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Eine ganz normale Stadt. Ein Blick in die Kölner Geschichte | Köln | bpb.de

Köln Editorial Kölle. Oder: Der schlechte Ruf der Hölle Die Silvesternacht und ihre Folgen Politik im Kölner Rathaus "Gastarbeiter" in Köln zwischen 1955 und 1983 Eine ganz normale Stadt Die Stadt und der Dom "Kein Kölsch für Nazis"

Eine ganz normale Stadt. Ein Blick in die Kölner Geschichte

Werner Jung

/ 21 Minuten zu lesen

Köln ist stolz auf seine 2000-jährige Geschichte. Die Stadt ist immerhin eine der ältesten in Deutschland, auch wenn ihre Hochblüte im Mittelalter schon lange zurückliegt. Köln rühmt sich, nie eine Residenzstadt, sondern schon früh eine unabhängige, eine "freie" Bürgerstadt gewesen zu sein, die den auch weltlich regierenden Erzbischof aus der Festungsstadt vertrieb. Lassen sich aus der Geschichte Kölns Ereignisse wie die Silvesternacht oder der Einsturz des Stadtarchivs ableiten oder erklären – so, als sei dies typisch für Köln? Ist es richtig, was immer noch häufig zu hören ist, Köln zeichne sich geschichtlich und bis auf den heutigen Tag – im Gegensatz zu anderen Städten – durch eine besonders freiheitliche und liberale Art aus, die unvereinbar sei mit dem strengen und militärischen Preußentum und erst recht mit der nationalsozialistischen Herrschaft? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass weder das in Mode gekommene Köln-Bashing noch die selbstverklärende und beschönigende Ansicht der Einheimischen zutreffend sind. Von grundsätzlichen historischen Entwicklungen aus gesehen, lässt sich sagen: Köln war und ist eine ganz normale Stadt.

Stadtgründung


Köln ist eine Gründung der Römer. Noch heute wird die Stadt gerne "das Rom des Nordens" genannt. Doch weder das genaue Jahr noch wer die Stadt gegründet hat, ist quellenmäßig eindeutig überliefert. Der germanische Stamm der Ubier hatte Gaius Julius Cäsar, dem späteren Alleinherrscher in Rom, bei der Niederwerfung eines Aufstandes keltisch-germanischer Stämme als Kundschafter geholfen und war zum Verbündeten der Römer geworden. Wegen ihrer römerfreundlichen Haltung von ihren Nachbarn bedrängt, wurden die Ubier etwa um 19 v. Chr. vom römischen Statthalter Marcus Vipsanius Agrippa auf das linke Rheinufer umgesiedelt. Der Stamm wurde von den Römern unter Schutz genommen und hatte dafür Roms Herrschaftsbereich am Rhein zu verteidigen. Die Römer bezeichneten den Ort als oppidum ubiorum, die "Hauptstadt" der Ubier. Daher wurde 9 n. Chr. bereits das bedeutendste Heiligtum der Römer, der Altar (ara) der Göttin Roma, errichtet. Es war an diesem Ort ein urbanes Zentrum entstanden. Da dies nur mit Zustimmung von Kaiser Augustus errichtet werden konnte, sieht der Althistoriker Werner Eck in Augustus den eigentlichen Stadtgründer.

Gewisse Zufälligkeiten beförderten die weitere Entwicklung der Ubiersiedlung. Hier wurde 15 oder 16 n. Chr. Agrippina als Kind des Germanicus und der Agrippina geboren. Als Gemahlin von Kaiser Claudius wurde auf ihren Wunsch hin um 50 n. Chr. ihr Geburtsort in den Rang einer römischen Kolonie erhoben. Beide Namen sind im Stadtnamen der neuen Kolonie "Colonia Claudia Ara Agrippinensium", abgekürzt CCAA, enthalten. Das Wort "ara" bezieht sich auf den Altar der Göttin Roma. Daher wurde traditionell Agrippina als Gründerin Kölns bezeichnet.

