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Iranisches Exil und Reformbewegung im Iran: Divergenzen und gemeinsame Transformationsperspektiven

Oliver Ernst

/ 15 Minuten zu lesen

Am 1. Februar 1979 kehrte Ruhollah Chomeini aus dem französischen Exil in den Iran zurück. 1964 hatte er das Land aufgrund seiner Opposition zum "Reformprogramm" ("Weiße Revolution") des Schahregimes, das die Privilegien des Klerus stark einschränkte, verlassen müssen. Über die Türkei ging er in die den Schiiten heilige irakische Stadt Nadschaf. Dort erschienen 1970 die politischen Ideen Chomeinis in Buchform, unter dem vielsagenden Titel "Der islamische Staat" (hokumat-e eslami). Es ist eine bittere Ironie der iranischen Geschichte, dass aufgrund der Rückkehr eines einzigen iranischen Exilanten, der von der politischen Elite in der Islamischen Republik bis heute als Revolutionsführer verehrt wird, für hunderttausende Iranerinnen und Iraner seit bald vier Jahrzehnten nur die Flucht ins Exil blieb. Bis zu fünf Millionen Iraner leben aus politischen und wirtschaftlichen Gründen im Exil. Aus Furcht vor Verfolgung, um ihrer Verhaftung zu entgehen, aus Sorge um ihr Leben und aufgrund der bedrückenden politischen, religiösen, kulturellen und wissenschaftlichen Unfreiheit verlassen immer noch jedes Jahr Tausende unfreiwillig ihre Heimat. Unzählige kehren niemals zurück. Doch die Exilanten sind auch im Exil nicht sicher vor dem Zugriff iranischer Stellen, die in den vergangenen Jahrzehnten auch vor der Ermordung exilierter Iraner nicht zurückschreckten. Die sogenannten Mykonos-Morde an kurdisch-iranischen Oppositionspolitikern im September 1992 in Berlin erschütterten die deutsch-iranischen Beziehungen zutiefst. Und doch sind sie nur ein Beispiel für die Unnachgiebigkeit, mit der offizielle iranische Stellen bis heute Dissidenten, Menschenrechtler und Reformkräfte als Verräter brandmarken, unter Hausarrest stellen, verhaften, foltern, verbannen, hinrichten. Die internationale Gemeinschaft, der sich Iran aufgrund der nie widerrufenen Unterzeichnung menschenrechtlicher Abkommen eigentlich verpflichtet sehen müsste, reagiert im Rahmen ihrer Möglichkeiten, um das iranische Regime zur Achtung der Menschenrechte zu ermahnen. So setzte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen seit 2011 mit dem Malediver Ahmed Shaheed einen Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran ein. Iran verweigert Shaheed, der bereits mehrere Berichte vorlegte, bislang aber die Einreise in das Land.

Ins Exil getrieben, an der Ausreise gehindert

Auch der Friedensnobelpreis für die iranische Menschenrechtlerin Shirin Ebadi 2003 sollte die internationale Unterstützung der iranischen Menschenrechtler und der iranischen Demokratiebewegung unterstreichen und ihnen Mut machen. Doch nach der Verleihung des Friedensnobelpreises, dem noch viele weitere Auszeichnungen für ihr menschenrechtliches Engagement folgen sollten, stieg der Druck auf Shirin Ebadi immer weiter an. Die Morddrohungen wurden bedrohlicher. Sie musste ihren Beruf in Teheran, wo sie als Anwältin arbeitete, aufgeben und das von ihr mitgegründete Büro der Menschenrechtsverteidiger in Teheran verlassen. Ihre Mandanten, zu denen auch die im Iran religiös verfolgten Baha’i gehörten, konnte sie nicht weiter betreuen. Obwohl sie zuvor wiederholt bei ihren Vorträgen betont hatte, dass sie dem Druck und der Gefahr standhalten und im Iran bleiben wolle, um ihre notwendige menschenrechtliche Arbeit ausüben zu können, kehrte sie von einer Vortragsreise 2009 nicht mehr in den Iran zurück. In ihrer 2007 in Deutschland erschienen Biografie hatte sie das Exil noch kategorisch ausgeschlossen: "Doch was nütze ich im Ausland?, frage ich mich. Kann die Art meiner Arbeit, die Rolle, die ich im Iran spiele, über die Kontinente hinweg weitergeführt werden? Natürlich nicht. Und so erinnere ich mich daran, dass es unsere Angst ist, die Angst der Iraner, die sich eine andere Zukunft wünschen, die unseren Gegnern Macht verleiht."

