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Ethik und globaler Handel | Welthandel | bpb.de

Welthandel Editorial Ethik und globaler Handel Kurze Geschichte der Weltwirtschaft Zur Architektur des Welthandels Globale Ungleichgewichte im Außenhandel und der deutsche Exportüberschuss Landnahme: Unternehmen in transnationalen Wertschöpfungsketten Transnationale Unternehmen: Problemverursacher und Lösungspartner? Politische Ökonomie des Welthandels – Transformationsprozesse und Machtbeziehungen

Ethik und globaler Handel

André Habisch Pia Popal

/ 12 Minuten zu lesen

Im Rahmen des internationalen Handels stellen sich neben Verteilungsfragen auch ethische Anforderungen an ein verantwortliches Management transnationaler Unternehmen. Neu entstandene Normenkataloge bieten hierbei ethische Orientierung.

Die Globalisierung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen und zur Vertiefung der globalen Arbeitsteilung beigetragen. Daran sind vor allem auch neue Akteure im asiatischen und lateinamerikanischen Raum beteiligt. Aufgrund der mit dem Welthandel wachsenden Produktivitätsgewinne konnten Millionen Menschen etwa in China, Indien, Vietnam und Bangladesch der absoluten und relativen Armut entrinnen. Auch die Anzahl grenzüberschreitender privatwirtschaftlicher Transaktionen hat deutlich zugenommen. Der globale Gehalt des Welthandels erstreckt sich hierbei in erster Linie auf die Mobilität der Ressourcen, aber auch auf eine deutliche Intensivierung der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung.

Die transnationalen Bewegungen von Kapital und Produktion konzentrieren sich geografisch hauptsächlich auf Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Nordamerika, Westeuropa und Südostasien, die auch als "Triade des Welthandels" bezeichnet werden, und im geringeren Maße auf Schwellenländer wie Indien oder Brasilien. Die Globalisierung ermöglicht durch die vermehrte Ausnutzung komparativer Kostenvorteile allgemeine Produktivitätssteigerungen.

Am Beispiel des internationalen Wettbewerbs wird aber auch deutlich, dass mit der Globalisierung des Handels neben den Chancen durch neue Kooperationsgewinne auch Risiken einhergehen. Aufgrund einer fehlenden institutionellen Rahmenordnung des internationalen Handels bleiben "alte" internationale Ordnungsprobleme wie absolute Armut und Hunger, organisierte Kriminalität und Menschenhandel oder fehlender Menschenrechtsschutz ungelöst; "neue" Probleme wie globale Umweltbelastung, Korruption und elementare Defizite beim Arbeitsschutz werden tendenziell eher verstärkt.

Die Funktionsweise globaler Märkte unterscheidet sich insofern von Staaten, als ihr Vorgehen nicht von Territorialität und Souveränität geprägt ist. Grenzüberschreitender Handel, das heißt "die Verfügbarkeit und Konkurrenz derselben Güter und Dienstleistungen in weiten Teilen der Welt", ist zwar kein neues Phänomen, allerdings hat er vor allem in den vergangenen drei Jahrzehnten drastisch zugenommen. Ein wesentlicher Indikator zur Erklärung der internationalen Wirtschaftsentwicklungen ist der Vergleich zwischen Welthandel und Weltsozialprodukt. Bis zur Finanz- und Weltwirtschaftskrise seit 2008 wuchs der Welthandel im Durchschnitt doppelt so schnell wie die Weltproduktion, nicht zuletzt aufgrund einer ständig steigenden Anzahl neuer Akteure. Zwischen 1990 und 2000 beispielsweise lag der jährliche Wertzuwachs bei den weltweiten Exporten bei durchschnittlich sechs Prozent.

Die Sektorstruktur des Welthandels hat sich in den vergangenen Jahrzehnten drastisch verändert: Der Industriegüter- wie auch der Dienstleistungshandel haben dem Handel mit Agrarprodukten einen erheblichen Bedeutungsverlust beschert. Auch in Entwicklungsländern zeigt sich, dass der prozentuale Anteil von Industrieprodukten gegenüber Agrarprodukten im Export mittlerweile überwiegt. Besonders wertschöpfungs- und technologieintensive Produkte gelten als dynamische Elemente des Industriegüterhandels. Mittlerweile besteht der Großteil des Welthandelsvolumens aus dem Handel mit Maschinen, Rohstoffen, Energie sowie Transportmitteln (Flugzeuge, Schiffe) und weniger aus dem Handel mit Konsumgütern.

