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Dürre Zeiten in Südeuropa | Hitze, Dürre, Anpassung | bpb.de

Hitze, Dürre, Anpassung Editorial "Man muss anerkennen, dass wir jetzt schon in einem anderen Klima leben". Ein Gespräch über das aktuelle Klimageschehen, Anpassungsmaßnahmen und den demokratischen Dialog darüber. Schwindender Reichtum. Vom Umgang mit Wasser in Deutschland Zur Entwicklung von Wasserhaushalt und Dürren in Deutschland Dürre Zeiten in Südeuropa. Das Beispiel Frankreich Kommune, pass dich an! Hitze und Trockenheit auf lokaler Ebene begegnen Hitze, Dürre, Krieg. Klimawandel als Sicherheitsrisiko "Wenn du mich siehst, dann weine". Dürren in der Vormoderne – Rekonstruktion, Anpassung, Erinnerung

Dürre Zeiten in Südeuropa Das Beispiel Frankreich

Annika Joeres

/ 15 Minuten zu lesen

In Frankreich wird es zunehmend trockener, Wasser wird immer mehr zum knappen Gut. Entsprechend werden Anpassungsstrategien diskutiert. Zugleich spitzen sich Verteilungsfragen zu. Wer hat Vorrang: Landwirtschaft, Energie, Tourismus?

In diesen trockenen Zeiten hat es der südfranzösische Hotelierverband schwer, positive Nachrichten zu verbreiten. In die Schlagzeilen schaffte es dann dieser Satz: "Wir werden genug Wasser für den Pastis und die Eiswürfel im Rosé haben." Diese etwas verzweifelt klingende Meldung der Tourismusbranche ist nur eine unter vielen. Schließlich leiden französische Regionen rund um die Pyrenäen an der spanischen Grenze und um die Seealpen an der italienischen Grenze unter extremer Dürre: Seit drei Jahren regnet es zu wenig, in einigen Gebieten gab es zuletzt im Herbst 2022 nennenswert Niederschlag. Die Nachrichten sind so frustrierend, dass die gesamte Tourismusbranche um ihre Sommersaison fürchtet – für ein beliebtes Reiseland wie Frankreich eine große wirtschaftliche Bedrohung.

Für ihre außergewöhnliche klimatische Situation finden die Menschen in Frankreich inzwischen viele neue Worte: Erst erlebten sie eine "Winterdürre" – einen trockenen Januar und Februar, die üblicherweise regen- und schneereiche Monate sind. Es folgten "Frühlingsbrände", also flächendeckende Feuer, die sonst typischerweise erst im Hoch- und Spätsommer auftreten. Im Mai und Juni riefen einige Präfekturen dann die Zeit der "extremen Dürre" aus. Auch die Pariser Regierung schlägt inzwischen nahezu wöchentlich Alarm, hält Pressekonferenzen und Interviews zur Wassernot. "Wir werden einen noch trockeneren Sommer haben als 2022", warnt Umweltminister Christophe Béchu.

Verantwortlich für die außergewöhnliche Dürre ist der über viele Monate fehlende Regen, ein Merkmal der Klimakrise. In vielen südlichen Regionen, aber auch in der Bretagne am Ärmelkanal, fiel in der ersten Jahreshälfte 2023 zwischen 30 und 40 Prozent weniger Niederschlag als im langjährigen Durchschnitt. In vielen Kommunen tröpfelte es zuletzt Mitte Januar. Auf einer Karte des Dürre-Informationsportals "Info Sécheresse" sind viele Regionen Südfrankreichs dunkelrot gefärbt – sie leiden unter einer "extremen Dürre", viele weitere unter einer "großen" oder "moderaten Dürre". Auch einige Regentage im Mai konnten an der grundsätzlichen Problematik wenig ändern: Sie haben zwar die Frühlingsblumen gerettet, waren aber viel zu wenige, um die Grundwasserspiegel wieder ausreichend anzuheben. Minister Béchu hat die Präfekte aufgefordert, den privaten Wasserkonsum "ohne zu zögern" einzuschränken. Schon im Sommer 2022 mussten etwa 500 Kommunen mit Tanklastwagen beliefert werden, anderen wurde in der Nacht das Wasser von den örtlichen Versorgern komplett abgedreht. Dass so viele betroffen waren, gab die französische Regierung allerdings erst im Frühjahr darauf bekannt. Denn bis dahin, so räumte es Béchu gegenüber der Zeitung "Le Monde" ein, hatte selbst in der Hauptstadt niemand einen Überblick darüber, wem und wo das lebenswichtige Gut fehlte.