Dass ihre Entscheidung für das Exil die richtige war, zeigt das Schicksal ihres Mitstreiters Abdolfattah Soltani, der mit ihr gemeinsam das Büro für Menschenrechtsverteidiger gegründet hatte. Aufgrund seines menschenrechtspolitischen Engagements wurde er zu einer langen Haftstrafe verurteilt, die er unter schlimmen Umständen im Teheraner Evin-Gefängnis absitzen muss. Haftverschärfend wirkte sich seine Annahme des Nürnberger Menschenrechtspreises 2009 aus. Die Ausreise nach Deutschland zur Preisverleihung war ihm verweigert worden, seine Frau hatte den Preis für ihn angenommen. Auch sie wurde später an der Ausreise gehindert und ebenfalls zeitweise inhaftiert.

Die "grüne Bewegung" und ihre Niederschlagung

Es war kein Zufall, dass sich die Flucht ins Exil von Shirin Ebadi und die Verhinderung der Ausreise von Abdolfattah Soltani 2009 zutrugen. In diesem Jahr feierte die iranische Führung nicht nur das 30-jährige Bestehen der Islamischen Republik Iran, sondern es fanden im Juni auch Präsidentschaftswahlen statt. Der seit 2005 regierende Präsident Mahmud Ahmadinedschad wurde wiedergewählt, obwohl sich eine starke Bewegung hinter den Reformkandidaten Mir-Hossein Mousavi und Mehdi Karroubi gebildet hatte, die sich als "grüne Bewegung" bezeichnete. Massive Proteste folgten und erschütterten die Islamische Republik bis ins Mark. Der Teheraner Oberbürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf schätzte die Zahl der Demonstranten allein in Teheran auf drei Millionen Menschen. Da Ghalibaf eher als "moderat" denn als "reformorientiert" galt, zeigte sich, dass die Front gegen Ahmadinedschad und das Lager der Hardliner bis weit in die Mitte der politischen Elite Irans hineinreichte.

Die iranische Führung unterdrückte jeglichen Widerstand mit brutalen Mitteln. Bei den Protesten wurden über hundert Menschen getötet, Tausende inhaftiert und in Schauprozessen verurteilt, die weltweit im Fernsehen verfolgt werden konnten. So berichtete der katarische Sender Al-Jazeera über Satellit beispielsweise sehr ausführlich über den Prozess gegen den ehemaligen Vizepräsidenten Mohammad Ali Abtahi. Der iranische Kommentator Majid Tafreshi bilanzierte dort, dass das Regime die "Führer" und "Ikonen" der Islamischen Revolution vor Gericht stelle, die 1978/1979 "ihr Leben für die Revolution eingesetzt hatten". Die Hoffnung, dass es zu einer politischen Aussöhnung zwischen den Lagern der Reformer und der Konservativen kommen könnte, war damit endgültig zerschlagen. Die Führer der "grünen Bewegung", Mousavi und Karroubi, stehen bis heute unter Hausarrest. Zahlreiche Gefangene sitzen seit 2009 in den iranischen Gefängnissen. Eine neue Fluchtwelle aus dem Iran setzte ein und führte zu einer erheblichen Ausweitung der Exilgemeinde um eine neue, in der Islamischen Republik politisch sozialisierte Exilantengeneration. Waren nach der Niederschlagung der Studentenproteste 1999 noch viele Intellektuelle in die "innere Emigration" gegangen, darauf hoffend, dass Präsident Mohammed Chatami seine achtjährige Amtszeit für eine gesellschaftliche und politische Öffnung würde nutzen können, so war aufgrund des unter anderem von Präsident Ahmadinedschad zu verantwortenden harten Durchgreifens staatlicher Stellen gegen jeden Dissens diese Perspektive 2009 erheblich geringer ausgeprägt.

Obwohl die iranische Reformbewegung und ihre auch in der arabischen Welt sehr aufmerksam beobachteten Proteste gegen den oftmals als "Diktator" bezeichneten Ahmadinedschad von zahlreichen arabischen Demokratieaktivisten als Vorbild für die arabischen Umbrüche gesehen wurden, konnte die Reformbewegung den von ihr begrüßten "arabischen Frühling" nicht für einen "iranischen Frühling" nutzen. Ihrem engsten Verbündeten, dem syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad, empfahlen sich die iranischen Reformgegner sogar offensiv als Berater bei der Niederschlagung der Proteste in Syrien und rieten ihm zu einem "eisernen Vorhang", der gegenüber der syrischen Opposition keinerlei demokratische Öffnung oder auch nur Dialogbereitschaft zulassen sollte. Auch im Iran selbst entwickelte sich die politische Situation immer konfrontativer; die von der "grünen Bewegung" geforderten rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Reformen blieben aus.

