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Die . neue'rechtsextreme Jugendpresse in der Bundesrepublik Deutschland Politische Hintergründe und gesellschaftliche Folgen | APuZ 43/1981 | bpb.de

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APuZ 43/1981 Artikel 1 Außerschulische Jugendbildung Wesen und Aufgaben Die . neue'rechtsextreme Jugendpresse in der Bundesrepublik Deutschland Politische Hintergründe und gesellschaftliche Folgen Politikdidaktik und „heimlicher Lehrplan"

Die . neue'rechtsextreme Jugendpresse in der Bundesrepublik Deutschland Politische Hintergründe und gesellschaftliche Folgen

Peter Dudek, Hans-Gerd Jaschke Hans-Gerd Peter Dudek Jaschke

/ 38 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Seit Mitte der siebziger Jahre vollzieht sich ein Generationswechsel im Lager des organisierten Rechtsextremismus in der Bundesrepublik: Die Träger rechtsextremer Politik gehören zunehmend zum Bereich der Jugendlichen, ihre Aktionsformen sind militanter geworden, aber auch ihr Selbstverständnis und ihr Begriff von „Rechtsextremismus“ ist nicht mehr der der „Unverbesserlichen" im weiten Umkreis der NPD und der Deutschen Volks-Union (DVU). Die ideologisch-programmatischen Neuorientierungen werden am Beispiel einer noch jungen rechtsextremen Jugendpresse jenseits von Konservatismus und „harter" NS-Szene vorgestellt Hieran kann gezeigt werden, daß unmittelbare Probleme der Jugendlichen, Arbeitslosigkeit, Schulangst und berufliche Bildung von den Blättern aufgegriffen werden. Besonders bemerkenswert ist die Hinwendung der Blätter zur Ökologie-Bewegung. Auffällig ist die Präsentationsweise dieser Jugendpresse: Sie benutzt Stilelemente der zeitgenössischen auf Jugendliche gerichteten Kulturindustrie und moderne Techniken der Werbe-rhetorik, wobei rechtsextreme Botschaften in mehr oder weniger verschlüsselter Form angeboten werden. Abschließend werden die Ergebnisse eines Rezeptionstests vorgestellt, wobei 25 Schülern zwischen 14 und 16 Jahren einige der Zeitschriften vorgelegt wurden und mittels halbstandardisierter Befragung ihre Meinung zu den Blättern ermittelt wurde. Das Ergebnis: Die Zeitungen stoßen auf eine relativ große positive Resonanz. Hervorzuheben ist auch die häufig festgestellte Dissonanz zwischen moralischem Urteil und praktischen Handlungskonsequenzen. Deshalb müssen politisch-pädagogische Bemühungen scheitern, welche die Thematik „Nationalsozialismus/Rechtsextremismus“ überwiegend wissensvermittelnd behandeln und den Komplex praktischer Handlungskompetenzen vernachlässigen.

Es gehört beinahe schon zu den Selbstverständlichkeiten, daß das Thema Nationalsozialismus/Rechtsextremismus'in all seinen vielfältigen Schattierungen und Ausprägungen seit einigen Jahren nicht nur Medien. Dauerbrenner'ist, sondern daß gerade diese Problematik wie kaum eine andere geeignet ist, Emotionen und Überreaktionen, gleichzeitig auch Tabuisierungen und Verharmlosungen auszulösen. Die Gründe für die Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung dieser spezifisch deutschen Vergangenheit werden wir hier vernachlässigen; sie reichen zurück bis in die Gründerjahre der Bundesrepublik. Statt dessen wollen wir kurz an einigen Beispielen illustrieren, was . unbewältigte Vergangenheit'hierzulande heißt.

Für die massenkommunikativ begünstigte Emotionalisierung der Thematik spricht zum Beispiel der in der Bundesrepublik ausgetragene Diskussionsprozeß, der zur Ablösung des baden-württembergischen CDU-Ministerpräsidenten Filbinger geführt hat. Ihm wurde vorgeworfen, als NS-Richter noch kurz nach Kriegsende Todesurteile gefällt zu haben. Die einen verteidigten Filbinger damit, er habe nur seine Pflicht getan, die anderen sahen es als Skandal an, daß „Ex-Nazis" noch heute hohe Staatsämter bekleiden. Ernsthafte und vernünftige, von der Partei-Brille befreite Sichtweisen hat es nur wenige gegeben, ebensowenig wie z. B. bei der aufsehenerregenden Studie von Dieter Boßmann, der katastrophale Wissenslücken von Schülern über den Nationalsozialismus festgestellt hat woraufhin Forderungen nach einer verstärkten Behandlung des Nationalsozialismus im Unterricht als ultima ratio zwangsläufig erscheinen muß-ten Besonders deutlich wurden die Berührungsängste bei der Ausstrahlung der Fernsehserie „Holocaust" im Februar 1979, bei der als „traumatisch" zu bezeichnende Lernprozesse in der Bevölkerung freigesetzt wurden

Vor dem gesellschaftlichen Hintergrund eines offensichtlich ständig problematischen Umgangs mit dem Thema „Nationalsozialismus" sind vor kurzem Ereignisse in den Vordergrund gerückt, deren Verarbeitung die Schwelle zur Sensationsberichterstattung überschritten hat: Die durch das Bundesministerium des Innern angeordnete Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann im Frühjahr 1980, im Zusammenhang damit der Münchener Oktoberfest-Anschlag im September 1980 und der Selbstmord des Frankfurter 23jährigen „Neonazi" Frank Schubert, der an der Schweizer Grenze zuvor zwei Grenzbeamte getötet hatte, sind die Schlaglichter einer ganzen Reihe spektakulärer Vorfälle im Bereich „Rechtsextremismus". Sie repräsentieren die in der veröffentlichten Meinung bevorzugt wahrgenommene Spitze eines Eisbergs, dessen Konturen wir im folgenden in einer bestimmten Richtung nachgehen wollen.

Während die derzeitige Lage des organisierten Rechtsextremismus in der Bundesrepublik am auffälligsten gekennzeichnet ist durch generationsspezifische Umstrukturierungsprozesse — d. h.der Anteil der Jüngeren und der Jugendorganisationen nimmt zu —, sind die gesellschaftlichen Triebkräfte an der „Basis", insbesondere bei den Jugendlichen, noch weitgehend unbekannt und kaum erforscht. Dies betrifft insbesondere die Pufferzone zwischen den organisierten und den noch nicht organisierten Jugendlichen mithin also ein gesellschaftliches Handlungsfeld, das wir als „Resonanzboden" rechtsextremer Ideologien bezeichnen können.

Wir sind der Auffassung, daß insbesondere derartige Resonanzfelder jenseits spektakulärer Vorfälle deskriptiv beschrieben und kritisch analysiert werden müssen, um zu einer genaueren Einschätzung der aktuellen Entwicklungen und Gefahrenmomente rechtsextremer Ideologien zu kommen. Ein gesellschaftliches Handlungsfeld im Zwischenbereich von organisiertem und noch nicht organisiertem Rechtsextremismus in der Bundesrepublik ist der Bereich der publizistischen Vermittlung von entsprechenden Weltbildern und Deutungsangeboten Seit langem ist bekannt, daß Ideologien und Programmdiskussionen bei der extremen Rechten eine weit geringere Rolle spielen als bei der extremen Linken: Hierarchische Gruppenstrukturen, der Modus von Befehl und Gehorsam, die Suche nach Geborgenheit und „einfachen" Weltbildern überragen die programmatisch-theoretische Auseinandersetzung. Dem ist allerdings nachdrücklich entgegenzuhalten, daß seit wenigen Jahren eine aktuelle publizistische Gegenoffensive absehbar ist, die insbesondere den Bereich der Jugendarbeit betrifft und sich anschickt, mit den Mitteln der auf Jugendliche gerichteten Kulturindustrie rechtsextreme Botschaften „adäquat“ zu verkaufen: Schüler-und Jugendzeitschriften sind die zeitgemäßen Vehikel der Nachwuchsrekrutierung. Sie stoßen, wie wir noch zeigen werden, auf unerwartet fruchtbaren Boden und ihre Wirkung ist nicht beschränkt auf rechtsextrem-entschiedene Jugendliche.

Zunächst einige Informationen zur Organisationsstruktur der rechtsextremen Jugend-presse in der Bundesrepublik.

Im Herbst 1978 wurde der . Jugendpresseverband Nord-Rhein-Westfalen" gegründet, aus dem im November 1979 ein „Nationaler Jugendpresseverband" hervorging. Die Initiative ging von den Blättern . perplex'und . Die Wende'aus. Pressemitteilungen zufolge gehören dem Verband weiterhin noch an: . Der Pfeil'(JN Münster), Fanal (JN Bremervörde), Eulenspiegel (JN Köln), Schinderhannes (Mainz), Gäck (Wiking-Jugend). Weiterhin werden dem Verband zugerechnet die wegen fehlenden Materials nicht analysierten Zeitungen Widerhaken'(Neuss), . Sirene'(Bonn), . Alternative'(Düsseldorf), . Volltreffer'(Würzburg), . Fanfare'(Mayen) und . Frontal'(Bayern). Die Auflagen dieser letztgenannten Zeitungen liegen zwischen 2000 und 5000 Exemplaren. Bundesweit vertrieben wird seit 1978 die Zeitschrift Die Wende', seit 1976 die vom . Unabhängigen Schülerbund’ (USB) herausgegebene Zeitschrift . Trend'(Auflage: 10000). Das Wiking-Jugend-Magazin Gäck’ wird in einer Gesamt-auflage von 10000 Exemplaren vorwiegend in Nordrhein-Westfalen und einigen Schwerpunkten wie Nürnberg, Würzburg, Berlin, Stuttgart und München verteilt. Die Existenz dieser rechtsextremen Schülerzeitungen und der organisatorische Zusammenschluß ihrer Reakteure sind ein Indiz für die zukünftige Ausrichtung rechtsextremer Aktionsfelder auf den Schulbereich.

So behauptet z. B.der rechtsextreme „Deutsche Hochschulanzeiger“ (DHA) in seiner Ausgabe Nr. 2/1979 im Sinne einer self-fulfillingprophecy, das „linke Monopol" im Bereich Schülerzeitungen sei bereits gebrochen und ruft zur Förderung der rechten „Blockadebrecher“ auf.

Neben den Schülerzeitungen im engeren Sinne gibt es noch eine Reihe weiterer Zeitschriften, die sich bevorzugt an jugendliche Leser wenden. So zum Beispiel die Monatszeitschrift MUT, deren „Holocausf'-Ausgabe als jugendgefährdend indiziert wurde und einige Zeitschriften der „Nationalrevolutiönäre" bzw.der „Neuen Rechten" (FRAGMENTE, NATION EUROPA JUNGES FORUM u. a.).