In der neuen Kolonie siedelte man vor allem Veteranen an. Die Ubier erhielten vermutlich das römische Bürgerrecht. Bald nach der Stadterhebung wurde begonnen, eine mächtige Befestigung anzulegen. Die acht Meter hohe Mauer umfasste eine Fläche von etwa einem Quadratkilometer und hatte eine Länge von fast vier Kilometern. Damit begann auch die viele Jahrhunderte dauernde Geschichte Kölns als Festungsstadt, die erst 1881 enden sollte. Die CCAA entwickelte sich ab dem 2. Jahrhundert zu einem wichtigen Handelsplatz mit zahlreichen Lagerhäusern und Verkaufsstellen. Keramiken und Gläser aus Köln wurden zu einem begehrten Ausfuhrartikel.

Ubier und Römer verschmolzen allmählich zu Agrippinensern, blieben aber Rom treu. Als 69 n. Chr. germanische Stämme die Stadt aufforderten, die Mauern zu schleifen und die Römer zu töten, lehnte man dies mit dem Hinweis ab, dass Ubier und Römer zusammengewachsen seien. Ab dem Ende des dritten Jahrhunderts bedrängten zunehmend die Germanen die römische Herrschaft. Der Übermacht fränkischer Truppen weichend, verließen 456 die letzten römischen Legionäre kampflos die Stadt.

Glanzvolles Mittelalter


Innerhalb des merowingischen Frankenreichs erhielt Köln eine bedeutende Stellung. Zudem war die Stadt Bischofssitz und um das Jahr 800 in den Rang eines Erzbistums erhoben worden. Seitdem König Otto I. seinen jüngsten Bruder Erzbischof Bruno 953 die Verwaltung des Herzogtums Lothringen übertragen hatte, amtierten die Erzbischöfe fortan für mehrere Jahrhunderte als geistliche und weltliche Herren Kölns. Die damalige Bedeutung der Stadt drückt sich auch darin aus, dass nicht allein Bruno in dem von ihm gegründeten Benediktinerkloster St. Pantaleon seine letzte Ruhestätte fand, sondern später auch Kaiserin Theophanu. Ab 1028 hatten die Kölner Erzbischöfe das Recht, die Krönung des Königs in Aachen vorzunehmen und zählten später zu den Kurfürsten, die den deutschen König zu wählen hatten.

Köln wurde zu diesen Zeiten bereits "das hillige (heilige) Köln" genannt. Märtyrerverehrung und Reliquienkult beförderten den Aufstieg der Stadt wesentlich. Sehr populär wurde die Legende der heiligen Ursula und ihrer Gefährtinnen, die im 5. Jahrhundert in Köln den Märtyrertod gefunden hatten. Die Zahl der Begleiterinnen stieg von ursprünglich elf auf 111 und schließlich auf Elftausend – und damit die Zahl der zu verehrenden Reliquien. Die bedeutendsten Reliquien brachte 1164 Rainald von Dassel, der zugleich Erzbischof und Reichskanzler war, nach der Eroberung von Mailand nach Köln – die Gebeine der Heiligen Drei Könige. Fortan war Köln ein Wallfahrtsort von europäischem Rang, vergleichbar nur noch mit Rom und Santiago de Compostela. Das Stadtbild des "hilligen Köln" prägten zahlreiche Kirchen und Klöster auf engem Raum. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung waren Kleriker. 1248 wurde der Grundstein für den Bau des Doms im neuen gotischen Stil gelegt. Erst 632 Jahre später, 1880, wurde er vollendet. Köln war im Mittelalter ein bedeutendes Zentrum der Wissenschaft. An der von den Dominikanern 1248 errichteten theologischen Hochschule unterrichtete der berühmte Theologe Albertus Magnus.

Lange Jahre kämpften Bürgerschaft und Erzbischof um die Vorherrschaft über die Stadt. Schon 1074 war es zu einem fehlgeschlagenen Aufstand gegen Erzbischof Anno II. gekommen. Jedoch gab es auch Phasen des Miteinanders von Erzbischof und Bürgerschaft. Albertus Magnus vermittelte beim "Kleinen Schied" und "Großen Schied" zwischen Erzbischof Konrad von Hochstaden und den Bürgern. Dieser verlieh 1259 den Bürgern das Stapelrecht. Jeder an- und durchreisende Kaufmann war dadurch verpflichtet, seine Waren drei Tage in Köln auf den Märkten auszuladen und auszustellen, zu "stapeln", und den Händlern und Einwohnern ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Dieses Stapelrecht wurde zum Grundpfeiler der Kölner Wirtschaft über Jahrhunderte hinweg. Köln entwickelte sich zu einer führenden europäischen Wirtschaftsmacht und zugleich zu einem bedeutenden Mitglied der Hanse.