Der zunehmende Anteil des Außenhandels am Bruttosozialprodukt ist wesentlich auf vier Faktoren zurückzuführen: a) in multilateralen Verhandlungen erzielte Außenhandelsliberalisierungen, b) allgemein gesunkene Transportkosten und verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten infolge der neuen Medien und verbesserten IT-Kommunikation, c) die Expansion der Aktivitäten transnationaler Unternehmen sowie d) den Wegfall des Ost-West-Konflikts in den 1990er Jahren.

Welche Akteure sind dabei bestimmend? Auch wenn Nationalstaaten und ihre Regulierungsmaßnahmen den internationalen Welthandel ordnungspolitisch maßgeblich strukturieren, sind transnationale Unternehmen (TNU) in den vergangenen Jahrzehnten zu den zentralen Akteuren des Welthandels avanciert. Durch den Abbau von Mobilitätsschranken zwischen Nationalstaaten und den Aufbau neuer und effektiverer Kommunikations- und Transportmöglichkeiten kontrollieren TNU mittlerweile etwa 70 Prozent des Welthandels. So obliegt ihnen auch die Kompetenz, parallele Autoritätsstrukturen über den Einsatz erheblicher wirtschaftlicher Ressourcen etablieren zu können. Die Rechenschaftspflicht dieser sogenannten Global Player gegenüber ihren Heimatregierungen hat dabei durch die immer komplexer werdenden internationalen Handelsstrukturen sukzessive abgenommen.

Verteilungsfragen

Die Weltwirtschaft ist durch ein Nord-Süd- beziehungsweise West-Ost-Gefälle geprägt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf ist in den Industrienationen mit hohem Einkommen etwa 22-mal so hoch wie in sogenannten least developed countries. Die Möglichkeit, sich in den Welthandel einzubringen, ist wesentlich vom volkswirtschaftlichen Entwicklungsstand des jeweiligen Nationalstaates abhängig. Auch wenn der Anteil transnationaler Kapitalströme deutlich zugenommen hat und immer mehr Nationalstaaten in das komplexe Geflecht von grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen involviert sind, haben nicht alle Akteure im gleichen Maße von diesen Entwicklungen profitieren können. Im Gegenteil, die Ungleichheitsentwicklung hat zugenommen. Einerseits lässt sich ein Trend zur Handelsregionalisierung beobachten: Die westeuropäische Region etwa exportiert zu zwei Dritteln im intraregionalen Raum. Gleichzeitig stieg auch der Anteil des Süd-Süd-Handels von 1990 bis 2011 von 8 Prozent auf 24 Prozent.

Dies bringt allerdings nur regional Aufschwung. Denn beim globalen Vergleich der personellen Wohlstandsverteilung zeigt sich, dass die Kluft zwischen den reichsten und ärmsten zehn Prozent der Weltbevölkerung deutlich größer geworden ist. Die Vorteile des Welthandels sind also sehr ungleich verteilt. Ein Hauptproblem ist die nach wie vor anhaltende, extreme Armut, die sich besonders in Transformationsländern mehr als verdoppelt hat. Nationale Ungleichheiten in der Einkommensverteilung wirken zudem wachstumshemmend auf wirtschaftlich benachteiligte Nationen. Staatliche Fördermaßnahmen können diese Entwicklung ebenfalls potenzieren: In Industrieländern wird beispielsweise der Textil- und Bekleidungssektor weiterhin stark durch nicht-tarifäre Handelshemmnisse geschützt. Aber auch die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union ist durch umfangreiche Exportsubventionen gekennzeichnet, die direkt mit den Exportbestrebungen von sich entwickelnden Ländern konkurrieren.

