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Nachhaltige Wassernutzung

Frank Kürschner-Pelkmann

/ 15 Minuten zu lesen

Wasser ist Leben – diese Einsicht wird seit Jahrtausenden von Völkern in aller Welt geteilt. Auf den ersten Blick scheint Sorglosigkeit berechtigt zu sein, denn mehr als zwei Drittel der Erde sind von Wasser bedeckt. Und selbst wenn man das salzige Meerwasser und das für den menschlichen Verbrauch nicht verfügbare Süßwasser wie die polaren Eismassen abzieht, bleiben 12.000 Kubikkilometer Trinkwasser übrig. Es scheint mehr als genug für alle zu geben, besonders in regenreichen Ländern wie Deutschland. Trotzdem mahnen Umweltschützer(innen) auch bei uns einen sorgsamen Umgang mit dem kostbaren Nass an. Eine übertriebene Forderung? Viele Menschen in Deutschland sparen bewusst Wasser, etwa mithilfe von Spartasten an Toiletten. Gleichzeitig erleben wir hierzulande aber auch Verschwendung und rücksichtslose Schadstoffeinleitungen. Ein nachhaltiger Umgang mit Wasser wird nicht nur durch fehlende Achtsamkeit und ein kurzfristig ausgerichtetes Nutzungsinteresse behindert, sondern auch durch die Komplexität der Prozesse des "Verbrauchs" von Wasser.

Ist Wassersparen überflüssig?

Die Deutschen gelten als "Weltmeister" beim Wassersparen. Der hiesige Trinkwasserverbrauch ist mit täglich etwa 120 Litern je Einwohner ausgesprochen niedrig, was ein Erfolg langjähriger Kampagnen ist. Zu Beginn der 1990er Jahre betrug der deutsche Prokopfverbrauch noch 145 Liter, und in den USA und Japan ist er weiterhin deutlich mehr als doppelt so hoch wie bei uns. Es tauchen aber zunehmend Zweifel auf, ob das Wassersparen in Deutschland sinnvoll ist. Die verfügbare Wassermenge im eigenen Land scheint mehr als ausreichend zu sein, und für die Behebung der Wasserknappheit in weit entfernten Ländern ist unser Wassersparen offenbar irrelevant. Manche Expert(inn)en in der Wasserwirtschaft warnen sogar vor zu großen Sparbemühungen, weil das Wasser- und Abwasserleitungsnetz auf größere Mengen ausgelegt ist und die Fließgeschwindigkeit vor allem des Abwassers so gering werden könnte, dass Verstopfungen drohen.

Allerdings: Niemand kann bisher die Folgen des Klimawandels verlässlich vorhersagen. Dies gilt zum Beispiel für die Folgen des allmählichen Abschmelzens der Alpengletscher. Bislang binden sie im Winter große Wassermengen als Eis und Schnee, während im Sommer kontinuierlich Schmelzwasser in Flüsse abgegeben wird. Die Gletscher haben also eine Ausgleichsfunktion für Bäche und Flüsse. Entfällt dieser Puffer, kann es bei heftigen Niederschlägen im Gebirge verstärkt zu Hochwasserkatastrophen an den Unterläufen der Flüsse und – meist in den Sommermonaten – zu längeren Niedrigwasserperioden kommen. Das hat Auswirkungen auf die Grundwasserbildung in ufernahen Zonen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Schadstoffbelastung in vielen oberflächennahen Grundwasserleitern zunimmt, vor allem durch industrielle Bodenbelastungen sowie Nitrate und Pestizide aus der Landwirtschaft. Es ist deshalb geboten, die tiefer liegenden Grundwasservorräte zu schonen. Zu wenig beachtet wird zudem der enge Zusammenhang zwischen Wasser- und Energieverbrauch. So ist hierzulande die Zahl der "Warmduscher" beträchtlich, und auch für viele andere Zwecke wird das Wasser erwärmt oder erhitzt, bevor es genutzt wird. Ein besonders großes Einsparpotenzial beim häuslichen Wasserverbrauch bietet der Bereich Baden/Duschen/Körperpflege, denn hierfür werden 36 Prozent des Trinkwassers verwendet. Auf die Toilettenspülung entfallen 27 Prozent des Verbrauchs. Wasserspararmaturen helfen beim sorgsamen Umgang und gehören inzwischen in den meisten Neubauten zum Standard. Wasser zu sparen dient der nachhaltigen Bevorratung dieses unverzichtbaren Lebens-Mittels und hilft zudem, Kosten zu mindern. Ein solches Verbrauchsverhalten kann dann auch die Grundlage dafür bilden, die Leitungsnetze schrittweise dem verringerten Verbrauch anzupassen.