Entscheidend für den Kampf um die Stadtherrschaft wurde die Schlacht von Worringen 1288. Im Limburger Erbfolgekrieg unterstützte die Kölner Bürgerschaft die Gegner des Kölner Erzbischofs Siegfried, der den Krieg verlor und mehrere Jahre lang auf Burg Nideggen inhaftiert wurde. Fortan residierten die Erzbischöfe nicht mehr in Köln, auch wenn sie an ihrem Anspruch auf die Stadtherrschaft festhielten. Köln entwickelte sich dann im 14. Jahrhundert zu einer "freien" Stadt und wurde ab etwa 1390 zu Reichstagen eingeladen. 1475 erhob Kaiser Friedrich III. Köln offiziell zur "Freien Reichsstadt".

Die Macht in der Stadt lag ab dem späten 13. Jahrhundert bei 15 Familien, den "edlen Geschlechtern", den Patriziern. 1396 kam es zu einer Revolte: Die Zünfte und Gaffeln, die Vertreter der Handwerker und Kaufleute, übernahmen die Macht von den Patriziern. Die Stadt erhielt am 14. September 1396 mit dem "Verbundbrief" eine neue Verfassung. Er teilte die gesamte Bürgerschaft in 22 gewerblich-politische Genossenschaften, die Gaffeln oder Ämter genannt wurden. 1512 wurde in einem "Transfixbrief" der Verbundbrief ergänzt, der in dieser Form bis zur Franzosenzeit in Kraft blieb.

Die große Mehrheit der Bevölkerung wie Frauen, kleine Handwerker, Gesellen und Dienstleute war von der politischen Willensbildung ausgeschlossen. Gegen die in Köln lebenden Juden, die erstmals 321 in einem Edikt Kaiser Konstantins erwähnt wurden, gab es mehrfach Ausschreitungen und Pogrome, so 1096, 1144 und 1348/49. 1424 mussten alle Juden Köln verlassen, da ihre Aufnahmegenehmigung nicht verlängert wurde. Das Getto wurde aufgelöst und anstelle der Synagoge die Ratskapelle errichtet. In der Zeit der Reformation blieb die Stadt "die treue Tochter der römischen Kirche" und enge Verbündete des Kaisers aus dem Hause Habsburg. Protestanten wurden in Köln nur noch geduldet. Das Bürgerrecht durfte nur an Katholiken verliehen werden.

Ab dem 18. Jahrhundert war Köln zunehmend von einem wirtschaftlichen und sozialen Niedergang erfasst und verlor seine einstige politische Bedeutung. Köln verharrte mit Zunftsystem, Stadtverfassung und religiöser Intoleranz weitgehend in mittelalterlichen Strukturen. Der Rat war zu Reformen weder bereit noch fähig.

Französische Herrschaft


Kaum ein anderes Datum in der Geschichte Kölns hat einen derart tief greifenden Wandel für nahezu alle Lebensbereiche eingeleitet wie der 6. Oktober 1794. An diesem Tag marschierten französische Revolutionstruppen in die Stadt ein. Die Ratsherren übergaben die Stadt kampflos. Die Kölner empfanden die Besatzung der Franzosen als drückend. So hatten sie die anfänglich 12.000 Soldaten einzuquartieren und zu versorgen. Hektische Wechsel des politischen Kurses prägten die ersten Jahre der französischen Herrschaft. 1797 wurde der Rat endgültig abgeschafft. Schrittweise erfolgte die Eingliederung Kölns mit dem gesamten linken Rheinufer in den französischen Staat, bis die Stadt am 23. September 1802 vollgültiges Mitglied des französischen Staatsverbandes mit allen Rechten und Pflichten wurde.

