Entwicklung und Anwendung von Technologie und Arbeitsorganisation und — dadurch bedingt — die mangelnde Demokratisierung von Entscheidungsprozessen die wichtigsten Ursachen für die fehlende Humanisierung der Arbeit sind.

Während es für die Bundesrepublik und die westlichen Industrieländer eine Fülle von Literatur zum Problem der „Humanisierung der Arbeit" gibt, fehlt eine solche fast vollständig in bezug auf die DDR. Da ein Teil der westlichen Industriesoziologen, der sich auf umfangreiche eigene empirische Untersuchungen stützen kann, zu dem Ergebnis kommt, daß eine Strategie der Humanisierung der Arbeit sehr schnell an systembedingte Grenzen der Wirtschaftsordnung stößt interessiert viele, trotz aller Erfahrungen mit dem „realen Sozialismus“, immer noch die Frage, inwieweit die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln ein hinreichendes Kriterium ist, bei dessen Vorliegen es quasi automatisch zu einer Humanisierung der Arbeit kommt. Es wird sich im folgenden auf Grundlage der Analyse der Entwicklung der Arbeitsbedingungen in der DDR zeigen, daß dies nicht der Fall ist Speziell wird im Rahmen dieser Analyse die Entwicklung von Arbeitsbelastung und Qualifikation untersucht, da diese beiden Indikatoren — neben der Sicherheit vor Arbeitslosigkeit und dem Aspekt der Entlohnung am besten die unmittelbare Arbeitssituation in der DDR aus der Sicht der Arbeiter verdeutlichen.

Wenn die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln nicht quasi automatisch zu einer Humanisierung der Arbeit führt, stellt sich die Frage, welche anderen gesellschaftlichen Veränderungen notwendig sind, um dies zu erreichen. Ich werde versuchen, die These zu belegen, daß die einseitige Orientierung der DDR an der Produktivitätssteigerung auf der Grundlage tayloristischer Prinzipien bei der Entwicklung und Anwendung von Technologie und Arbeitsorganisation und — dadurch bedingt — die mangelnde Demokratisierung von Entscheidungsprozessen als die wichtigsten Ursachen für die fehlende Humanisierung der Arbeit zu betrachten sind.

Dies alles führt zu bestimmten Widerstands-formen von seifen der Arbeiter, die unter dem Gesichtspunkt des latenten Konfliktpotentials untersucht werden sollen. Abschließend geht es darum, anzudeuten, daß der vorhandene Widerspruch zwischen Produktivitätssteigerung und Humanisierung der Arbeit auf der Grundlage veränderter Herrschaftsverhältnisse sowie durch Einführung einer wirklichen innerbetrieblichen Demokratie aufgehoben bzw. abgemildert werden kann.

I. Arbeitsbelastungen

Die Entwicklung der Arbeitsbelastungen in der DDR soll mit Hilfe verschiedener Indikatoren verdeutlicht werden, die darauf hindeuten, — daß eine Veränderung in der Art der Arbeitsbelastungen stattfindet, — daß hohe Arbeitsbelastungen existieren und — daß es ab etwa Anfang der 70er Jahre zu insgesamt gestiegenen Arbeitsbelastungen gekommen ist.

Dem stehen Maßnahmen zur Verminderung der Belastungssituation — der „Humanisierung der Arbeit" — gegenüber, bei denen es aber fraglich ist, ob ein Effekt überhaupt erreicht wird, da diese Maßnahmen nur unter dem Aspekt der Produktivitätssteigerung ergriffen werden, die aber auf jeden Fall vom quantitativen Umfang und vom qualitativen Gehalt her den aufgezeigten Effekt einer Verschärfung der Arbeitsbelastungen nicht aufhalten. 1. Veränderungen in der Art der Arbeitsbelastungen Mit der steigenden Automatisierung und Mechanisierung der Arbeit geht die Zahl derjenigen, die schwere körperliche Arbeit leisten müssen, zurück Dies führt aber nicht — wie bis vor kurzem von westlichen Industrie-soziologen wie auch von denen der DDR erwartet — zu einer Erhöhung der geistigen Anforderungen und des Dispositionsspielraums bei Erfüllung der Arbeitsaufgabe. Im Gegenteil, parallel dazu zeigt sich ein Wachstum solcher Arbeiten, die durch hohe psychische Belastungen und geringe geistige Anforderungen gekennzeichnet sind, von vorwiegend zwar geistigen, aber weitgehend monotonen Tätigkeiten

Ebenso zeigt sich eine Verschiebung der Belastungssituation beim Vergleich von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Aus der Entwicklung der Arbeitsunfälle könnte man auf eine erhebliche Verbesserung des Arbeitsschutzes schließen. Die meldepflichtigen Arbeitsunfälle je 1 000 Beschäftigte gingen in der Industrie (einschließlich Handwerk) von 66, 02 1961 auf 37, 17 1975 zurück Ob dieser Trend weiter anhält, scheint fraglich, da das Kriterium der Arbeitsplatzsicherheit beim Einsatz neuer Technologien stark in den Hintergrund tritt. Die Unfallzahlen haben sich dort zum Teil erhöht Der positiven Entwicklung bei den Arbeitsunfällen steht jedoch eine Steigerung der Zahl der Berufskrankheiten gegenüber. „Zur Zeit nimmt die Zahl der Berufskrankheiten jährlich noch zu, wobei die Hälfte der Neuerkrankungen Lärm-schädigungen sind. Der zulässige Lärmpegel an den Arbeitsplätzen wird bei zwölf Prozent aller Produktionsarbeiter überschritten. Rechnet man die Behinderung durch giftige Stoffe Hitze oder andere körperlich schwere Bedingungen hinzu, so ergibt sich, daß ungefähr dreißig Prozent (I) der Produktionsarbeiter an Arbeitsplätzen arbeiten, wo ein oder mehrere der genannten Erschwernisse anzutreffen sind." Die Tendenz einer weiteren Zunahme der Lärmbelästigung hat nicht nur einen Anstieg der Lärmschwerhörigkeit zur Folge, sondern ebenfalls einen Anstieg von nervlichen Erkrankungen Arbeitsbedingte Hauterkrankungen, die zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit oder jeder Erwerbstätigkeit zwingen, stehen an zweiter Stelle aller Berufskrankheiten Da es zu „verstärktem Einsatz chemischer Stoffe in der gesamten Wirtschaft" kommt und die chemische Industrie vorrangig entwickelt wird dürfte sich das Problem der Haut-erkrankungen weiter verschärfen. Ähnliches gilt für andere spezielle Produktionsweisen, die zu entsprechenden Berufskrankheiten führen

Eine — wenn auch geringfügige — Verschiebung der Belastungssituation gab es bei der Verteilung der allgemeinen Arbeitszeit. Sie wurde 1967 von 45 Stunden auf 433/4 Stunden verkürzt. Gleichzeitig mit der Arbeitszeitverkürzung verminderte sich jedoch die Zahl der gesetzlichen Feiertage

Es liegen also bei den aufgezeigten belastungsvermindernden Momenten wie Rückgang der schweren körperlichen Arbeit, der Arbeitsunfälle und Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit gegenläufige Effekte vor, die es schwierig machen, abzuschätzen, ob nicht die Belastungsverminderungen mehr oder weniger aufgehoben werden durch Belastungssteigerungen, die in engem Zusammenhang damit stehen. 2. Hohe Arbeitsbelastungen Auf insgesamt hohe Arbeitsbelastungen deutet zunächst eine tägliche Arbeitszeit von 8344 Stunden hin. Sie bringt dem Arbeiter zwar einen freien Samstag, ist aber mit einer physiologischen Verausgabung pro Tag verbunden, die nach Ansicht der Arbeitsmediziner aus gesundheitlichen Gründen abzulehnen ist. Die tägliche Mehrbelastung kann nicht durch die weitgehend auf Samstag und Sonntag beschränkte Ruhezeit ausgeglichen werden und ist von einer bedeutenden Zunahme nervöser Ermüdungserscheinungen mit allen ihren Symptomen — wie etwa verstärkte Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Unfällen — begleitet."

Beim größten Teil der Produktionsarbeiter ist die sprachliche Kommunikation während der Arbeit behindert bzw. fast unmöglich Diese Behinderung der sozialen Kontaktaufnahme während 83/4 Stunden täglich dürfte ein erheblich belastendes Moment sein.

Als dritter Indikator soll die Fluktuation zwischen den Betrieben dienen Die Fluktuierenden rekrutieren sich zum größten Teil aus Arbeitern, die erst kurze Zeit im Betrieb sind, aus Jugendlichen und aus berufslosen Arbeitern. Oft dürften alle drei Kriterien in einer Person vereinigt sein In der Fluktuationsforschung der DDR wird diese Problematik eher als individuelles Problem der Abgänger aufgefaßt. So beschweren sich die Vorgesetzten bei fluktuierenden Jugendlichen vor allem über schlechte Arbeitsleistung und Disziplinlosigkeit Das Problem scheint jedoch eher darin zu liegen, daß eine Reihe von besonders belastenden Arbeitsplätzen existiert, auf denen es niemand besonders lange aushält. Darauf deuten verschiedene Äußerungen von DDR-Autoren hin: „Der volkswirtschaftliche Entwicklungsprozeß bringt eine Varietät notwendiger arbeitsteiliger Tätigkeiten hervor. Diesem Muster steht ein Muster individueller Verhaltensstrategien hinsichtlich der subjektiven Bewertung der gesellschaftlich notwendigen, konkreten Arbeiten gegenüber." Da die Arbeitsbedingungen „nicht von heute auf morgen den Wünschen der Arbeiter anzupassen seien, müssen sich die Arbeiter dem Niveau der Arbeitsplatzbedingungen angleichen" und damit hohe Arbeitsbelastungen in Kauf nehmen. 3. Gestiegene Arbeitsbelastungen Neben Indikatoren, die auf eine Veränderung, wenn auch nicht eine eindeutige Verminderung oder Steigerung der Belastungssituation und auf hohe Arbeitsbelastungen hinweisen, gibt es eine Reihe von Indikatoren, die auf insgesamt gestiegene Arbeitsbelastungen der Industriearbeiter hindeuten.

