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Mali | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Mali

Christian Klatt

/ 9 Minuten zu lesen

Der Konflikt in Mali ist eine Kombination aus dem Aufbegehren der Tuareg im Norden, einer sozio-ökonomischen Krise und der dschihadistischen Expansion in der gesamten Sahel-Zone. Trotz des Friedensabkommens von 2015 greift die Destabilisierung immer weiter vom Norden auf die Mitte des Landes über.

Anhänger/-innen der Opposition während einer Kundgebung in Bamako, Mali. (© picture-alliance, AA | Stringer)

Aktuelle Konfliktsituation

Seit drei Jahren hat sich die Lage im Zentrum des Landes drastisch verschlechtert. Insbesondere die Regionen Mopti und Ségou sind instabil und von bewaffneten Konflikten geprägt. Immer wieder geraten nomadisch lebende Viehzüchter und sesshafte Bauern aneinander. Mit der Destabilisierung haben sich auch islamische Fundamentalisten in der Mitte des Landes etabliert, was den Ausweg aus der malischen Krise weiter verkompliziert. Die Verbindung des religiösen Führers Amadou Kouffa mit dem Tuareg-Führer Iyad Ag Ghaly und ihre Vernetzung mit islamistischen und anderen extremistischen Akteuren und Gruppen bis nach Burkina Faso sind eine Gefahr für Frieden und Stabilität nicht nur für Mali, sondern für die gesamte Sahelzone.

Im Anschluss an die Wahlen zur Nationalversammlung im März und April 2020 kam es zu einer breiten Protestbewegung gegen den wiedergewählten Präsidenten Keita. Nach malischem Recht obliegt dem Verfassungsgericht (dem Cour Constitutionelle) die letzte Bestätigung der endgültigen Wahlergebnisse. Auch wenn der demokratietheoretisch problematische Eingriff in die Sitzverteilung nicht neu ist und oftmals zum Vorteil der regierenden Parteien erfolgt, war diesmal die Differenz zwischen den ersten provisorischen Ergebnissen und den späteren Endergebnissen so groß, dass die Bevölkerung aufbegehrte. Die Regierungspartei Rassemblement pour Mali (RPM) von Präsident Ibrahim Boubacar Keita (genannt IBK) gewann gegenüber der ersten Zählung deutlich Sitze hinzu. Die "Bewegung des 5. Juni" (Movement de 5 Juin, M5), benannt nach dem Datum der ersten großen Demonstration, hatte als Hauptforderung die Absetzung von Präsident Keita erhoben. Zu mehreren Großdemonstrationen in Bamako kamen jeweils um die 20.000 Personen. Bei Zusammenstößen im Juli setzen staatliche Sicherheitskräfte scharfe Munition ein. Mindestens 14 Personen verloren ihr Leben.

Nachdem sich das malische Militär zunächst zurückgehalten hatte, kam es am 18. August 2020 zu einem Putsch gegen die Regierung von Keita. Präsident Keita trat noch am gleichen Abend zurück und ordnete die Auflösung der Nationalversammlung an. Anschließend ernannten die Putschisten das Komitee zur Rettung des Volkes (Comité national pour le Salut du Peuple, CNSP) als neues Regierungsorgan. Die malische Bevölkerung begrüßte die Entmachtung von Präsident Keita. Nach Verhandlungen mit der Westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS über die Bedingungen für eine Übergangsphase zu demokratisch legitimierten Strukturen hat die Übergangsregierung unter dem ehemaligen Verteidigungsminister, Bah N’Daw, Neuwahlen innerhalb von achtzehn Monaten und die konsequente Umsetzung des Friedensvertrags von 2015 zugesagt.

Seit Mitte 2020 wurde zur Unterstützung der Operation "Barkhane" die Taskforce "Takuba" geschaffen, der nicht nur französische Spezialkräfte, sondern auch weitere europäische Partner angehören. Ihr Zweck ist die Bekämpfung dschihadistischer Gruppen in der Grenzregion Liptako zwischen Mali, Burkina-Faso und Niger.