Tatsächlich tritt gerade in ganz Südeuropa ein, wovor Klimaforschende lange gewarnt haben: Ein Extremwetterereignis reiht sich an das nächste. Der bisher letzte große Niederschlag an der östlichen Mittelmeerküste war der Sturm Alex im Herbst 2020. Er ließ in wenigen Stunden in den Bergtälern bis zu 500 Millimeter Wasser niederprasseln, fast hundert Häuser wurden fortgerissen, mehr als zwei Dutzend Menschen starben. Seit diesem letzten Starkregenereignis trocknet die Region wieder Tag für Tag weiter aus. In umgekehrter Reihenfolge – aber genauso dramatisch – häufen sich die Wetterextreme in den Gebieten der italienischen Region Emilia-Romagna: Nach einer dramatischen Dürre, bei der selbst der wichtigste norditalienische Fluss, der Po, nur noch einem Rinnsal glich, fielen in 36 Stunden 500 Liter Regen pro Quadratmeter – das ist rund die Hälfte der jährlichen Menge. Auch in Bologna und Ravenna mussten 8.000 Menschen ihr Zuhause verlassen, Zehntausende waren ohne Strom, Dutzende Städte und Gemeinden überschwemmt, zahlreiche Orte meldeten Erdrutsche. Bilder von weggespülten Brücken gingen um die Welt. Die Folgen des Starkregens werden durch die Dürre noch verschärft: Harter, trockener Boden kann Niederschläge viel weniger aufnehmen als ein durchfeuchteter. So wird das Wasser wie auf Asphalt von den betonharten Feldern und Gärten gespült und lässt dadurch die Flüsse sehr viel schneller und höher ansteigen und Straßen zu reißenden Bächen anschwellen.

Viele kleine Verbote und ein großer Wasserplan

"Zum ersten Mal realisieren die französische Bevölkerung und auch die Regierung, dass es wirklich ernst ist mit der Klimakrise", sagt der Politikwissenschaftler und Klimaexperte François Gemenne. Man erlebe gerade einen "psychologischen Schock". Endlich könne über Klimaschutz und Vorsorge gesprochen werden. Die politischen Reaktionen auf die Wassernot seien dem Problem allerdings nicht angemessen. Zwar könne es kurzfristig pädagogisch sinnvoll sein, den privaten Wasserkonsum zu begrenzen. So wird für alle sichtbar, wie wertvoll und endlich diese Ressource ist. "Aber all diese Restriktionen haben nur einen geringen Effekt auf den Wasserhaushalt", sagt Gemenne. Und immer müsse man sich die Frage stellen, ob autoritäre Maßnahmen – auch wenn sie nur kurzfristig gelten – die Bürgerinnen und Bürger nicht langfristig abschrecken würden. Undenkbar sei etwa ein dauerhaftes Verbot, seinen Vorgarten zu gießen. "Wirklich entscheidende Wasserverbraucher in Frankreich sind Atomkraftwerke, Industrien und Landwirte – in diesen Branchen müssen wir strukturell etwas ändern", so Gemenne. Frankreich müsse außerdem dringend sogenanntes Grauwasser nutzen, also gering verschmutztes Wasser aus Duschen und Badewannen, der Küche und Waschmaschinen. Dessen Qualität reiche in der Regel aus, um Gärten und Felder zu bewässern. In der Landwirtschaft müsse diskutiert werden, ob Frankreich noch so viel Mais anbauen und Viehzucht betreiben solle wie bislang – beides koste extrem viel Wasser.