Im Unterschied zur traditionellen rechtsextremen Presse sind die vorstehend erwähnten Periodika nicht als „neonazistisch" in dem Sinne zu qualifizieren, daß sie bruchlos an Ideologie und Propaganda des Dritten Reiches anknüpfen. Sie bedienen sich vielmehr zeitgemäßer Darstellungsmethoden, bearbeiten Themen, die Jugendliche unmittelbar betreffen, und proklamieren mehr oder weniger offen einen „dritten Weg” jenseits von Kapitalismus und Sozialismus. Die Differenz zu den Zeitschriften der „harten" NS-Szene, die nur bei einer verschwindend geringen Leserschaft Anklang finden, macht die Zeitschriften jedoch nur noch attraktiver, indem sie stärker in gesellschaftliche Resonanzfelder hineinwirken können, die nicht vorab entschieden neonazistisch qualifiziert sind: Rechtsextreme Botschaften und Deutungsangebote werden auf zeitgemäße Art und Weise serviert ohne den Beiklang der „Ewig-Gestrigen" und der „Unbelehrbaren", ihre Adressaten gehen weit über den Kreis der rechtsextrem Entschiedenen hinaus.

Wir wollen im folgenden an einigen Beispielen produkt-und rezeptionsanalytische Untersuchungsergebnisse rechtsextremer Jugend-presse vorstellen die einen materialen Zugang zu den „Resonanzfeldern" erlauben, und abschließend einige Thesen und Folgerungen entwickeln.

Gegenstandsbereich Jugendpresse

Jugend-und Schülerzeitschriften sind nur ein geringer Teil der vielfältigen Medienangebote, die Jugendliche in der Bundesrepublik als Zielgruppe anvisieren. Gesellschaftliche Realitätwird von Jugendlichen vermehrt als simulierte, medial vermittelte und warenförmig arrangierte Realität erlebt. Dies formt das Rezeptionsverhalten Jugendlicher gegenüber politischen Schüler-und Jugendzeitschriften und den von ihnen transportierten Deutungsangeboten. In der Bundesrepublik gibt es zur Zeit ca. 3 000 Jugendzeitschriften, darunter etwa 1300 . echte'Schülerzeitschriften, die in den meisten Fällen nur regional oder an einzelnen Schulen vertrieben werden Gemessen daran, nimmt sich der Anteil rechtsradikal-orientierter Schülerzeitschriften bescheiden aus. Sie deshalb nicht zur Kenntnis zu nehmen, erscheint uns wenig angemessen, zumal die rechtsradikale Jugendpublizistik in ihrer heutigen Form erst eine relativ kurze Geschichte hat und in ihren Appellstrukturen, inhaltlichen Angeboten und ästhetischen Designs durchaus in der Lage ist, ein breiteres Echo als das der rechtsradikal organisierten Jugendlichen hervorzurufen. Zeitgleich mit dem sich Mitte der siebziger Jahre vollziehenden Generationswechsel im Lager des organisierten Rechtsradikalismus formierte sich an der „Schulfront" eine konservative und rechtsradikale Schülerbe-Regung, die organisatorisch und publizistisch in feste Formen eingegossen ist. Das national-revolutionäre Blatt . Junges Forum" schrieb dazu im Oktober 1974: „Die Schülermitverwaltungen und die Schülerpresse waren 1971/72 fest in linker Hand. Die ersten Schülergruppen, die gegen den Marxismus antraten, hatten nur lokale Bedeutung und geringe Mitgliederzahlen. Das wurde erst anders, als die Faszination der Linken mit dem Ende der APO, dem Niedergang des Idols Brandt, dem Ende des Vietnamkrieges und der Zunahme von Skandalen bei den Liberalsozialisten gewaltig abnahm, als sich die Marx-Mode totzulaufen begann... Die jahrelang zu Mißtrauen und Ungehorsam gegen Lehrer und Eltern, ja gegen alle Erwachsenen (trau keinem über 30) ’ erzogenen Jugendlichen wenden sich gegen ihre Umerzieher... Wir stellen das stärkste nicht-linke Potential der Nachkriegszeit in der deutschen Jugend. Wir haben die vielleicht letzte Chance, den Marxismus von der Basis her zu stoppen. Wir dürfen nicht verlieren!!"

Der rechtsradikalen Jugendpublizistik ist es seither gelungen, sich — fast unbemerkt von der demokratischen Öffentlichkeit — politisch und organisatorisch zu stabilisieren, ihre Druckauflage auf insgesamt 90000 bis 120000 Exemplare zu expandieren und — wie die Wiking-Jugend-Zeitschrift GACK es praktiziert — um die Zeitschriften , Fan-Clubs 7Lesezirkel zu gruppieren. Die von uns herangezogenen Beispiele belegen die Heterogenitätder rechtsextremen Jugendpresse und die Differenziertheit ihrer Deutungsangebote. Die vorgenommene Auswahl erlaubt nicht unmittelbar Rückschlüsse auf die jeweiligen politischen Organisationen im Hintergrund (z. B. Junge Nationaldemokraten'oder , Wiking-Jugend), von denen die Zeitschriften direkt herausgegeben oder indirekt gefördert werden, d. h.: der organisationsgeschichtliche Fragen-komplex wird zugunsten einer immanenten Beschäftigung mit den Zeitschriften selbst zurückgedrängt.

MUT — Ein nationaleuropäisches Magazin von Erwachsenen für Jugendliche Das 1965 gegründete Monatsmagazin MUT zählt mit einer geschätzten Durchschnittsauflage von 9000 Exemplaren zu den größten rechtsextremistischen Periodika. Es erscheint im DIN-A-5-Format, jeweils 56 Seiten stark, und wird von B. Wintzek herausgegeben, der im Spektrum des gegenwärtigen Rechtsradikalismus eine eher national-konservative Richtung repräsentiert. Nach Angaben des Verlages beträgt der Anteil der 16-bis 30jährigen Leser 56%. MUT ist ein Abonnenten-Blatt, das seine Auflage u. a. dadurch steigert, daß engagierte Leser gezielt im Bekanntenkreis und in ihrer Wohngegend neue Abonnenten werben. Monatlich verlost MUT für diese Werber 100 DM. Die Gewinner werden (mit Bild) am Ende des Heftes vorgestellt. Unter ihnen sind auffallend viele Jugendliche. Im Unterschied zu den anderen von uns untersuchten Zeitschriften kommen Jugendliche in MUT allerdings nur in Leserbriefen zu Wort. Aus einer vergleichenden Inhaltsanalyse der MUT-Hefte Juni 1979 bis Juni 1980 ergeben sich folgende Themenschwerpunkte des Magazins: — Ost-und Europapolitik Fragen der deutschen Spaltung, Probleme der „Wieder-bzw. Neuvereinigung Deutschlands"; die entsprechenden Aufsätze betonen jeweils stark, die „deutsche Frage" sei nur lösbar im Kontext einer europäischen Neuordnung in politischer, kultureller und geistiger Hinsicht. — Dissidentenbewegung in Osteuropa Thematisch eng verbunden mit dem ersten Themenschwerpunkt ist die Behandlung der „Dissidenten-Frage". Die Artikel erstrecken sich thematisch von Beiträgen zu den Olympischen Spielen 1980 über die ausführliche Darstellung von Aktionen sowjetischer Bürgerrechtler bis hin zu einem Interview mit dem jugoslawischen Dissidenten Mihaijlo Mihajlov zu Problemen Jugoslawiens in der Zeit nach Tito.

— Ökologie und Technologie Dieser Themenschwerpunkt ist in MUT dominant vertreten. Fragen des ökologischen Gleichgewichts, des technischen Fortschritts und der Wachstumskrise sind mehrere Themenhefte gewidmet. Die Spannbreite der Aufsätze reicht von Beiträgen zu alternativen Technologien (7/79, 9/79, 4/80) über Artikel zur Ökologiebewegung in Osteuropa (3/80), die Produktivkraft der Erde (8/79, 9/79, 1/80) bis hin zu Delegiertenberichten der Partei „Die Grünen" (12/79). — Kinder und Jugend Die diesbezüglichen Beiträge beschäftigen sich vor allem mit der gesellschaftlichen Situation von Kindern und Jugendlichen, berühren gleichzeitig Fragen der Schulausbildung und Formen jugendlicher Desintegration. Allen vier Themerischwerpunkten unterliegt im methodischen Arrangement und in den Argumentationskernen eine einheitliche, in sich konsistente Selbstverständigungstopik, die auf die jeweils präsentierten Gegenstandsbereiche abgebildet wird. Dadurch unterscheidet sich MUT von den übrigen Produkten der rechtsextremen Jugendpublizistik: Diese Zeitschrift wird von . Professionals'gemacht, von Leuten, die politisch wie journalistisch ihr Handwerk verstehen. Das methodische Basis-postulat von MUT lautet: Science is measurement. Die Mehrzahl der MUT-Artikel wird nach dem durchgängigen Muster modelliert, empirische Untersuchungen der Sozialwissenschaften oder Erhebungen von Meinungsforschungsinstituten in kommentierender und interpretierender Form als Bestätigung für das ideologische Grundmuster der Zeitschrift zu verwenden. Die Semantik der Zahlen, Graphiken und Tabellen und das Zitieren wissenschaftlicher Autoritäten dienen als Ausweis der Seriosität der politischen Ausrichtung des Blattes.

Gesellschaftliche Realität wird in MUT zivilisationskritisch gedeutet. Sie sei determiniert durch einen globalen ökologischen und politischen Krisenzusammenhang, Produkt eines umfassenden Entfremdungs-und Zersetzungsprozesses der Industriegesellschaften. Der Kern dieser Zivilisationskritik lebt vom Umdefinieren gesellschaftlicher Prozesse in ethologische und naturalistische Kategorien, mit deren Hilfe Politik und Gesellschaft als Zersetzungsprozesse eines organisch gewachsenen Natur-und Kulturzusammenhangs gedeutet werden. Diese Zivilisationskritik ist der Nerv aller rechtsradikalen Ideologien. Der Kampf gegen ein durch und durch vergesellschaftetes Leben in einer verwalteten Welt schlägt um in die Wut gegen die Zivilisation, in irrationales Aufbegehren gegen die, welche man als gesellschaftlich schwach empfindet (in MUT z. B. Homosexuelle, Punker, Neger, Marxisten). Das Schema, dessen sich diese Wut bedient, hat lange Traditionen in der Geschichte: Den Zerfallstendenzen, die unter der Oberfläche des zivilisatorischen Lebens fortschreiten, werden die romantische Verklärung agrarischer Verhältnisse und die aus diesen (angeblich) entwachsenen Wert-und Normvorstellungen entgegengesetzt. Das Gegensatz-paar „organische Dorfstruktur — krankmachende Großstadt" dient den MUT-Autoren (1/80) als Metapher ihrer Zivilisationskritik. Sie ist der Ausdruck eines nach rückwärts gewandten verdinglichten Bewußtseins, das sich gegen alles Geworden-Sein, gegen alle wirkliche Einsicht in historische Prozesse sperrt und dagegen ein angeblich existentes Gewesen-Sein absolut setzt. So gelte es sich wieder auf die „Urkräfte des Lebens" (8/79) zu besinnen. Die Landwirtschaft wäre wieder „zwischen Ökologie und Ökonomie" (4/80) anzusiedeln. Die Herrschaft der krankmachenden Großstadtzivilisation sei nur aufzuhalten durch die . wertbewußte Einbindung landwirtschaftliche(r) und urbane(r) Ensembles und die Anknüpfung an lokale Traditionen" (1/80). MUT setzt auch auf die Stärkung der Klein-Familie als Grundlage der „alten Wahrheiten” und Widerstandszelle gegen den „herz-und seelenlosen Materialismus".

