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Im weltpolitischen Machtgefüge

Camille Lons

/ 14 Minuten zu lesen

Traditionell pflegen die Golfstaaten und andere Länder der MENA-Region ein enges Verhältnis zu den USA. Mit dem Aufstieg Chinas, verbunden mit einer starken Rohstoffnachfrage, werden alte Allianzen infrage gestellt.

Der Nahe Osten ist seit Langem ein bedeutender Schauplatz globaler Machtverschiebungen und Rivalitäten zwischen Großmächten. Den Anfang bildeten die kolonialen Bestrebungen der europäischen Mächte im 19. Jahrhundert. Diese Dynamik setzte sich in den Stellvertreterkonflikten des Kalten Kriegs und dem globalen Aufstieg der USA fort. Heute, da die US-amerikanische Führungsrolle verblasst und China erstarkt, steht die Region wieder im Mittelpunkt bedeutender Veränderungen in der globalen Ordnung.

Im März 2023 staunte die Welt über einen womöglich historischen diplomatischen Durchbruch zwischen Saudi-Arabien und Iran, der unter der Schirmherrschaft Chinas zustande gekommen war. In Abkehr von ihrer traditionell vorsichtigen Haltung der Nichteinmischung erzielte die Volksrepublik ihren ersten nennenswerten außenpolitischen Erfolg in einer Region, in der bislang westlicher Einfluss dominiert. Die Beziehungen zwischen China und den Staaten des Nahen- und Mittleren Ostens (MENA-Region) haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten an Fahrt aufgenommen. Hatte Beijing die Region lange Zeit als randständig gegenüber seinen Kerninteressen betrachtet, waren nun der boomende Energiebedarf und die wachsenden internationalen Ambitionen Argument genug, um die eigene Präsenz zu verstärken, durch die immerhin einige der strategisch wichtigsten Handelsrouten der Welt verlaufen. Auch die Länder in der Region nehmen den Wandel in den globalen Machtverhältnissen wahr und sind bestrebt, ihre Beziehungen zu externen Großmächten zu diversifizieren und dringend benötigte Investitionen aus China anzuwerben. In den USA löst der steigende chinesische Einfluss im Nahen Osten dagegen Besorgnis aus. Die wachsende Rivalität zwischen China und den Vereinigten Staaten könnte die Nahoststaaten letzten Endes vor schwierige Entscheidungen stellen.

Wachsende Präsenz Chinas

Chinas Präsenz im Nahen Osten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten merklich ausgeweitet, zunächst angetrieben durch den massiven Energiebedarf der Volksrepublik. So entfallen etwa die Hälfte der chinesischen fossilen Brennstoffimporte auf die Region. Generell haben sich die chinesischen Energieimporte in den zurückliegenden 20 Jahren um das 15-Fache erhöht, was das Land 2016 zum größten Erdölimporteur der Welt aufsteigen ließ. Zehn Jahre nach Beginn der chinesischen "Belt and Road Initiative" (BRI) 2013, auch bekannt als "Neue Seidenstraße", haben sich die Beziehungen zwischen China und den Staaten des Nahen Ostens merklich verdichtet.

Geostrategisch nimmt der Nahe Osten eine Schlüsselposition auf den Land- und Seehandelsrouten zwischen Asien und Europa ein. Durch den Suezkanal in Ägypten werden 12 Prozent des weltweiten Seehandels und 60 Prozent des chinesischen Handels mit Europa abgewickelt. Der Nahe Osten ist auch Teil eines der wichtigsten BRI-Korridore, dem sogenannten Wirtschaftskorridor China–Zentralasien–Westasien (CCWAEC), der China mit der Türkei und Iran verbindet. In den vergangenen 15 Jahren waren chinesische Unternehmen an zahlreichen Infrastruktur- und Industrieprojekten im gesamten Nahen Osten beteiligt, von der TEDA-Suez-Zone in Ägypten über die Häfen Aschdod und Haifa in Israel bis hin zum Khalifa-Hafen und der Industriezone in Abu Dhabi, dem Hafen Duqm in Oman und der Jazan City for Primary and Downstream Industries in Saudi-Arabien. Laut dem "China Global Investments Tracker" des American Enterprise Institute wurden in der MENA-Region seit 2013 Aufträge im Wert von über 122 Milliarden US-Dollar an chinesische Unternehmen vergeben.