Bei der Verteilung der täglichen Arbeitszeit breitet sich die Schichtarbeit zunehmend aus. Von 1970 bis 1975 stieg der Anteil der dreischichtig tätigen Produktionsarbeiter von 24 auf 27, 7 Prozent .Der gesundheitsschädigende und zusätzlich belastende Charakter der Schichtarbeit ist unbestritten

Die Fließbandarbeit gewann erheblich an Bedeutung. In der zentralgeleiteten metallverarbeitenden Industrie stieg der Anteil der Fließfertigung von 13, 2 Prozent 1962 auf 20, 1 Prozent 1971 . Fließfertigung bedeutet „Gleichförmigkeit, taktmäßige zeitliche Bindung der Arbeitsgänge, Monotonie, intellektuelle Verkümmerung und überhöhte muskuläre Beanspruchung durch einseitigen Bewegungsablauf" , auch wenn an anderer Stelle DDR-Autoren mit Argumenten, die ans Lächerliche grenzen, dies abstreiten. So wird u. a. behauptet, daß „das Fließband auch der Gesundheit zuträglich (ist): Fließband heißt Rhythmus, und Rhythmus ist dem gesamten Organismus eigen“

Die Mehrmaschinenbedienung, die „vielfach schon durch organisatorische Maßnahmen, verbunden mit einer entsprechenden Qualifikation der Werktätigen möglich“ ist, wird erweitert Das bedeutet eine Erweiterung des Umfangs des Arbeitsplatzes. Da es sich um eine rein organisatorische Maßnahme handelt, ist nicht zu vermuten, daß die Eigen-tätigkeit der jeweiligen Maschinen wächst, somit steigt die Arbeitsbelastung. „Die Mehr-maschinenbedienung erfordert im allgemeinen eine ... höhere Konzentrationsleistung des Arbeiters."

Ein weiteres belastungssteigerndes Moment ist die Verschärfung der Arbeitsdisziplin. Immer wieder werden Zigarettenpausen wäh-rend der Schicht, Umziehen vor Arbeitsschluß etc. angeprangert Die disziplinarischen Instrumente reichen vom Sprechverbot am Fließband bis zur Installation von technischen Instrumenten zur besseren Kontrolle der Arbeiter. Ein solches Instrument ist z. B. ein „Prozessograph", der aufzeichnet, wie lange während der offiziellen Arbeitszeit die jeweilige Maschine wirklich läuft. Damit gelang es etwa im VEB Magdeburger Werk-

zeugmaschinenfabrik, den Arbeitern die sie-’ ben bis acht Minuten Pause zu nehmen, die sie — bedingt durch Wartezeiten oder selbständig genommen — jede Stunde hatten

Neben diesen direkt auf gestiegene Arbeitsbelastungen hindeutenden Momenten sollen noch zwei mehr indirekte Indikatoren aufgeführt werden:

Seit Beginn der siebziger Jahre ist der Krankenstand deutlich höher als in den Jahren davor. Betrug der durchschnittliche Anteil der ausgefallenen Arbeitstage pro Beschäftigten 1963 bis 1969 5, 20 Prozent, so stieg dieser Anteil 1970 bis 1975 auf durchschnittlich 5, 88 Prozent. Umgerechnet bedeutet das: In den Jahren 1970 bis 1975 fehlte jeder Arbeiter und Angestellte durchschnittlich mehr als eineinhalb Tage mehr pro Jahr als von 1963 bis 1969. Nimmt man die Krankheitstage als Indikator für Arbeitsbelastungen, so bestätigt sich auch hier die These einer erhöhten Belastungssituation seit etwa 1970. Daß sich die mit einer belastenden Arbeitssituation zusammenhängende Arbeitsunzufriedenheit in einer Erhöhung der Krankheitstage niederschlägt — sei es durch bewußtes Fernbleiben, sei es als wirkliche Krankheit, ausgelöst durch erhöhten Streß — bestätigt eine Untersuchung in einem DDR-Maschinenbaubetrieb Oder an anderer Stelle: „Der durchschnittliche Krankheitsstand in Betrieben mit ungünstigen Produktionsbedingungen (ist) zumeist höher.

Als zweiter, mehr indirekter Indikator, soll die gestiegene Erwerbsquote in der DDR dienen. Gesamtwirtschaftlich hat sich die Dauer der Arbeitszeit erhöht, da die Erwerbsquote der Frauen von 67 Prozent 1960 auf 84 Prozent 1973 stieg und die der Männer im gleichen Zeitraum mit über 96 Prozent in etwa konstant blieb. Das ist eine Erwerbsquote, die zu den höchsten der Welt zählt Es ist zu vermuten, daß durch die Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeit zwar nicht direkt die Arbeitsbelastungen, dafür aber die Belastungen im häuslichen Bereich gewachsen sind, so daß die Qualität der . Reproduktion der Arbeitskraft" gesunken ist. 4. Maßnahmen zur „Humanisierung der Arbeit“

Der eben dargelegten Entwicklung der Arbeitsbelastungen in der DDR stehen Maßnahmen gegenüber, die auf eine Verminderung der Belastungssituation hindeuten. Im folgenden soll gezeigt werden, daß solche Maßnahmen nur in dem Umfang ergriffen werden, wie es damit zu einer Produktivitätssteigerung kommt, sie damit nur Vehikel sind.

Diese Einschätzung bestätigt sich zunächst im von den Betrieben zu erfüllenden Kennziffern-System zur Durchführung von Maßnahmen der „wissenschaftlichen Arbeitsorganisation“ (WAO). Der Betrieb hat anzugeben: finanzieller Aufwand der Maßnahmen, Selbstkostensenkung durch die Maßnahme, Arbeitseinsparung, Arbeitskräfteeinsparung, Anzahl der neu-bzw. umgestalteten Arbeitsplätze, Anzahl der WAO-Maßnahmen Das Kennziffernsystem dürfte also nur insofern zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen anregen, wenn dies gleichzeitig zu einer Produktivitätssteigerung führt. Dies wird auch offen gesagt: „So können z. B. durch Umstellungen in den Arbeits-und Erholzeiten durch zweckmäßige Raumgestaltung unter anderem Monotonieerscheinungen am Fließband vermindert und der ökonomische Effekt erhöht werden. Die Versorgung der Werktätigen am Arbeitsplatz mit leicht verdaulichen Speisen, Erfrischungsgetränken und Obst vermindern unter anderem die Ausfallzeiten der Werktätigen und die Stillstandszeiten der Maschinen und Anlagen. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsund Lebensbedingungen wirken sich also direkt auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität aus."

Den gleichen Vehikelcharakter tragen auch andere Maßnahmen der „Humanisierung": „Farbgestaltung am Arbeitsplatz und im Arbeitsraum ist keine ästhetische Spielerei zum Selbstzweck, sondern eine echte arbeitswissenschaftliche Gestaltungsaufgabe mit einem realen ökonomischen Nutzen." Für Fließ-Landarbeit wurde festgestellt, daß ein hoher Monotoniegrad, d. h. Taktzeiten „mit einer Dauer bis zu 1 Minute und Wiederholungshäufigkeiten von 60mal pro Stunde", zu-schneller Ermüdung führt, „die die Leistungsfähigkeit der Arbeiter vermindert und die ökonomischen Kennwerte des Betriebes verschlechtert". Folglich muß der Produktionsprozeß „in größere und länger andauernde Operationen" aufgegliedert werden (jobenlargement)

Darüber hinaus „gibt es bereits praktische Erfahrungen, daß dort, wo bestimmte Erscheinungen der Monotonie noch nicht überwunden werden können, ein gezielter und planmäßiger Arbeitsplatzwechsel (job-rotation) sowohl bestimmte negative Folgen ausgleichen als auch zu höherer Stabilität des Produktionsablaufes führen kann, weil ein Stamm disponibler Kader ein nicht zu unterschätzendes Leistungspotential darstellt"

Im Chemiebereich gibt es Versuche, um durch „erhöhte kognitive Anforderungen, die u. a. durch Erhöhung der Situationskomplexität, durch neue Aufgaben analytischen und verallgemeinernden Charakters erreicht werden" (Job-enlargement), ungünstige Beanspruchung zu beseitigen und damit Leistungsbeeinträchtigungen zu vermeiden Abgesehen davon, daß gesamtwirtschaftlich all diese Maßnahmen — da sie noch wesentlich Versuchscharakter tragen — quantitativ geringe Bedeutung haben, ist ihr qualitativer Gehalt sehr begrenzt. Wenn sie in beschränktem Umfang auch zu einer Verbesserung der Arbeitssituation führen können, so werden doch durch diese rein arbeitsorganisatorischen Maßnahmen — die noch dazu allein unter dem Produktivitätsaspekt ergriffen werden — besonders belastende Arbeitsplätze, an denen etwa repetitive Teilarbeiten ausgeführt werden müssen, nicht beseitigt.

Stellt man diese sehr begrenzten Maßnahmen zu einer Verminderung der Arbeitsbelastungen den Indikatoren gegenüber, die auf eine gestiegene Belastungssituation der Industriearbeiter hinweisen, so wird deutlich, daß von einer grundsätzlichen Humanisierung der Arbeit in der DDR nicht gesprochen werden kann.