In vielen Entwicklungsländern ist die Wassersituation hingegen dramatisch: Eine wachsende Zahl von Ländern leidet unter Wasserstress, und eine Folge davon ist, dass die innergesellschaftlichen Konflikte um das rar gewordene Gut zunehmen, in Afrika vor allem zwischen Ackerbauern und umherziehenden Viehzüchtern. Auch wachsen die Spannungen um die Wasserverteilung grenzüberschreitender Gewässer, so unter den elf Anrainerstaaten des Nils und seiner Zuflüsse. Trotzdem ist die Wasserverschwendung in vielen Entwicklungsländern immer noch beträchtlich, vor allem dadurch, dass ein Drittel oder sogar fast die Hälfte des Leitungswassers durch Leckagen verloren geht, bevor es die Kunden erreicht. Mittlerweile wird in vielen Städten im Süden der Welt versucht, diese Verluste durch die Erneuerung der Leitungsnetze drastisch zu senken. Erfreulicherweise finden Wasserspartechniken bei Wasserhähnen und WCs auch in Ländern mit Wasserstress vermehrt Verwendung. Es wäre ein falsches Signal, wenn das "Wassersparvorbild" Deutschland in dieser Situation die eigenen Anstrengungen einstellen würde.

"Virtueller" Wasserverbrauch

4.000 Liter Wasser am Tag – so hoch ist der durchschnittliche "virtuelle" Wasserverbrauch jedes Bundesbürgers. Als "virtuell" gilt die Wassermenge, die für die Herstellung all der Güter erforderlich ist, die wir täglich konsumieren. Für die Erzeugung von einem Kilogramm Rindfleisch sind zum Beispiel mehr als 15.000 Liter Wasser nötig. Das umfasst das Wasser, das das Rind im Laufe seines Lebens säuft, das Wasser, das für die Herstellung des Futters erforderlich ist, und (ein kleinerer Posten) der Verbrauch des Schlachthofes. Ein Kilogramm Mais hat einen "Wasserfußabdruck" von 900 Litern, eine Tasse Kaffee von 140 Litern, eine Jeans von 11.000 Litern und ein Auto von 400.000 Litern.

Der virtuelle Wasserbedarf ist mittlerweile für viele Produkte berechnet worden, wobei bei der Bewertung eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen ist. Es spielt zum Beispiel eine Rolle, ob der Tee in einer sehr regenreichen Region wie Assam am Fuß des Himalajas oder in Ländern mit Wasserstress angebaut wird. Auch kommt es darauf an, ob das Wasser nach dem Gebrauch stark verschmutzt in die Natur zurückgegeben wird, wie etwa von vielen indischen Färbereien, oder aber kaum Schadstoffe enthält wie beim Bioreisanbau. Dennoch ist es möglich, beim eigenen Konsum zu bedenken, wie viel virtuelles Wasser wir nutzen. Martin Geiger, Wasserexperte der Naturschutzorganisation WWF, betont: "Wie viel virtuelles Wasser in einem Produkt steckt, sieht man diesem natürlich nicht auf den ersten Blick an. Als Faustregel kann aber gelten: regional und saisonal einkaufen, nur in Maßen Fleisch konsumieren. Allein dadurch lässt sich schon einiges an virtuellem Wasser einsparen."