Darüber hinaus haben sich die Beziehungen zwischen China und verschiedenen Ländern der MENA-Region über die Bereiche Energie und Infrastruktur hinaus auf aufstrebende Sektoren wie neue Technologien, Gesundheit, erneuerbare Energien, Kernenergie, Raumfahrt und Rüstungsindustrie ausgeweitet. Fast alle Länder des Nahen Ostens haben Verträge mit dem chinesischen Telekommunikationskonzern Huawei über die Beteiligung an ihren 4G- und 5G-Netzen abgeschlossen. Einige dieser Länder haben diese Partnerschaft noch vertieft, indem sie gemeinsam mit Unternehmen wie Huawei, Tencent und Alibaba Lösungen für Smart Cities und Datenzentren entwickelten. So hat Huawei für Saudi-Arabien etwa die Hadsch und Umrah-App entwickelt, um Millionen von muslimischen Pilgern zu überwachen, die jedes Jahr in das Königreich reisen. Chinesische Tech-Unternehmen sind außerdem zu wichtigen Investoren für israelische Tech-Start-ups geworden. Zudem kooperierte das chinesische Unternehmen Sinopharm während der Corona-Pandemie mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Ägypten und Marokko bei der gemeinsamen Herstellung und Verteilung von Covid-19-Impfstoffen für die gesamte Region. Chinesische Unternehmen waren schließlich auch an der Entwicklung einiger der größten Solarprojekte der Welt in den VAE beteiligt.

Auch wenn sich China traditionell nur ungern in die Politik im Nahen Osten einbringt, zeigt das Land zunehmend Bereitschaft, sich in der Region diplomatisch und auch sicherheitspolitisch zu engagieren. 2017 eröffnete China beispielsweise seinen ersten Militärstützpunkt auf fremdem Boden in Dschibuti an der Mündung der Meerenge von Bab al-Mandab, einem der strategisch wichtigsten Seeverkehrsknotenpunkten der Welt. Seither hat die Anzahl von gemeinsamen Marineübungen der chinesischen Marine mit Ländern der Region, darunter Ägypten, Saudi-Arabien und Iran schrittweise zugenommen. Sie initiierte außerdem die Zusammenarbeit mit Ländern wie Saudi-Arabien, den VAE und Iran bei der gemeinsamen Entwicklung und Herstellung von Drohnen und Raketen.

Anfang 2023 spielte Beijing schließlich eine entscheidende Rolle bei der diplomatischen Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien, was weltweit für Aufsehen sorgte. Das Abkommen zwischen den beiden langjährigen Erzrivalen war ein wichtiger Schritt zur Deeskalation in der Region vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen durch das iranische Atomprogramm und diverse paramilitärische Aktivitäten etwa in Syrien oder dem Libanon. Obwohl die Rolle Chinas hier nicht überbewertet werden sollte – Beijing war nur bei den letzten Verhandlungsschritten zum Abkommen zwischen den verfeindeten Ländern dabei –, wird deutlich: China beschränkt sich im Nahen Osten nicht länger auf Nichteinmischung und könnte sich auch in Zukunft stärker politisch einbringen.

Globale Energiemärkte im Wandel

Die sich vertiefenden Beziehungen zwischen China und dem Nahen Osten sind Ausdruck umfassenderer Entwicklungen auf der geoökonomischen und geopolitischen Ebene und haben Auswirkungen, die weit über die Region hinausreichen.