Die Franzosen brachten Protestanten und Juden die Emanzipation. 1797 wurde die rechtliche Gleichstellung zwischen Protestanten und Katholiken verfügt. Diese Bestimmungen galten analog für die Juden. Den nicht-katholischen Einwohnern wurde ausdrücklich das volle Bürgerrecht zuerkannt. Damit war ein radikaler Bruch vollzogen: Bürger war nunmehr jeder Einwohner, allerdings wohlgemerkt nicht Frauen und Kinder. Der erste öffentliche evangelische Gottesdienst in Köln fand am 23. Mai 1802 im Brauerzunfthaus statt. Drei Jahre später wurde mit der Antoniterkirche das erste evangelische Gotteshaus eingeweiht. 1812 lebten bereits über 1700 Protestanten in der Stadt. Als erster Jude seit 1424 erhielt am 16. März 1798 Josef Isaak (Josef Stern) aus Mülheim am Rhein die Erlaubnis, sich in der Stadt niederzulassen. Zu den ersten Juden, die sich in Köln ansiedelten, gehörte auch Salomon Oppenheim junior, der angesehene Handelsbankier, der 1798 seine Firma Sal. Oppenheim Jr. & Cie. nach Köln verlegte. Am 12. Oktober 1801 bildete sich eine jüdische Gemeinde, die bis 1808 auf 133 Mitglieder anwuchs.

Eine weitere grundlegende Veränderung stellte die Reform des Rechtswesens dar. Richter wurden in ihren Entscheidungen unabhängig, die Verfahren öffentlich und mündlich verhandelt und dadurch moderne rechtsstaatliche Prinzipien verwirklicht. Während der französischen Herrschaft vollzog sich auch ein wirtschaftlicher Strukturwandel. Ab der Aufhebung der Zünfte am 26. März 1798 herrschte Gewerbefreiheit. Wirtschaftliche Initiative und Kreativität waren nunmehr gefordert. Einen der tiefsten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Einschnitte in der Stadtgeschichte überhaupt stellt die Säkularisation dar. Ab 1802 wurden 120 Kirchen, Klöster und Kapellen aufgehoben oder kamen in Staatsbesitz, andere sakrale Bauten wurden einfach abgerissen oder zu Lagern oder Fabrikhallen umfunktioniert. Man mag den Verlust an Kunst- und Kulturgut beklagen, aber das expandierende Großgewerbe erhielt dadurch die Möglichkeit, preiswert Gebäude zu erwerben und sie zu Produktionsstätten auszubauen. Es fand einer der größten Eigentumswechsel in der Kölner Stadtgeschichte statt. Den größten Teil der säkularisierten Gebäude kauften Katholiken. Bedeutende private Kunstsammlungen wurden mit den zahllosen Kunstwerken aus aufgegebenen Klöstern und Kirchen aufgebaut.

Viele Dinge im alltäglichen Leben in Köln wandelten sich. Heirat, Geburt und Tod wurden nun auf dem Rathaus durch einen Standesbeamten beurkundet und nicht mehr vom Pfarrer. Beerdigungen fanden nicht mehr auf den Kirchhöfen statt, sondern ab 1810 außerhalb der Stadt auf dem neu angelegten Melaten-Friedhof. So tief greifend der Wandel durch die französische Herrschaft auch war, die Sozialstruktur Kölns blieb im Wesentlichen unangetastet. Der soziale Gegensatz war nach wie vor extrem.

Die Kölner hatten sich im Lauf der Jahre an die französische Herrschaft gewöhnt, ohne dass sie zu glühenden Anhänger der Revolution wurden. Die wirtschaftlichen Eliten schlossen nach dem Ende der revolutionären Phase ihren Frieden mit den Franzosen und brachten Sympathien für Napoleon auf. Napoleon weilte 1804 und 1811 in Köln und wurde besonders bei seinem ersten Besuch begeistert empfangen.