Landwirtschaftlicher Wasserverbrauch

Etwa 70 Prozent der menschlichen Wassernutzung (ohne Berücksichtigung von Kühlwasser) entfallen auf die Landwirtschaft, in vielen Entwicklungsländern ist der Anteil noch deutlich höher. Dennoch werden in der Landwirtschaftspolitik die Fragen der Verfügbarkeit von Wasser häufig zu wenig berücksichtigt. Es ist aus ökologischer Sicht unsinnig, in Wüstenstaaten wie Libyen und Saudi-Arabien unter hohem Wassereinsatz Weizen anzubauen (was erfreulicherweise die saudische Regierung inzwischen eingesehen hat). Meist werden hierfür fossile Grundwasservorräte geplündert, die unter gänzlich anderen klimatischen Bedingungen entstanden sind und sich angesichts gegenwärtiger minimaler Niederschläge nicht erneuern. Das Wasser, das heute Weizen oder Zitrusfrüchte wachsen lässt, geht dem Land für immer verloren. Die Motorpumpe ist für viele Wasservorräte in Wüstenstaaten das, was die Motorsäge für Regenwälder in den Tropen ist: Sie ermöglicht eine rücksichtslose Zerstörung knapper natürlicher Ressourcen.

Besonders erschreckend ist die Situation am Aralsee in Zentralasien. Die verschwenderische Bewässerung riesiger Baumwollfelder begann bereits in den 1950er Jahren zu Zeiten der Sowjetunion. Auch heute wird noch so viel Wasser aus den beiden Zuflüssen Amu Darja und Syr Darja auf die Felder geleitet, dass kaum noch Flusswasser in den See strömt, der durch Verdunstung aber ständig große Mengen Wasser verliert. Die Folge ist, dass der einst viertgrößte Binnensee der Welt auf etwa ein Zehntel seiner Fläche geschrumpft ist, verteilt auf mehrere Restflächen. Der einzige Lichtblick ist, dass Kasachstan im nördlichen Seegebiet mit Unterstützung der Weltbank einen Damm errichtet hat und nun so viel Wasser aufstaut, dass wieder eine etwas größere Seefläche entsteht.

Durch effiziente Bewässerungstechniken sind beträchtliche Einsparungen möglich. Vor allem die Tröpfchenbewässerung, bei der leicht poröse, dünne Schläuche das Wasser direkt zu den Wurzeln der Pflanzen leiten, hat sich bewährt. Diese Bewässerungsmethode hat auch den Vorteil, dass die Felder nicht versalzen, wie es bei einer flächendeckenden Überflutung der Felder rasch passiert. Neben der Menge ist es wichtig, in welchem Zustand das verwendete Wasser in das Grundwasser oder Oberflächengewässer abgegeben wird, vor allem, ob die Nitrat- und Pestizidrückstände hoch sind. Auch gilt es, Alternativen zur Nutzung des knappen Grund- und Flusswassers sowie des teuren Wassers aus Meerwasserentsalzungsanlagen zu finden. Unter anderem auf der arabischen Halbinsel gibt es Erfolg versprechende Ansätze dafür, gründlich gereinigtes Brauchwasser für Bewässerungszwecke zu verwenden. Da dieses Wasser viele Nährstoffe enthält, haben die Bauern zusätzlich den Vorteil, auf Kunstdünger weitgehend verzichten zu können – eine wirklich nachhaltige und preiswerte Lösung von Wasserproblemen.

Bei uns stehen bei der landwirtschaftlichen Wassernutzung die Auswirkungen des Einsatzes von Agrarchemie auf Grundwasser und Gewässer im Mittelpunkt der Debatte. Nach Angaben des Bundesumweltamtes weisen rund 50 Prozent aller Grundwasser-Messstellen in Deutschland erhöhte Nitratkonzentrationen nach, wobei 15 Prozent des Grundwassers die Nitratgrenzwerte nicht einhalten. Damit das Wasser aus der Leitung keine überhöhten Nitratbelastungen aufweist, sind aufwendige und teure Reinigungsmaßnahmen erforderlich. Auch andere Agrarchemikalien stellen Gefahren für das Grundwasser und damit zumindest potenziell auch für das Trinkwasser dar. Biohöfe tragen wesentlich weniger zur Schadstoffbelastung des Grundwassers bei und leisten auf diese Weise einen Beitrag zu einer nachhaltigen Wassernutzung.