Erstens stellt die Schwerpunktverlagerung der globalen Energiemärkte in Richtung Asien die Grundlage der Beziehungen infrage, die die Region bislang zu einzelnen Großmächten unterhält. Der Nahe und Mittlere Osten, insbesondere die Golfregion, ist mit einem Anteil von etwa der Hälfte des globalen Exportvolumens bei fossilen Brennstoffen weltweit führend. Seit den 1950er Jahren war der Faktor Energie von zentraler Bedeutung für die Sicherheitsbeziehungen mit den USA. Das Treffen zwischen US-Präsident Franklin D. Roosevelt und dem saudischen König Abdul Aziz Ibn Saud an Bord der "USS Quincy" im Suezkanal 1945 war seinerzeit der erste Schritt hin zu einem Bündnis, das auf der stabilen Versorgung mit preiswertem Erdöl im Austausch für amerikanische Sicherheitsgarantien beruhte. 1974 wurde diese gegenseitige Abhängigkeit durch ein ähnliches Abkommen zwischen Präsident Richard Nixon und König Faisal bin Abdulaziz Al Saud bekräftigt. Diese Partnerschaft beförderte nicht nur das amerikanische Wirtschaftswachstum, sondern auch die internationale Führungsrolle des US-Dollar. Im Gegenzug wurden die USA zum wichtigsten Sicherheitspartner der Golfstaaten und zu einem Grundpfeiler der regionalen Sicherheitsarchitektur. Die Länder des Nahen Ostens – hauptsächlich die Golfstaaten, Ägypten, Israel und Jordanien – importieren mehr als zwei Drittel ihrer Verteidigungstechnologien aus den Vereinigten Staaten. Die US-Stützpunkte in der Region, unter anderem in Bahrain, Katar und Kuwait, spielen eine wichtige Rolle bei der Abschreckung regionaler Rivalen, insbesondere Irans.

Die tiefgreifenden Veränderungen auf den Energiemärkten in den vergangenen zehn Jahren haben dieses Gleichgewicht ins Wanken gebracht. Die "Schiefergasrevolution" Ende der 2000er Jahre in den USA rückte die Energieunabhängigkeit des Landes in greifbare Nähe. Die Aussicht auf eine globale Energiewende verstärkte in US-Politikerkreisen das Gefühl, dass die Golfregion sehr bald an strategischer Bedeutung verlieren würde. Angesichts dieser neuen Situation weigerte sich Präsident Donald Trump 2019 beispielsweise, beim iranischen Angriff auf die saudischen Ölverarbeitungsanlagen in Abqaiq und Churais zu intervenieren, was in politischen Kreisen am Golf als Verrat gewertet wurde.

Gleichzeitig ist China in den letzten zehn Jahren zum größten Ölimporteur der Welt und größten Abnehmer im Nahen Osten geworden. Der Anteil Chinas an den Energieexporten der Region kletterte von weniger als 5 Prozent in den frühen 2000er Jahren auf über 20 Prozent im Jahr 2021. Laut Prognosen der Internationalen Energieagentur dürfte sich dieser Trend in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen. Entsprechend erklärte Amin H. Nasser, der Vorstandsvorsitzende des staatseigenen saudischen Ölkonzerns Aramco 2021, dass China für die nächsten 50 Jahre die oberste Priorität des Unternehmens bleiben werde.

Diese Verlagerung des Schwerpunkts globaler Energiemärkte nach China stellt eine Herausforderung für den Kern der Beziehungen zwischen der Region und den USA dar und schafft neue strategisch wichtige Abhängigkeitsverhältnisse mit China.

Region am Scheideweg

Die enger werdenden Beziehungen des Nahen Ostens zu China folgen nicht nur einer wirtschaftlichen Logik. Diese Entwicklung findet vor dem Hintergrund einer tiefgreifenden Transformation der globalen Ordnung statt. Dieser Wandel geht mit einer schwindenden Führungsrolle der USA, einer zunehmenden Multipolarität und einem heraufziehenden Großmachtwettstreit zwischen den USA und China einher.

Die Erosion der amerikanischen Führungsrolle und das offensichtliche Desinteresse der USA am Nahen Osten – Präsident Obama kündigte 2011 etwa eine strategische Verlagerung in den indo-pazifischen Raum an – haben ihre Spuren im Urteil der politischen Entscheidungsträger im Nahen Osten hinterlassen. Die fehlende Solidarität Trumps 2019 nach der iranischen Attacke auf die saudische Ölinfrastruktur und der katastrophale Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan 2021 trugen zum Bild einer zunehmend mit sich selbst beschäftigten und im Niedergang befindlichen amerikanischen Macht bei.