In MUT fehlen positive Bezugnahmen zur Ideologie des Nationalsozialismus, zur politischen Praxis der NSDAP oder zur Person Hitlers.

Auch finden sich keine offen antisemitischen Passagen. Dennoch enthält MUT Kern-bestände traditionellen rechtsradikalen Denkens:

auf sozialem Gebiet durch die Diffamierung gesellschaftlicher Minoritätengruppen als Sündenböcke und „kranke Elemente", die durch ihre Bindungslosigkeit und subjektive Schwäche den „Zersetzungsprozeß der Gesellschaft“

forcierten. Im Hinblick auf die ideologischen Positionen haben wir in unserem Buch exemplarisch am Themenbereich . Kinder und Jugendliche'nachgewiesen, daß MUT sich folgender Darstellungstechniken bedient:

Naturalisierung, Ethologisierung und Klinifizierung gesellschaftlicher Verhältnisse;

— Diffamierung und Stigmatisierung politischer Gegner und Randgruppen;

-Akzentuierungangeblich naturhafter, geschichtsloser Wesenheiten (Familie, Nation, kulturelle Werte, Seele), die die Grundstrukturen jeder „gesunden" Gesellschaft konstituierten.

MUT unterscheidet sich in Themenauswahl und Arrangement der Beiträge stark von jenen rechtsradikalen Zeitschriften, die von Jugend-gemacht ucnen selber werden. Steigende Auf-und lagenzahlen positive Leserbriefresonanz durch Jugen dliche sind Indikatoren für die erfolgversprechende Strategie des Blattes, nämlich rechtsradikales Gedankengut durch Anbindung an konservative, gesellschaftlich nicht tabuisierte Positionen und Untersuchungen der empirischen Sozialforschung für Jugendliche attraktiv zu machen.

Von der Dauer der Krisenhaftigkeit des politischen und ökonomischen Systems und insbesondere der Bearbeitung seiner Legitimationsprobleme im Bereich der politischen Bildung wird es zukünftig abhängen, inwieweit sich das Resonanzfeld, das MUT erreicht, stabilisiert, ausweitet und politisch handlungsfähig wird. Solange die Bereitschaft unter großen Teilen der Gesellschaft und speziell der Jugend besteht, Probleme autoritär zu lösen, in Situationen, in denen die eigenen Lebenserfahrungen mit den gesellschaftlichen Prozessen nicht mehr sinnvoll integriert werden können, sich auf einfach strukturierte Ordnungsmodelle und Problemlösemuster zurückzuziehen, bleibt diese Gefahr latent vorhanden. i

Schüler-und Jugendzeitschriften im Umkreis der NPD Die NPD als politische Partei hat sich in den letzten Jahren in die Bedeutungslosigkeit manövriert. Längst hat ihr die von dem Herausgeber der DEUTSCHEN NATIONAL-ZEITUNG geführte Deutsche Volksunion (DVU) auch zahlenmäßig den Rang abgelaufen (NPD ca. 7 000, DVU ca. 000 Mitglieder) 10). Der aktive Teil der NPD wird im wesentlichen von 14-bis 27jährigen Mitgliedern der Jungen National-demokraten gestellt. Ihnen ist es gelungen, eine Vielzahl regional und lokal verbreiteter Schülerzeitungen mit steigenden Auflagenhöhen zwischen 2000 und 10000 Exemplaren zu produzieren. Die Zeitungen erscheinen unregelmäßig und werden vor allem vor den Schulen verteilt oder gezielt über persönliche Bekanntschaften weitergegeben.

Im Unterschied zu MUT handelt es sich bei , Fanal, . Pfeil, .. Widerhaken', Eulenspiegel, Schinderhannes’ u. a. um Zeitungen, die von Jugendlichen für Jugendliche produziert werden. Entsprechend amateurhaft ist ihre Aufmachung. In Arrangement, lay-out und Sprache lassen sie kaum Unterschiede zu anderen Schüler-und Jugendzeitungen erkennen. Sie sind im preiswerten Zwei-Farben-OffsetDruck hergestellt, meist gefaltet oder notdürf-tig geheftet. Überschriften und Zeichnungen werden noch von Hand produziert oder aus anderen, der NPD nahestehenden Zeitungen übernommen.

Die politisch-publizistische Strategie jener Zeitschriften läuft darauf hinaus, durch graduell abgestufte Bezugnahme auf die Pro-grammatik derNPD so-wohl ein Forum für ihre engagierten Anhänger zu liefern als auch kritischen Sympathisanten den Nachweis programmatischer Modernität zu erbringen (z. B. DER PFEIL), politisch unentschiedenen Schülern die Ideologie des Nationalismus „als einzige Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus" anzubieten (z. B. EULENSPIEGEL oder auch das in Bochum erscheinende Blatt PERPLEX) sowie Schüler durch scheinbare politische Neutralität und Alltagsbezogenheit zu werben (SCHINDERHANNES). Trotz einiger Unterschiede des Stellenwerts nationalistischer und antikommunistischer Politik und Programmatik sind alle NPD-Jugendzeitschriften nach dem gleichen Grundmuster modelliert: Sie setzen an den Alltagsproblemen und -interessen von Jugendlichen an, geben vor, sich für lokale und regionale Jugendprobleme zu engagieren, dienen JN-Jugendvertretern und Klassensprechern als publizistisches Forum. In ihrer Selbstdefinition präsentieren sie sich den Lesern als kritische, aggressive und satirische . Alternativzeitungen" gegen linke demokratische Regionalblätter. Die Redakteure der Zeitschriften verstehen ihre Blätter als oppositionelle Zeitungen gegen die Politik der . etablierten'„System-Parteien" in der Bundesrepublik. Damit definieren die rechtsradikalen Schülerzeitungen ihr Selbstverständnis durchaus in der Tradition der linken Schülerrevolte zu Beginn der siebziger Jahre: kritisch, alternativ, oppositionell, basis-bezogen. Es sind heute auch die NPD-Schülerzeitungen, die sich gegenüber ihren Lesern demokratisch gebärden, mehr Mitbestimmung in der Schule fordern oder für drittelparitätisch besetzte (Schüler/Eltern/Lehrer) Gesamt-und Fachkonferenzen eintreten. Massiver Antikommunismus und kulturpessimistische Kapitalismuskritik bilden das politische Fundament, von dem aus die JN-Aktivisten sich auf die Suche nach einem „Dritten Weg" — jenseits von Kapitalismus und Kommunismus — begeben.

Die in Münster erscheinende Zeitschrift DER PFEIL versteht sich ihrer Darstellung zufolge als — die „münstersche Alternativzeitung zu den bürgerlichen und kommunistischen Blättern" (16/79); — „eine verdammt unbequeme Zeitung, die den Herrschenden überhaupt nicht ins Konzept paßt" (19/80);

— eine Zeitung, die „die Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker und damit des Prinzips Nationalismus" (16/79) als ihr Hauptanliegen bezeichnet In Rothenburg-Bremervörde erscheint FA-NAL, eine Zeitung mit „neuen Leuten, neuen Ideen und einer neuen Auffassung" (1/79) — eine „schülernahe Zeitung". Direkte Ansprache der Leser, Aufforderungen zur Mitarbeit Ermunterung zur Kritik sind Methoden, mit deren Hilfe sich die Blätter ihren Lesern als basisnah anbieten. So schreibt beispielsweise der PFEIL: „Gerade deshalb ist und bleibt sie die Zeitung von uns allen. Sie ist auch für Euch und Eure Probleme immer da. Auch dann, wenn Ihr euren Namen nicht nennen möchtet oder dürft" (19/80). Und die FANAL-Redaktion verkündet ihren Lesern: „Eure Interessengebiete sind unsere Themen." Charakteristisch für die JN-Jugendzeitschriften ist es, daß sie sich stark an Präsentationstechniken demokratischer Schülerzeitungen orientieren, durch Rätsel, Comics, Bilder und Satiren ihren Lesern Deutungsangebote vermitteln, die unterhalb der offiziellen partei-und allgemeinpolitischen Programmatiken der NPD liegen. Dies scheint einen Punkt ihrer Attraktivität auszumachen. Exemplarisch an der Schüler-und Jugendzeitschrift SCHINDERHANNES wollen wir zeigen, wie es den Jungen Nationaldemokraten auf der publizistischen Ebene gelungen ist, mit dem traditionellen Mythos der Entrechteten, von dem der Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik gemeinhin lebte, zu brechen und sich statt dessen eine jugendspezifische modernistische Programmatik anzueignen. Die Zeitschrift wird vom . Arbeitskreis Schinder-hannes'in Staudernheim (Mainz) seit 1979 herausgegeben. Die Nullnummer erschien in einer Auflage von 2000 Exemplaren, Nr. 1 1980 mit einer Druckauflage von 3000. Nach eigenen Angaben der Redaktion „war die Resonanz (auf die Nullnummer) recht erfreulich (1/80). Sie bringt u. a.:

— einen Bericht über die Rauschgiftszene; Schuld am hohen Rauschgiftkonsum der Jugend seien die, „die durch die verfehlte Bildungspolitik" die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen verursachen, und die, „die in den Städten Menschensilos bauen, in denen niemand seinen Nächsten kennt".

— einen Beitrag, der den Baustopp einer Autobahn im Regionalbereich fordert. Daneben ist der Button „Dieser Baum soll leben" ab-gebildet, unter dem Beitrag eine dreiteilige Comic-Serie mit der Unterschrift: Atomstrom — Dein Strom. Atommüll — Dein Müll. Atom-tod — Dein Tod.

— eine Rubrik „Schulalltag und Tips zu seiner Bewältigung" mit Hinweisen zur Behebung von Konzentrationsschwierigkeiten und dem Standardartikel aller JN-Zeitschriften „Nachhilfe — Profit aus Notenangst", der gegen das Geschäft mit Nachhilfestunden auf die Solidarität und gegenseitige Hilfe der Schüler setzt.