Ebenso sollen private Haushalte im südöstlichen Département Var seit Frühsommer 2023 an allen "transportablen" Wasserbassins sparen, zu denen etwa auch Planschbecken gehören. Der Erfolg solch kleinteiliger Verbote ist allerdings fragwürdig. Denn kurz vor dem Beginn des Verkaufsverbots wurden Planschbecken zu niedrigen Preisen im Baumarkt verhökert – und die Leute griffen zu. Die Maßnahme ist auch deshalb umstritten, weil sie nur die günstigeren und meist kleineren Schwimmbecken betrifft, dauerhafte Pools aber weiter befüllt werden dürfen. Auch ein zweiter Erlass wird stark kritisiert: Hausbesitzer sollen ihre Blumen und Rasenflächen nicht mehr gießen – eine Maßnahme mit geringem Effekt, aber vielen negativen Folgen auch für Insekten und generell die Biodiversität in Wohnvierteln. Hinzu kommt, dass die Durchsetzung solcher Regeln aufwendig und tendenziell übergriffig ist: Manch südfranzösischer Bürgermeister denkt schon darüber nach, die Gärten seiner Kommune mit Drohnen zu überfliegen, um zu kontrollieren, ob die Wiesen verdächtig grün aussehen.

Im südfranzösischen Fayence dürfen zudem keine privaten Pools mehr gebaut werden – in einer Region, in der in manchen Vierteln nahezu jedes Haus über einen verfügt: 90.000 private Schwimmbäder gibt es dort insgesamt. Andere Kommunen gehen noch weiter und haben beschlossen, für mindestens vier Jahre überhaupt keine neuen Baugenehmigungen mehr zu erteilen – nicht mal für Häuser oder Wohnungen. Ihr Argument: Bereits die bestehende Bevölkerung könne kaum noch ausreichend mit Wasser versorgt werden. Bislang aber beschließen die Präfekte und Regionalregierungen eher viele kleine Verbote für die Bürgerinnen und Bürger, anstatt strukturell etwas zu ändern und die großen Wasserkonsumenten – die Landwirtschaft und die Atomkraftwerkbetreiber – einzuschränken.

Künftig soll sich dies nun laut Präsident Emmanuel Macron ändern. Er stellte Ende März 2023 am symbolträchtigen Lac de Serre-Ponçon, dem größten Stausee Frankreichs, den "Wasserplan" der Regierung vor. Macron sparte dabei nicht an eindringlichen Worten: "Wir hatten eine außergewöhnliche Dürre im vergangenen Sommer, mit 2000 Kommunen, die um ihr Trinkwasser fürchten oder es sogar nicht mehr zur Verfügung stellen konnten", sagte er. "Aber diese Dürre wird in Zukunft nicht außergewöhnlich sein – nichts deutet darauf hin, dass sich die Situation verbessern wird." Aufgrund der Klimakrise werde Frankreich im Jahr 2050 bis zu 40 Prozent weniger Wasser zur Verfügung stehen. "Daher müssen wir nun vorsorgen, allein schon, um über den nächsten Sommer zu kommen." Ähnlich, wie das Energiesparen im Winter gelungen sei, sollen nun wichtige Sektoren Wassersparpläne ausarbeiten. Alle großen Wasserverbraucher – eben vor allem die Landwirtschaft, die Atomkraftwerkbetreiber und private Haushalte – sollen zehn Prozent Wasser einsparen. Für Letztere formulierte der Staatschef die konkreteste Idee: Landesweit sollen Bürgerinnen und Bürger für die ersten Kubikmeter Wasser weniger zahlen – diese sollen jedoch ausreichen, um den Grundbedarf zu decken, also um zu trinken, zu kochen, zu duschen und Wäsche zu waschen. Für alle weiteren Verbräuche, die Macron als "Komfort-Konsum" bezeichnete, sollen höhere Tarife gelten. Dieses Modell wird in einigen Kommunen Frankreichs bereits erprobt, mit vielversprechenden Resultaten: Der Konsum ging mit den gestaffelten Tarifen meist deutlich zurück.