Industrie und Energieerzeugung

Auch bei der industriellen Wassernutzung spielen Fragen der Wassermenge und der Schadstoffbelastung des Abwassers eine entscheidende Rolle. Die benötigte Wassermenge kann durch Kreislaufsysteme um mehr als die Hälfte vermindert werden. Ein Beispiel für nachhaltigen Umgang mit Wasser bietet ein Hamburger Kupferunternehmen. Dort verzichtet man weitgehend auf Leitungswasser und bereitet Wasser aus der Elbe auf, um es für betriebliche Zwecke mehrfach zu nutzen. So konnte der Trinkwasserverbrauch des Unternehmens um bis zu 400.000 Kubikmeter im Jahr vermindert werden. Zusätzlich wurden 2013/2014 Regenwasserrückhaltebecken angelegt. Auch andere Industrieunternehmen haben ihren Bedarf an Grund- und Leitungswasser in den vergangenen Jahrzehnten stark gesenkt, wobei ökologische und finanzielle Überlegungen gleichermaßen im Blick waren.

Sorge bereiten weiterhin die Medikamentenrückstände im häuslichen Abwasser und in den Abwässern von Kliniken und Praxen. In Deutschland sind etwa 3.000 medizinische Wirkstoffe zugelassen und gelangen ins Abwasser. Es ist unmöglich, sie alle in den Kläranlagen herauszufiltern, zumal zusätzlich eine unbekannte Zahl neuer Verbindungen entsteht, wenn die Stoffe im Wasser aufeinandertreffen. Die Medikamentenreste stellen eine ernste Bedrohung für Mensch und Natur dar. So hat man unterhalb von Kläranlagen eine zurückgehende Vermehrungsfähigkeit von Fischen beobachtet. Es wird nicht ausreichen, immer aufwendigere Kläranlagen zu bauen; die Auswirkungen chemischer Produkte auf das Wasser müssen noch gründlicher analysiert werden, zudem sollten Industrie und Konsumenten möglichst auf Stoffe verzichten, die in Kläranlagen nicht aus dem Wasser entfernt werden können.

Wenig Beachtung in der Debatte über nachhaltigen Umgang mit Wasser findet bisher die Nutzung von Flusswasser für die Kühlung von Kraftwerken. Allein in Deutschland werden jedes Jahr etwa 25 Milliarden Kubikmeter Kühlwasser in die Gewässer zurückgeleitet. Umweltschützer fordern höhere Investition in Kühltürme und andere technische Lösungen, damit die Flüsse nicht weiterhin so stark aufgeheizt werden, denn das hat (unter anderem) negative Auswirkungen auf den Sauerstoffgehalt der Gewässer.

Streitpunkt Staudämme

Während der Energieverbrauch der Menschheit stark ansteigt und etwa 1,4 Milliarden Menschen immer noch keinen Zugang zur Stromversorgung haben, nehmen gleichzeitig die negativen Auswirkungen vor allem der fossilen Energiegewinnung aus Kohle auf das Klima dramatische Formen an. Energie aus Wasserkraft ist deshalb ein wichtiger Faktor vieler "grüner" Energiekonzepte.

Weltweit gibt es inzwischen mehr als 45.000 größere Staudämme mit Staumauerhöhen von mehr als 15 Metern. Der Anteil der Wasserkraft an der globalen Energieerzeugung beträgt dennoch lediglich 2,3 Prozent. Betrachtet man nur die Elektrizitätserzeugung, liegt der Anteil bei etwa 16 Prozent. Bei der erneuerbaren Energieerzeugung hat Wasserkraft jedoch eine führende Position. Auch beim Verkauf von Ökostrom und bei Geldanlagen in Ökofonds kommt der Energiegewinnung mit Wasserkraft eine große Bedeutung zu.