— ähnlich wie FANAL, PERPLEX und andere Zeitschriften des „Nationalen Jugendpresse-Verbandes" sucht auch SCH 1NDERHANNES den „SAL: Schinderhannes-Aktiv-Leser“. In der Aufmachung einem Fahndungsplakat nachempfunden, aufgelockert mit Asterix-Comics, wirbt die Redaktion in satirischer Form ganzseitig um neue Mitarbeiter („Vorsicht, der SAL macht rücksichtslos von seiner Schreibmaschine Gebrauch.").

Im gesamten Heft fehlen jegliche Verweise auf die NPD oder die JN. Im Unterschied zu den anderen JN-Zeitungen fehlen im SCHIN-DERHANNES auch Anzeigen rechtsradikaler Verlage und nationalistische Beiträge, zumindest in seiner Nullnummer. Der Intention nach ist das Blatt eine jugend-und schüler-nahe Zeitschrift, die ihren thematischen Schwerpunkt — ähnlich wie FANAL — auf die Bereiche Ökologie und Jugendprobleme legt

Thematische Kontinuität wahrt die Zeitung auch in ihrer ersten Ausgabe 1980. Galt der Hauptbeitrag der Nullnummer den rauschgiftsüchtigen Jugendlichen, so behandelt der Auf-macher der nächsten Ausgabe, „Glaubensdroge als Ausbeutungsprinzip", das Problem der Jugendsekten. Der Beitrag stellt einige Sekten vor und versucht, gesellschaftliche Ursachen der zunehmenden Attraktivität von Jugendsekten zu benennen:

«In Konsum, Fernsehen und programmierter Freizeitgestaltung sieht ein großer Teil der Jugend kein Ziel mehr. . Unsere'Gesellschaft bietet jedoch kaum Alternativen an. Kommt es bei den haltsuchenden Jugendlichen zu einer seelischen Krise, werden sie zu einer Beute der Sekten ... Dort erleben sie oft zum ersten Mal scheinbare Geborgenheit, Zuspruch, Liebe und Zuflucht in der Gruppe, wobei ihnen in der Phase der Eingliederung ein besonderes Maß an Zuwendung entgegengebracht wird. Sie bieten den Jugendlichen eine vereinfachte, anscheinend logische Erklärung für die Ursachen ihrer Probleme und Ängste und stellen ihnen eine Lösung ihrer Konflikte in Aussicht. Das Weltbild wird auf einfachste Schemata reduziert; es gibt kein Problem, auf das die Gruppe bzw.der Sektengott keine Antwort weiß."

Die hier vorgeführte Argumentation ist durchaus realitätsgerecht, gilt aber in gleicher Weise für die rechtsradikalen Jugendgruppen selbst. Wer das . Innenleben'dieser Gruppen kennt, weiß, daß der Anspruch nach Geborgenheit, Abenteuer und Kameradschaft, nach sinnstiftenden Antworten auf jugendliche Problemlagen selbst nur gebrochen eingelöst wird.

Neuartig an solchen Argumentationsweisen, wie sie der SCHINDERHANNES, aber nicht nur er, vorträgt, scheint uns, daß hier nicht — wie beispielsweise in MUT — wertkonservative Deutungs-und Erklärungsmuster als Argumentationshilfen herangezogen werden, sondern sich traditionell als . links'verankerte Positionen und Analyseschemata mit denen der . Rechten'treffen. Aber gegen wen oder was spricht dieses Zusammentreffen? Kann dies nicht auch als Hinweis verstanden werden, daß der aktuelle jugendliche Rechtsradikalismus in seinem Kern nicht monokausal auf überlebte, reaktionäre Stereotypen reduziert werden kann? Der gesellschaftliche Kontext und die Ziele rechter und linker Politik sind verschieden, stehen sich radikal entgegen. Dies, so unsere These, schließt aber nicht aus, daß (wie das Beispiel SCHINDERHANNES zeigt) beide Positionen in der Kritik bestehender Gesellschaftsverhältnisse gemeinsame Bezüge haben.

Einer der gemeinsamen Bezugspunkte linker und rechter Gesellschaftskritik liegt in der Thematisierung von ökologischen Problemen. Auch der SCHINDERHANNES akzentuiert diese Fragen stark. In 1/80 wird der erste Teil eines umfassenden „Öko-Lexikons" vorgestellt, das zentrale Begriffe wie . Abwärme"

„GAU", „Dezibel" etc. erklärt; es folgt ein informativer Beitrag über Altglas-Verwertung.

Die thematische Konzentration der Zeitung auf Jugendprobleme und ökologiefragen bei gleichzeitigem Verzicht auf alle Bezüge, die auf parteipolitische Programmatik der NPD schließen lassen könnten, läßt uns vermuten, daß der SCH 1NDERHANNES für Schüler eher attraktiver ist als beispielsweise DER PFEIL, PERPLEX oder EULENSPIEGEL, deren Konzeption in ihren inhaltlichen Angeboten mehr auf den traditionell rechtsradikalen Politikbegriff abgestellt bleibt. Das potentielle Resonanzfeld, das SCHINDERHANNES erreichen kann, dürfte weit über die traditionellen Rekrutierungsmöglichkeiten rechtsradikaler Politik hinausweisen und insbesondere auch das . weiche'Potential in der Jugend, das nicht auf faschistische Gewaltsymbolik und politische Gewaltakzeptanz anspricht, einzubeziehen in der Lage sein.

GÄCK — Gibt es rechtsextreme Satire?

GÄCK, das mit einer Druckauflage von 10000 Exemplaren bundesweit vertriebene Schüler-magazin der Wiking-Jugend unterscheidet sich erheblich von den übrigen Blättern der rechtsradikalen Jugendpresse. Das Blatt versucht nur selten, seinen Lesern politische Artikel in programmatischer und argumentativer Form anzubieten. Diskursförmige Angebote sowie die Einbeziehung alltagsbezogener und regionaler Themenkomplexe fehlen in dem Blatt fast vollständig. Wer die subkulturellen Stile (Sonnenwendfeiern, Ausbildungslager, Fahrten, Geländespiele, wehrsportliche Übungen) und die Präsentationstechniken (Uniformierung, hierarchische Binnenstrukturen, Selbstettiketierung als „Pimpfe" und „Jungmädel") der Jugendarbeit dieser Gruppe kennt, wird überrascht sein, wie stark GÄCK an bestimmten . zeitgemäßen'medialen Rezeptionsgewohnheiten Jugendlicher orientiert ist. Das ideologische Selbstverständnis der Wiking-Jugend skizziert einer ihrer Berliner Führer wie folgt:

„Wir haben viele Mitglieder in der Wiking-Jugend, die selbst noch Schüler sind und in ihrem eigenen privaten Kreis dafür werben, auch an der Schule. Im weiteren werden Flugblattaktionen gemacht, wo wir dann Zuschriften kriegen an unser Postfach hier in Berlin, daß wir uns dann mit den Leuten auseinander-setzen können, uns die Leute erst einmal angucken können, was sie für Vorstellungen haben und dann entscheiden, ob sie bei uns richtig am Platz sind ... Ja, wir versuchen den Jugendlichen nahezubringen: Vaterlandsliebe, Ordnung, Disziplin ... (Denn) der Großteil der Jugend ist eben nicht in Ordnung! Das kommt durch die ganzen äußeren Einflüsse. Wir sind nach 1945 in ein System hineingepreßt worden, das viele Deutsche nicht haben wollten, durch die Amerikaner, durch die Engländer, durch die Franzosen, die Musik, allgemeine Moralzersetzung, die dann zu den heutigen Zuständen geführt haben: lange Haare, Punker, was es noch gibt, Schule auf der Straße usw.; und deswegen sind wir der Meinung, daß wir da etwas dagegen setzen müßten; den Jungen zu versuchen, ihr eigenes Vaterland nahe-zubringen, die Basis zu schaffen für ein neues Deutschland."

Aber eben dieses ideologische Selbstverständnis und die daraus resultierenden politischen Konsequenzen, wie sie in der praktischen Arbeit der WJ sichtbar werden, bleiben in GÄCK ausgespart. Argumentative Ernsthaftigkeit und offene, diskursive politische Überzeugungsarbeit sind nicht erwünscht. Statt dessen bedient sich die Zeitschrift bestimmter rhetorischer, ästhetischer und sprachanalytischer Stilfiguren, die einen radikalen Bruch mit der traditionellen rechtsradikalen Publizistik in der Bundesrepublik markieren. Was sich bei den JN-Zeitungen andeutete, nämlich jugend-gemäße Präsentationsformen und ein hohes Maß konsensfähiger Themenspektren, wird von den Jung-Wikingern in pervertierter Form auf die Spitze getrieben, indem sie rechtsradikale Stereotype durchgängig in aggressiv-satirischer Form präsentieren, die zwischen Zynismus und beißender Ironie anzusiedeln ist Rechtsradikale Ideologie in GÄCK erkennen zu wollen, nötigt den Leser, sie aus ihrem . satirischen'Kontext zu dechiffrieren, sich eine bestimmte Lesetechnik anzugewöhnen. Man muß GÄCK wie Palimpseste lesen (zweimal beschriebene Pergamentrollen, bei denen der erste Text abgekratzt wurde, aber noch durchschimmert). Ob dies jugendlichen GÄCK-Lesern gelingt, scheint uns mehr als zweifelhaft. Denn durchgängige Stilmittel, nach denen die einzelnen Beiträge modelliert sind, bilden die Techniken der Chiffre und Verfremdung.

Ein Beispiel hierfür findet man in Nr. 2/1980. Zwar wird hier auch offen für die . Grauen Wölfe'geworben, die im „Gegensatz zu den vielen Schmarotzern eines Tages wieder in ihre Heimat (wollen). Aber als freie Türken — und nicht als . neudeutsche Kanaken’!; dies ist in GÄCK zwar relativ selten, andererseits findet man auf der „Seite für den Fremdarbeiter“ — GÄCK-like — die „Hitparade für unsere Schmarotzer“:

, 1. Platz: Gebrüder Ützlicz: . Kreuzberger Messer sind lang ...

2. Platz: Die Anatolen-Band: , Ob blond, ob braun — wir lieben deutsche Fraun . 4. Platz: Die Schnurrbärte: Ja, mir san im Rudel da...'