Folglich stellen sich die Länder des Nahen Ostens auf eine zunehmend multipolare internationale Ordnung ein, indem sie auf eine diversifizierte, unabhängigere und flexiblere Außenpolitik setzten. In den vergangenen Jahren haben sie beispielsweise ihr Engagement in nicht-westlichen internationalen Zusammenschlüssen wie der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) oder den BRICS. China bietet diesen Ländern ein alternatives Wachstums- und Regierungsmodell und bestärkt ein Narrativ, das die westlich geführte globale Ordnung infrage stellt. Vor dem Hintergrund der wachsenden Rivalität zwischen den USA und China bot die engere Anbindung an China einigen Ländern des Nahen Ostens auch die Möglichkeit, Verhandlungsspielräume zu maximieren.

Die Nahoststaaten nutzen China außerdem immer wieder als Druckmittel in ihren Beziehungen zum Westen. Die Golfstaaten, Israel, die Türkei, Ägypten und Marokko setzten ihre Beziehungen zu China ausgerechnet in solchen Situationen in Szene, in denen westliche Länder die Menschenrechtslage in diesen Ländern kritisierten. Im Februar 2019, nur wenige Monate nach dem Mordanschlag auf den saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul, der mutmaßlich aus Kreisen des Königshauses veranlasst worden war, reiste der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman öffentlichkeitswirksam nach China. 2018 trugen chinesische Investitionen auf dem türkischen Markt dazu bei, die Abwertung der türkischen Lira während der diplomatischen Krise Ankaras mit Washington abzufedern. Länder, die mit internationalen Sanktionen belegt sind, wie Syrien und Iran, versuchten, ihre Beziehungen zu China zu nutzen, um ihre diplomatische Isolation zu durchbrechen.

In den vergangenen zwei Jahren haben der Krieg in der Ukraine und das Wiederaufflammen des israelisch-palästinensischen Konflikts diesen grundlegenden Trend weiter verstärkt. Beide Konflikte offenbaren tiefe Gräben innerhalb der internationalen Gemeinschaft und unterschiedliche Stimmen innerhalb des Globalen Südens werden laut, die die vom Westen geführte internationale Ordnung zunehmend hinterfragen und "westliche Heuchelei und Doppelmoral" anprangern.

Aus Beijings Sicht steht das Interesse am Nahen Osten in Einklang mit dem eigenen wachsenden Selbstbewusstsein auf der internationalen Bühne. Die Region erscheint Beijing nicht mehr bloß als wichtige Öl- und Gasquelle, sondern auch als potenzieller Vermittler seiner eigenen Interessen. In Länder vorzudringen, die traditionell den USA nahestanden, schwächt die globale Position der Vereinigten Staaten bei relativ geringen Kosten für China und lenkt zudem die Aufmerksamkeit Washingtons von anderen Schauplätzen im Pazifik ab. In letzter Zeit haben die Nahoststaaten in internationalen Foren zunehmend Chinas Narrative und Positionen unterstützt, auch etwa bezüglich der Uiguren und Taiwan.

Die Golfstaaten scheinen für Beijing von besonderem Interesse zu sein. Ihr enormes finanzielles und geoökonomisches Gewicht, das als Instrument zur Einflussnahme auf die regionale und internationale Politik dienen kann, macht sie auch für Beijing zu äußerst nützlichen Partnern. Der Krieg in der Ukraine hat die geopolitische Bedeutung von Energie mit Wucht zurück auf die Agenda geholt. Für die globale Politik hat es weitreichende Folgen, wie sich die Golfstaaten in ihren Entscheidungen verhalten: ob sie sich den westlichen Sanktionen anschließen, ob sie einen Staat dabei unterstützen, sie zu umgehen, ob sie Milliarden an Investitionen und Staatsanleihen umleiten oder den Ölhandel statt in Dollar in anderen Währungen steuern. Insbesondere im Fall einer Eskalation im indopazifischen Raum wären dies wichtige Stellschrauben. Daher betrachtet Beijing die Golfstaaten zunehmend als bedeutsame Mächte, die auf dem internationalen Parkett in entscheidenden Momenten den Ausschlag geben können.

Bühne für die China-US-Rivalität?