II. Qualifikationsentwicklung

Parallel zur zunehmenden Mechanisierung und Automatisierung erhöhte sich der Grad der formalen Qualifikation der Industriearbeiter. Der Anteil der Facharbeiter nahm von 1962 bis 1972 beständig zu (von 44, 4 auf 52, 5 Prozent), während der Anteil der angelernten und ungelernten Arbeiter rückläufig ist (von 55, 6 auf 47, 5 Prozent) Damit scheint sich die These zu bes 5 Prozent) 45). Damit scheint sich die These zu bestätigen, die bis vor wenigen Jahren in der DDR vertreten wurde, nämlich, daß „bei der Durchsetzung der wissenschaftlich-technischen Revolution ... ständig höhere Anforderung an Fähigkeiten und Fer-die tigkeiten der Werktätigen gestellt werden ... Durch die zunehmende Ausstattung der Arbeit mit Grundmitteln und die Anwendung moderner Verfahren wird der Umfang der körperlich schweren und der manuellen Arbeit verringert, während gleichzeitig die Anforderungen an die Qualifikation steigen." 46)

Die Entwicklung der formalen Qualifikationsstruktur sagt jedoch relativ wenig über die tatsächlichen Anforderungen am Arbeitsplatz aus. Differenzierte neue Untersuchungen in der DDR relativieren die eben genannte These: „Erstens arbeiten an Arbeitsplätzen, die am höchsten vollmechanisiert bis vollautomatisiert sind, vorwiegend angelernte Arbeiter. Zweitens stellen diese Tätigkeiten, wie die Arbeitsplatzanalyse ausweist, vorwiegend sehr geringe geistige Anforderungen." 47) Es verlagert sich zwar die Proportion zwischen körperlicher und geistiger Arbeit allgemein zugunsten der geistigen. Im gleichen Maße wächst aber die Anzahl relativ stumpfsinniger . geistiger'Arbeiten, die überdies oft durch hohe psychische Belastungen gekennzeichnet sind

Damit zeichnet sich in der Entwicklung der Qualifikationsanforderungen in der DDR — übrigens genauso wie in der Bundesrepublik —-eine Tendenz zur Polarisierung der Belegschaften an den technisch fortgeschrittenen Anlagen ab. Während ein Teil der Arbeiter „hochspezialisierte Teilfunktionen in mechanisierten Prozessen (und) Kontrollfunktionen mit einer hochgradigen Integration des Menschen in technische Prozesse" ausübt, verrichtet ein anderer Teil „Überwachungsfunktionen mit einem hohen Anteil psychischer und geringen geistig-schöpferischen Anforderungen, (und) prinzipiell vorwiegend geistige, aber weitgehend monotone Tätigkeiten"

Es entsteht somit ein Widerspruch innerhalb der Qualifikationsentwicklung, der bisher über ein rigides Leistungssystem gelöst wird. Einerseits heißt es in der Verfassung der DDR: „Alle Jugendlichen haben das Recht und die Pflicht, einen Beruf zu erlernen." Die Arbeiter in den Betrieben werden dauernd aufgefordert, sich weiter zu qualifizieren, und es werden ihnen die entsprechenden Möglichkeiten über das betriebliche Bildungssystem geboten Andererseits entstehen durch den technischen Wandel ständig neue unqualifizierte, repetitive Tätigkeiten ohne besondere Qualifikationsanforderungen, die ja irgend jemand ausüben muß.

Konkret anschaulich wird der genannte Widerspruch z. B„ indem einerseits Fließfertigung zunehmend eingeführt und ihre Ausweitung propagiert wird, andererseits aber Fließfertigung gleichzeitig zu einer Verringerung des Bedarfs an Facharbeitern führt Oder es ist bekannt, „daß in chemischen Großbetrieben eine beträchtliche Zahl Jugendlicher nach Abschluß der Betriebsberufsschule nicht entsprechend der erhaltenen Fachausbildung im Werk eingesetzt wird" Bezeichnenderweise gibt es seit 1970 keine neuen Angaben mehr über die Entwicklung der formalen Qualifikationsstruktur. Möglicherweise schlägt sich auch dort schon der genannte Widerspruch nieder.

Es kann also — gesamtwirtschaftlich gesehen — ebensowenig wie unter dem Aspekt der Arbeitsbelastungen bei der Entwicklung der Qualifikationsanforderungeri von einer Humanisierung der Arbeit die Rede sein. Auch weiterhin werden durch ein rigides Leistungssystem und andere Mechanismen unqualifizierte Arbeiter . produziert', die die entsprechenden unqualifizierten und belastenden Tätigkeiten ausüben müssen.

III. Taylor in der DDR?

Es hat sich aufgrund der Analyse der Arbeitsbedingungen in der DDR gezeigt, daß die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln keineswegs automatisch zu einer Humanisierung der Arbeit führt. Arbeit ist in der DDR noch nicht „travail attractiv, SelbstVerwirklichung des Individuums" wie es Marx als das Charakteristikum des Sozialismus hervorgehoben hat, und es finden sich auch keine Anzeichen, daß sich die DDR auf dem Weg dorthin befindet. Die Gründe dafür liegen in der zentralen Zielsetzung, die Ent-Wicklung und Anwendung von Technologie und Arbeitsorganisation wesentlich unter dem Produktivitätsaspekt voranzutreiben. Diese grundsätzliche Entscheidung ist ohne demokratische Einbeziehung der Arbeiter in den Entscheidungsprozeß zustande gekommen. Es ist zumindest denkbar, daß die Arbeiter ein geringeres Wachstum in Kauf nehmen würden, wenn es dadurch zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Verringerung von Schicht-und Fließbandarbeit und der Arbeitszeit käme. Dies jedoch steht nicht zur Debatte. Es wird einfach festgestellt: „Der Chemiearbeiter wird Schichtarbeit, der Monteur wird die Entfernung von seinem Wohnort, der Bauarbeiter schwere körperliche Arbeit und der Arbeiter am Fließband relativ eintönige Arbeit in Kauf nehmen müssen."

Um eine demokratische Einbeziehung der Arbeiter in den Prozeß der Entscheidungsfindung über die Entwicklung und Anwendung von Technologie und Arbeitsorganisation zu verhindern, bzw. diesen Anspruch gar nicht erst aufkommen zu lassen, ist das Weiterbestehen tayloristischer Prinzipien und — dadurch bedingt — die mangelnde Demokratisierung betrieblicher Entscheidungsprozesse Voraussetzung.

Zunächst sollen kurz die Grundprinzipien des Taylorismus dargestellt werden: stellte fest, daß im täglichen Arbeitsprozeß die Arbeiter aufgrund ihrer Erfahrungen über Kenntnisse, Fertigkeiten und Informationen verfügen, die dem Management nicht zugänglich sind. Sie können daher ihr Leistungsniveau variieren und als Kampfmittel bei innerbetrieblichen Auseinandersetzungen einsetzen, ohne betriebliche Sanktionen befürchten zu müssen Um diesen — von seinem Stand-I her untragbaren — Zustand zu behe-ben, schlug Taylor folgendes vor: — durch Arbeitsplatzbeobachtungen sollten die fehlenden Kenntnisse dem Management vermittelt werden

— die ermittelten Kenntnisse sollten zur systematischen Umgestaltung der Arbeit verwandt werden, speziell zur Erweiterung der Arbeitsteilung, Erhöhung des Arbeitstempos und Ausschaltung sogenannter unproduktiver Zeiten

— die Arbeiter sollten zur Ausführung der fragmentierten Arbeiten entsprechend . konditioniert'werden

Grundprinzip des Taylorismus ist also, den Arbeitern systematisch das Wissen um die geistigen Potenzen des Produktionsprozesses zu nehmen und mit dem beim Management konzentrierten Wissen Rationalisierungen durchzuführen, die letztlich zur „Dequalifizierung durch Fragmentierung und Vereinfachung" der Arbeit und zur „Belastungssteigerung durch Verdichtung der Poren der Arbeitszeit und Leistungsdruck" führen Die Existenz derartiger Erscheinungsformen industrieller Arbeit in der DDR wurde bereits bei der Analyse der Arbeitsbedingungen aufgezeigt. In der DDR wird nun die Entwicklung von Technologie und Arbeitsorganisation unter keinen grundsätzlich anderen Prinzipien vorangetrieben. Zum Arbeitsstudium und der Arbeitsgestaltung existiert ein umfangreicher Apparat von Spezialisten und Zeitnehmern. Für die Organisation der Arbeit in den Betrieben sind allein die Leiter und die wissenschaftlich-technische Intelligenz verantwortlich Mit Hilfe von Spezialisten soll die Arbeit „wissenschaftlich“ gestaltet werden Diese Gestaltung ist „einerseits eine vorrangige Aufgabenstellung für arbeitswissenschaftliche Spezialisten, andererseits ... Ziel-und Aufgabenstellung für Entwicklungsingenieure, Konstrukteure, Projektanten, Technologen, Ökonomen usw. ” Den Arbeitern wird lediglich eine „aktive Mitwirkung" bei der „Durchsetzung der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation" zugestanden, denn die Einflußnahme auf die Arbeitsorganisation setzt „ein Minimum an arbeitswissenschaftlichen Kenntnissen voraus" Damit wird gleichzeitig jede Kritik von selten der Arbeiter abgeblockt, denn nur die Leiter und die wissenschaftlich-technische Intelligenz besitzen die notwendigen Kenntnisse, und die basieren „auf einer Reihe allgemeiner Prinzipien der effektiven Organisation menschlicher Tätigkeit überhaupt" Die Arbeiter verbleiben somit in ihrer Objektrolle, sind nur Verplante der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation.

Ähnliches gilt bei der Entwicklung von Technologie: „Die zur Zeit der Planung prinzipiell gegebenen technischen Möglichkeiten einer Verbesserung der menschlichen Arbeit an den Produktionsanlagen“ gehen nicht automatisch in den technischen Innovationsprozeß ein. Es geht dem Spezialisten nicht darum, eine menschengerechte Technik zu entwickeln, sondern umgekehrt darum, die Menschen an die Technologie anzupassen. Es geht um die „bewußte (!) Anpassung des Menschen an die Arbeit ... Anpassungsvorgänge des Menschen an die Arbeit kennzeichnen im arbeitspsychologischen Sinne die durch arbeitsspezifische Reize einer bestimmten Intensität hervorgerufenen morphologischen und funktionalen Veränderungen im menschlichen Organismus, die eine Steigerung der Funktionsfähigkeit einzelner Organe und des Gesamtorganismus bewirken“ also eine eindeutige Konditionierung im taylorschen Sinne.

Da die Arbeiter allenfalls marginal an der Planung und Konstruktion von Produktionsanlagen beteiligt sind, kann es dazu kommen, daß bereits vorhandene Erkenntnisse über Möglichkeiten der Arbeitserleichterung nicht genutzt werden. „Wie eine Analyse über die Schutzgüte an Arbeitsmaschinen ergab, waren von 100 Mängeln 83 darauf zurückzuführen, daß bereits vorhandene Erkenntnisse und Normative in bezug auf Arbeitshygiene und Arbeitsschutz bei der Projektierung und Konstruktion nicht angewendet wurden, obwohl sie wissenschaftlich prinzipiell gelöst sind."

Dies ist zum einen auf die völlig unzulängliche Ausbildung der ingenieur-technischen Kader auf dem Gebiet der Arbeitshygiene zurückzuführen Schwerer aber wiegt, daß, solange die wissenschaftlich-technische Intelligenz losgelöst von der unmittelbaren Erfahrung des Arbeitsprozesses, unkontrolliert bzw. unbeeinflußt von den Arbeitern die Entwicklung von Technologie und Arbeitsorganisation wesentlich nur unter dem von oben vorgegebenen Hauptkriterium der Produktivitätssteigerung vorantreibt, eine grundsätzliche Humanisierung der Industriearbeit verhindert wird.