"Es ist sehr positiv, dass Präsident Macron diesen Wasserplan selbst vorgestellt hat, um die Wichtigkeit zu unterstreichen", sagt Magali Reghezza, Geografin und Mitglied des Hohen Klimarates (Haut Conseil pour le climat, HCC) in Frankreich. Damit seien die Folgen der Klimakrise und kommende Wassernöte erstmals an höchster Stelle benannt worden. Allerdings vermisst Reghezza konkrete Vorgaben, wie denn nun tatsächlich Wasser eingespart werden solle. "Macron hat etwa nur vage davon gesprochen, wie die Landwirtschaft weniger konsumieren kann, dabei ist sie mit Abstand der größte Wassernutzer in Frankreich." Tatsächlich sprach Macron sogar davon, dass in Zukunft noch mehr Felder künstlich beregnet werden müssten als bislang. Das hat Folgen für die gesamte Europäische Union, denn Frankreich ist das größte Agrarland in Europa: Nirgendwo sonst wird so viel Getreide, Mais, Wein und Fleisch produziert. Die Landwirtschaft verbraucht knapp 60 Prozent des in Frankreich genutzten Wassers. Mit neuen Techniken, etwa der sparsamen Tröpfchenbewässerung, ließe sich der Konsum insgesamt zwar auf gleichem Niveau halten. Doch Reghezza ist das zu wenig ambitioniert: "Wir kommen mit kleinen Gesten und neuen Technologien allein nicht weiter", sagt sie. Es brauche ein durchgreifendes neues Modell, wie Nahrung angebaut werden kann. In der Landwirtschaft müssten andere Sorten genutzt werden, die Böden müssten bedeckt und damit besser vor Verdunstung geschützt und das vielversprechende Modell der Agroforstwirtschaft flächendeckend eingeführt werden: In diesem werden Bäume – etwa Walnuss- oder Apfelbäume – auf Feldern gepflanzt, spenden so Schatten und bringen zusätzliche Erträge. "Wir müssen größer denken – und die Transformation finanziell, juristisch und steuerlich ermöglichen." Um das Wasser zu schützen, müssten die Landwirtschaft und der Tourismus neu gedacht werden.

(Keine) Diskussionen um Atomenergie und Megabassins

Mit Blick auf den Wasserbedarf hat Frankreich aber ein noch größeres Problem als die Landwirtschaft: Der Staat ist wie weltweit kein zweites auf Atomkraft angewiesen. Rund 70 Prozent seines Stroms werden in Atomkraftwerken produziert. Das für sie verfügbare Flusswasser wird in der Klimakrise weniger werden, und das von den Kraftwerken erwärmte Wasser, das in die Flüsse zurückgeleitet wird, belastet bei Hitze die Ökosysteme zusätzlich. Fachleute gehen davon aus, dass die Rhône, der größte Fluss Südfrankreichs, an dem fünf Kernkraftwerke liegen, bis 2050 im Schnitt bis zu 40 Prozent weniger Wasser führen wird. "Wir müssen unsere Atomkraftwerke an diese Bedingungen anpassen und sie umbauen", sagte Macron dazu bei der Vorstellung des Wasserplans. Viele Experten bezweifeln jedoch, dass sich der Verbrauch der Kraftwerke leicht verringern lässt. Überdies gibt es Zweifel an der Entschlossenheit zur Umsetzung des Plans: So wurde kurz nach Macrons Rede ein Mitarbeiter des Umweltministeriums im Magazin "Le Point" mit den Worten zitiert, es sei kein Geld für mögliche Umbauten eingeplant – denn die Kosten wären "exorbitant und der Nutzen gering".