Ethik und Welthandel

Die Zunahme internationaler Abkommen hat das globale Handlungsfeld auch unübersichtlicher gemacht. Zwar hat sich seit dem frühen 20. Jahrhundert und verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg ein Netzwerk globaler handelspolitischer Institutionen zur Koordination internationaler Handlungs- und Zahlungsströme gebildet. Die Welthandelsströme können aber faktisch kaum wirksam durch internationale Institutionen und Verträge reguliert werden: Zu komplex sind die Prozesse, zu schwierig ist die Kontrolle der Einhaltung vereinbarter Regeln. Hinzu kommt, dass es der Pluralismus von Wertetraditionen, Menschenbildern und weltanschaulichen Überzeugungen im globalen Maßstab schwieriger macht, gemeinsame Orientierungen für eine wirksame Regulierung zu finden. Schließlich produziert auch die Abwägung zwischen verschiedenen Werten und Gütern (wie etwa Schutz der natürlichen Umwelt einerseits gegenüber Wirtschaftswachstum und Wohlstandsmehrung andererseits) vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ausgangssituationen reicher und armer Länder sehr verschiedene Ergebnisse.

Angesichts dieser Grenzen globaler Regulierung des Welthandels durch handelspolitische Institutionen und Organisationen werden in den Jahren seit der Jahrtausendwende wieder verstärkt die Rolle und Verantwortung von Organisationen und Unternehmen, individualethische Orientierungen sowie das Wirtschaftsethos von Managern, Investoren, Verbrauchern und gesellschaftlichen Gruppen betont. Regierungen und internationale Organisationen errichteten nationale und internationale Plattformen für Kommunikation und Benchmarking (Makroebene); Handlungsprinzipien organisatorischer Verantwortung von Unternehmen und Körperschaften (corporate social responsibility) beziehungsweise des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen (corporate citizenship) zum gemeinsamen Nutzen von Anlegern (Shareholder) und übrigen Anspruchsgruppen (Stakeholder) wurden formuliert (Mesoebene).

Dies findet Niederschlag in Veranstaltungen, Preisverleihungen, Berichterstattungen von Unternehmen, aber auch in offiziellen politischen Dokumenten auf Ebene der Bundesländer, der Nationalstaaten sowie der Europäischen Union. Orientierungen für individuelles Handeln bieten Verhaltenskodizes von Unternehmen, Dokumente von Kirchen und spirituellen Gemeinschaften (wie das Dokument "Zum Unternehmer berufen" der Päpstlichen Kommission Justitia et Pax oder die Denkschrift zur Unternehmensethik der Evangelischen Kirche in Deutschland) sowie Leitbilder wie der "Ehrbare Kaufmann", die gegenwärtig etwa in den Industrie- und Handelskammern stark an Bedeutung gewinnen.

Deutlich wird die Neuorientierung weg von einem eher zentralistisch-bürokratischen Ansatz, der die Alleinzuständigkeit der Regierungen und internationalen Organisationen betont, hin zu einem bürgergesellschaftlichen Ansatz beispielsweise in der Gründung des UN Global Compact (UNGC). Er wurde im Anschluss an das World Economic Forum 1999 ins Leben gerufen. Der Global Compact versteht sich als "Vertrag" der internationalen Staatengemeinschaft mit den Unternehmen, die ihnen bei der Realisierung der Millenniumsziele zu Umweltschutz, Menschenwürde und medizinischer Versorgung der Menschheit helfen sollen. Selten fand die Einsicht, die globalen Ordnungsprobleme eines immer komplexer werdenden Welthandelssystems nicht mehr allein nationalstaatlich lösen zu können, so deutlich Eingang in Bestrebungen zur freiwilligen Selbstverpflichtung und in handlungsanweisende Leitsätze für Unternehmen. Der UNGC gilt daher als prominenteste Initiative für gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen.