Mali. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Ursachen und Hintergründe

Nordmali ist seit der Unabhängigkeit (1960) nie zu hundert Prozent vom Staat kontrolliert worden. Außerhalb der Hauptstadt und in den Provinzhauptstädten ist der Staat nur bedingt präsent. Die staatlichen Institutionen können bis heute in vielen Landesteilen keine Grundversorgung in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Wasser und Strom gewährleisten. Die verbreitete Frustration angesichts des Versagens des Staates auf allen Ebenen begünstigt die Ausbreitung bewaffneter Gruppen, die u.a. mit Schmuggel sowie Drogen- und Waffenhandel Einkommen generieren.

Aus Algerien verdrängte Terroristen fanden Rückzugsräume in den Regionen Kidal und Timbuktu, wo sie sich durch Nahrungsmittelversorgung, Geldzahlungen und Heiratsallianzen etablieren konnten. Aus Algerien und – nach dem Sturz von Gaddafi – auch aus Libyen kamen nicht nur Waffen, sondern auch die salafistische Auslegung des Islam nach Nordmali. Die Probleme wurden durch regionale Dürren zusätzlich verschärft, die vielen Viehhirten ihre Lebensgrundlage genommen haben.

Der Regierung unter Ministerpräsident Ibrahim Boubacar Keita, die sich von 2013 bis zum Putsch im August 2020 im Amt befand, gelang es nicht, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Vielmehr hat sich die politische Klasse Malis seit 2012 noch weiter den Bürgern des Landes entfernt. Die Ergebnisse der jüngsten Meinungsumfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung Mali zeigen, dass trotz aller Sicherheitsprobleme im Land die individuelle ökonomische Entwicklung weiterhin als eines der Hauptprobleme gesehen wird. Steigende Lebensmittelpreise, anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und die weiterhin stagnierende sozio-ökonomische Entwicklung insgesamt führten zu stetig wachsender Frustration innerhalb der Bevölkerung. Konflikte zwischen der arbeitenden Bevölkerung und der Regierung konnten immer seltener im Rahmen eines Dialoges gelöst werden; die Zahl an angemeldeten und unangemeldeten Streiks nahm permanent zu.

Mali - Ernährungssituation. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Die Probleme verlangen primär eine politische und sozio-ökonomische Antwort. Besonders groß und potenziell explosiv ist die Unzufriedenheit in den Reihen der malischen Jugend, die diesen Unmut auch zunehmend sowohl in sozialen Medien als auch auf der Straße artikuliert. Junge Menschen sind auch besonders von Arbeitslosigkeit betroffen. Hier besteht einerseits die Energie für einen Wandel, sofern es gelingt diese Gruppen mit einzubeziehen. Andererseits besteht ein gehöriges Stabilitätsrisiko, wenn diese Energie nicht in konstruktive Bahnen gelenkt werden kann.

In Mali besteht heute die paradoxe Situation, dass die Umsetzung des Friedensprozesses genau an den Problemen zu scheitern droht, die eigentlich durch den Prozess adressiert und überwunden werden sollen. Bei der nationalen Verständigungskonferenz (Conférence d'Entente Nationale) Anfang 2017, die mit breiter politischer und zivilgesellschaftlicher Beteiligung neuen Schwung in den Friedensprozess bringen sollte, wurden die Gründe für den Ausbruch der Krise debattiert:

  • schlechte Regierungsführung, insbesondere die mangelhafte Verwaltung der Staatsressourcen,

  • ungleicher Zugang zu natürlichen Ressourcen und daraus erwirtschafteten Gewinnen,

  • wachsende Diskrepanz und fehlende Umverteilung zwischen Arm und Reich,

  • Korruption und mangelnde Rechtsstaatlichkeit.