Noch aber gibt es keinen Plan B, im Gegenteil: Als einziges Mitgliedsland hinkt Frankreich bei den EU-weiten Zielen für Erneuerbare Energien hinterher. Trotz einer sehr sonnenreichen Südhälfte und windigen Küstenzonen am Atlantik stammen nur etwa 20 Prozent des französischen Stroms aus Solar- und Windkraft, weniger als die Hälfte im Vergleich zu Deutschland. Ungeachtet der bereits eingetretenen und noch zu erwartenden Dürren sowie der hohen Kosten hält Frankreich an der Atomenergie fest – bis 2035 sollen sechs weitere Kraftwerke gebaut werden.

Der immense Wasserbedarf von Atomkraftwerken wird in der französischen Öffentlichkeit allerdings kaum diskutiert. Viel Aufmerksamkeit hingegen erhalten örtliche Projekte für die Landwirtschaft wie die sogenannten Megabassins, die Bäuerinnen und Bauern in trockenen Sommern Wasser für ihre Felder zur Verfügung stellen sollen. Das Prinzip ist dabei wie folgt: Im Winter werden aus dem Grundwasser Hunderttausende Kubikmeter in einen künstlichen See hochgepumpt, aus dem im Sommer bewässert werden soll. Für die Agrarbranche – vor allem für die Fürsprecher der konventionellen Landwirtschaft – ist dies ein Weg aus der Krise. In den Augen vieler Umweltaktivisten und des Verbands der bäuerlichen Landwirtschaft hingegen würde diese Praxis eine rückwärtsgewandte Anbauweise zementieren, in der beispielsweise Felder ohne Bodenbedeckung austrocknen und wasserintensiver Mais zur Energiegewinnung genutzt wird. Auch der Agrarwissenschaftler Jean-François Soussana, der an mehreren Sachstandsberichten des Weltklimarats mitgewirkt hat, konstatierte in einer Parlamentsanhörung, dass es sich bei den Megabassins um eine "falsche Anpassung" handele. Der Expertin Reghezza zufolge gibt es zwar einen wissenschaftlichen Konsens darüber, dass Wasser in Zukunft gespeichert werden müsse. Die Bassins aber seien teuer, energieaufwendig und wenig ergiebig: Große Mengen des an die Oberfläche transportierten Grundwassers verdunsteten wieder. Zudem sei das Grundwasser ohnehin schon in einem schlechten Zustand und sollte nicht zusätzlich angezapft werden. "Die Lösung sind humusreiche, gesunde Böden, die Wasser aufnehmen können."

Tatsächlich eskalierte der Konflikt um solche Megabassins bereits. In Sainte-Soline, einem 300-Seelen-Dorf östlich von Bordeaux, demonstrierten im März 2023 Tausende Menschen gegen das dortige Bassin-Projekt. Die Proteste endeten in Gewalt: Polizeiwagen brannten, Beamte feuerten Gummigeschosse ab, versprühten Tränengas und warfen Blendgranaten. Die unabhängige Beauftragte für die Verteidigung der Rechte (Défenseure des droits) Claire Hédon kritisierte den Einsatz der Sicherheitskräfte als unverhältnismäßig. Ein junger Umweltaktivist wachte erst Tage nach der Demonstration aus dem künstlichen Koma auf, ein weiterer schwebte auch Wochen später noch in Lebensgefahr.