Unternehmen, die den UN Global Compact unterschreiben, sollen

  • die international verkündeten Menschenrechte respektieren und ihre Einhaltung innerhalb ihrer Einflusssphäre fördern;

  • sicherstellen, dass sie nicht bei Menschenrechtsverletzungen mitwirken;

  • die Rechte ihrer Beschäftigten, sich gewerkschaftlich zu betätigen, respektieren sowie deren Recht auf Kollektivverhandlungen effektiv anerkennen;

  • alle Formen von Zwangsarbeit beziehungsweise erzwungener Arbeit ausschließen;

  • an der Abschaffung von Kinderarbeit mitwirken;

  • jede Diskriminierung in Bezug auf Beschäftigung und Beruf ausschließen;

  • eine vorsorgende Haltung gegenüber Umweltgefährdungen einnehmen;

  • Initiativen zur Förderung größeren Umweltbewusstseins ergreifen;

  • die Entwicklung und die Verbreitung umweltfreundlicher Technologien ermutigen;

  • gegen alle Arten der Korruption eintreten, einschließlich Erpressung und Bestechung.


Der Leiter des UNGC, Georg Kell, definiert den Global Compact als wertbasierte Plattform, die wenige bürokratische Strukturen und Formalitäten aufweist und dadurch institutionelles Lernen ermöglicht. Die zehn Prinzipien prägen maßgeblich den Handlungsrahmen privater Akteure, indem sie idealtypische und universalgültige Normen zur Orientierung vorgeben. Die Vorgabe von wertebasierten Orientierungspunkten wie die des UNGC ist ein relativ neues Phänomen von Normativität. Mit Blick auf Welthandelsbeziehungen kann also die Frage gestellt werden, welchen ethisch vertretbaren Handlungsmustern zu folgen ist, um einen faireren Austausch der beteiligten Akteure zu ermöglichen.

Ein weiteres Beispiel für die Prägung eines neuen globalen Ethos sind auch die Principles of Responsible Investment (PRI) und die Principles for Responsible Management Education (PRME), die ebenfalls durch die Vereinten Nationen (VN) angestoßen wurden. Wie der damalige VN-Generalsekretär Kofi Annan bei seiner Rede an der New Yorker Börse 2006 zur Verkündung der PRI betonte, sind in den vergangenen Jahren im Zuge der fortschreitenden Globalisierung und dem Handel umfangreiche Konvergenzen zwischen den Zielen der VN, dem privaten Sektor und den Finanzmärkten entstanden. Zwar stellte er fest, dass die VN-Ziele – Frieden, Sicherheit, Entwicklung – Hand in Hand mit Wohlstand und wachsenden Märkten gehen. Allerdings ist auch eine große Lücke augenscheinlich geworden: Mit wenigen Ausnahmen habe die Finanzwelt unternehmerische Anstrengungen zur Reaktion auf Umwelt-, Arbeits- und Menschenrechtsherausforderungen, so Annan, nicht ausreichend anerkannt – auch wenn diese mittlerweile im Sinne der Corporate Social Performance sogar messbar sind.

Dabei ist auch nicht zu unterschätzen, dass ethisch nachhaltiges Handeln selbst mit gewissen Kosten verbunden ist. Ein Grund, warum sich besonders ethisch vertretbarere Produktionsstandards in hoch industrialisierten Ländern nur zögerlich und mit teilweise erheblichem Gegenwind realisieren lassen, ist wohl auch, dass sie bis zu einem gewissen Grad die Exportchancen mindern – jedenfalls, insofern ausländische Konkurrenten sich nicht auch an ihnen orientieren. Hier lässt sich ein wesentliches Dilemma identifizieren: Steht fairer beziehungsweise ethisch vertretbarer Handel in direkter Konkurrenz zu unternehmerischen Handelsbestrebungen, wird sich unter Umständen zu Ungunsten von Ersterem entschieden. Die immer komplexer werdenden Handelsbeziehungen jenseits nationalstaatlicher Einflussnahme schüren dabei eine Ungewissheit über das Verhalten der zahlreichen Akteure im Feld des Welthandels. Initiativen wie der UNGC etablieren in Zeiten globaler Unsicherheit daher Vertrauensstrukturen. Auch wenn die Initiative nicht das Mandat besitzt, das Verhalten seiner teilnehmenden Unternehmen zu kontrollieren oder zu bewerten, so wird doch eine Plattform geschaffen, die das Formulieren von praktischen Lösungen und best practices ermöglicht. Auf diesem Wege wird den Akteuren wie der Institution eine gewisse Autonomie verliehen, die gerade durch ihren freiwilligen Gehalt Stärke erfährt.