Die Annäherung des Nahen Ostens an China hat man in Washington durchaus registriert. Die USA beobachten mit Sorge, dass einige ihrer wichtigsten Partner in der Region und bedeutsame Rüstungsimporteure näher an ihren strategischen Rivalen herangerückt sind. Der Krieg in der Ukraine hat bereits gezeigt, wie sich die Weigerung der Ölexporteure des Nahen Ostens, sich den westlichen Sanktionen gegen Russland anzuschließen, auf den Verlauf eines Konflikts auswirken kann, mitunter zulasten westlicher Interessen. Die USA befürchten zudem, dass die zunehmende Zusammenarbeit zwischen den Ländern des Nahen Ostens und China, die sich auch auf die Bereiche neue Technologien und Verteidigung ausdehnt, die Wahrscheinlichkeit für chinesische Überwachungsaktivitäten oder den Diebstahl strategisch wichtiger amerikanischer Technologien durch China erhöhen wird.

Als Reaktion auf diese neue Herausforderung versuchen die Vereinigten Staaten, den Druck auf manche ihrer engen Partner im Nahen Osten zu erhöhen, um die Entwicklung der Beziehungen zu Beijing zu bremsen. Der Hafen von Haifa in Israel beispielsweise, der regelmäßig die sechste US-Flotte beherbergt, wurde unlängst zu einem Konfliktpunkt zwischen den USA und Israel, nachdem Chinas staatseigene Shanghai International Port Group (SIPG) 2015 den Zuschlag für den Betrieb eines Terminals erhalten hatte. Anfang 2020 intervenierten die USA, um Israel dazu zu drängen, ein chinesisches Angebot für eine hochstrategische Entsalzungsanlage abzulehnen, die in der Nähe eines Militärstützpunkts gebaut werden sollte. Außerdem zwangen sie Israel, ein System zur Überprüfung ausländischer Investitionen einzurichten, das darauf ausgelegt ist, chinesische Investitionen besonders genau unter die Lupe zu nehmen. 2021 erhielten die US-Geheimdienste besorgniserregende Kenntnisse darüber, dass die chinesische Armee den Bau einer Militäranlage nahe des Hafens von Khalifa in den VAE plant, wo das chinesische Logistikunternehmen COSCO bereits ein Terminal betreibt. Diese Entwicklung brachte die Verhandlungen zwischen den USA und den VAE über die Lieferung von F35-Kampfjets zum Scheitern und löste erregte Debatten über die Zukunft der bilateralen Sicherheitsbeziehungen aus.

Ähnliche Bedenken wurden hinsichtlich der verstärkten Aktivität chinesischer Technologieunternehmen bei der Entwicklung von digitaler Infrastruktur in der Region geäußert. In den Jahren 2020 bis 2022 versuchten die USA vergeblich, die Golfstaaten davon abzubringen, Huawei für die Entwicklung ihrer 5G-Infrastruktur zu beauftragen. In Washington befürchtet man, dass das Unternehmen undurchsichtige Verbindungen zum chinesischen Militär unterhält. Sorge bereitet auch die Lage in Israel, wo chinesische Unternehmen in erheblichem Umfang in Technologie-Start-ups investiert haben. Angesichts der engen bilateralen militärischen Beziehungen und dem fließenden Übergang zwischen den Bereichen Technologie und Verteidigung befürchtet man chinesische Spionage und einen potenziellen Zugang zu amerikanischen Technologien mit zivilem und militärischem Verwendungszweck. Am Golf gelang es den USA 2023 beispielsweise, das emiratische KI-Unternehmen G42 dazu zu bewegen, seine Verbindungen zu chinesischen Unternehmen zu kappen. Viele Länder im Nahen Osten wehren sich jedoch mehr und mehr gegen diesen US-amerikanischen Druck.

Grenzen von Chinas Einfluss

Trotz des wachsenden Einflusses der Volksrepublik gilt: Die Beziehungen zwischen dem Nahen Osten und China können es an Intensität bisher nicht mit den wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bindungen aufnehmen, die die dortigen Länder seit Jahrzehnten mit dem Westen, insbesondere mit den USA, unterhalten. Europa und Nordamerika sind nach wie vor die bei Weitem wichtigste Quelle für ausländische Direktinvestitionen (FDI), Kredite und humanitäre Hilfe. Chinesische FDI und Darlehen in der MENA-Region blieben bislang eher die Ausnahme, meist ausgebremst durch wirtschaftliche Schwierigkeiten und die politische Instabilität der Region. 2021 entfielen nur zwei Prozent der gesamten FDI, die in die Volkswirtschaften der MENA-Region flossen, auf China – zehnmal weniger als Investitionen etwa aus Europa. Die Verschuldung gegenüber China wird in neun MENA-Ländern, für die Daten vorliegen, für 2021 auf 6,5 Milliarden US-Dollar geschätzt und macht damit weniger als ein Prozent der gesamten Auslandsschulden dieser Länder aus.