IV. Innerbetriebliche Demokratie?

Die eben angedeutete Objektrolle der Arbeiter und die — letztlich tayloristischen Prinzipien geschuldete — mangelnde Demokratisierung innerbetrieblicher Entscheidungsprozesse soll im folgenden durch eine Analyse der sogenannten betrieblichen Demokratie intensiver belegt werden. 1. Die Betriebsgewerkschaftsleitung „Die Werktätigen verwirklichen ihr Recht auf Mitwirkung im Betrieb vor allem durch die betriebliche Gewerkschaftsleitung" (BGL), die von allen Gewerkschaftsmitgliedern gewählt wird Das hört sich gut an. Problematisch ist jedoch schon der Wahlmodus: „Die amtierenden Leitungen arbeiten im Zusammenhang mit den übergeordneten Gewerkschaftsorganen und den zuständigen SED-Leitungen die Kandidatenliste aus, die der Bestätigung durch die Wahlgremien bedürfen.“ Konkurrierende Gegenvorschläge dürfen nicht gemacht werden. Damit wird jeglicher Basisinitiative von Arbeitern, die vorrangig etwa an einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen interessiert sind, die Möglichkeit genommen, Einfluß zu gewinnen.

Problematisch ist zum zweiten die Art und Begrenztheit der Aufgaben und Rechte der BGL. Aufgabe der Gewerkschaft ist es, für die Erfüllung und Übererfüllung der Volkswirtschaftspläne, die Steigerung der Arbeitsproduktivität, die strengste Anwendung des Sparsamkeitsregimes, die Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse und die Senkung der Selbstkosten zu sorgen Bei Lohnfragen, sozialen Problemen und ähnlichem hat die BGL ausdrücklich nur ein Mitwirkungsrecht, dem zu den gleichen Problemen Rechte der Betriebsleiter gegenüberstehen, die dessen Alleinverantwortlichkeit und sein alleiniges Entscheidungsrecht festlegen

Problematisch ist zum dritten, daß die BGL alle Werktätigen im Betrieb vertritt: Arbeiter, Angestellte und Angehörige der wissenschaftlich-technischen und ökonomischen Intelligenz, also die leitenden Angestellten. Deren keineswegs gleichgerichteten Interessen können die Arbeiter in der betrieblichen Praxis wenig entgegensetzen. Das wird im folgenden bei der Analyse der Praxis in den weiteren Institutionen der betrieblichen Demokratie deutlich. 2. Weitere Institutionen innerbetrieblicher Demokratie Prinzipiell hätten die Arbeiter oder Vertrauensleute während der monatlichen Rechnungslegung des Betriebsleiters die Möglichkeit, ihre unmittelbaren Interessen zu artikulieren, aber teilweise findet sie gar nicht statt Den gewählten Mitgliedern der Vertretungsorgane gehen vorher keine schriftlichen Unterlagen zu, so daß sie sich nicht vorbereiten und mit den anderen Arbeitern über die anstehenden Probleme diskutieren können Häufig ist der Inhalt des Berichtes ein ökonomisches und technisches „Zahlenfeuerwerk“ Die Arbeitsund Lebensbedingungen der Arbeiter werden darin nicht be-rüchsichtigt

Auf den gewerkschaftlichen Versammlungen könnten sich die Arbeiter noch am ehesten über ihre Interessen verständigen. Oft sind jedoch Vertreter der Wirtschaftsleitung über-repräsentiert und bringen vor allem Spezialprobleme ihre zur Sprache Probleme der Produktivitätssteigerung stehen einseitig im Vordergrund „Vielerorts wird durch das Auftreten der Wirtschaftsfunktionäre ein stark administrativer Zug in die gewerkschaftlichen Mitgliederversammlungen getra-gen. Es zeigen sich auch Tendenzen zur Unterdrückung von Kritik. Nicht in allen Gewerkschaftsgruppen herrscht eine offene Atmosphäre. Manche Versammlungen enden ohne Diskussion, und die Probleme werden hinterher in den Pausen erörtert." Vermutlich aus diesen Gründen gibt es in 60 000 Gewerkschaftsgruppen mit insgesamt 1, 5 Millionen Mitgliedern keine regelmäßigen Zusammenkünfte

In der Plandiskussion hat der Leiter der Vereinigung volkseigener Betriebe (WB) den Jahres-und Perspektivplan zu erläutern. Er ist „verpflichtet ..., die Plandiskussion in enger Zusammenarbeit mit der BGL vorzubereiten und durchzuführen. Er ist verantwortlich, daß jeder Werktätige in der Plandiskussion mit der staatlichen Aufgabe vertraut gemacht wird." Zwar sollen Vorschläge der Werktätigen „bei der Ausarbeitung der Pläne" berücksichtigt werden Da jedoch „die Plan-diskussion sowie die Organisierung der Wettbewerbsinitiativen ... als eine Einheit zu betrachten" sind, ist zu vermuten, daß im allgemeinen nur Vorschläge zur Übererfüllung der Pläne berücksichtigt werden.

Als wichtigstes Mitwirkungsorgan der Belegschaften an der Leitung der Betriebe gilt die Ständige Produktionsberatung (StPB), deren Aufgaben von 1963 bis Ende 1971 vom Produktionskomitee (PK) wahrgenommen wurden Die StPB bzw. das PK hat nur eine „beratende und kontrollierende" Funktion, die im wesentlichen der reibungslosen Planer-füllung und Produktivitätssteigerung dient Die Praxis der Arbeit in diesen Gremien zeigt, daß die Arbeiter nicht in der Lage sind, die — zumindest formal vorgesehene — Aufgabe, „sich um die planmäßige Verbesserung der Arbeitsund Lebensbedingungen der Werktätigen zu sorgen" durchzusetzen. Die Produktionsarbeiter sind nur mit einem Anteil von 25 bis 30 Prozent vertreten Sie erfahren meistens erst unmittelbar während der Sitzung von den anstehenden Entschei49 düngen Sie beurteilen ihre Fähigkeiten zur Mitwirkung zu gering und meinen, ihr Wissen reiche nicht aus, um Einfluß zu nehmen So sind die Tagungen „oft eine Art Dienstbesprechung der ohnehin verantwortlichen Leiter" und die Mitarbeit von unmittelbar in der Produktion tätigen Arbeitern „mehr eine Sache des äußeren Bildes" Zusätzlich wird die StPB noch oft von den Leitern übergangen

Trotz der minimalen formalen Rechte und der angedeuteten Praxis in den Organen der innerbetrieblichen Demokratie bedürfen sie noch der Anleitung und Kontrolle durch die Betriebsparteiorganisation Damit wird jeder Initiative der Arbeiter, ihre unmittelbaren Interessen zu artikulieren, selbst der formale Rahmen genommen. 3. Sogenannte Masseninitiativen Als Masseninitiative der Arbeiter werden die Neuererbewegung und der sozialistische Wettbewerb ausgegeben.

Die Neuererbewegung hilft „durch Lösungen und Vorschläge zur Rationalisierung des Arbeitsprozesses" die Produktivität zu forcieren. Die Neuerer „decken betriebliche Reserven auf und setzen sich für die Übernahme bewährter Neuerungen aus anderen Betrieben, aus der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern ein"

Prinzipiell wäre mit der Neuererbewegung den Arbeitern die Möglichkeit gegeben, die Entwicklung von Technologie und Arbeitsorganisation von ihrem Standpunkt aus zu beeinflussen und damit die tayloristischen Intentionen zu unterlaufen. Dieser Gefahr wird aber durch die Organisation der Neuererbewegung sofort vorbeugend Einhalt geboten: „In keinem Fall ist es zulässig, die Erfolge der Neuererbewegung ...dem Zufall zu überlassen. Die Aufgaben für die Neuerer sind aus dem Betriebsplan abzuleiten, auf die Schwerpunkte zu konzentrieren und zum Bestandteil des sozialistischen Wettbewerbs zu machen." Damit ist die Bewegung von vornherein für die Produktivitätssteigerung kanalisiert. Dies schlägt bis in den Sprachgebrauch der Arbeiter durch. Sie bezeichnen Forderungen und Anregungen mit dem Ziel, die eigenen Arbeitsund Lebensbedingungen zu erleichtern, wenn diese nicht die Produktivität erhöhen, nicht als Verbesserungsvorschläge

Die offiziellen Angaben vermitteln den Eindruck einer immer stärkeren Beteiligung der Arbeiter. So stieg die Anzahl der Neuerer von 579 000 1963 1 400 000 1974 Wie diese Zahlen jedoch vermutlich zustande kommen, verdeutlicht folgendes Zitat: „In der Handhabung der neuen Neuererverordnugn gibt es, wie Analysen zeigen, durch manche Leiter noch Willkür und Subjektivismus. In dem Bestreben, möglichst viele Produktionsarbeiter als Neuerer zu registrieren und abzurechnen, werden mitunter die Brigademitglieder von Neuerern mit aufgeführt, obwohl sie an der Ausarbeitung der betreffenden Vorschläge keinen Anteil haben. Es gibt vereinzelte Fälle, wo entgegen den gesetzlichen Bestimmungen mit Kollektiven von hundert und mehr Beschäftigten Neuerervereinbarungen abgeschlossen wurden. Es liegt auf der Hand, daß in solchen großen Kollektiven von der Mehrzahl der Angehörigen echte schöpferische Leistungen weder gefordert noch überhaupt unter derartigen Bedingungen erbracht werden können."