Grenzen der Anpassung

Das Dürrethema ist in Frankreich buchstäblich so brennend, dass die Pariser Regierung in einem Punkt deutlich schneller voranschreitet als die meisten EU-Länder: Sie will noch 2023 einen Plan vorlegen, wie sich das Land auf künftig höhere Temperaturen und geringere Niederschläge und damit auch Dürren vorbereiten kann. An der Ausarbeitung können und sollen sich auch Bürgerinnen und Bürger beteiligen. Bei der öffentlichen Konsultation stehen Fragen wie diese zur Debatte: Rechnen Sie bis Ende des Jahrhunderts mit rund doppelt so vielen extremen Dürretagen – oder sogar mit fünfmal so vielen? Wird bis dahin nur ein bisschen weniger Schnee fallen, oder sogar ein Viertel weniger? In Rathäusern und auf der Internetseite des Umweltministeriums sollen sie angeben, ob sie sich auf eine um zwei Grad Celsius heißere Welt bis zum Jahr 2100 einstellen wollen – oder auf eine um vier Grad erwärmte.

Damit geht die französische Regierung einen europaweit einmaligen Weg. Normalerweise bestimmen allein Regierungen über ihre Pläne zur Anpassung an die Klimakrise, und nur selten geben sie konkrete Zahlen vor, mit welchem Temperaturanstieg sie rechnen. Tatsächlich ist diese Einschätzung sehr politisch: Niemand kann heute auf die Kommazahl genau angeben, welche Temperaturerhöhung am wahrscheinlichsten ist. Regierungen können aber entscheiden, ob sie mit dem Schlimmsten rechnen wollen – oder mit optimistischeren Szenarien. Der französische Umweltminister Béchu scheint sich schon vor der aktuellen Befragung festgelegt zu haben: Frankreich müsse mit einer vier Grad höheren Temperatur rechnen, schrieb er in einem Dossier über die Klimaanpassung. Nur so könne das Land widerstandsfähig bleiben und sich "so nah wie möglich an den Realitäten vor Ort" orientieren.

Mit der Befragung will sich die Regierung offenbar den Rückhalt ihrer Bevölkerung sichern. Denn einige der in Zukunft notwendigen Entscheidungen für ein Leben mit dem Klimawandel könnten ungemütlich werden – und vor allem viel kosten. "Grundsätzlich ist eine Vorbereitung auf höhere Temperaturen, die mehr Hitzetage, Überschwemmungen und Dürren mit sich bringen, natürlich sinnvoll", sagt Inke Schauser, Expertin für Klimafolgen und Anpassung beim Umweltbundesamt (UBA). Es gebe aber keine Gratisanpassung. Jede Veränderung koste etwas. Zwar würden viele Menschen grünere Städte mit kühlendem Effekt begrüßen, aber auch da gebe es Nachteile: etwa die Kosten für die Entsiegelung und Begrünung oder die Flächenkonkurrenz zu Geschäften, Wohnungen oder Parkplätzen. "Deswegen sind konkrete Zahlen in den Anpassungsplänen auch eine heikle politische Entscheidung, eben weil sie so viel Investitionen und Überzeugungsarbeit nach sich ziehen." Deutschland hat im Übrigen bislang keine genauen Angaben dazu gemacht, auf welche Erwärmung genau sich das Land vorbereiten will – weder in den bisher drei "Aktionsplänen Anpassung" noch in der 2008 beschlossenen Anpassungsstrategie der Bundesregierung findet sich eine konkrete Zahl.

Die Zahl von vier Grad, die Béchu angibt, ist übrigens nicht dieselbe wie die der durchschnittlichen globalen Erwärmung, von der in den Berichten des Weltklimarats die Rede ist. Denn Landmasse erwärmt sich schneller als das Meer – der globale Temperaturanstieg ist immer ein Mittel aus beidem und daher niedriger als das, was auf den Kontinenten zu erwarten ist. Auf dem Land wiederum erhitzen sich die Berge stärker als das Flachland. So ist auch die französische Prognose landesweit zu verstehen: Das französische Umweltministerium geht von vier Grad für Frankreich aus, das entspricht einem globalen Mittel von etwa drei Grad. Doch ob global drei oder national vier Grad – beides liegt weit über dem Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderhitzung deutlich unter zwei Grad zu halten. Hat sich die französische Regierung etwa damit abgefunden, dass das 2015 in der eigenen Hauptstadt unterschriebene Abkommen nicht eingehalten wird? Minister Béchu behauptet: "Wir kämpfen weiter für den Pariser Vertrag." Aber die Politik "aller Staaten der Erde" müsste sich noch grundsätzlich wandeln, um ihn einzuhalten.