Preußische Herrschaft

Am Morgen des 14. Januar 1814 verließen die letzten französischen Soldaten Köln, anderntags rückten preußische und russische Truppen kampflos in die Stadt ein. Am 8. Februar 1815 erhielt Preußen auf dem Wiener Kongress die Rheinlande zugesprochen. Köln war zu einer preußischen Stadt geworden. Bei aller Freude über das Ende der französischen Besatzung stand man in Köln Preußen skeptisch gegenüber. Der Gegensatz zwischen dem protestantischen und absolutistisch regierten sowie agrarisch geprägten Preußen und der katholischen Bürgergesellschaft Kölns, die in zwanzigjähriger französischer Herrschaft tief greifende Reformen mitgemacht und in vollem Umfang das Rechts- und Verfassungssystem Frankreichs übernommen hatte, war denkbar groß.

Tatsächlich wurden die Erwartungen in Köln schnell enttäuscht. Köln spielte nicht die führende Rolle bei der Neugestaltung der Rheinlande. Ihm blieben nur der Sitz des Regierungsbezirks und das rheinische Appellationsgericht sowie die Wiederherstellung des Erzbistums. Es gelang jedoch, die von den Franzosen eingeführte Rechtsordnung zu retten. Der Kampf um das Rechtswesen bildete den Kernpunkt der rheinischen Selbstbehauptung gegenüber dem preußischen Staat.

Mit der Besetzung Kölns durch die Preußen begannen die umfassende Militarisierung der Stadt und ihr Ausbau zur größten Festungsstadt des Deutschen Reichs. Dies prägte grundlegend die Stadtentwicklung des nächsten Jahrhunderts und bestimmt die Stadtstruktur bis auf den heutigen Tag. Die Stadt wurde durch einen Festungsring eingeschnürt, der zunächst jede räumliche Ausdehnung verhinderte, keine ausreichenden Flächen für die Ansiedlung von größeren Industrieanlagen bot und das Bevölkerungswachstum hemmte. Insgesamt wurden bis 1846 elf Forts im Halbkreis um die Stadt errichtet und in den 1870er Jahren ein äußerer Festungsring angelegt, der schließlich 42 Kilometer und 182 Befestigungswerke umfasste. Auch innerhalb der Stadt war die militärische Präsenz sehr stark.

1837 kam es zum ersten großen Konflikt zwischen preußischem Staat und katholischer Kirche. Er entzündete sich an der Frage der konfessionellen Mischehe, deren Zahl durch den Zuzug evangelischer Beamter stark gestiegen war. Die katholische Kirche lehnte die Mischehen grundsätzlich ab und machte die kirchliche Einsegnung gemischter Ehen davon abhängig, dass die Kinder katholisch getauft und erzogen wurden. In Preußen hatte sich aber die Praxis eingebürgert, Kinder nach der Religion des Vaters zu erziehen. Auf dem Höhepunkt des Konflikts wurde der Erzbischof durch bewaffnetes Militär verhaftet und auf die Festung Minden gebracht. Dieser spektakuläre Akt ist als "Kölner Ereignis" in die Geschichte eingegangen. Jahrelange Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat folgten, die jedoch durch die vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. unterstützte Bewegung für die Dombauvollendung entkrampft wurden. Als Fest der Versöhnung von Thron und Altar wurde vielfach das glanzvolle nationale Fest der Grundsteinlegung zum Weiterbau des Kölner Doms am 4. September 1842 verstanden.

Kölns liebstes Fest, der Karneval, war dem preußischen Staat anfänglich nicht geheuer. Es kam 1823 zur großen Reform, die im Wesentlichen bis heute gültig ist. Das von der Obrigkeit kritisierte ungeordnete Maskentreiben wurde unterbunden und der Karneval vom "Festordnenden Comité der Kölner Lustbarkeiten" institutionalisiert und geregelt. Der Rosenmontagszug war seitdem durch und durch organisiert. Es gehört zu den gern erzählten Legenden, dass der Karneval stets antipreußisch und antimilitärisch eingestellt gewesen sei. Schon die Reform selbst widerlegte diese Anschauung: Sie fand bereits in Absprache mit der preußischen Obrigkeit statt. Das preußische Militär stellte gegen Bezahlung Musikkorps, Militärwagen sowie Reitpferde, und Regimentsschneider fertigten Kostüme. Spätestens nach der Reichseinheit von 1871 schwenkte der Karneval vollends ins nationalistische, kaisertreu-staatstragende Lager.