2009 als exilpolitisches "Wendejahr"

Die Proteste der "grünen Bewegung" und anderer reformorientierter Kräfte im Iran hatten einen starken Solidarisierungseffekt im iranischen Exil und in der iranischen Diasporagemeinde. Auch die "etablierten" Exilorganisationen, die seit der Iranischen Revolution vom Ausland aus in strikter Systemopposition den Sturz des religiösen Führers und das Ende der Islamischen Republik auf ihre exilpolitische Agenda gesetzt haben, solidarisierten sich mit den Protesten gegen Ahmadinedschads Wiederwahl beziehungsweise gegen die von der "grünen Bewegung" beklagten Wahlmanipulationen. Politisch war dies ein erstaunliches Phänomen, da die Köpfe der "grünen Bewegung", ebenso wie von 1997 bis 2005 Reformpräsident Chatami, von der systemoppositionellen Exilopposition als Teil des Regimes der Islamischen Republik gesehen wurden. Diese Exilkreise lehnten auch die Beteiligung an Wahlen ab und riefen zum Wahlboykott auf. Die Proteste hatten sich aber an den mutmaßlichen Wahlfälschungen entzündet, und die Hauptparole der weit über die "grüne Bewegung" hinausreichenden Protestbewegung lautete daher "Wo ist meine Stimme?". Die massive Unterdrückung der Proteste, die mit schwersten Menschenrechtsverletzungen einherging, führte zu einer weltweiten Solidarisierung mit der iranischen Protestbewegung, der sich auch die Exilopposition nicht verweigern konnte, wenngleich sich die Wahlboykottbewegung durch die Wahlfälschungsvorwürfe in ihrer Haltung eher bestätigt fühlen musste.

Relevanz der neuen Medien für die Vernetzung von Exil und Heimat

Ein sehr wichtiger Faktor, der diesen Solidarisierungseffekt mit der iranischen Demokratie- und Reformbewegung erheblich verstärkte, war das hohe Ausmaß der Nutzung sozialer Medien im Iran. Anders als bei den Studentenprotesten 1999 war die internationale Öffentlichkeit bei der Niederschlagung der Proteste 2009 praktisch "live" dabei. Die Ermordung von Neda Agha-Soltan, die durch ihren "Märtyrertod" beim Protestmarsch, der am 20. Juni 2009 in Teheran stattfand, zur Ikone der Protestbewegung wurde, emotionalisierte nicht nur eine iranische, sondern eine weltweite Öffentlichkeit. Die neuen Medien wurden auch von wichtigen Akteuren der "grünen Bewegung" benutzt, so beispielsweise vom "Mullah-Blogger" Mohammad Ali Abtahi, der im Wahlkampf mit seinem Blog den Reformkandidaten Mehdi Karroubi unterstützt hatte. Nach Abtahis Verhaftung solidarisierten sich rund 60.000 Menschen im Iran und im Exil mit Abtahi und forderten auf einer eigens eingerichteten Kampagnenhomepage seine Freilassung. Zahllose neue Medien und soziale Netzwerke im Exil, die ihren Fokus auf die Transformation im Iran richten, tragen heute zu einer immer besseren Information und Vernetzung zwischen der iranischen Bevölkerung und der Diaspora bei. Die trotz der Repression anfangs starke Mobilisierung in der Heimat – auf der Straße und im Netz – ließ die iranische Exilgemeinschaft aber nicht in ihrer Bedeutung für den Ruf nach politischem Wandel im Iran sinken. Durch die neue Fluchtbewegung seit 2009 wurde sie durch reformorientierte Kräfte deutlich verstärkt, zugleich aber verändert.