Der Initiative Climate Action Tracker zufolge hat bislang tatsächlich kein einziges Industrieland einen Plan vorgelegt, der geeignet wäre, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Selbst wenn alle bestehenden Klimaschutzpläne umgesetzt würden, steuere die Welt auf eine Erhitzung zwischen 2,4 und 2,8 Grad zu. Jedoch sei es "sehr wichtig, bei diesen Diskussionen nicht Anpassung gegen Klimaschutz auszuspielen", sagt UBA-Expertin Schauser. Oder, anders ausgedrückt: Sich anpassen zu wollen, solle nicht heißen, Klimaschutz weniger ernst zu nehmen. Die Menschheit könne sich ohnehin nicht auf alles vorbereiten, und viele Tier- und Pflanzenarten erst recht nicht – es gebe Grenzen der Anpassung: Auch begrünte Städte helfen nur bis zu bestimmten Hitzeextremen. Treibhausgase zu reduzieren, sei auch bei umfassender Anpassung unerlässlich. Sicher ist: Wer versucht, sich an starke klimatische Veränderungen anzupassen, muss viel Geld ausgeben. Böden zu entsiegeln und Flüsse zu renaturieren, damit diese Starkregen besser aufnehmen können, Wohnviertel an der Küste umzusiedeln, weil das Meer ansteigt – all dies erfordert milliardenschwere Investitionen.

… Und dann noch die Gäste

Während es in Südeuropa immer trockener und zunehmend über Anpassungsmaßnahmen diskutiert wird, bleiben die austrocknenden Regionen beliebte Urlaubsziele: Auch in diesem und in den folgenden Jahren werden die Côte-d’Azur, Südspanien und viele Teile Italiens in den Sommermonaten wieder einen Großteil der innereuropäischen Urlauber empfangen. Entsprechend ist nicht nur der Wasserverbrauch von Land- und Energiewirtschaft zu diskutieren, sondern auch die Frage, wieviel Wasser die Tourismusbranche nutzen darf, wird immer relevanter. Der hohe Wasserverbrauch der Gäste ist dabei abzuwägen gegen die wirtschaftliche Relevanz, die der Tourismus für diese Regionen hat.

Wenig überraschend zeigt der Vize-Vorsitzende des Hotelierverbandes der Region Côte-d’Azur, Eric Abihssira, Verständnis für den hohen Wasserverbrauch der Touristen: In einem Fernsehinterview im April 2023 sagte er wörtlich, dass sich "die Einheimischen bescheiden" sollten – die Hotels könnten keine Zugeständnisse von ihren Gästen verlangen, etwa kürzer zu duschen. Das würde ein "angstvolles Klima" schaffen, das nicht gut für den Tourismus sei. Mit dieser Äußerung machte er sich zwar bei Umweltverbänden unbeliebt, die ihn dafür kritisierten, einen letztlich verschwenderischen Konsum gutzuheißen. Aber Abihssira traf mit seinem Vorstoß den Kern eines Konfliktes, der Südeuropa – und viele weitere europäische Staaten – früher oder später ereilen wird: Der Konflikt um die Verteilung von Wasser. Wer hat Vorrang, wenn das wertvolle Gut knapp wird? Die Industrie, die Landwirte, die Tourismusbranche, die Bürgerinnen und Bürger? Diese Frage hat bislang noch kein Land Europas eindeutig beantworten können.

arbeitet als Klimareporterin für die gemeinnützige Redaktion "Correctiv" und berichtet aus Frankreich vor allem für "Die Zeit".
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