Die Gefahr einer Teilung Malis ist nicht gebannt, obwohl sich alle Konfliktparteien, selbst die Rebellen, für nationale Einheit, territoriale Integrität und die Souveränität des malischen Staates sowie für die Beibehaltung des republikanischen politischen Systems und des Laizismus (Art. 1) aussprechen. Die Abwesenheit des Staates in vielen Regionen des Landes hat dazu geführt, dass Funktionen, wie Gerichtsbarkeit und Sicherheit, von außerstaatlichen Akteuren übernommen werden. Teilweise findet sich dieses Verhalten auch bei islamistischen Gruppen, allen voran der von Kouffa geführten Jama'a Nusrat ul-Islam wa al-Muslimin (JNIM), welche in den letzten Monaten mehrfach Vermittlungsbemühungen zwischen rivalisierenden Dörfern unternahm.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Der malische Friedensprozess findet momentan nur auf dem Papier statt, auch wenn die Regierung anderes behauptet. Zwar bestehen inzwischen die administrativen Voraussetzungen für die Umsetzung des Friedensabkommens und einige Reformen wurden vorbereitet, doch wurde die Gelegenheit für eine zügige, politische Umsetzung vertan. Auch bei der Förderung guter Regierungsführung und im Kampf gegen Korruption, die im Friedensvertrag vorgesehen sind, lassen sich wenig Fortschritte feststellen. Das gilt ebenfalls für die Reform der dysfunktionalen staatlichen Verwaltung und der Justiz. In der Folge nimmt Straflosigkeit bei kriminellen Vergehen immer drastischere Ausmaße an.

Schließlich wurde auch die Verfassungsreform auf Eis gelegt. Dies zeichnete sich bereits 2017 bei der Planung des Referendums über die neue Verfassung ab. Gegenstand der Reform hätte u.a. die Schaffung einer zweiten Kammer sein sollen. Die Reform wurde aufgrund des Drucks der Zivilgesellschaft und einer großen außerparlamentarischen Opposition sowie des fehlenden Vertrauens der Bevölkerung abgelehnt, die nur eine weitere Bereicherung der politischen Eliten witterte.

Folgende Faktoren stellen ernsthafte Hindernisse bei der Umsetzung des Friedensvertrages dar:

  • Gewalttaten und Unsicherheit sowie die Präsenz von Terrorgruppen in den Nordregionen und im Zentrum,

  • die sich ständig verändernde Zusammensetzung bewaffneter Gruppen (So muss seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens immer wieder auf Abspaltungen bzw. veränderte Zusammensetzungen bewaffneter Gruppen reagiert werden),

  • die mangelnde Einbeziehung der politischen Parteien und der Zivilgesellschaft in die Gremien zur Umsetzung des Friedensabkommens und die Intransparenz des Umsetzungsprozesses,

  • die schleppende und unzureichende Finanzierung des Friedensabkommens (Trotz Zusagen der internationalen Gemeinschaft sind Gelder immer wieder nur bedingt verfügbar, auch aufgrund administrativer Hürden).

Für die Begleitung und Umsetzung des Friedensprozesses wurde ein komplexer Mechanismus geschaffen. Dazu gehören insbesondere das Büro des hohen Repräsentanten des Staatspräsidenten für die Umsetzung des Friedensabkommens, das nationale Monitoringkomitee (CSA) sowie vier Unterkomitees für die Eckpunkte des Friedensvertrages. In diesen Gremien sitzen Vertreter/-innen der Regierung und bewaffneter Gruppen. Mittlerweile wurden immerhin die zwei im Friedensvertrag vorgesehenen Kommissionen für die Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kämpfer (DDR) formal etabliert. Der für den Friedensprozess so wesentliche DDR-Prozess war von Beginn an mit großen Schwierigkeiten behaftet. So brachen rund um die Fragen der Standorte von Militärstützpunkten neue Revierstreitigkeiten zwischen den ehemaligen bzw. noch bewaffneten Gruppen auf, die sich unmittelbar nach dem Friedensschluss in einer Welle von Gewalt im Norden entluden.

Dem CSA und einigen Unterkomitees stehen Vertreter/-innen der internationalen Gemeinschaft vor. Dennoch gelingt es nicht, die instabile Sicherheitslage zu beruhigen. Kriminelle Übergriffe, Anschläge und Landminen schränken den Bewegungsraum der Bevölkerung und internationaler Akteure extrem ein. Im Zentrum und Norden Malis wird immer wieder versucht, den Einfluss krimineller und terroristischer Gruppen durch Fahrverbote für Motorräder und Pick-Up-Geländewagen einzudämmen. Der Einsatz des malischen Militärs, vor allem im Zentrum, war trotz international organisierter Ausbildung bisher nur bedingt erfolgreich.