Es zeigt sich allerdings, dass zahlreiche Wasserkraftwerke vielfältige negative Auswirkungen auf die Umwelt und für die lokale Bevölkerung haben. So ist zum Beispiel die Klimabilanz vieler großer Wasserkraftwerke in Entwicklungsländern dadurch stark negativ, dass große Flächen tropischen Regenwaldes zerstört werden, um Platz für die Stauseen zu schaffen. Auch darf nicht übersehen werden, dass für die Anlage der Stauseen häufig viele Tausend Familien von ihrem Land in fruchtbaren Tälern vertrieben werden. Auf die zugesagten Entschädigungen müssen sie oft lange warten, wenn sie überhaupt ausgezahlt werden und nicht in dunklen Kanälen verschwinden. In Ländern wie Indien oder Brasilien lösen große Staudammprojekte deshalb immer wieder neue Konflikte aus, und auch in China kommt es häufig zu Protestaktionen.

Die Elektrifizierungsdefizite armer Länder werden nicht unbedingt durch riesige neue Wasserkraftanlagen überwunden. In der Demokratischen Republik Kongo sind 99 Prozent der ländlichen Bevölkerung nicht ans Elektrizitätsnetz angeschlossen. Nun soll der Kongo-Fluss für das gewaltige Staudammprojekt "Inga 3" aufgestaut werden. Dass die auf dem Land lebenden Menschen davon nennenswert profitieren werden, ist schon deshalb praktisch ausgeschlossen, weil weiterhin Stromleitungen in die Dörfer fehlen. Auch haben die Bauernfamilien nicht die nötige Kaufkraft zur Bezahlung der Stromrechnungen. Es ist für die Betreiber deshalb sehr viel lukrativer, den Strom an industrielle Großabnehmer und an das energiehungrige Südafrika zu verkaufen. So hat Peter Bosshard von der Umweltschutzorganisation International Rivers wohl recht, wenn er diagnostiziert: "Arme ländliche Gemeinschaften werden den Preis für eine neue Generation von zerstörerischen Großdämmen zahlen, aber sie werden die Letzten sein, die von der dort erzeugten Elektrizität profitieren werden."

Auch die massiven zwischenstaatlichen Konflikte, die durch den Bau von Staudämmen ausgelöst werden, dürfen nicht übersehen werden. Aktuell fürchtet Ägypten, dass deutlich weniger Nilwasser im eigenen Land ankommen wird, wenn ein riesiger äthiopischer Staudamm am Oberlauf des Flusses fertiggestellt sein wird. Am Beispiel der Staudämme zeigt sich, wie wichtig die Verknüpfung einer nachhaltigen Wasserpolitik mit einvernehmlichen Vereinbarungen von Nachbarstaaten über die Nutzung des Wassers grenzüberschreitender Gewässer ist.

Generell gilt, dass kleine Wasserkraftanlagen weniger negative ökologische und soziale Auswirkungen haben als große. Aber auch bei ihnen bedarf es intensiver Studien- und Partizipationsprozesse, um wirklich nachhaltig Energie aus Wasserkraft zu erzeugen. Andernfalls ist die Addition zahlreicher kleiner Wasserbauprojekte nicht wesentlich weniger schädlich als ein Großprojekt. Es gibt aber zum Beispiel in Nepal überzeugende kleine Anlagen zur Energiegewinnung, deren Auswirkungen auf die Natur gering sind.

In Deutschland tragen die 400 großen und über 7.000 kleinen Wasserkraftanlagen 3,5 Prozent zur Stromerzeugung bei. Damit ist das Wasserkraftpotenzial nach Einschätzung des Bundesumweltministeriums weitgehend ausgeschöpft. Nachhaltigkeit bedeutet bei uns, die vorhandenen Anlagen effizienter zu gestalten und gleichzeitig ihre negativen ökologischen Auswirkungen zu reduzieren. So können Fischtreppen, Umgehungsgerinnen und ähnliche technische Lösungen den Fischauf- und -abstieg erleichtern. Bisher stellen viele Wasserkraftanlagen fast unüberwindliche Hindernisse für die Fische auf dem Weg zu und von den Laichgebieten an den Oberläufen der Flüsse dar. Nachhaltigkeit verursacht bei der Nutzung von Wasserkraft häufig beträchtliche Kosten und bedarf weiterer technischer Innovationen.