Engagement kleiner und mittlerer Unternehmen

Neuere Formen gesellschaftlicher Selbststeuerung (governance) jenseits supranationaler Abkommen beziehen weitere Akteure in Handlungsgeschehen mit ein, die vorher nicht oder nicht in dem Maße an Regulierungsabkommen beteiligt waren. Neben zivilgesellschaftlichen Akteuren und TNU sind dies zunehmend auch international agierende klein- und mittelständische Unternehmen (KMU). Das Auslandsengagement der KMU, etwa in Form von Direktinvestitionen in Ländern mit günstigeren Absatzmöglichkeiten und Produktionsbedingungen, hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Während die volkswirtschaftliche Relevanz des Mittelstands auf nationaler Ebene nie umstritten war, ist deren neue Rolle in Bezug auf die Bewältigung der Herausforderungen der Globalisierung noch ausbaufähig.

Ein wesentliches Hindernis für ein aktiveres Engagement besteht in den beschränkten Human- und Kapitalressourcen der KMU. Aufgrund der umfassenderen Zuständigkeitsbereiche von Einzelpersonen in kleinen und mittleren Betrieben wird die Bewältigung von Alltagsaufgaben oftmals gegenüber sozialen Aktivitäten priorisiert. Auch wenn besonders in generationenübergreifenden, eigentümergeführten KMU das Prinzip des "Ehrbaren Kaufmanns" häufig bereits gelebte Realität ist, müssen ethische Wertmaßstäbe, sofern sie mit dem Kerngeschäft des Unternehmens inkompatibel sind, im Alltag einem gewissen Pragmatismus weichen. KMU sehen sich damit bei der Implementierung von ethisch nachhaltigen Prinzipien in ihren transnationalen Handelsaktivitäten weitaus höheren Hürden gegenüber als etwa international langjährig erfahrene und fest etablierte TNU. Im Einzelfall müssen gerade KMU die mitunter konkurrierenden Dimensionen ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit auf kreative Weise miteinander verbinden.

Dennoch: Der Trend zur freiwilligen Selbstverpflichtung wird bei stetig wachsenden Handelsbeziehungen zunehmen. So werden Unternehmen in der postnationalen Konstellation auch weiterhin teilweise als ordnungspolitische Akteure auftreten und sich an deliberativen und demokratischen Willensbildungsprozessen jenseits des Nationalstaates beteiligen. Auch wenn die Effektivität mancher Initiative fraglich ist und mitunter von einer zunehmend sensibilisierten Zivilgesellschaft kritisiert wird, stellen sie doch eine nicht zu verkennende neue Form eines universell gültigen ethischen Anspruchs dar.

Notwendige Konkretisierung

Ethische Prinzipienkataloge für moralisches Handeln von Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen bilden sich gerade dort aus, wo sich der rasch anwachsende globale Welthandel einer wirksamen Regulierbarkeit entzieht. Aus sozialethischer Sicht besteht die Herausforderung darin, zwischen den teilweise miteinander konkurrierenden Werten und Normen der verschiedenen Dokumente und spirituellen Traditionen zu vermitteln. Auffällig ist dabei die Vorgehensweise der beschriebenen Ansätze, Prinzipienkataloge ohne einen ausreichenden Bezug auf (gegebenenfalls konkurrierende) Normbegründungsüberlegungen zu formulieren.

Auf Begründungen dieser Prinzipien und Maßstäbe oder auch auf Argumentationen im Rahmen bestimmter weltanschaulicher oder spiritueller Traditionen wird bewusst verzichtet. Dieses Vorgehen erinnert an eine Naturrechtsargumentation, wie sie etwa die Sozialethik bis zum letzten Drittel des 20. Jahrhunderts geprägt hat und die insbesondere in den 1970er Jahren als ideologisch verurteilt wurde; nun kehrt eine solche positive Setzung von Prinzipien in Form eines "überlappenden Konsenses" unterschiedlicher normativer Traditionen gerade im Kontext pluraler Werteordnungen auf die politische Bühne zurück. Zu leisten wäre dabei aber vor allem auch eine weitere Konkretisierung der Prinzipien und insbesondere eine Erläuterung des Umgangs mit notwendigen Wertekonflikten im wirtschaftlichen und sozialen Alltag der Unternehmen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Joachim Weeber, Internationale Wirtschaft, München u.a. 2010.