Exilorganisationen zwischen Tradition und Wandel

Ein traditionelles Dilemma der iranischen Exilopposition war und ist ihre kaum überwindbar scheinende Spaltung in äußerst unterschiedlich ausgerichtete politische Lager. Eine Gruppe bildeten die antimonarchistisch orientierten Kräfte, die bereits gegen den Schah gekämpft hatten und teilweise schon in der Weimarer Republik nach Deutschland gekommen waren. Als "bestorganisierte iranische Opposition im Exil" gelten die islamistisch-marxistischen, im Iran bis heute als terroristische Organisation verfolgten Volksmudschahedin (MEK) mit ihrem politischen Arm, dem Nationalen Widerstandsrat Iran (NWRI), die den Sturz des Schahs vom Exil aus und innerhalb des Iran mit militanten Mitteln betrieben hatten. Nach der Revolution gerieten sie aber schnell in einen Gegensatz zu den Kräften um Chomeini und wurden von diesen entweder brutal verfolgt und hingerichtet oder ins Exil getrieben. Das gleiche Schicksal erfuhren die Mitglieder der 1941 gegründeten kommunistischen Tudeh-Partei, die ebenfalls zuvor an der Seite von Chomeini die Iranische Revolution gegen das Schah-Regime 1978/1979 unterstützt hatten. Zu dieser sehr heterogenen Anti-Schah-Opposition im Exil kamen dann mit der Iranischen Revolution die monarchistischen Kräfte um den am 16. Januar 1979 geflohenen Mohammad Reza Schah Pahlavi hinzu. Dieser starb aber bereits im Sommer 1980 in Ägypten und konnte daher im Exil keine politische Agenda entwickeln. Ihm folgte sein Sohn Reza Pahlavi, dem die Islamische Republik die Rückkehr in die Heimat verweigerte, obwohl der während der Revolutionszeit in den USA ausgebildete Pilot seine Bereitschaft erklärt hatte, die iranische Luftwaffe im Krieg gegen den Irak (1980–1988) zu unterstützen.

Brücken zwischen Exil und "grüner Bewegung"

Knapp 30 Jahre später, nach den Protesten von 2009, trat Reza Pahlavi vom amerikanischen Exil aus wesentlich stärker auch in Europa öffentlich in Erscheinung und nahm die hohe öffentliche Aufmerksamkeit und Sympathie im Westen für die Protestbewegung im Iran zum Anlass einer menschenrechtlich motivierten Kritik an der politischen Führung des Landes. Dabei äußerte er sich sehr positiv über die "grüne Bewegung": "Ich unterstütze diese Bewegung mit ganzem Herzen. Sie gehört zum Besten, was dem Land in seiner langen Geschichte je geschenkt wurde. Sie ist deshalb so wertvoll, weil sie so pluralistisch ist wie es eben nur geht. Es ist eine Bewegung, die nicht nur die Werte der Freiheit ermessen kann, sondern die auch bereit ist, einen hohen Preis für diese Freiheit zu zahlen. Ich stehe in ernstem Austausch und vertrauensvollen Gesprächen mit Vertretern dieser Bewegung, und zwar innerhalb wie außerhalb des Landes. Ich habe ihnen jede erdenkbare Unterstützung zugesagt, damit diese Bewegung überleben kann und dem Land die Werte zurückbringt, nach denen alle streben, also Menschenrechte und Demokratie in unserer Heimat."

In dem Interview zeigte sich Reza Pahlavi überzeugt, dass der innere Druck im Iran wichtiger sei als der äußere Druck durch die gegen Iran gerichteten wirtschaftlichen Sanktionen. In enger inhaltlicher Anlehnung an die politischen Forderungen der "grünen Bewegung", die Mir-Hossein Mousavi am 15. Juni 2010 in der "Grünen Charta" vorgestellt hatte, sprach er sich auch für freie Wahlen aus. Mit der Absage an ungezielte wirtschaftliche Sanktionen, die weniger das Regime, sondern mehr die breite Bevölkerung treffen würden, sprach Reza Pahlavi dabei eine Frage an, die bis heute zu den am kontroversesten diskutierten gehört – gleichermaßen für die Exilgemeinde, die breitere iranische Diaspora, zu der auch viele wirtschaftlich mit Iran engagierte Exiliraner gehören, wie für die iranische Bevölkerung selbst, die unter dem durch die Sanktionen verschärften Niedergang der iranischen Wirtschaft leidet. Seine klare Positionierung gegen das strenge internationale Sanktionsregime in der Nuklearfrage und für gezielte Sanktionen gegen Regimeakteure rückt Pahlavi sehr nah an Lobbygruppen wie den 2002 in Washington gegründeten National Iranian American Council (NIAC) heran, der sich seit Jahren für Demokratie und Menschenrechte im Iran einsetzt und auf die verheerenden Folgen der Sanktionen für die iranische Bevölkerung und auch die amerikanische Wirtschaft aufmerksam macht.

"Grüne Bewegung" im Exil?

Während die Köpfe der "grünen Bewegung" bis heute unter Hausarrest stehen und den Iran nicht verlassen dürfen, sind andere relevante Protagonisten der Bewegung nach 2009 ins Exil gegangen, beispielsweise Ardeshir Amir Arjomand, der im Präsidentschaftswahlkampf den Reformkandidaten und Führer der "grünen Bewegung", Mir-Hossein Mousavi, beraten hatte.