Den Kern der Neuererbewegung machen nicht die Produktionsarbeiter aus. „Soziologische Untersuchungen in der zentralgeleiteten Industrie zeigen ..., daß in der Zusammensetzung der Neuerer in der Industrie vor allem leitende Kader, Meister, Einrichter, Brigadiere usw. vertreten sind, denen gegenüber die Produktionsarbeiter noch erheblich zurückstehen." Die leitenden Kader etc. dürften die Neuererbewegung benutzen, um sich materielle Vorteile zu verschaffen, denn die Vorschläge werden je nach (geldmäßig gemessenem) ökonomischem Nutzen zwischen 30 und 200 000 MDN honoriert Es gibt Hinweise, daß der Arbeiteranteil unter den Neuerern rückläufig ist, während der Anteil der wissenschaftlich-technischen Intelligenz steigt Seit 1971 wird der sozialistische Wettbewerb als „umfassende Form der Teilnahme“ stärker betont -Aus den konkreten Aufgaben des Planes des Betriebes oder der Abteilung werden die Wettbewerbsverpflichtungen abgeleitet Dabei haben die Leiter die Information für die Arbeiter so zu gestalten, „daß sie in verständlicher Form die wesentlichen Ergebnisse und Zusammenhänge beinhaltet und bei den Werktätigen zwingende und logische Schlußfolgerungen auslöst“ d. h., es dürfte oft so sein, daß die Arbeiter mehr oder weniger freiwillig zur Übernahme von Wettbewerbsverpflichtungen manipuliert werden. Formen und Methoden, die zur Führung des sozialistischen Wettbewerbs angewandt werden, sind: „Das Wetteifern zwischen den einzelnen Kollektiven im Betrieb, zwischen den Belegschaften, die sozialistische Gemeinschaftsarbeit, die gegenseitige sozialistische Hilfe in den Kollektiven sowie das Ringen um die Anerkennung als . Bester Meister', . Bester Facharbeiter', . Bestes Maschinenkollektiv' u. a." Damit ist diese soge-nannte Masseninitiative ein geschickteres, weil versteckteres Instrument, die Normen zu erhöhen, als deren administrative Erhöhung, die am 17. Juni 1953 zur Explosion geführt hat.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß es eine wirkliche innerbetriebliche Demokratie in der DDR nicht gibt. Auf die grundsätzlichen gesellschaftlich relevanten Entscheidungen über Ziel und Richtung der betrieblichen Entwicklung, etwa im Hinblick auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, haben die Institutionen der innerbetrieblichen Demokratie und die Masseninitiativen so gut wie keinen Einfluß; sie dienen nur der besseren Umsetzung von an anderer Stelle gefallenen grundsätzlichen Entscheidungen. Diese mangelnde Demokratisierung von betrieblichen Entscheidungsprozessen ist Voraussetzung und Folge der weiteren Anwendung tayloristischer Prinzipien. Sie ist damit einer der Gründe für die festgestellte mangelnde Humanisierung der Arbeit in der DDR.

V. Reaktionsformen und Bewußtsein der Arbeiter

Der aufgezeigte Zustand einer mangelnden Humanisierung der Arbeit in der DDR darf nicht als statisch gegeben, unveränderbar angesehen werden. Ähnlich wie in den westlichen Industrieländern, in denen es zu allerersten Ansätzen einer Humanisierung der Arbeit nur unter dem Druck der Arbeiter, d. h. nach Kampfformen verschiedenster Art gekommen ist — etwa in Schweden bei Volvo nach individuellen Kampfformen wie Absentismus und Fluktuation, in Italien bei Olivetti oder Fiat nach gewerkschaftlich-kollektiven Kampfformen — hängt eine grundsätzliche Humanisierung der Arbeit letztlich vom zukünftigen Verhalten der Arbeiter ab. Deshalb sollen im folgenden Reaktionsformen und Bewußtsein der Arbeiter in der DDR unter dem Gesichtspunkt ihrer Entwicklungspotenz analysiert werden. Wo liegen latente und manifeste Konfliktzonen im Arbeiterbewußtsein und wo weisen sie hin?

1. Reaktionen der Arbeiter auf die Arbeitsbedingungen Auf die Unzufriedenheit der Arbeiter mit den Arbeitsbedingungen bzw.der Erhöhung der Arbeitsbelastungen deuten immer wieder und Nebensätze in wissenschaftlichen Veröffentlichungen, aber auch empirische Untersuchungen hin: Bei der Einführung von Schichtarbeit ist z. B. „die Bereitschaft der Werktätigen zur Mitarbeit erfahrungsgemäß gering" In einer empirischen Untersuchung hatte „ein beachtlicher Teil der Befragten ... Beanstandungen zu den gegebenen klimatischen Bedingungen am Arbeitsplatz, zur Lärmsituation und zu den Lichtverhältnissen"

Den Arbeitsbelastungen der Schicht-und Fließbandarbeit versuchen die Arbeiter durch Betriebs-bzw. Berufswechsel zu entgehen. So hatten z. B. „fast ein Viertel der Monteure ...den Vorbetrieb verlassen, um Schichtarbeit und Fließbandfertigung mit dem Industriebau zu vertauschen" Gerade die jungen, unqualifizierten Arbeiter, die bereits unter den gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR auf-113 gewachsen und von ihnen geprägt worden sind, wehren sich mehr oder weniger unbewußt gegen die Existenz einer Reihe von besonders belastenden Arbeitsplätzen, auf denen sie tätig sein müssen. Sie gehören zu den am stärksten fluktuierenden Gruppen.

Eine weitere Form des Widerstandes gegen die gestiegenen Arbeitsbelastungen ist die Arbeitszurückhaltung: „Die Arbeitsbedingungen, der Inhalt der Arbeit... haben einen großen Einfluß auf das Disziplinverhalten der Arbeiter. So treten in Abteilungen mit starker Wärme-, Geruchs-oder Lärmbelästigung häufiger Disziplinschwierigkeiten auf als in den anderen Abteilungen." Diese Form des Widerstandes scheint manchmal so stark zu sein, daß man sich „in manchen Betrieben . . . schon zufrieden (gibt), wenn die Arbeitszeit-verluste nicht zunehmen"

Besonders stark ist der Ärger der Arbeiter über die permanente Kontrolle, der sie ausgesetzt sind. Auf dem VII. Parteitag der SED beschwerte sich eine Brigadierin, daß „es mit der Ehre eines Arbeiters unvereinbar ist, daß hinter jedem vierten Arbeiter in unserem Betrieb ein Kontrolleur steht“ Sie versuchen sich — soweit es ihnen möglich ist — gegen die Installation von Kontrollinstrumenten ihrer Arbeit zu wehren. Darauf deutet das Beispiel des VEB Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik hin, in der „unter Führung der Betriebsparteiorganisation . .. die leitenden Wirtschaftsfunktionäre und Spezialisten die Werktätigen gewissenhaft auf die Anwendung eines Prozessographen" vorbereiten mußten, um den Widerstand der Arbeiter dagegen zu brechen.

Diese Auseinandersetzungen stehen in der Tradition des Kampfes der Arbeiter gegen Normerhöhungen deren dauernder administrativer Erhöhungen nach dem 17. Juni 1953 eine Phase versteckterer Erhöhungen folgte. Aber auch diese Regelungen, z. B. die technisch begründeten Arbeitsnormen (TAN), unterlaufen die Arbeiter. Nicht immer ist das Verhältnis zu den Normensadibearbeitern gespannt: „Viele von ihnen berichten offen, welcher Auftrag sie auf die Baustelle führte. Ohne Wissen der Zentrale berieten sie dann im Kollektiv mit Meister, Brigadier und den besten Monteuren, und man einigte sich.“ Die Arbeitsnormung ist oft ein „Handelsgeschäft zwischen Arbeitsnormer und Arbeitern" Damit wird zumindest teilweise von den Arbeitern die Intention der WAO unterlaufen, die Normen „technischökonomisch" objektiv und wissenschaftlich festzulegen und sie damit ihrer Kritik zu entziehen

Eine weitere Reaktionsform der Arbeiter auf bestehende Arbeitsbedingungen ist die durch geringe Identifikation mit dem Produktionsprozeß bedingte Materialverschwendung: „Dem Politbüro liegen Fotos von Untersuchungen auf Baustellen vor, die eine nicht mehr zu überbietende Unordnung und Verschwendung von wertvollsten Materialien und Ausrüstungen zeigen und mit Worten kaum noch zu beschreiben sind."

Die aufgezeigten Widerstandsformen der Arbeiter gegen die Arbeitsbedingungen sind weitgehend defensiver, mehr apathischer und unbewußter Natur. Darauf deutet auch die Erhöhung des Krankenstandes — sei es als bewußtes Fernbleiben, sei es als wirkliche Krankheit, ausgelöst durch erhöhten Streß — seit 1970 hin. Ab etwa diesem Zeitpunkt kam es vermutlich zu insgesamt erhöhten Arbeitsbelastungen in der DDR.

Die Leiter und Wissenschaftler bemühen sich in immer stärkerem Maße, . Sozialtechniken'zu entwickeln, um den Widerstand der Arbeiter zu brechen. So werden auf wissenschaftlichen. Tagungen Ergebnisse der Sozialforschung und Sozialtechnologien für das optimale Vorgehen etwa bei Einführung der Schichtarbeit vermittelt. Es werden die Gründe, die zur Ablehnung der Schichtarbeit führen, untersucht, um sachgerechtere Strategien bei ihrer Einführung anwenden zu können. Eine solche sozialtechnische Anweisung für die Leitung der Betriebe ist etwa der Hinweis, die ersten Versuche mit der Schichtarbeit optimal vorzubereiten. „Das ist vor allem deswegen notwendig, weil eine unzureichende Organisation die mitunter nur mühevoll (!) gewonnenen Einsichten (der Arbeiter) schnell verschüttet und Gegenargumente schafft." Ähnliche Sozialtechniken, aber auch Vorschläge zur administrativen Lösung des Problems werden zur Problematik der Fluktua-tion entwickelt: „Die Ergebnisse (der wissenschaftlichen Untersuchungen) sollen den Leitern der untersuchten Bereiche zu neuen Einsichten und Praktiken verhelfen."