  2. Clemens Büter, Außenhandel, Heidelberg 2007, S. 12.

  3. Vgl. Stefan A. Schirm, Internationale politische Ökonomie, Baden-Baden 2007, S. 66.

  4. Vgl. Karl Homann, Ökonomik: Eine Einführung, Tübingen 2005, S. 281.

  5. Vgl. ebd.

  6. Vgl. hierzu den Beitrag von Till van Treeck in dieser Ausgabe.

  7. Vgl. Ulrich Beck, Was ist Globalisierung?, Frankfurt/M. 2007.

  8. S.A. Schirm (Anm. 3), S. 89. Zur historischen Entwicklung der Weltwirtschaft siehe auch den Beitrag von Nikolaus Wolf in dieser Ausgabe.

  9. Vgl. J. Weeber (Anm. 1), S. 11; World Trade Organization (WTO) (Hrsg.), World trade report 2013, Genf 2013, S. 5.

  10. Vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Schlussbericht der Enquete-Kommission: Globalisierung der Weltwirtschaft, Opladen 2002, S. 119; Johannes Müller, Entwicklungsgerechte Weltwirtschaft, Stuttgart 2005, S. 30.

  11. Vgl. United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) (Hrsg.), Trade and development report 2013, Genf 2013.

  12. Vgl. Deutscher Bundestag (Anm. 10), S. 122.

  13. Vgl. C. Büter (Anm. 2), S. 12.

  14. Vgl. ebd., S. 11; S.A. Schirm (Anm. 3), S. 90.

  15. Vgl. Ulrike Hößle, Der Beitrag des UN Global Compact zur Compliance internationaler Regime, Baden-Baden 2013, S. 42; Uwe Jens, Ökologieorientierte Wirtschaftspolitik, München 1998, S. 201.

  16. Vgl. Susan Strange, The Retreat of the State, New York 1996; Stephen J. Kobrin, Multinational Corporations, the Protest Movement, and the Future of Global Governance, in: Alfred D. Chandler/Bruce Mazlish (Hrsg.), Leviathans. Multinational corporations and the new global history, Cambridge 2005, S. 219–236. Für eine ausführlichere Darlegung der Rolle multinationaler Unternehmen siehe auch den Beitrag von Melanie Coni-Zimmer und Annegret Flohr in dieser Ausgabe.

  17. Vgl. J. Müller (Anm. 10), S. 28.

  18. Vgl. C. Büter (Anm. 2), S. 13.

  19. Vgl. Deutscher Bundestag (Anm. 10), S. 119.

  20. Vgl. ebd., S. 120f.

  21. Vgl. WTO (Anm. 9), S. 6.

  22. Vgl. The World Bank (Hrsg.), World development indicators 2013, Washington, DC 2013, S. 3.

  23. Vgl. J. Müller (Anm. 10), S. 28.

  24. Vgl. Deutscher Bundestag (Anm. 10), S. 124.

  25. Vgl. Paul R. Krugman/Maurice Obstfeld, Internationale Wirtschaft, München u.a. 2009, S. 265f.

  26. Dazu zählen die Internationale Handelskammer (ICC) mit Sitz in Paris (gegründet 1919), die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mit Sitz in Basel (gegründet 1930), die WTO mit Sitz in Genf (gegründet 1995), die Vereinten Nationen (VN) mit Sitz in New York (gegründet 1945) und die OECD mit Sitz in Paris (gegründet 1948). Vgl. für detaillierte Ausführungen zu internationalen Kooperationen und Organisationen sowie die unterschiedlichen Formen der Handelskooperationen u.a.: C. Büter (Anm. 2), S. 16ff.

  27. Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.), Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility – CSR), Berlin 2010, Externer Link: http://www.csr-in-deutschland.de/fileadmin/user_upload/Downloads/BMAS/
    CSR_Konferenz/Aktionsplan_CSR.pdf
    (12.11.2013).