Die wirtschaftliche und soziale Krise jener Zeit ließ in den frühen 1840er Jahren eine politisch brisante Lage entstehen. Für die Politisierung der Bevölkerung spielten die Zeitungen eine wichtige Rolle. Von Oktober 1842 bis März 1843 leitete Karl Marx die "Rheinische Zeitung", in der radikale Kritik am preußischen Staat geübt wurde. Der brutale Einsatz des Militärs am 3. und 4. August 1846 während der Martinskirmes wurde zum Vorboten der kommenden Revolution. Die Revolution von 1848 begann in Köln.

Am späten Nachmittag des 3. März 1848 versammelte sich eine gewaltige Menge von 5000 Menschen (bei 90.000 Einwohnern) vor dem Rathaus, um dem Stadtrat ihre Forderungen zu überreichen. Doch bereits am darauffolgenden Tag verhaftete das preußische Militär die führenden Köpfe. Nachdem sich in Berlin am Morgen des 18. März 1848 der König jedoch genötigt sah, wichtige Forderungen der Märzbewegung zu erfüllen, löste dies in Köln eine Welle politischer Aktivitäten aus. Fast täglich fanden große Volksversammlungen statt, die von Tausenden von Menschen besucht wurden. Die Kölner Bürgerwehr wurde gegründet. Die Oppositionsbewegung differenzierte sich jedoch zunehmend aus, da die politischen Forderungen radikaler wurden. Die demokratische Bewegung löste sich aus der Vormundschaft der Liberalen, und es entstanden Vereine mit unterschiedlichen Zielen, in denen man Vorformen von Parteien sehen kann: der sehr große "Kölner Arbeiterverein", die fortschrittliche "Demokratische Gesellschaft", der liberal-konservative "Kölner Bürgerverein", der katholische "Piusverein" und der "Bund der Kommunisten" um Karl Marx. Spätestens im Herbst 1848 hatte die Revolution ihren Höhepunkt überschritten. Ende September 1848 musste die Bürgerwehr ihre Waffen abliefern.

Ins Zentrum des politischen Geschehens rückte ab Ende der 1850er Jahre die Nationalbewegung, die durch das Beispiel der italienischen Einheit wiederauflebte. Der "Bruderkrieg" von 1866 zwischen Preußen und der katholischen Großmacht Österreich stieß in Köln zwar auf fast einhellige Ablehnung, der Sieg Preußens allerdings löste große Begeisterung aus. Große Teile der Liberalen schlossen ihren Frieden mit dem Staat. Der Ausbruch des Krieges gegen Frankreich 1870 und die Reichseinigung von 1871 waren auch in Köln mit großem Jubel aufgenommen worden. Die letzten Napoleon-Bilder verschwanden aus den guten Stuben Kölns.

Aufbruch zur modernen Großstadt

Nach der Reichsgründung begann der Kampf gegen die "Reichsfeinde". Der Kulturkampf gegen den politischen Katholizismus und seine im Dezember 1870 gegründete Partei, das Zentrum, sowie gegen die katholische Kirche führte zur Verhaftung des Kölner Erzbischofs Paulus Melchers am 31. März 1874, der für 28 Wochen im städtischen Gefängnis Klingelpütz gefangen gehalten wurde. Ende 1875 entzog er sich einer erneuten Verhaftung durch seine Flucht nach Holland, von wo aus er das Erzbistum noch zehn Jahre leitete. Der Kampf des Reichskanzlers Otto von Bismarck gegen die katholische Kirche scheiterte am Ende, genauso wie der gegen die Sozialdemokratie.