Die umfangreichen Bemühungen in der DDR, Sozialtechniken zu entwickeln, um den Widerstand der Arbeiter zu brechen, weisen auf den Umfang derartiger Widerstandformen hin, ohne daß man ihn allerdings genau quantifizieren könnte. Sie weisen aber gleichzeitig auch auf ein weiteres Problem hin: Steht der Aufwand wissenschaftlicher, ideologischer, agitatorischer und administrativer Art, Produktivitätssteigerungen gegen den größten Teil der Arbeiter durchzusetzen, gesamtwirtschaftlich — auch unter dem Produktivitätsaspekt gesehen — wirklich in einem adäquaten Verhältnis zu den entsprechenden wirt-schaftlichen Erfolgen? Schließlich wird dafür ein erheblicher Teil der gesamtgesellschaft-lichen Arbeitskapazität aufgewandt. -Ich vermute, daß gleiche oder größere Erfolge gerade auch unter dem Produktivitätsaspekt erreicht werden könnten, wenn man sich mit demselben Aufwand darum bemühen würde, den Arbeitern die geistigen Potenzen des Produktionsprozesses zurückzugeben bzw. sie sich zurüdenehmen zu lassen. 2. Reaktionen der Arbeiter auf die geringen Mitwirkungsrechte Eine empirische Untersuchung zeigt, daß nur sehr wenige Arbeiter den Eindruck hatten, sie könnten im Betrieb mitbestimmen

So verweigert denn auch der größte Teil der Arbeiter seine Mitarbeit in Gremien der innerbetrieblichen Demokratie, da sie in ihnen sowieso keine Einflußmöglichkeiten haben. Die Mitarbeit beschränkt sich auf wenige Gutwillige; „teilweise sind einzelne in vielen dieser Organe gleichzeitig vertreten und überbelastet" Die Mitarbeit scheint so gering zu sein, daß erwogen wird, verschiedene Gremien aufzulösen

Wie bereits erwähnt, beträgt der Anteil der Produktionsarbeiter im Produktionskomitee bzw. jetzt in der Ständigen Produktionsberatung nur 25 bis 30 Prozent Der Arbeiter-anteil in der Neuererbewegung ist rückläufig In 60 000 Gewerkschaftsgruppen mit 1, 5 Millionen Mitgliedern finden keine regelmäßigen Zusammenkünfte mehr statt Das scheint auf ein resignatives Hinnehmen des Gegebenen, auf apathische Formen des Widerstandes der Arbeiter durch Verweigerung hinzudeuten. So etwa auch die mehr achselzuckende Übernahme von Wettbewerbsverpflichtungen: „Brachte der Meister Verpflichtungen, Aufrufe zum Wettbewerb und Stellungnahmen, so sagte er unumwunden: „Ja, so unterschreibt doch, dann haben wir unsere Ruhe.'"

Manchmal jedoch schlagen diese mehr resi-gnativen Reaktionen der Arbeiter auf ihre geringen Mitwirkungsmöglichkeiten bei konkret anstehenden Problemen um: „Ohne bereits bestimmte Maßnahmen festzulegen, erwog die Leitung eine Änderung der Schichtzusammensetzung, um den Transport der Werktätigen rationeller zu gestalten ... Zahlreiche Werktätige, die über informelle Kanäle (also nicht über die Institutionen innerbetrieblicher Demokratie, d. V.) davon Kenntnis erhielten, sahen weitreichende Konsequenzen und . liefen Sturm'gegen eine solche Regelung." Solche Reaktionen sind Ausfluß der Forderung der Arbeiter nach mehr Mitbestimmung gerade bei ökonomischen Problemen, die sie selbst unmittelbar betreffen. So ermittelte eine empirische Untersuchung: „Die Forderung nach mehr Mitbestimmung richtet sich vor allem auf die ökonomischen Probleme der betreffenden Abteilung des Betriebes. 87 Prozent der befragten Kollegen forderten mehr Einfluß auf diese Probleme." 3. Relativ festgefügter sozialer Rahmen der Arbeiter Es gibt eine Reihe von Indikatoren, die auf die Existenz eines relativ festgefügten solidarischen Rahmens der Arbeiter hinweisen, innerhalb dessen die angedeuteten Widerstandsformen ablaufen: „Es gibt natürlich auch negative Gruppierungen bzw. negative Auswirkungen von informellen Gruppierungen, z. B. Cliquen, die sich auf Arbeitszurückhaltung, Normenschaukelei (es bilden sich Standardvorstellungen über Qualität und Umfang der Arbeitsleistung heraus), Untergrabung der Autorität der formellen Leistungspyramide und ähnliches orientieren ... Manche fürchten in den informellen Gruppen deren Kritik mehr als eine Kritik durch die offiziel132 len Leiter.“ „Gegenseitiges überbieten der Normen widersprach den ungeschriebenen Gesetzen ... Tauchten Normensachbearbeiter auf, so arbeiteten die Monteure bedächtig und streng nach Vorschrift.“

Dementsprechend gibt es immer wieder Hinweise, daß den meisten Arbeitern Auszeichnungen für besondere Leistungen von „denen da oben“ eher peinlich sind. „Auszeichnungen versagten ihren Dienst. Die Bauleute schämten sich eher der Medaillen, nahmen aber das Geld mit sichtbarer Freude, um es mit der Brigade zu verzechen.“ Die Ablehnung solcher Auszeichnungen hat eine gewisse Tradition in der DDR. 1949 weigerten sich in Leipzig Aktivisten, ihre vergrößerten Fotos auf einem städtischen Platz aufstellen zu lassen. Die Arbeiter machten sich darüber lustig und nannten solche Porträts „Heiligenbilder". Beschämte Aktivisten teilten ihre Prämien mit den Arbeitskollegen. 1948 wurden solche solidarischen Formen noch geduldet, ein bis zwei Jahre später aber nicht mehr

Für die Existenz eines relativ festgefügten solidarischen Rahmens des größeren Teils der Arbeiter spricht weiterhin, daß „sozialistische Neuerer" nicht besonders geachtet sind, da sie aus diesem Zusammenhang ausbrechen. In einer empirischen Untersuchung antworteten auf die Frage: „Sind die Kollegen, die Verbesserungsvorschläge einreichen, besonders geachtet?" 60, 1 Prozent mit „Weiß nicht", „Bei uns gibt es keine Neuerer" oder „Ich kenne solche Kollegen nicht“, 24, 8 Prozent mit „Nein" (Interview nicht anonym!), 15, 1 Prozent mit „Ja"

Da in den Institutionen der betrieblichen Demokratie eine offene Diskussion anscheinend nicht möglich ist, diskutieren die Arbeiter die anstehenden Probleme innerhalb ihres Rahmens hinterher oder in den Pausen Nicht zuletzt weisen die umfangreichen Bemühungen der Leiter und Wissenschaftler, diesen solidarischen Rahmen der Arbeiter zu sprengen, gerade auf seine Existenz und das Ausmaß, das er hat, hin. Um den Widerstand der Arbeiter gegen die „Verdichtung der Poren des Arbeitstages“ zu brechen, ist die Strategie der Leiter darauf gerichtet, einzelne aus dem sozialen Zusammenhang herauszubrechen: „Die Partei-und Jugendorganisationen sowie die staatlichen Leiter sollten vor allem darauf bedacht sein, die Initiative der fortgeschrittenen Arbeiter zur Verbesserung der Disziplin zu unterstützen.“

In zunehmendem Maße werden Gruppen-und Kollektivuntersuchungen — vor allem mit Hilfe von soziometrischen Methoden — durchgeführt „Sie decken den Kem des Kollektivs auf... Kenntnisse solcher Art sind wichtige Voraussetzungen, um Arbeitskollektive entsprechend den Erfordernissen der sozialistischen Rationalisierung zu strukturieren, Konfliktherde zu beseitigen und die Arbeit effektiver zu gestalten.“

Die Sozialpsychologie soll eine „Anleitung zur Gestaltung von Produktionskollektiven geben, sie muß auch die Wege zeigen, den Charakter informeller Gruppen zu verändern, wenn er nicht dem Ziel des Betriebes entspricht. Zwei Methoden werden dabei die wichtigsten sein: Beeinflussung und Erziehung oder Neuordnung der formellen Gruppen." Damit sollen die die Gruppen stabilisierenden Kerne ermittelt und beeinflußt oder zerschlagen werden. 4. Zum Bewußtsein der Arbeiter Die mehr apathischen und defensiven Widerstandsformen der Arbeiter dürften zum Teil ihre Ursache in bewußter oder unbewußter Angst haben. So zeigen sich etwa in Gewerkschaftsversammlungen „Tendenzen zur Unterdrückung von Kritik. Nicht in allen Gewerkschaftsgruppen herrscht eine offene Atmosphäre." Wegen des politischen Drucks und mangelndem Selbstbewußtsein trauen sich die Arbeiter z. B. nicht, offen gegen die Einführung von Schichtarbeit vorzugehen, schließlich wird die Schichtarbeit einfach identisch mit . sozialistisch'gesetzt. Die Arbeiter flüchten sich mehr in Sachargumente organisatorischer Art, um ihre Abneigung gegen die Schichtarbeit zum Ausdruck zu bringen

Bei dem größten Teil der Produktionsarbeiter herrscht eine bewußte Frontstellung gegenüber den Leitern. Das äußert sich u. a. im Sprachgebrauch der Arbeiter: Formulierungen wie „wir hier unten, die da oben" sind weit verbreitet und tauchen immer wieder auf. In einer empirischen Untersuchung wurden die Worte „die da oben“ und „die im Büro" von allen Arbeitern gebraucht

Ein weiterer Indikator für die Fronthaltung im Bewußtsein der Arbeiter gegenüber den Leitern ist die Tatsache, daß sich die Arbeitsverweigerung manchmal direkt gegen die Wirtschaftsfunktionäre richtet. Wann, wie und ob überhaupt dieses latent vorhandene Konfliktpotential einmal in bewußte Aktionen Umschlägen wird, sei dahingestellt. Nadi meinem Eindruck ist bei den Arbeitern eine Hoff-nung auf grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht vorhanden.

Die Folge ist, daß die meisten Arbeiter nach einem Ausgleich für ihre belastenden Arbeitsbedingungen und geringen Einflußmöglichkeiten auf die gesellschaftliche Entwicklung im Freizeitbereich suchen. Das schlägt in der Weise in den Produktionsbereich zurück, daß die Arbeiter — um sich die entsprechenden Mittel für eine attraktive Freizeitgestaltung zu verschaffen — gezielt Überstunden herbeiführen. „Wohlüberlegt produzieren die Arbeiter Terminverzüge, um in der Hektik des . . Planfinish'einen zusätzlichen Verdienst zu finden."

VI. Humanisierung der Arbeit ohne Produktivitätsverluste?

Wir haben gesehen, daß in der DDR Maßnahmen zur Humanisierung der Arbeit nur in dem Maße ergriffen werden, wie sie gleichzeitig zu einer Produktivitätssteigerung führen, und daß diese Maßnahmen von Umfang und Qualität her sehr begrenzt sind. An dieser Stelle erhebt sich die Frage, ob es grundsätzlich zu Produktivitätsverlusten muß, wenn sich Arbeiter eine -weiterge die hende Humanisierung der Arbeit erkämpfen.