(Wasser-)Recht der Natur

Bei Berechnungen und Planungen zur Verfügbarkeit und Nutzung von Wasser wird oft vernachlässigt, dass es auch für Pflanzen und Tiere unverzichtbar ist. Wird zum Beispiel Flusswasser zu stark für menschliche Zwecke eingesetzt, trocknen Feuchtgebiete aus. Ein Beispiel dafür ist der nordamerikanische Grenzfluss, den die Mexikaner Río Bravo und die US-Amerikaner Rio Grande nennen. Beiderseits des Flusses und an den Zuflüssen hat die Bewässerungslandwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten einen gewaltigen Boom erlebt, was aber zur Folge hat, dass die Wassermenge im Fluss in den Sommermonaten dramatisch sinkt. Schon mehrfach hat der Fluss den Golf von Mexiko nicht mehr erreicht, sondern ist vorher versiegt.

Politisch und vor Gerichten streiten Bauernverbände und Regierungen auf beiden Flussseiten um das verbliebene Wasser. Die Tier- und Pflanzenwelt des Flusses und seiner Ufer hat in diesen Auseinandersetzungen keine starke Lobby. Das wirkt sich besonders im Flussdelta aus. Auf US-amerikanischer Seite werden ohnehin bereits 95 Prozent der früheren Feuchtgebiete des Deltas für landwirtschaftliche und industrielle Zwecke oder als Siedlungsflächen genutzt. Nun versuchen Naturschutzorganisationen, die zersplitterten restlichen fünf Prozent vor dem Austrocknen zu bewahren. Sie setzen unter anderem Pumpen ein, um die Flächen feucht zu halten, aber das ist eher eine Notmaßnahme als ein nachhaltiger Schutz der verbliebenen Feuchtgebiete.

Ein positives Beispiel ist hingegen der Umgang von Angola, Namibia und Botswana mit dem Wasser des gemeinsamen Flusses Okavango. Er mündet in Botswana in ein etwa 20.000 Quadratkilometer großes Sumpfgebiet. Dieses Delta mitten in einer Wüste gehört mit etwa 1.300 Pflanzenarten und 30 Amphibien- und 445 Vogelspezies zu den ökologisch wertvollsten Regionen Afrikas. Zwar fließen jährlich zehn Milliarden Kubikmeter Wasser in das Feuchtgebiet, aber das hydrologische Gleichgewicht von Zufluss und Verdunstung/Versickern ist sehr sensibel. Botswana konnte die anderen Anrainerstaaten des Flusses überzeugen, dass die gegenwärtig ankommende Wassermenge unverzichtbar ist, um das Delta zu bewahren. Dabei ist zu bedenken, dass alle drei Länder unter Wasserknappheit leiden, der Verzicht auf die Nutzung des Okavangowassers also nicht leicht fällt. In der Permanent Okavango River Basin Commission wird gemeinsam darüber gewacht, dass die Nutzung des Flusswassers auf einen geringen Umfang begrenzt bleibt. Touristen aus aller Welt, die Flusspferde, Elefanten und Krokodile des Okavangodeltas hautnah erleben wollen, besuchen meist auch andere Ziele in der Region. Eine einzigartige Landschaft nicht austrocknen zu lassen, bringt also auch ökonomische Vorteile.

Folgen des Klimawandels

In vielen Teilen der Welt wird der globale Klimawandel die Wasserprobleme verschärfen. Klimaforscher(innen) gehen davon aus, dass Länder, die schon heute unter Wasserstress leiden, in Zukunft noch häufiger lang anhaltende Dürren zu erwarten haben. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist 2013 zum Ergebnis gekommen, dass selbst bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad Celsius zusätzlich zu der heute eine Milliarde Menschen weitere 500 Millionen Menschen einer gravierenden Wasserknappheit ausgesetzt wären. Stiege die Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts ungebremst, wären noch einmal zusätzlich mindestens 500 Millionen Menschen von Wasserknappheit betroffen. Dies gilt zum Beispiel für die westafrikanische Sahelregion südlich der Sahara.