Seit 2013 stellen die Vereinten Nationen eine Friedensmission (Mission multidimensionnelle intégrée des Nations unies pour la stabilisation au Mali – MINUSMA). Die Mission umfasst sowohl militärische als auch zivile Einheiten und Programme. Die Europäische Union ist mit zwei Missionen im Land präsent: EU Capacity Building Mission in Mali (EUCAP Sahel Mali) und European Union Training Mission in Mali (EUTM Mali).

Ende 2019 wurden mit der nationalen Wahrheitskommission und dem inklusiven Nationaldialog zwei wichtige Schritte für einen Versöhnung und Ausgleichungsprozess im Land geschaffen. Durch öffentliche und geschlossene Anhörungen werden vergangene und bestehende Konflikte aufgearbeitet. Der inklusive Nationaldialog hatte den Anspruch, die verschiedenen Interessenlagen in der malischen Gesellschaft umfassend darzustellen, um anschließend Lösungen erarbeiten zu können. Wenn der Nationaldialog wegen seiner begrenzten Reichweite durchaus in der Kritik stand, gingen davon doch wichtige Impulse aus. Die Durchführung der seit 2018 verschobenen Wahlen zur Nationalversammlung im Frühjahr 2020 war unter anderem eine der Forderungen.

Geschichte des aktuellen Konflikts

Mit mehreren Friedensabkommen wurde versucht, die Basis für einen Friedensprozess mit den Tuareg im Norden zu schaffen und die verschiedenen Teile des Landes und Bevölkerungsgruppen einander näher zu bringen – bisher jedoch ohne großen Erfolg. Die Rebellionen der Tuareg, die 1963 begannen, traten immer wieder in Zyklen auf (1990, 1994-2000, 2006 und 2012) und insbesondere dann, wenn der malische Staat eine Krise oder einen Transformationsprozess durchmachte.

Am 21. März 2012 putschten in der Hauptstadt Bamako Einheiten der malischen Armee gegen die Regierung von Amadou Toumani Touré. Vorausgegangen war eine erneute Revolte, bei der die Tuareg Waffen einsetzten, die sie nach dem Sturz Gaddafis aus libyschen Waffenlagern geraubt hatte. Die Nationale Bewegung zur Befreiung des Awazad (MNLA) nutzte das nach dem Putsch entstandene Machtvakuum, um am 6. April 2012 den unabhängigen Tuareg-Staat in der nördlichsten Region Malis auszurufen. Innerhalb kürzester Zeit eroberte die MNLA Kidal, Gao und Timbuktu – die wichtigen Städte des Nordens. Die eher säkular ausgerichtete MNLA verlor schnell ihren Einfluss an die islamistisch-dschihadistische Gruppen "Al-Qaida im Islamischen Maghreb und Ansar Dine" ("Verteidiger des Glaubens") und zog sich auf ihre Hochburg Kidal zurück.

Auf Drängen Frankreichs verabschiedete der UN-Sicherheitsrat am 20. Dezember 2012 die Resolution 2085, die ab Herbst 2013 eine afrikanisch geführte Militärmission vorsah. Als jedoch islamistische Gruppen – AQMI und das Mouvement pour l’Unité et le Jihad en Afrique de l’Ouest – in den Süden Malis vorrückten und die Hauptstadt Bamako bedrohten, griff die französische Militäroperation "Serval" auf Bitte von Interimspräsident Traoré im Januar 2013 ein. Französische Verbände und tschadische Elitetruppen befreiten die besetzten Städte, töteten viele islamistische Kämpfer oder trieben sie in die Berge des Nordens oder in die Nachbarstaaten. Es gelang ihnen jedoch nicht, sie dauerhaft zu besiegen. Seit August 2014 ist neben der MINUSMA die französische Antiterrror-Operation "Barkhane" im Norden Malis präsent.

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Christian Klatt leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako, Mali. Der Politikwissenschaftler war zuvor für die FES in Senegal und in Deutschland (z.B. NRW) tätig.