6. Platz: Suleika: . Aber bitte mit Knoblauch ...'

In diesem und ähnlichem Stil sind alle GÄCK-Nummern konstruiert. Traditionelle Stereotype rechtsradikaler Ideologie werden ironisch verfremdet: Offener Rassismus, militanter Antikommunismus, Heroisierung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, Leugnung von NS-Verbrechen (Auschwitz-Lüge). Das Blatt erzeugt einen subkulturellen Habitus, der durch die Stilmittel der Satire und Bespöttelung, der scheinbaren Absichtslosigkeit ihres . Blödsinns'auf die Attraktion der unter Jugendlichen bekannten Medienspottfabrikate setzt und Jugendlichen faschistische Ästhetisierungen der Politik, die sich einst auf Zeremonien, Soldatismus, mystische Kultvorstellungen bezogen — und in der Jugendarbeit der Wiking-Jugend weitergepflegt werden — in neuen, schülergerechten Formen anbietet. Wir können an dieser Stelle aus Platzgründen nur an einigen Beispielen illustrieren, mit welchen Stilmitteln die GÄCK-Redakteure versuchen, eine für ihre Leserschaft gemeinsame subkulturelle Landkarte unter zur Hilfenahme Verfremdender Sprachspiele und der Para-Phrasierung werberhetorischen Ausdrucksrepertoires zu zeichnen, die dazu taugen soll, als Resonanzfeld jene Jugendlichen zu erreichen, die auf die scheinbar unpolitischen Arrangements der zynisch-satirischen Serienproduktionen wie MAD, KAPUTT, KLIMBIM, NONSTOP NONSENS u. a. ansprechen.

GÄCK-Leser sollen in einer fiktiven Welt leben: im „GÄCK-Zeitalter". Sie befinden sich im „GÄCK-RAUSCH", und selbst im „GÄCK-Himmel" tönt es noch: „GÄCK ist erstanden" (4/78). Denn: „GÄCK ist die Wende! GÄCK ist ein neuer Anfang! GÄCK ist die Zukunft!" (4/78). So in die GÄCK-Realität versetzt, werden den jugendlichen Lesern im gleichen Stil politische Deutungsangebote vermittelt. Zum Beispiel die jüngste Geschichte Deutschlands, in Anlehnung an Asterix und Obelix vorgestellt in einer vierteiligen „GÄCK-Saga“. Das blühende „GÄCKONIA" (Deutschland) mußte durch das einzigartige Schaffen und Handeln des „EDELWOLFS" (Hitler) seinen Untergang erleben.

„Das alte GÄCKONIA bestand nicht mehr. Seine größten Helden waren gefallen oder mußten in den Kerkern der Akribierten schmachten. Die Akribierten dachten nicht im mindesten daran, sich an irgendwelche rechtlichen oder moralischen Vereinbarungen und Gesetze zu halten. Sie plünderten alles Hab und Gut der GÄCKONIER. Sie hielten ein Gericht über die Häuptlinge der GÄCKONIER und schlachteten sie ab, schändeten ihre Frauen und Kinder auf die viehischste Weise, entführten ihre Druiden und Denker und zerteilten das Land in . Zonen', aus denen kein Entkommen mehr war. Dann aber verfeindeten sich die Akribierten untereinander und versuchten nun die in . ihren'Zonen lebenden GÄCKONIER auf ihre jeweilige Seite zu ziehen. In der . Ostzone'machte man das ganz einfach. Man ließ einfach ein paar Millionen GÄCKONIER abmurksen oder verhungern ... Die neuen mittelgäckonischen Häuptlinge setzten nun alles daran, ihre . Untertanen'gegen ihren alten Feind, dem Feind aller Verbrecher — nämlich EDELWOLF, sowie gegen West-GÄCKONIA aufzubringen. Den Massenmördern und Frauenschändern aus Rattland setzte man Ehrensteine, weil diese das Land vom EDELWOLF . befreit'hätten.." (3/79).

Artikel dieses Typus bestimmen das Arrangement von GÄCK. Literarisch-fiktive Handlungen müssen von der Imagination und Phantasie der jugendlichen Leser realitätsbezogenen Transformationen unterzogen und dann deutungs-und interpretationsfähig gemacht werden. Der formale Gedankengang wird vorgezeichnet; die Konsequenzen und Schlußfolge29 rungen zu ziehen, bleibt dem Leser selbst Vorbehalten. Diese Methode des Affektmanagements unter Zuhilfenahme einer Vielzahl von Stilmitteln der politischen Satire (saloppe Sprache, Parodien, Karikaturen, Ironie, Wortspiele, Slogans) wird nur an wenigen Stellen zugunsten offener rechtsextremer Agitation durchbrochen. So zum Beispiel, wenn es in Nr. 1/80 heißt: „Abt. Kampf dem Rassismus! Da haben wir nun schon hunderttausend knakkige Fremdarbeiterinnen, abertausende fesche Asiatinnen und seit 1979 sogar 50 000 feurige Neger aus Uganda (und 1980 kommen noch weitere 100 000 aus Äthiopien), und was geschieht — nichts!" Im Anschluß daran wird ungekürzt der Artikel „Rassenmischung ist Völkermord!" aus dem offen rechtsextremistischen SIEG AKTUELL übernommen, der an die Rassenideologie des Dritten Reiches anknüpft und antisemitische Agitation betreibt. So wird auch der Holocaust-Film als „HorrorShow übelster (Hollywood) -Machart" (1/79) denunziert, die die Funktion hätte, „dieses Volk zu einer Riesenbande von Massenmördern zu stempeln". Oder in verfremdeter Form: Der Film „Der hohle Kauz" sei aufregender als Filme wie „Frankenstein" oder „Die klappernden Knochenmänner von Ohio". „Die haben sich ganz schön was einfallen lassen, die Jungs. Da wird gefoltert, erschossen, vergast und verstümmelt, das kannst Du Dir gar nicht vorstellen. Der Regisseur muß eine unwahrscheinlich perverse Phantasie haben, was der so alles aufs Trapez bringt" (2/79).

Stark strapaziert wird in GÄCK das Ausdrucksrepertoire moderner rhetorischer Figuren der Werbesprache, wie zum Beispiel — dem kausalen Typ des Slogans, der verkaufsstrategisch eine Folgerichtigkeit konstruiert, die a priori nicht gegeben ist: „GÄCK ist stark — macht sie stärker! Holt euch ein GÄCK-ABBOI" (3/79).

— dem Stilmittel der Anapher, das Aufforderungs-und Zurufcharakter hat: „GÄCK, das war sein letztes Wort, da nahm sie ihm der Lehrer fort!

GÄCK, das war sein letzter Schrei, als er dem Lehrer an den Kopf warf ein Ei.

GÄCK, rief da sein Lehrer, , die geb ich dir nicht wieder!'

GÄCK, setzte er noch hinzu, , die les jetzt ich und Du schaust zu!'".

— der rhetorischen Figur der kausalen Ironie, die z. B. in der Jägermeister-Werbung verwendet wird und die GÄCK kopiert: „Ich lese GÄCK, weil — Ich bin doch nicht von gestern!'Oder: „Wir lesen GÄCK, weil — auf GÄCK kann man schwören!" (Dieser Slogan steht in einer Sprechblase und zwei fotographisch abgebildete Jung-Wikinger halten die Hand zum . Nordland heil’-Ruf ausgestreckt.)

Durch das einheitlich-ironische Sprachspiel, dessen sich GÄCK bedient, suggeriert die Redaktion ihren Lesern, sie seien alle eine große GÄCK-Familie. Charakteristisch für die Mitgliedschaft in dieser Familie sind jene Kriterien, die einen . Wikinger'von der Masse der Jugendlichen abheben: mutig, aggressiv, geistig „noch nicht versumpft", mit „Verstand im Hirn und Mumm in den Knochen". Wer jenen Kriterien genügt, der gehört „in die Wiking-Jugend! Ja, wird sind aggressiv, wir dürfen es sein, weil wir jung sind!“ (WJ-WerbeBroschüre, Ein Platz ist leer — Der Deine'). Konsequent versucht die Wiking-Jugend über ihr Magazin GÄCK Schüler und Auszubildende deshalb schon in Vorfeldorganisationen zu formieren — in 20 verschiedenen Städten wurden sogenannte GÄCK-FAN-CLUBS gegründet, in denen potentielle Anwärter auf eine Mitgliedschaft in der WJ organisiert werden. Ihre Aufgabe ist es, darüber hinaus für die Zeitung zu werben und an deren Gestaltung mitzuwirken. Wir halten GÄCK für die politisch gefährlichste der von uns analysierten Zeitungen, nicht allein der rassistischen Ideologie des Blattes wegen, sondern weil es am konsequentesten die von der Reklame-und Jugendkulturindustrie produzierten medialen Rezeptionsangebote kopiert. Der hier vollzogene Bruch mit der Tradition rechtsextremer Publizistik ist überdeutlich. GÄCK präsentiert Jugendlichen — MAD-like — einen Faschismus mit lächelndem Gesicht.

Leseverhalten von Schülern — ein Pretest Schülerzeitungen sind ein, wie auch immer relevantes, Ferment politischer Sozialisation Jugendlicher. Eine ideologiekritische Inhalts-analyse, die den gesellschaftlichen Kontext der Texte miterfassen will, muß deshalb auch ihren Verwendungszusammenhang bzw. ihr potentielles gesellschaftliches Resonanzfeld einbeziehen. Wir haben aus diesem Grund — verstanden als Pretest — fünfundzwanzig vierzehn-bis sechzehnjährigen Schülern aller drei Schulformen einzelne Exemplare der Zeitungen vorgelegt. Die Testpersonen, die vorher nicht über den politischen Charakter der Journale informiert wurden, sind mittels halbstandardisierter schriftlicher Fragen über ihre Meinung zu den Blättern befragt worden Die Auswahl der Schüler erfolgte nach dem Gesichtspunkt einer möglichst großen bisherigen „Unauffälligkeit“ in politischen Angelegenheiten, d. h. keiner der Schüler ist vor der Befragung als besonders politisch aktiv in der einen oder anderen Richtung hervorgetreten. Als wichtigste Ergebnisse können zusammenfassend genannt werden:

— Motive für Ablehnung oder Zustimmung zu den Zeitschriften lassen sich nicht schulformspezifisch differenzieren, d. h. die Wahrnehmungen der einzelnen Zeitungen durch die befragten Schüler lassen unabhängig von ihren Inhalten und ihrem ästhetischen Design keine Rückschlüsse darüber zu, inwieweit Zustimmung/Ablehnung von Artikeln mit ausgewiesen rechtsradikalen Inhalten bei Schülern der Hauptschule stärker/schwächer ist als bei Realschülern oder Gymnasiasten

— Durchgängig werden die Zeitungen als politische Schriften gekennzeichnet. Gleichzeitig belegen die Antworten aber eine starke Abwehr der Jugendlichen gegenüber „Politik“

und „Politischem" in Schülerzeitschriften.

— Dieser Abwehr gegenüber politischen Artikeln korrespondiert eine auffallend hohe positive Bewertung zum einen des Feldes „Humor" und „Satire" und zum andern des Bereichs „Schüler-und Jugendprobleme“, die beide als „unpolitisch“ aufgefaßt werden.