Aber auch ein Zuviel an Wasser schafft Probleme. In Ländern wie Bangladesch nehmen Zahl und Heftigkeit von Starkregen, Taifunen und Stürmen ständig zu. Für Inseln und flache Küstenregionen werden die Gefahren dadurch verschärft, dass die Meeresspiegel steigen. Die Bewohner(innen) von flachen Atollen im Südpazifik müssen befürchten, dass ihre Heimat bald für immer im Ozean versinkt. Noch akuter ist für sie das Problem, dass die Süßwasserlinsen unter ihren Atollen durch die zeitweisen Überflutungen zu versalzen drohen. Ohne dieses Süßwasser ist aber kein Überleben für Pflanzen und Menschen möglich.

Die Erfahrungen, die die Menschen in der Karibik, in der Südsee und auf den Malediven mit den Folgen des Klimawandels bereits gemacht haben, erklären, warum die Regierungen dieser Inselstaaten bei UN-Klimakonferenzen so vehement für den Abschluss eines ambitionierten internationalen Klimaschutzabkommens eintreten. Diese Forderung wird von anderen Entwicklungsländern unterstützt, die ebenfalls schon heute unter Wasserknappheit leiden und denen von der Klimaforschung prognostiziert wird, dass die Niederschläge in Zukunft nicht nur weiter abnehmen, sondern auch im Jahresverlauf unvorhersehbarer eintreten werden.

Selbst im Falle einer sofortigen konsequenten Klimaschutzpolitik ist die globale Erwärmung bereits so weit vorangeschritten, dass die Folgen nicht mehr gänzlich gestoppt oder rückgängig gemacht werden können. Das erhöht die Dringlichkeit einer Vielzahl von Maßnahmen einer nachhaltigen Wassernutzung. Wo das Wasser knapper wird, ist es zum Beispiel unverzichtbar, die Leckagen der Leitungsnetze zu beseitigen. Ebenso muss die Wasserinfrastruktur wie Wasserwerke und Kläranlagen so ausgebaut werden, dass sie vermehrten Extremwetterereignissen standhält. Große Bedeutung hat es auch, den Wasserverbrauch der Landwirtschaft und der Industrie so zu begrenzen, dass der unverzichtbare Bedarf eines Landes auch bei sinkenden Niederschlägen gedeckt werden kann.

Perspektiven

Menschheit und Natur sollen auch in Zukunft über ausreichend sauberes Wasser verfügen – es zählt daher jeder Tropfen. Nur die Umsetzung umfassender Konzepte nachhaltiger Wassernutzung ist geeignet, die globalen, nationalen und regionalen Wasserprobleme zu lösen. Parallel zum sparsamen Umgang mit dem Wasser gilt es, die Schädigungen durch Schadstoffe aller Art auf ein Minimum zu reduzieren und die Verursacher für die entstehenden Kosten zur Reinigung von Grundwasser, Feuchtgebieten und anderen Gewässern heranzuziehen.

Gerade beim sorgsamen Umgang mit der Lebensgrundlage Wasser können sich die Initiativen einzelner Bürgerinnen und Bürger, Kommunen, Unternehmen und Regierungen ergänzen. Individuelle Bemühungen zum Wassersparen und zur Verminderung der Belastung des Wassers mit Schadstoffen (etwa durch Ökowaschmittel) bleiben der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, wenn nicht gleichzeitig umfassende politische und wirtschaftliche Konzepte zum sorgsamen Umgang mit dem Wasser verwirklicht werden. Umgekehrt bedarf die Durchsetzung einer nachhaltigen nationalen Wasserpolitik auch des überzeugenden persönlichen Umgangs mit der knappen Ressource. Es kommt auf jede Initiative zum sorgsamen Umgang mit der Lebensgrundlage Wasser an – von der Spartaste an der Toilettenspülung über den Schutz großer grenzüberschreitender Flusseinzugsgebiete bis hin zur Erhöhung der Wassereffizienz in der Wirtschaft.

Dipl.-Politologe, geb. 1949; freier Journalist und Buchautor; Hoisdorfer Landstraße 72, 22927 Großhansdorf. E-Mail Link: frakupe@t-online.de