Auf der Grundlage des Weiterbestehens einer nach tayloristischen Prinzipien organisierten Produktion ist diese Frage zu bejahen. Es existiert ein Zielkonflikt, und der Grad seiner Lösung zugunsten der Arbeiter hängt letztlich von den betrieblichen und gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen ab. Aber wenn die Grundprinzipien einer tayloristischen Entwicklung von Technologie und Arbeitsorganisation aufgehoben wären (die Frage, wie das zu erreichen ist und welche Widerstände dabei zu überwinden sind, sei hier ausgeklammert), wäre — verglichen mit dem heutigen Zustand — der Zielkonflikt zwischen Produktivitätssteigerung und Humanisierung der Arbeit aufgehoben. Das soll im folgenden kurz angedeutet werden.

In der tayloristisch organisierten Produktion kommt es im Betrieb in doppelter Weise zu Produktiv! tätsverlusten: Einmal, indem den Arbeitern die geistigen Potenzen des Produktionsprozesses vorenthalten werden, es aber immer wieder notwendig ist, sich auf die lebendige Erfahrung des Arbeitsprozesser durch die Arbeiter zu stützen, denn die Erkenntnis — die theoretische Vorwegnahme — der maschinellen Produktion „von außen“ durch die wissenschaftlich-technische Intelligenz bleibt notgedrungen unvollkommen Wenn aber den Arbeitern die geistigen Potenzen des Produktionsprozesses vorenthalten bleiben, kommt es zu Friktionen und damit zu Produktionsverlusten.

Zum im zweiten kommt es Betrieb zu Produktivitätsverlusten aufgrund der Objektrolle, die die Arbeiter im Produktionsprozeß einnehmen. Apathie, passiver Widerstand und Arbeitszurückhaltung werden auch nicht durch das Prinzip des materiellen Anreizes aufgehoben.

Wenn es durch eine umfassende Demokratisierung der betrieblichen Entscheidungsprozesse — vor allem auch in bezug auf Entwicklung und Einsatz von Technologie und Arbeitsorganisation — gelänge, diesen Zustand aufzuheben, die Arbeiter sich somit als Subjekt der Entwicklung ihrer betrieblichen Bedingungen verstünden, wäre nicht auszuschließen, daß sich eine ganz anders geartete Produktionstechnologie entwickelte, die nicht zuletzt auch produktiver wäre. Sie hätte ihre Grundlage in einem Maximum an kollektiver Initiative und Verantwortung der Arbeiter und könnte damit gleichzeitig gewährleisten — da die Arbeiter selber aktiv die Entwicklung von Technologie und Arbeitsorganisation vorantreiben oder zumindest entscheidend daran beteiligt sind —, daß ihre unmittelbaren Interessen an einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen: eine Humanisierung der Arbeit, verwirklicht würden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. u. a. H. Kern, Die Bedeutung der Arbeits-bedingungen in den Streiks 1973, in: O. Jacobi, W. Müller-Jentsch, E. Schmidt (Hrsg.), Gewerkschaften und Klassenkampf. Kritisches Jahrbuch 1974, Frankfurt 1974, S. 32; H. Kern u. a., Neue Formen betrieblicher Arbeitsgestaltung — Darstellung relevanter Veränderungsprojekte in Großbritannien, Italien, Norwegen, Schweden; vervielfältigter For-sthungsbericht 1975. Vgl. auch M. Schumann, Bestandsaufnahme, Analyse und Entwicklung im Produktionsbereich, in: Humanisierung der Arbeit als gesellschaftspolitische und gewerkschaftliche Auf-gale, Frankfurt 1974, S. 55.

  2. Vgl dazu u. a. meine Untersuchung: Zur Ent-wiklung ausgewählter Arbeitsbedingungen in der Dk in: Probleme des Klassenkampfes, Nr. 27, Berlin 1977.

  3. Die Sicherheit vor Arbeitslosigkeit — es gibt In der DDR das Recht auf Arbeit — ist der gravierende Unterschied zu den Arbeitsbedingungen in der Bundesrepublik.

  4. Dieser Aspekt muß leider aus Platzgründen ausgespart bleiben.

  5. Vgl. Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 2/1974, S. 172.

  6. Vgl. vor allem: R. Blauner, Alienation and Freedom, Chicago/London 1964 und A. Touraine, L'evolution du travail ouvrier aux Usines Renault, Paris 1955.

  7. Vgl. Deutsche Zeitschrift für Philosophie 2/1974, S. 172 und M. Lötsch/H. Meyer (Hrsg.), Zur Sozialstruktur der sozialistischen Gesellschaft, Berlin (DDR) 1974, S. 44.

  8. Vgl.: Statistische Jahrbücher der DDR.

  9. Vgl. E. Gniza, in: Sozialistische Rationalisierung und Standardisierung. Konferenz des ZK der SED und des Ministerrates der DDR, 23. und 24. Juni 1966 in Leipzig; Teil II, Berlin (DDR) 1966, S. 389 f.

  10. Aktivität, Schöpfertum, Leitung und Planung, Berlin (DDR) 1975, S. 23.

  11. Vgl. ebenda, S. 141.

  12. Vgl. E. Gniza, a. a. O„ S. 388.

  13. Ebenda.

  14. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) — Wochenbericht 5/1976, S. 41.

  15. Vgl. Aktivität..., a. a. O., S. 142.

  16. Vgl. DDR-Handbuch, herausgegeben vom Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Koln 1975, S. 49.

  17. M. Osterland u. a., Materialien zur Lebens-und Arbeitssituation der Industriearbeiter in der ERD, Frankfurt 1973, S. 69; vgl. weiter dazu die dort angegebene Literatur.

  18. Vgl. M. Lötsch, H. Meyer, a. a. O., S. 204.

  19. Ausgeklammert bleibt hier, daß die Fluktuation auch ihre Ursache in Lohndifferenzen zwischen Betrieben und Industriezweigen hat.

  20. Vgl. K. Braunreuther u. a. (Hrsg.), Soziologi-sche Aspekte der Arbeitskräftebewegung, Berlin PDR) 1967, S. 126 f.

  21. Vgl. ebenda, S. 138.

  22. Ebenda, S. 35.

  23. Ebenda, S. 137 f.

  24. Vgl. Statistische Jahrbücher der DDR.

  25. Vgl. M. Osterland u. a., a. a O., S. 80 ff. und sie dort angegebene Literatur.

  26. Vgl. Statistische Praxis 7/1973, S.347.

  27. Vgl. Autorenkollektiv, Sozialistische Betriebswirtschaft, Lehrbuch, Berlin (DDR) 1973, S. 514 und E. Gniza, a. a. O., S. 388.

  28. Die Wirtschaft 16/1975, S. 19.

  29. Sozialistische Arbeitswissenschaft 6/1973, S. 413.

  30. Autorenkollektiv, Ökonomik der Arbeit, Berlin (DDR) 1974, S. 431.

  31. Vgl. Arbeit und Arbeitsrecht 5/1973, A. 123.

  32. Vgl. R. Stollberg, Arbeitszufriedenheit. Theoretische und praktische Probleme, Berlin (DDR) 1968, S. 100.

  33. Vgl. Einheit 2/1973, S. 201.

  34. Vgl. Arbeit und Arbeitsrecht 1/1976, S. 13.

  35. Die Wirtschaft 26/1973, S. 15.

  36. Vgl. DDR-Handbuch, a. a. O., S. 38 f.

  37. Vgl. Gesetzblatt (GBL) der DDR, Sonderdruck Nr. 754, S. 7.

  38. Sozialistische Betriebswirtschaft, a. a. O., S 8

  39. Zentralinstitut für Berufsbildung der DE (Hrsg.), Sozialistische ArbeitsWissenschaften, Berlin (DDR) 1975, S. 93.

  40. Sozialistische Arbeitswissenschaft 4/1972, S. 261 und S. 264.

  41. I . Beim Arbeits(platz) wechsel, (job-rotation) tauschen die Arbeiter in einer zumeist betrieblich festgelegten Zeit-und Reihenfolge die Arbeitstätigkeiten untereinander aus. ... Bei der Aufgabenyergrößerung (job-enlargement) wird dem Arbei-1er ein größerer Arbeitsumfang zugeordnet. Die üblicherweise von verschiedenen Arbeitern durchgeführten Detailoperationen werden zusammengefaßt und nunmehr von einem Arbeiter ausgeSuort ... Die Erweiterung des Arbeitsbereichs bei der. Aufgabenbereicherung (job enrichment) ist darüber hinaus charakterisiert durch die Einbeziehung von Arbeitstätigkeiten unterschiedlicher Struktur." (H. J. Sperling, Kleines Glossar, in: Eursbuch, Nr. 43, März 1976, S. 28).

  42. Deutsche Zeitschrift für Philosophie 2/1974,

  43. Sozialistische Arbeitswissenschaft 6/1972, S. 465.

  44. Vgl. u. a. H. P. Bahrdt u. a., Zwischen Drehbank und Computer, Reinbek bei Hamburg 1970, S. 24 ff.

  45. Vgl. Statistische Praxis 4/1967, S. 204 und Statistisches Jahrbuch der DDR 1972, S. 141.

  46. Sozialistische Arbeitswissenschaft 5/1972, S. 364.

  47. Vgl. Deutsche Zeitschrift für Philosophie 2/1974, S. 172.

  48. Vgl. H. Kern, M. Schumann, Industriearbeit und Arbeiterbewußtsein, Bd. I, Frankfurt 1974, S. 139.

  49. M. Lötsch, H. Meyer (Hrsg.), a. a. O., S. 44.

  50. GBL der DDR I 1968, S. 210.

  51. Nach allen Informationen dürfte das Bildungssystem in der DDR nicht derartige Klassenschranken aufweisen wie in der Bundesrepublik — wenn auch ein rigides Leistungssystem herrscht. Trotzdem besteht eine gewisse Parallele: Etwa 5 Prozent der jeweiligen Jahrgänge besuchen Spezial-schulen und Spezialklassen. Sie zeichnen sich durch niedrige Klassenfrequenzen aus und sind personell wie materiell bevorzugt ausgestattet. Es sind elitäre Bildungseinrichtungen, die den „besonderen Erfordernissen der Nachwuchsentwicklung für die Wirtschaft, die Wissenschaft, den Sport und die Kultur dienen“. Sie zeichnen sich durch hohe Stundenzahlen in den „profilierenden Fächern" aus, „und zwar zu Lasten der Verminderung der Stunden für andere Fächer, so für den polytechnischen Unterricht". Angehörigen der höheren sozialen Schichten, vor allem den leitenden Funktionären in Partei, Staat und Wirtschaft, scheint es in hohem Maße zu gelingen, ihre Kinder dort unterzubringen. Dies wird offiziell zwar kritisiert, aber keineswegs verhindert (vgl. DDR-Handbuch, a. a. O„ S. 234 f.). Damit ist tendenziell das Prinzip der Einheitsschule durchbrochen, und es existiert eine Parallele zu Privatschulen in der Bundesrepublik.