Die industrielle Entwicklung setzte in Köln relativ spät ein. Doch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Köln zu einem bedeutenden Industriestandort. Der Bau des Rheinauhafens, der Ausbau des Schienennetzes und der Neubau des Hauptbahnhofs gaben wichtige Impulse. Die ortsansässigen Firmen wuchsen erheblich, seltener kam es zur Ansiedlung neuer Industrien. Innerhalb der Kölner Wirtschaft verschoben sich deutlich die Gewichte: Die Metall- und Chemieindustrie wurde relevanter als die Textilindustrie und Zuckersiederei. Nach der Jahrhundertwende bestanden rund 100 Firmen, die mehr als 50 Personen beschäftigten. Eine wachsende Bedeutung erlangte die Farben- und Chemieindustrie. Die Industrialisierung verdrängte aber keineswegs das Handwerk, das immerhin noch ungefähr ein Viertel der Beschäftigten stellte. Auch der Dienstleistungsbereich gewann stark an Bedeutung: Der Handel, das Bankwesen und die Versicherungen machten Köln zur Handelsmetropole. Es entwickelte sich zu einem wichtigen Industriestandort, nicht aber zu einer reinen Industriestadt.

Die Einwohnerzahl Kölns verzehnfachte sich innerhalb eines Jahrhunderts. Lebten 1815 rund 52.000 Menschen in Köln, so waren es 1910 – nach den Eingemeindungen – bereits mehr als eine halbe Million. Immer mehr Menschen mussten innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern eingeengt untergebracht werden, während die Orte und Städte vor der Stadt aufblühten. Das Problem der Stadterweiterung wurde zu einer Lebensfrage für Köln. 1881 konnte die Stadt die Festungsanlagen vom preußischen Kriegsministerium abkaufen und mit dem Schleifen der Stadtmauern beginnen. Zum ersten Mal seit 1180 vergrößerte sich damit das Stadtgebiet und zwar gleich um mehr als das Doppelte. Das Kernstück der Neustadt bildete die Ringstraße, die innerhalb weniger Jahre nach dem Vorbild der Pariser Boulevards und der Ringstraßen von Wien und Antwerpen gebaut wurde. 1888 folgte der zweite Schritt der Stadterweiterung: die Eingemeindung der Vororte. Dadurch vergrößerte sich Köln um das Zehnfache auf über 11.000 Hektar und wurde zur flächenmäßig größten Stadt des Deutschen Reichs.

Köln hatte sich innerhalb kurzer Zeit zu einer modernen Großstadt gewandelt. Durch die Industrialisierung wuchsen der Stadt neue Aufgaben zu. Sie entwickelte sich zu einem Gemeinwesen modernen Gepräges, bei dem die aktive Daseinsvorsorge für die Bevölkerung der Stadt im Mittelpunkt stand. Die Stadt baute nun das Wasserwerk, Gaswerk, Elektrizitätswerk, den Schlachthof, die Kläranlage, die Hauptfeuerwache und engagierte sich im sozialen Bereich. Politisch hatte sich Köln in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs mit Preußen weitgehend ausgesöhnt. Dies zeigt sich auch darin, dass Köln 1875 als erste deutsche Stadt Bismarck die Ehrenbürgerschaft verlieh und für Wilhelm II. noch zu dessen Lebzeiten ein Denkmal aufstellte. Fast nirgendwo gab es schließlich so viele Denkmäler für die preußischen Herrscher wie in Köln.

Erster Weltkrieg und Weimarer Republik


Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 4. August 1914 herrschte auch in Köln wie in ganz Deutschland in weitesten Teilen der Bevölkerung großer Jubel. Köln wurde zur Drehscheibe für die militärische Versorgung der Westfront. Industriebetriebe wurden auf Rüstungsproduktion umgestellt. Im Verlauf des Krieges verschlechterte sich die Versorgungslage der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs zusehends. Es begann ein Kampf ums tägliche Überleben. Am Ende des Krieges waren 15.000 Kölner auf den Schlachtfeldern gefallen.

Am 7. November 1918 brach in Köln als erster Stadt Deutschlands die Novemberrevolution aus – wie bei der Revolution von 1848 früher als anderorts. Es war jedoch eine der seltsamsten Revolutionen, die die Welt je gesehen hatte. Ein großer Trupp von Matrosen war an diesem Tag in Köln eingetroffen, um die hier einsitzenden Matrosen der Wilhelmshavener Flottenmeuterei von 1917 zu befreien. Am nächsten Tag rief der Kölner SPD-Vorsitzende Wilhelm Sollmann auf einer Kundgebung die sozialistische Republik aus. Es wurde ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet. Als am 9. November die Nachricht von der Ausrufung der Republik und der Ernennung des SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert zum Reichskanzler in Köln eintraf, kündigte Sollmann die baldige Selbstauflösung des Rates an – ein Tag nach seiner Gründung. Freiwillig gab der Arbeiter- und Soldatenrat bereits nach drei Tagen alle wesentlichen Befugnisse wieder aus der Hand. Aufgelöst wurde er schließlich von den britischen Besatzern, die ab dem 6. Dezember für fünf Jahre in Köln stationiert waren.