In äußerst instabilen Ländern wie Libyen, dem Libanon und Syrien haben sich die Hoffnungen, dass China in lokale Industrien und Infrastrukturen wie den Hafen von Tripoli im Libanon und die Eisenbahnlinie Beirut–Tripoli investieren würde, nicht erfüllt. Manche Projekte wie die "Silk City" in Kuwait oder der Industriepark in Duqm, Oman, wurden ebenfalls aufgegeben oder kamen nur sehr langsam in Gang. Ab 2018 begann China, die BRI weltweit neu zu kalibrieren und den Umfang der Kredite und Projekte zu reduzieren, wobei sich chinesische Banken zuweilen mit Schuldenkrisen in den Empfängerländern konfrontiert sahen. Dieser Trend spiegelt sich auch in der MENA-Region wider, wo die Zahl der Aufträge an chinesische Unternehmen seit 2018 um ein Drittel zurückgegangen ist und die FDI auf einem niedrigen Niveau verharren. Die VAE und Saudi-Arabien bleiben die wichtigsten Länder der Region, in denen die Wirtschaftsbeziehungen mit China in den vergangenen Jahren weiterhin prosperieren.

In bestimmten Spitzensektoren, vor allem in den Bereichen neue Technologien und Kernenergie, bevorzugen die Unternehmen im Nahen Osten weiterhin Partnerschaften mit westlichen Anbietern, die oft als renommierter und innovativer gelten als ihre chinesischen Pendants und von einem besseren Geschäftsumfeld profitieren. Die Schwierigkeiten der chinesischen Wirtschaft, das harte Durchgreifen Präsident Xi Jinpings gegen einige Tech-Giganten und die Verschärfung der amerikanischen Sanktionen waren nicht förderlich.

Im Bereich Sicherheit und Verteidigung bleibt die Präsenz der USA bis heute unangetastet. China zeigte sich bislang nicht gewillt, den amerikanischen Sicherheitsschirm in der Region zu ersetzen. Chinesische Waffen machen weniger als 2 Prozent der Rüstungsimporte im Nahen Osten aus, während die USA allein für drei Viertel der Gesamteinfuhren verantwortlich zeichnen. Im Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza und der Eskalation der Spannungen im Roten Meer seit Ende 2023 hat sich China trotz starker wirtschaftlicher Interessen in der Region sehr zurückhaltend gezeigt. Beijing schien nicht gewillt, seine Rolle bei der saudi-iranischen Annäherung zu nutzen, um zur Deeskalation aufzurufen. Auch die im Roten Meer präsenten Militärkapazitäten wurden nicht genutzt, um die freie Durchfahrt von Handelsschiffen zu unterstützen. Im Gegenteil: Der Krieg in Gaza scheint die große Rückkehr der US-Militärmacht in der Region anzukündigen.

Obwohl sich die Beziehungen zwischen China und dem Nahen Osten in den vergangenen zehn Jahren merklich intensiviert haben, bleibt es noch ein langer Weg, bis sie es mit den Bindungen zu den USA und Europa aufnehmen können. Die neue Hinwendung des Nahen Ostens in Richtung Asien steckt noch in den Kinderschuhen, doch sie hat bereits zu tiefgreifenden Veränderungen im Verhältnis zu den USA beigetragen. Sie verdeutlicht, dass ein neuer, ehrgeizigerer und unabhängigerer Naher Osten die internationale Bühne betritt. Es bleibt abzuwarten, wie lange die Länder dieser Region in der Lage sind, die Balance zwischen ihren verschiedenen Partnern in einem Kontext wachsender Großmachtrivalitäten aufrechtzuerhalten.

Aus dem Englischen von Birthe Mühlhoff, Dinslaken

ist Visiting Fellow im MENA-Programm des European Council on Foreign Relations (ECFR) in Paris, wo sie sich im Schwerpunkt mit den Golfstaaten und den China-Nahostbeziehungen befasst.