  28. Vgl. Europäische Kommission (Hrsg.), Grünbuch: Europäische Rahmenbedingungen für die Soziale Verantwortung von Unternehmen, KOM(2001)366; dies. (Hrsg.), Mitteilung der Kommission zur Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung, KOM(2006)136; dies. (Hrsg.), Mitteilung der Kommission über eine neue EU-Strategie (2011–2014) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR), KOM(2011)681.

  29. Vgl. Georg Kell/David Levin, The Global Compact Network, in: Business and Society Review, (2003) 108, S. 152.

  30. Vgl. Rede von Kofi Annan am 27.4.2006, Externer Link: http://www.un.org/sg/statements/?nid=2006 (1.11.2013).

  31. Vgl. Daniel W. Greening/Daniel B. Turban, Corporate Social Performance as a competitive advantage in attracting a quality Workforce, in: Business & Society, (2000) 39, S. 254–280; Mark Orlitzky/Frank L. Schmidt/Sara L. Rynes, Corporate Social and Financial Performance, in: Organization Studies, (2003) 24, S. 403–441; Marc Orlitzky/Gary R. Weaver, Institutional Logics in the Study of Organizations, in: Business Ethics Quarterly, (2011) 21, S. 409–444.

  32. Vgl. Dirk U. Gilbert/Michael Behnam, Trust and the United Nations Global Compact, in: Business & Society, (2013) 52, S. 136.

  33. Vgl. Deborah E. Rupp/Cynthia A. Williams/Ruth V. Aguilera, Increasing Corporate Social Responsibility Through Stakeholder Value Internalization (and the Catalyzing Effect of New Governance), in: Marshall Schminke (Hrsg.), Managerial ethics, New York 2010, S. 75.

  34. In Deutschland beschäftigen KMU 70 Prozent aller Arbeitnehmer und bilden 80 Prozent der Auszubildenden aus. Vgl. Deutscher Bundestag (Anm. 10), S. 129.

  35. Vgl. Jürgen Habermas, Die postnationale Konstellation, Frankfurt/M. 1998.

  36. Vgl. Michael Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates, Frankfurt/M. 1998; Tanja Brühl (Hrsg.), Unternehmen in der Weltpolitik, Bonn 2004; Thomas Risse, Transnational Actors and World Politics, in: Walter Carlnaes (Hrsg.), Handbook of international relations, London 2002, S. 255–274; ders. (Hrsg.), Regieren ohne Staat?, Baden-Baden 2007; Andreas G. Scherer/Guido Palazzo, Die neue politische Rolle von Unternehmen in einer globalisierten Welt, in: Reinhard Moser (Hrsg.), Internationale Unternehmensführung, Wiesbaden 2009, S. 1–31; Klaus D. Wolf, Private actors and the legitimacy of governance beyond the state, in: Arthur Benz/Yannis Papadopoulos (Hrsg.), Governance and democracy, London 2006, S. 200–227.

  37. Vgl. Jill G. Klein/Craig Smith/Andrew John, Why We Boycott: Consumer Motivations for Boycott Participation, in: Journal of Marketing, (2004) 68, S. 92–109; Donald Schepers, Challenges to Legitimacy at the Forest Stewardship Council, in: Journal of Business Ethics, (2010) 92, S. 279–290.

  38. Vgl. Christoph Stückelberger, Ethischer Welthandel: Eine Übersicht, Bern 2001, S. 109.

  39. Vgl. Franz Böckle/Ernst-Wolfgang Böckenförde, Naturrecht in der Kritik, Mainz 1973.

  40. John Rawls/Wilfried Hinsch, Politischer Liberalismus, Frankfurt/M. 2003.

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Dr. theol., Dipl.-Volkswirt, geb. 1963; Professor für Christliche Sozialethik und Gesellschaftspolitik, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Auf der Schanz 49, 85049 Ingolstadt. E-Mail Link: andre.habisch@ku.de

Dipl.-Pol., geb. 1982; Doktorandin an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (s.o.). E-Mail Link: pia.popal@ku.de