— Die auf die politische Programmatik der NPD hinweisenden Artikel reichen zur generellen Ablehnung nicht aus. Sie werden als Sprachrohre der Jungen Nationaldemokraten nur von wenigen Schülern identifiziert. Die Motive für die Ablehnung dieser Zeitschriften sind unterschiedlich. Als Gründe, warum die jeweiligen Zeitungen an der Schule nicht verteilt werden sollten, werden am häufigsten ge-nannt: „Sie ist zu allgemein", „sie ist zu politisch", sie seien zu wenig auf die Gegebenheiten der örtlichen Schule bezogen. Mit dieser Kritik verbindet sich bei einigen Schülern der Wunsch nach einer „eigenen Schülerzeitung", die an der Schule zur Zeit nicht existiert.

Dissonanzen Neben den skizzierten Einzelergebnissen lassen sich aus den Schülerantworten zwei Tendenzen herauslesen, die folgenreich für Konzeptionen politischer Bildung zum Thema „Nationalsozialismus" sind. Eine davon wollen wir „Dissonanzen" nennen: Die spezifische Unfähigkeit, aus theoretischer Erkenntnis praktische Handlungskonsequenzen zu ziehen. Ein Beispiel: Auf die Fragen „Welche Artikel gefallen Dir nicht und warum?" und „Fändest Du es gut, wenn die Zeitung regelmäßig an Eurer Schule verteilt würde? (Begründe warum)" antwortet Peter, 15 Jahre, Realschulklasse 9, dem GACK vorliegt: „Mir gefallen die faschistischen Berichte oder Artikel nicht, weil ich finde, daß solche Artikel nicht in die Schule gehören; jüngere Schüler können sich dadurch leicht ein falsches Bild machen“ und „Es wäre schon ganz gut, denn es wäre etwas Abwechslung und man würde aus den Berichten etwas erfahren, was zum Allgemeinwissen beiträgt. In dieser Schülerzeitung stehen auch Artikel, die einen selber was angehen, man bekommt ein neues Bild von den Ereignissen."

Beleuchten wir das Dissonanz-Problem von einer anderen Seite. Nach der Ausstrahlung der Serie „Holocaust" im Februar 1979 wurden 1018 erwachsene Testpersonen nach ihrer Meinung zu dem Fernsehfilm befragt. 30 Prozent, die sich emotional sehr betroffen zeigten, blieben bei ihrer Meinung, der Nationalsozialismus sei „im Grunde eine gute, nur schlecht durchgeführte Idee" Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte eine Frankfurter Forschergruppe, die Jugendliche nach dem gemeinsamen Ansehen der Fernsehserie „Holocaust" zu dem Film befragt hat. Das Verhalten eines Teils der Gruppe wird wie folgt beschrieben: . Jugendliche, die zwar gegen die Nazis und ihre Verbrechen Partei ergreifen, dann jedoch eine Reihe relativierender Überlegungen ins Feld führen, die oft an die bekannten Formen der Schuld-abwehr erinnern. Die von uns untersuchten Reaktionen auf rechtsextreme Schüler-und Jugendzeitungen unterscheiden sich von der Holocaust-Wirkungsforschung vor allem dadurch, daß „Holocaust" das Thema Nationalsozialismus/Faschismus in einer wesentlich direkteren Weise anspricht, daß von vornherein Assoziationen geweckt werden und daß die Probanden bereits vor den Untersuchungen durch die Tagespresse über „Holocaust" als Politikum informiert waren, kurzum: Zur Ermittlung subjektiver Faschismus-Bilder ist „Holocaust“ ein relativ harter Indikator, während in unserem Experiment das Material . Jugendpresse" ein vergleichsweise „weicher" Indikator ist. Das Thema „Drittes Reich“ wird nur vermittelt angesprochen, die Probanden waren vorher nicht auf die politische Ausrichtung der Blätter eingestellt. Wir sind deshalb der Auffassung, daß die bei anderen Untersuchungen festgestellten Reaktionsweisen, die als Formen der „Schuldabwehr" klassifiziert werden können, auf unseren Gegenstand nicht übertragbar sind, gleichwohl aber eine wichtige Rolle spielen. Die Urteile unserer Probanden über rechtsextreme Qualitäten der ihnen vorgelegten Texte resultieren nicht aus „Schuldabwehr", weil die Testpersonen aus Altersgründen persönlich nicht direkt betroffen sein können und weil ihnen darüber hinaus aktuelle Texte vorgelegen haben und keine NS-Schriften. Dennoch äußern sich viele der befragten Schüler negativ über „faschistische" Teile in den Zeitschriften, wobei das Urteil ausschließlich moralisch oder axiomatisch begründet ist. Dies führt zu der Annahme, daß ihre Werturteile über rechtsextreme Politik „anerzogen“ sind von Erzieherpersönlichkeiten (Eltern, Lehrer, sonstige „opinion leaders"), die selber den Zusammenhängen der „Schuldabwehr" unterlegen sind: Tabuisierung und Verdrängung und moralische Urteilsbildungen, die nicht! flektiert sind. Nicht zufällig sagt Peter üb GACK, „daß solche Artikel nicht in die Schn gehören (!)“ (vgl. oben). „Dissonanz" meint in u serem Zusammenhang deshalb zweierlei:

— Schüler sind offensichtlich nur unzure chend in der Lage, aus angemessenen E kenntnissen und/oder moralischen Urteile (idealtypisch: Faschismus ist schlecht) eben: angemessene Handlungskonsequenzen 2 ziehen (idealtypisch: diese Zeitung darf an ui serer Schule nicht verteilt werden).

— Die Nicht-Aufarbeitung der NS-Vergar genheit bei weiten Teilen der Bevölkerung hi zu massenhaften Prozessen der Schuldabweh und im Zusammenhang damit zu moralische Urteilen geführt, die von Schülern übernom men werden, wobei nicht einmal das Wissens defizit, sondern das Handlungsdefizit aus schlaggebend ist für die Unfähigkeit des Um gangs mit „Rechtsextremismus".

Das durch mindestens die skizzierten Merk male strukturierte gesellschaftliche Reso nanzfeld der rechtsextremen Jugendpresst macht diese sich auf geschickte Weise zunut ze: Rechtsextreme Botschaften spielen in de Gesamtaufmachung der Blätter auf den erster Blick eine untergeordnete Rolle, sie sind „zeit gemäß" und unaufdringlich verpackt, so dal der Mechanismus individueller Schuldabwehl gar nicht erst herausgefordert wird. Insofern kann von einer „schleichenden“ Strategie rechtsextremer Jugendpressearbeit gesprochen werden, welche nach Kräften versucht individuelle Blockierungen zu unterlaufen.

Bevor wir Konsequenzen für die politische Bildung ansprechen, soll noch eine zweite Tendenz der Schülerantworten vorgestellt werden.

Das Unbehagen an der Politik

Matthias, 16 Jahre, Realschulklasse 9, äußert sich über den „Pfeil": „Daß die Zeitung sich um den Umweltschutz kümmert und dafür was tut, ist toll. Mir gefallen aber die meisten Artikel nicht, denn sie sind politisch und beeinflussen die Schüler. Sie sind faschistisch, denn sie sind von der JN; die Schüler sollen die nur zum Klassensprecher wählen. Nein, diese Zeitungen sind nichts für Schüler, denn sie sind zu politisch. Ich würde nicht so vieles Politi-sches schreiben und mehr Informationen bringen und mehr neutral bleiben und so viel Informationen wie möglich gebrauchen, damit die Schüler umfassend informiert sind.“ Matthias Einschätzung steht beispielhaft für eine ganze Reihe von Schülerkommentaren, in denen „Politik" rundweg abgelehnt wird, aber gleichzeitig das Aufgreifen jugendlicher Alltagsprobleme und Fragen des „Umweltschutzes" begrüßt werden. Im Wechselspiel von Zeitung und Leser ergibt sich hier eine bemerkenswerte Konstellation: Das in den Blättern anhand des aktuellen Stichworts „Umweltschutz" formulierte Bekenntnis zur Ökologie-Bewegung, zu einem dritten Weg jenseits von Kapitalismus und Kommunismus, wird von den Schülern als begrüßenswertes Aufgreifen des „unpolitischen" Problems „Umweltschutz" wahrgenommen. Der Themenbereich Ökologie im weitesten Sinne wird von „Politik" im herkömmlichen, parteipolitischen Begriffsverständnis ebenso getrennt wie von „Rechtsextremismus". Den Blättern gelingt es also weitgehend, Rechtsextremismus und Ökologie so zu vermengen, daß Schüler Umweltfragen auch dann positiv herausdestillieren, wenn diese in einem rechtsextremen Kontext erscheinen. Dieser Befund weist darauf hin, daß die etablierten politischen Institutionen und Parteien ganz offensichtlich für die Schüler an Attraktivität und Glaubwürdigkeit eingebüßt haben. Es sind also nicht nur Jugendliche der subkulturellen . Aussteiger-Generation", Hausbesetzer usw., bei denen die Integrationsfähigkeit der politischen Instanzen scheitert bzw. brüchig zu werden beginnt, sondern auch durchschnittliche Schüler, bei denen eine Abkehr von „der" Politik zugunsten von „postmaterialistischen Werten" (Inglehart) festzustellen ist.

Für die Genese rechtsextremer jugendlicher Protestpotentiale ist deshalb der Hinweis wichtig, daß historische Kontinuitäten und das Anknüpfen Jugendlicher an den Nationalsozialismus überlagert werden durch aktuelle Desintegrationserscheinungen, die das Abgleiten Jugendlicher nach rechts begünstigen: Hierzu zählen nicht allein Arbeitslosigkeit und ökonomische Krise, sondern vor allem die Existenz rechtsextremer Jugendorganisationen und Jugendpresseerzeugnisse in zeitgenössischem Gewand, die offenbar Werte anzubieten haben, die von den herkömmlichen politischen Instanzen vernachlässigt werden: Kameradschaftliches Miteinander, Kampf gegen die Auswüchse von Kommunismus und Kapitalismus, Umweltschutz und Zivilisationskritik, vermengt mit traditionell-rechtsradikalen Ordnungsvorstellungen. Vor diesem Hintergrund erweist sich jugendlicher Rechtsradikalismus ebenso wie positive Resonanz-felder bei Schülern als nur eine weitere Variante in der Welle gegenwärtiger jugendlicher Protestbewegungen: Sekten, , Aussteiger", •Spontis", Hausbesetzer, Rocker etc. Die gesellschaftlichen Resonanzfelder des Rechtsextre-

mismus sind deshalb auch nicht grundlegend verschieden von denen anderer jugendlicher Subkulturen: Sie sind charakterisiert durch eine Abkehr von traditionellen Instanzen politischer Herrschaft, auf der Suche nach „anderen" orientierenden Leitbildern und Lebens-

möglichkeiten. Als Grundursache aller dieser Desintegrationserscheinungen müssen vermutlich — jenseits aktueller Krisensymptome wie z. B. Jugendarbeitslosigkeit — weitreichende Prozesse eines Wertwandels bzw. Wertverschiebungen in hochindustrialisierten Gesellschaften mitverantwortlich gemacht werden: Die Staatsapparate sind zunehmend weniger in der Lage, „post-materialistischen", nicht warenförmigen Wünschen und Wertvorstellungen nachzukommen: Bedürfnissen nach Freundschaft und Solidarität, nach gesunder und lebenswerter Umwelt, nach persönlicher und politischer Identität Angesichts dessen mutet es eigentümlich überholt an, z. B. „autoritäre Charaktere" für die Entstehung rechtsextremer Protestpotentiale haftbar machen zu wollen bzw. noch immer von einer subjektiven „Anfälligkeit“ für Faschismus zu reden Wenn aber für die Entstehung die-ser Bewegungen und insbesondere auch für die Bedingungen ihrer Breitenwirkung unter Jugendlichen nicht mehr nur auf die älteren Befunde der Faschismustheorien zurückgegriffen werden kann so gilt dies auch und gerade für die praktischen Folgen: für Konzeptionen politischer Bildung über Nationalsozialismus und Faschismus.