  52. Vgl. Statistische Praxis 4/1967, S. 206.

  53. G. Behring, K. Braunreuther (Hrsg.), Soziologie und Praxis, Berlin (DDR) 1965, S. 79.

  54. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin (DDR) 1953, S. 505.

  55. R. Schulz, H. Steiner (Hrsg.), Soziologie und Wirklichkeit, Berlin (DDR) 1966, S. 160.

  56. Allen westlichen Strategien einer „Humanisierung der Arbeit" innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsordnung liegt die These vom „veralteten Taylorismus“ zugrunde. Daß dies für die " estlichen Industriestaaten jedoch nicht zutrifft, zeigen aufgrund umfangreicher empirischer Stuwen B. Kern /H. Kern, Krise des Taylorismus? Bemerkungen zur „Humanisierung der Arbeit", in: M. Osterland (Hrsg.), Arbeitssituation, Lebenslage und Konfliktpotential, Frankfurt/Köln 1975

  57. Vgl. F. W. Taylor, Die Betriebsleitung, Berlin eher ff.: ders., Die Grundsätze wissenschaftli-Betriebsführung, Berlin/München 1917, S. 33ff.

  58. Vgl. F. W. Taylor, Die Betriebsleitung, a. a. O., S. 20.

  59. Vgl.ders., Die Grundsätze.... a. a. O., S. 40 f.

  60. Vgl. ebenda, S. 128 ff.

  61. Vgl. B. Kern/H. Kern, a. a. O., S. 73.

  62. Vgl. Gesetzbuch der Arbeit, Berlin (DDR) 1969 § 9 9, IO und 15.

  63. Vgl. Arbeitswissenschaft für Ingenieure, Leipzig 1973, S. 28.

  64. Ebenda, S. 30.

  65. Ebenda.

  66. Autorenkollektiv, Grundlagen der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation, Berlin (DDR) 1973, S. 16.

  67. O. Mickler/E. Dittrich/M. Neumann, Technik, Arbeitsorganisation und Arbeit. Forschungsberichte des Soziologischen Forschungsinstituts (SOFI), Göttingen 1975, S. 455.

  68. Ökonomik der Arbeit, a. a. O., S. 425.

  69. Aktivität..., a. a. O., S. 23.

  70. Vgl. E. Gniza, a. a. O., S. 384.

  71. Gesetzbuch der Arbeit, a. a. O., § 12 (1).

  72. Vgl. Satzung des FDGB, § 14 und § 40.

  73. DDR-Handbuch, a. a. O., S. 280.

  74. Vgl. Satzung des FDGB, Präambel, vgl. auch: Gesetzbuch der Arbeit, a. a. O„ § 12 (2).

  75. Vgl. Gesetzbuch der Arbeit, a. a. O., § 12 (2) uhd 9§ 9, 10 und 15.

  76. Vgl. Gesetzblatt der DDR (GBl) II 1970, S. 547 ff.

  77. Vgl. Einheit 6/1971, S. 676.

  78. Vgl. Einheit 5/1971, S. 574 f.

  79. Vgl. Die Arbeit 10/1971, S. 33.

  80. Vgl. ebenda, S. 30.

  81. Vgl. Die Arbeit 9/1971, S. 27.

  82. Vgl, Die Arbeit 10/1971, S. 38.

  83. Ebenda, S. 39.

  84. Vgl. ebenda, S. 36.

  85. M. Luft, Demokratie in der sozialistischen Wirtschaft, Berlin (DDR) 1969, S. 41.

  86. Vgl. ebenda.

  87. J. Ellinger, W. Scholz, Sozialistische Demokratie im Industriebetrieb, Berlin (DDR) 1972, S. 108.

  88. Wesentlichster Unterschied dürfte sein, daß das PK von allen Belegschaftsmitgliedern, die StPB nur von den Gewerkschaftsmitgliedern gewählt wird. Kandidaten müssen aber bei beiden von den gesellschaftlichen Institutionen vorgeschlagen werden.

  89. Vgl. Gesetzbuch der Arbeit, a. a. O., § 10 a (3).

  90. Ebenda, § 10 a (3) e.

  91. Vgl. Soziologie im Sozialismus, Berlin (DDR) 1970, S. 108.

  92. Vgl. Die Wirtschaft 32/1970, S. 10.

  93. Vgl. ebenda und: Die Arbeit 10/1971, S. 30.

  94. Ebenda.

  95. Vgl. J. Ellinger, W. Scholz, a. a. O., S. 103.

  96. Sämtliche Organe der sozialistischen Demokratie im Industriebetrieb können an dieser Stelle nicht aufgezählt und analysiert werden. Vgl. dazu ebenda, S. 78 ff.

  97. Vgl. ebenda, S. 14 f.

  98. Autorenkollektiv unter Leitung von J. Hemmerling: Neuererbewegung — Arbeitsinitiative zur sozialistischen Rationalisierung, Berlin (DDR) 1975, S. 20.

  99. GBl der DDR II 1972, S. 3.

  100. J. Ellinger, W. Scholz, a. a. O., S. 96.

  101. Vgl. D. Voigt, Montagearbeiter in der DDK, Darmstadt/Neuwied 1973, S. 120.

  102. Vgl. Polytechnische Bildung und Erziehung 1/1976, S. 3.

  103. Aktivität..., a. a. O., S. 20.

  104. Ebenda.

  105. Vgl. GBl der DDR II 1972, S. 9.

  106. Vgl. Einheit 3/1971, S. 283 und S. 285.

  107. Vgl. Einheit 5/1971, S. 676.

  108. Vgl. J. Ellinger, W. Scholz, a. a. O., S. 86.

  109. Ebenda, S. 89 f.

  110. Ebenda, S. 89.

  111. Vgl. H. Kern, Arbeitsbedingungen und gewerkschaftlicher Kampf, in: O. Jacobi/W. Müllerentsch/E. Schmidt (Hrsg.), Gewerkschaften und Kassenkampf. Kritisches Jahrbuch 1975, Frankfurt 1975, S. 160 und S. 167.

  112. R. Stollberg (Hrsg.), Schichtarbeit in soziologischer Sicht, Berlin (DDR) 1974, S. 71.

  113. Ebenda. S. 71.

  114. D. Voigt, a. a. O., S. 151.

  115. Aktivität..., a. a. O., S. 39.

  116. Einheit 2/1973, S. 199.

  117. Protokoll des VII. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin (DDR) 1967, Bd. III, S. 287. Aus dem Textzusammenhang geht hervor, daß dies Zitat allerdings nur ein Indikator für den Umfang des Kontrollapparates ist, nicht aber für den Widerstand der Brigadierin. Sie fordert die Selbstdisziplinierung der Arbeiter.

  118. Einheit 2/1973, S. 200 f.

  119. Vgl. dazu: B. Sarel, Arbeiter gegen den „Kommunismus", München 1975.

  120. D. Voigt, a. a. O., S. 108.

  121. Einheit 8/1962, S. 19.

  122. Vgl. u. a.: Arbeitswissenschaft für Ingenieure, Leipzig 1973, S. 319.

  123. Das Volk, Erfurt, 12. 6. 1970, zitiert nach: D. Voigt, a. a. O., S. 87.

  124. Schichtarbeit in soziologischer Sicht, a. a. ° S. 76; vgl. dazu auch: S. 24, 68 ff., 75 f.

  125. K. Braunreuther u. a. (Hrsg.), Soziologische Aspekte derArbeitskräftebewegung, Berlin (DDR) 1967, S. 328

  126. Soziologische und psychologische Erfahrunsenocus Forschung und Praxis, Berlin (DDR) 1965,

  127. J. Ellinger, W. Scholz, a. a. O., S. 145.

  128. Vgl. ebenda, S. 143.

  129. Soziologie im Sozialismus, a. a. O., S. 108.

  130. Einheit 3/1971, S. 183 und S. 185.

  131. Vgl. Die Arbeit 10/1971, S. 36.

  132. D. Voigt, a. a. O., S. 94.

  133. R. Stolberg, Arbeitszufriedenheit ..., a. a. O., S. 105.

  134. Soziologie und psychologische Erfahrungen..., a. a. O., S. 101.

  135. Probleme der Soziologie, Rostok 1965, S. 13 f.

  136. D. Voigt, a. a. O., S. 86.

  137. Ebenda, S. 87.

  138. Vgl. B. Sarel, a. a. O., S. 63 f.

  139. Wirtschaftswissenschaft 2/1965, S. 249.

  140. Vgl. Die Arbeit 10/1971, S. 39.

  141. Vgl. Einheit 2/1973, S. 200.

  142. Vgl. J. L. Moreno, Die Grundlagen der Soziometrie, Köln/Opladen 1967.

  143. Ökonomik der Arbeit, a. a. O., S. 428.

  144. Soziologie und psychologische Erfahrungen.. „ a. a. O., S. 94.

  145. Die Arbeit 10/1971, S. 39.

  146. Vql. Schichtarbeit in soziologischer Sicht, a. a. Ö„ S. 77 f.

  147. Ebenda, S. 78.

  148. Vgl. Soziologie und psycholoqische Erfahrun-geni, a. a. o., S. 101.

  149. Vgl. Einheit 2/1973, S. 200.

  150. D. Voigt,'a. a. O„ S. 86.

  151. Vgl. M. Piore, The Impact of the Labour Market upon the Design and Selection of Productive Techniques within the Manufacturing Plant, in: The Quarters Journal of Economics, 82, 1968, S. 605.

Weitere Inhalte

Axel Bust-Bartels, geb. 1947, Dipl. -Volkswirt, Studium der Mathematik, Volkswirtschaft, Politik und Soziologie; gewerkschaftlicher Bildungsreferent, promoviert z. Z. über: Lohnformen, Arbeitsbedingungen und Formen betrieblichen Widerstandes der Arbeiter in der DDR. Veröffentlichungen u. a.: Zur Produktionsweise und Theorie der Ubergangs-gesellschaft (mit G. Stamatis), Gießen 1975.