Arjomand zählt zu den wichtigen Figuren des Reformflügels des iranischen Exils in Europa. Insbesondere vor den Präsidentschaftswahlen 2013 hat er für eine europäische Unterstützung der iranischen Demokratiebewegung und der "grünen Bewegung" geworben. Die Forderung nach freien Wahlen und nach der Freilassung der unter Hausarrest stehenden Köpfe der "grünen Bewegung" verbindet er mit einer grundsätzlichen Kritik an der Unterdrückung der Opposition in der Islamischen Republik. Bei einer weniger restriktiven Auslegung der iranischen Verfassung sei sogar die gleichberechtigte Teilnahme von säkularen Kräften an den Wahlen möglich. Dem Exil gesteht er nur eine geringe Bedeutung für die Entwicklung im Iran zu und betont die Rolle der "grünen Bewegung" als einer im Land selbst aktiven politischen Kraft. Dabei ist er aber selbst – als Aktivist im Exil – ein Beispiel für die neue Dynamik und Relevanz des Exils nach den Ereignissen von 2009 im Iran und der dadurch ausgelösten Fluchtwelle. Andere, wie der ebenfalls nach 2009 geflohene Wirtschaftsexperte Bijan Khajehpour, sehen gerade die Auslandsiraner in der Pflicht, "eine langfristige Perspektive für das Land zu entwickeln", da die wirtschaftliche Misere im Iran den Menschen dort wenig Spielräume hierfür lasse.

Wahl 2013: Reformschub durch Hassan Rohani?

Zu den Präsidentschaftswahlen 2013 durfte Ahmadinedschad nach iranischem Wahlrecht nicht erneut antreten. Für die Opposition inner- und außerhalb Irans waren die Wahlen daher mit der Hoffnung auf einen innenpolitisch versöhnlichen und reformorientierten und außenpolitisch weniger konfrontativen Kurs des neuen Präsidenten verbunden. Auch für die politische Führung unter dem religiösen Führer Ali Chamenei war ein ruhiger Verlauf der Präsidentschaftswahlen ein zentraler Punkt, um die "Legitimität" und die Stabilität des Systems zu gewährleisten. Die Sorge vor dem erneuten Aufflammen von Protesten war entsprechend groß. Auch der anhaltende Hausarrest der Oppositionsführer trug zu dieser Sorge bei und wurde vor den Wahlen von Reformern wie dem ehemaligen Präsidenten Chatami offen kritisiert. Nach dem freiwilligen Ausscheiden des einzigen Reformkandidaten und dem Verzicht von Chatami auf eine eigene Kandidatur hatte sich die Reformbewegung darauf geeinigt, die Wahl von Hassan Rohani zu unterstützen, der auch im ersten Wahlgang gewählt wurde. Bei seinen Reformbemühungen wird Rohani jedoch – wie zuvor Reformpräsident Chatami in seiner zweiten Amtszeit 2001 bis 2005 – massiv vom konservativ dominierten iranischen Parlament (Madschles) behindert. In der für die – mit der Heimat oft noch eng familiär verbundenen – Exilanten ebenfalls wichtigen Sanktionsfrage ist er aber mit dem Abschluss des Interimsabkommens zu den Atomverhandlungen zwischen Iran und den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und Deutschland (P5+1) bislang erfolgreich gewesen. Ein gelungener Abschluss der Verhandlungen im November 2014 würde Rohani gegenüber dem konservativen Lager stärken und könnte dem Reformprozess neue Kraft geben. Die Transformation des politischen Systems, insbesondere die Verwirklichung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus, die gleichermaßen im Iran und in Exilkreisen gefordert wird, steht dabei ganz oben auf der Agenda des Reformprozesses.

Mit ihren in der Islamischen Republik gesammelten Erfahrungen in der Reformdebatte und mit ihrer engen Vernetzung im Iran sind die Exilanten, die das Land seit 2009 verlassen haben, entscheidende Akteure, die in den Exilländern um außenpolitische Unterstützung für diesen Reformprozess werben können. Die westliche Iranpolitik sollte, trotz der auf der Atomfrage liegenden Prioritätensetzung, auch die politische Entwicklung im Iran berücksichtigen. Die Neuauflage eines deutsch-iranischen und europäisch-iranischen Menschenrechtsdialoges könnte dazu beitragen, nicht nur über akute Menschenrechtsprobleme zu sprechen, sondern auch die politischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass eine risikolose Rückkehr der iranischen Exilanten möglich wird.

Dr. phil., geb. 1967; Länderreferent im Team Naher Osten der Abteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, Klingelhöferstraße 23, 10785 Berlin. E-Mail Link: oliver.ernst@kas.de