Für eine Neubetrachtung der politischen Bildung über Faschismus und Nationalsozialismus In der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit zur Faschismusthematik sind zwei politisch-pädagogische Strategien erkennbar, die sich zu handlungsanleitenden „Paradigmata" (Kuhn) verfestigt haben, obwohl sie nebeneinander existieren und im konkreten Fall nicht immer auseinanderzuhalten sind: Wir wollen sie mit . Aufklärung" und „Betroffenheit" umschreiben. „Aufklärung" steht für eine Orientierung, die von Wissensdefiziten von Schülern über den Nationalsozialismus zu Recht ausgeht und über die Vermittlung von Wissen meint, antifaschistische Resistenz und zugleich demokratisches Bewußtsein fördern zu können. „Betroffenheit" steht für eine — in jüngster Zeit stärker diskutierte — Richtung, die exemplarisches Lernen mit der Absicht verbindet, Jugendliche bei ihren Interessen und Bedürfnissen zu packen, denn erst subjektive Betroffenheit ermögliche substantielles Lernen Beide Konzeptionen sind — dies ist unsere These — für den aktuellen Gegen

Standsbereich einer starken potentiellen Resonanz rechtsextremer Druckerzeugnisse nur bedingt verwendungsfähig.

Rückblickend auf die Ergebnisse unserer Untersuchung (Anm. 7), aber auch auf die vergleichbaren Resultate der Holocaust-Wirkungsforschung muß vor allem gefragt werden, wie mit den nachgewiesenen Inkonsistenzen von moralischem Urteil und Handlungskonsequenzen umzugehen ist. Informationsorientierte Aufklärung“ und motivierendes subjektbezogenes Lernen müssen künftig daraufhin befragt werden, inwieweit sie Handlungsdimensionen und -entwürfe berücksichtigen (können), die gerade in der antifaschistischen Bildungsarbeit eine wesentliche Rolle spielen.

Zur Erhärtung dieser These wollen wir uns abschließend noch einmal auf den Gegenstandsbereich rechtsextreme Jugendpresse im engeren Sinne beziehen. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Hans de With, hat erst kürzlich darauf aufmerksam gemacht, daß die „neonazistische Propaganda" der letzten Jahre nicht ohne Wirkung geblieben sei: „Die seit Jahren zu beobachtende Agitation hat offenbar in zunehmendem Maße den Übergang zur kriminellen Aktion zur Folge." Die Verbreitung nationalsozialistischer Schriften, die noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs gedruckt worden seien, müsse verboten werden (vgl. Frankfurter Rundschau vom 23. 1. 1981). Die in weiten Teilen der demokratischen Öffentlichkeit vertretene Verbotsforderung, die ihre historischen Wurzeln in der öffentlichen Tabuisierung des Rechtsextremismus in den fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre hat, ist aber nun gerade deshalb zu kritisieren, weil damit das gesellschaftliche Resonanzfeld des Rechtsextremismus nicht bearbeitet ist und weil zudem diesem Resonanzfeld der publizistische und ideologisch-handlungsanleitende Boden durch Verbote nicht entzogen werden kann. Juristisch dürfte es keine allgemeinen und weitreichenden Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den „weichen“ rechtsradikalen Schüler-und Jugendzeitschriften geben — sie verherrlichen weder das Dritte Reich direkt noch verwenden sie verfassungswidrige Kennzeichen verbotener Organisationen.

Die Tabuisierung dieser Presse in der politischen Bildung über Rechtsextremismus ist schon deshalb fragwürdig, weil es — wie unsere Untersuchung gezeigt hat (Anm. 7) — kaum eindeutig zustimmende oder eindeutig ablehnende Meinungen gegeben hat, sondern zumeist relativistische Kommentare. Gerade derartige Relativismen und Inkonsistenzen sind aber in der politischen Bildung zugänglich und bearbeitbar: durch kritische Inhalts-analyse, Vergleiche mit Massenblättern der Jugendkulturindustrie (MAD, Bravo etc.) und demokratische Schülerzeitungen und schließlich durch direkte Thematisierung der Handlungsdimensionen.

Sie kann z. B. in simulierten Modellen angesprochen werden: Wie würden sich die Schüler/Jugendlichen gegenüber den Blättern verhalten, wenn sie an ihrer Schule verteilt würden, wie würden sie sich gegenüber den Redakteuren/Verteilern verhalten etc. Es kann aber auch der praktisch folgenreiche Umgang damit geprobt werden: Wie stehen z. B. die Anzeigengeber (Tanzschulen, Kleidergeschäfte u. a.) zu den Blättern und ihren Machern, wie reagiert die Umwelt darauf (Eltern, Mitschüler)? Schließlich kann unter dem Aspekt der Handlungsdimensionen praktisch erprobt werden, wie eine demokratisch orientierte Schüler-und Jugendzeitung gestaltet werden sollte

Es gibt sicher keine Patentrezepte für eine handlungsorientierte antifaschistische politische Bildung. Eine produkt-und rezeptionsanalytische Betrachtung der „neuen" rechtsextremen Jugendpresse läßt es jedenfalls zweifelhaft erscheinen, ob Wissen allein über den Faschismus als politisches Herrschaftssystem und seine spezifische lokalgeschichtliche Ausformung am jeweiligen Ort, ob Befragungen von Augenzeugen und Widerstandskämpfern ausreichen, um antifaschistisch-demokratische Resistenz und Handlungskompetenz gegenüber neuartigen Formen eines jugendlichen Rechtsextremismus zu ermöglichen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. D. Boßmann (Hrsg.), Was ich über Adolf Hitler gehört habe ..., Frankfurt 1977. Abgesehen von meanodischen Mängeln der Untersuchung, erscheint uns eine Leseart der von Boßmann zusammengetragenen Schülertexte, die ausschließlich Wissensdefizite wahrnimmt, kaum ergiebig. Liest man die Texte werdings als Sample vorgängiger Erfahrungen, issenfragmente unc[Vorurteile, die Schüler in den Unterricht mitbringen, so lassen sich eine Reihe °n Schwierigkeiten dechiffrieren, die Lehrer bei er Behandlung des Nationalsozialismus im Unterncht erwarten.

  2. Nach einer Vereinbarung der Kultusminister-konferenz sind die Schulen angewiesen, den Nationalsozialismus mit „besonderer Intensität" nach den „geltenden Richtlinien" zu behandeln; vgl. Frankfurter Rundschau v. 19. 5. 1978. 1981 gab das gleiche Gremium Empfehlungen zur Behandlung des Themas „Widerstand in der NS-Zeit" heraus. Vgl. in diesem Zusammenhang die Bestandsaufnahme von P. Dudek, Nationalsozialismus im schulischen Unterricht, in: Informationsdienst Arbeitsfeld Schule Nr. 42, Offenbach 1981.

  3. Vgl. hierzu das Holocaust-Themenheft von MEDIUM, Zeitschrift für Hörfunk, Fernsehen, Film, Presse, Januar 1981.

  4. Die Aufmerksamkeitsrichtung der kritischen Publizistik ist noch immer stark fixiert auf spektakuläre Ereignisketten des organisierten Rechtsextremismus; vgl. Eike Hennig, Hans-Gerd Jaschke, Neofaschismus und Jugend in der BRD heute, hrsg. von der Redaktion betrifft: erziehung, Weinheim 1980.

  5. Weitere Handlungsfelder, auf die hier nicht eingegangen wird, sind z. B. „neonazistische“ Provokationen an Schulen, Motive und Einstellungen rechtsextremer Jugendlicher.

  6. Vgl. betrifft: Verfassungsschutz 1979, hrsg. vom Bundesminister des Innern, Bonn 1980-S. 4 Erstmals werden in diesem Bericht die Schülerzeitungen der Jungen Nationaldemokraten (genannte Zahl: 17) erwähnt.

  7. Vgl. P. Dudek/H. -G. Jaschke, Revolte von rechts. Anatomie einer neuen Jugendpresse, Frankfurt/New York 1981.

  8. Vgl. M. Knoche u. a„ Jugendpresse in der Bundeslik Deutschland, Berlin 1979, sowie F. Rendtel, sehe Bildung durch die Schülerpresse, Münmen 1979. Zu diesem Aspekt als historisches Dokument. zur Einschätzung der politischen Funktion yon Schülerzeitungen W. W. Mickel, Instrumente ur Emanzipation der Schüler, in: Aus Politik und -eitgeschichte B 12/1972.

  9. Junges Forum: „Schulkampf", Nr. 4/1974 S. 4 ff.; zur Geschichte der Nationalrevolutionäre in der Bundesrepublik vgl. G. Bartsch, Revolution von rechts?, Freiburg 1975. Junges Forum ist die bekannteste Zeitschrift der Nationalrevolutionäre, die sogar Anerkennung und Lob von Seiten der WELT bekam; vgl., „Eine Neue Rechte ohne Romantik und Ressentiment“, in: DIE WELT v. 21. 11. 1975.

  10. Zur DVU und der DNZ vgl. P. Dudek/H. -G. Jaschke, Die Deutsche National-Zeitung. Geschichte, Inhalte, Aktionen, München 1981 (PDI-Taschenbuch 8).

  11. Die Hinwendung breiter Teile der rechtsradikaen Bewegung auf ökologische Positionen dokumentiert ausführlich J. Peters (Hrsg.), Nationaler Sozialismus“ von rechts, Berlin (W.) 1980; vgl. dazu auch unser Gespräch mit dem ehemaligen Chefthenretiker der nationalrevolutionären Gruppen, Henning Eichberg, in: Revolte von rechts, a. a. O., 7). Den Zusammenhang von „nationaler Idenual, regionalistischen und ökologischen Positioen versucht Eichberg theoretisch zu begründen in seinem Aufsatz „Balkanisierung für jedermann“, in: Belreiung. Zeitschrift für Politik und Wissenschaft, Berlin (W.) 1980, Heft 19/20, S. 46— 69.

  12. Zur Arbeit der Wiking-Jugend vgl. A Meyer/K. Kl. Rabe, Unsere Stunde, die wird kommen, Bornheim-Merten 1979, S. 44— 52 u. S. 193— 216, sowie K. Kl. Rabe (Hrsg.), Rechtsextreme Jugendliche, Bornheim-Merten 1980, S. 11— 30.

  13. Sprecher der Wiking-Jugend Berlin, in: D. Gerhard, W. Landgraeber, Nur ein paar braune Schafe! Rechtsextremismus an deutschen Schulen, in: WDR/ARD-Sendung v. 25. 4. 1979.

  14. An diesem Punkt ist eine methodologische Bemerkung vonnöten. Die Arbeiten zur rechtsradikalen Publizistik in der Bundesrepublik, insbesondere der 50er und 60er Jahre, orientieren sich primär an Theorie und Technik quantitativer Inhaltsanalyse. An GÄCK wird die Unzulänglichkeit solcher Methoden deutlich. Denn die Analyse fiktiv-literarischer Stilmittel, wie sie die Zeitung häufig verwendet, bedarf adäquater Mittel. Literarisches, Ästhetisches, Doppeldeutiges kann eben nicht „ausgezählt werden; es bedarf der qualitativen inhaltlichen Interpretation. Statistische Semantik, die sich dem Primat der Quantifizierung beugt, wäre nicht nur dem Gegenstand nicht angemessen, sondern auch nicht in der Lage, den Kontext der Texte zu rekonstruieren bzw. zu dechiffrieren, ihre latenten Sinn-strukturen aufzudecken und der jeweils unterschiedlichen Bedeutung der einzelnen Texte gerecht zu werden. Wir verstehen Inhaltsanalyse als ideologiekritisches Verfahren der Textinterpretation, das die historisch-gesellschaftlichen Konnotationen eines Textes, den „gesellschaftlichen Gehalt (Adorno), als relevantes Merkmal auszeichnet, ohne daß wir den Anspruch erheben könnten, das von J. Ritsert entwickelte Ablaufschema für Inhaltsanalysen auch nur annähernd eingelöst zu haben; V& J. Ritsert, Inhaltsanalyse und Ideologiekritik, Fransfurt 1972, S. 46f.

  15. Zu der in Österreich erscheinenden Zeitschrift SIEG AKTUELL vgl. W. Benz (Hrsg.), Rechtsradikalismus. Randerscheinung oder Renaissance?, Frankfurt/Main 1980, S. 215 ff. Zur Zusammenarbeit deutscher rechtsextremistischer Gruppen mit Rechtsextremisten im Ausland vgl. betrifft: Verfassungsschutz 1979, Bonn 1980, S. 42ff., sowie den Bericht in: DER SPIEGEL Nr. 14/1981, S. 75— 91. SIEG AKTUELL, das in der Bundesrepublik über Postfach-adresse bezogen werden kann, ist eines der widerlichsten Blätter der Neonazi-Szene. Kontakte in der Bundesrepublik bestehen u. a. zur Wiking-Jugend, der Hoffmann-Gruppe, der ANS, NSDAP/AO und Propagandisten der „Auschwitz-Lüge“.

  16. Vollständige Informationen über das Arrangement der Untersuchung, die Auswahl der Pröbanden und deren schriftliche Antworten sowie ausführliche Interpretationen finden sich in unserem Buch Revolte von rechts ..., a. a. O.

  17. Aus schichtspezifischer Sichtweise kommt Sochatzy, zu ähnlichen Ergebnissen bei 867 Probanden, deren Einstellung zu 30 rechtsradikalen Statements erforscht wurde; vgl. Klaus Sochatzy, Neofaschismus im Schülerurteil. Eine empirische Studie, Frankfurt/M. 198P, hier S. 69.

  18. Die Ergebnisse der Befragung finden sich in: Bild der Wissenschaft Heft 6/1979.

  19. Holocaust — Impulse, Reaktionen, Konsequenzen, mit Beiträgen von Hauke Brunkhorst, Gertrud Koch, H. J. Eißmann, hrsg. vom Didaktischen Zentrum der J. W. Goethe-Universität Frankfurt, DZ-Schriftenreihe 1980/1, hier S. 125.

  20. Vgl. Friedrich Knilli, Zum Stand der empirischen Holocaust-Forschung, in: Medium. Zeitschrift für Hörfunk, Fernsehen, Film, Presse, Nr. 1/Januar 1981, S. 17— 20.

  21. Die Diskussion um eine Verschiebung hin zu „postmaterialistischen" Werten ist vornehmlich von dem amerikanischen Politologen Ronald Inglehart stimuliert worden. Er definiert „materialistische“ Werte als Zusammenspiel von Sicherheitsbedürfnissen (z. B. starke Verteidigungskräfte, Verbrechensbekämpfung, öffentliche Ordnung) und Versorgungsbedürfnissen (z. B. stabile Wirtschaft, Wirtschaftswachstum, Kampf gegen steigende Preise); „postmaterialistische Werte" sind ästhetisch und intellektuell (z. B. schöne Städte, Natur, Ideen zählen mehr als Geld, Freie Rede) und implizieren Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Achtung (weniger unpersönliche Gesellschaft, mehr Mitbestimmung am Arbeitsplatz, mehr politische Mitbestimmung); eine 1973 im Auftrag der EG-Kommission durchgeführte Befragung in den 9 EG-Ländern und in den USA hat eine zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz post-materialistischer Werte ergeben, vgl. Ronald Inglehart, Wertwandel in den westlichen Gesellschaften: Politische Konsequenzen von materialistischen und postmaterialistischen Prioritäten, in: Wertwandel und gesellschaftlicher Wandel, hrsg. von Helmut Klages und Peter Kmieciak, Frankfurt/New York 1979, S. 279— 316.

  22. Wenn von Anfälligkeit“ die Rede überhaupt sein kann, dann allenfalls in bezug auf eine verschwindend geringe Zahl militanter „Neonazis"; Schmitt-Egners Antwort auf die selbstgestellte Frage „Wie wird ein Mensch Faschist?" lautet, es handele sich persönlichkeitspsychologisch um einen „Borderliner", der gesellschaftliche Widersprüche nicht aushalte, sondern sie im Akt der Zerstörung (Militanz) auflöse; diese Einschätzung — wie überhaupt Fragestellungen nach individuellen nazistischen Prädispositionen — leistet nun aber keinen Beitrag zum Problem rechtsextremer Resonanzfelder insbesondere unter Jugendlichen, sondern sie stilisiert das Problem „Neonazismus" hoch zu dem, was es nicht ist: Gewalttätigkeit einer verschwindend geringen Minderheit; vgl. Peter Schmitt-Egner, Faschismus. Wunscherfüllung im „Hier und jetzt“, in: Psychologie heute Nr. 9/1980, S. 37— 44; vgl. auch seinen Beitrag „Soziale und psychische Aspekte faschistische/Gewalt. Zur neueren Diskussion um das . Faschistische Subjekt”, in: Psychologie und Gesellschaftskritik 13/14, 1980, S. 181— 190. Fragen nach . Anfälligkeiten" bestimmen auch den Beitrag von H. und T. Castner, Schuljugend und Neofaschismus — ein akutes Problem politischer Bildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/1978, S. 31— 46.

  23. Zuletzt erschienen: Klaus Fritzsche, Faschismus-theorien — Kritik und Perspektiven, in: Handbuch politischer Theorien und Ideologien, hrsg. von Franz Neumann, Reinbek 1977; Eike Hennig, Bürgerliche Gesellschaft und Faschismus in Deutschland. Ein Forschungsbericht, Frankfurt 1977; D. Eichholtz/K. Gossweiler (Hrsg.), Faschismusforschung. Positionen — Probleme — Polemik, Berlin (DDR) 1979; Reinhard Kühnl, Faschismustheorien, Reinbek 1979.

  24. Aus der Fülle an Literatur seien herausgegriffen: Für eine primär an „Aufklärung" orientierte Pädagogik steht der Band „Hitlerwelle und historische Fakten", hrsg. von Anneliese Mannzmann, Königstein 1979; für eine stärkere Berücksichtigung des Wechselspiels von persönlicher Betroffenheit und politischem Lernen plädiert der Band „Hakenkreuz und Judenwitz. Antifaschistische Jugendarbeit in der Schule", hrsg. von Peter Dudek, Bensheim 1980; in diesem Zusammenhang sind auch die in den letzten Jahren verstärkt vorangetriebenen Bemühungen zu nennen, den Nationalsozialismus in politisch-pädagogischer Absicht autobiographisch und lokal-bzw. regional-analytisch aufzuarbeiten, vgl. hierzu das Literaturverzeichnis bei Sochatzy, a. a. O. (Anm. 17), S. 297— 332; dort nicht erwähnt: K. Preis, München unterm Hakenkreuz, München 1980; G. Hoch, Zwölf wiedergefundene Jahre. Kaltenkirchen unter dem Hakenkreuz, Bad Bramstedt 1980.

  25. Vgl. hierzu die praktischen Hinweise von Dieter Gerster, Schülerzeitung — Vom Comic bis zur Druckauflage, in: betrifft: erziehung Nr. 7/8, 1980, S. 29— 33; Informationen sind auch erhältlich über das Informationsorgan der deutschen Jugendpresse e. V., djp-report, Kleine Theaterstr. 10, 2000 Hamburg 3.

Weitere Inhalte

Peter Dudek, Dr. phil., geb. 1949, pädagogischer Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Frankfurt. Veröffentlichungen u. a.: Naturwissenschaften und Gesellschaftsformation, Frankfurt/New York 1979; (Hrsg.) Hakenkreuz und Judenwitz. Antifaschistische Jugendarbeit in der Schule, Bensheim 1980; Revolte von rechts. Anatomie einer neuen Jugendpresse (mit H. G. Jaschke), Frankfurt/New York 1981; Die Deutsche National-Zeitung. Inhalte, Geschichte, Aktionen (zusammen mit H. G. Jaschke), München 1981 (PDI-Taschenbuch 8) Hans-Gerd Jaschke, geb. 1952, wiss. Mitarbeiter am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Frankfurt. Veröffentlichungen u. a.: Wirklich genug getan? Holocaust — Konsequenzen aus einem Lehr-und Lernstück, in: Medium. Zeitschr. f. Hörfunk, Fernsehen, Film, Presse, Januar 1981; Revolte von rechts. Anatomie einer neuen Jugendpresse (mit P. Dudek), Frankfurt/New York 1981; Die Deutsche National-Zeitung. Inhalte, Geschichte, Aktionen (mit P. Dudek), München 1981 (PDI-Taschenbuch 8)