Die Novemberrevolution bewirkte in der Kommunalpolitik zwei wesentliche Veränderungen: Zum ersten Mal in den 700 Jahren des Kölner Rates konnten nun Frauen wählen und gewählt werden. Zudem wurde das Dreiklassenwahlrecht abgeschafft. Die dominierende politische Kraft in Köln während der Weimarer Republik wurde das Zentrum, auch wenn die beiden Arbeiterparteien SPD und KPD recht stark blieben. Die Geschicke der Kommunalpolitik bestimmte in erster Linie Konrad Adenauer als Oberbürgermeister.

Trotz der großen Not und der akuten Bedrohung der Demokratie in den ersten Nachkriegsjahren wurden gerade damals zahlreiche für die Zukunft der Stadt entscheidende Großprojekte verwirklicht, die allesamt wesentlich von Adenauer vorangetrieben wurden. Dazu zählten beispielsweise die Wiedergründung der Universität 1919, die Anlegung des Grüngürtels nach der durch den Versailler Vertrag erzwungenen Schleifung der Kölner Festung, der Bau des 1924 eingeweihten Messegeländes, die Verlegung des Westdeutschen Rundfunks nach Köln 1926 und die Ansiedlung der Ford-Werke 1929. Köln hatte eine imponierende Entwicklung zur Metropole des Rheinlandes zurückgelegt. Die Internationale Presseausstellung "Pressa" 1928 galt als Höhepunkt der damaligen Zeit.

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise, die mit dem New Yorker Börsenkrach am 24. Oktober 1929, dem "Schwarzen Freitag", begann, stieg die Zahl der Erwerblosen auch in Köln deutlich: 70.000 im Oktober 1930 und rund 11.0000 im Juli 1932. Knapp ein Drittel der Bevölkerung lebte im März 1933 vom Arbeitslosengeld oder von der "Stütze". Die Stadt war pleite, seit Herbst 1932 zahlungsunfähig. Die sozialpsychologischen und politischen Auswirkungen der Krise waren gravierend. Sie untergrub das Vertrauen eines Großteils der Bevölkerung in die Demokratie, denn viele hatten schon bei der Krise von 1923 ihr Vermögen verloren und waren nun innerhalb weniger Jahre zum zweiten Mal betroffen. Eine politische Radikalisierung ungeahnten Ausmaßes war die Folge: Nationalsozialisten und Kommunisten waren die politischen Gewinner der Krise. Bereits vor 1933 war es den Nationalsozialisten gelungen, auch in Köln eine umfassende Organisation aufzubauen. Bei den Reichstagswahlen im September 1930 verzeichnete die NSDAP einen Erdrutschsieg. Nicht zuletzt Fehleinschätzungen der anderen politischen Parteien hatten Aufstieg und schließlich Machtübernahme der Nationalsozialisten begünstigt. Einen Höhepunkt erreichte die Krise im Juli 1932, als die Reichsregierung Franz von Papens mittels eines Staatsstreichs die preußische Regierung Otto Brauns absetzte. Dieser "Preußenschlag" hatte auch in Köln durch die Absetzung des Polizeipräsidenten eine folgenreiche Auswirkung.

Köln im Nationalsozialismus

Die Etablierung der Macht der Nationalsozialisten vollzog sich in Köln so reibungslos wie in den frühen Hochburgen der NSDAP. Am 13. März 1933, einen Tag nach den Kommunalwahlen, besetzten die Nationalsozialisten das Rathaus und übernahmen offiziell die Macht in der Stadt. Zügig verlief in Köln der Prozess der "Gleichschaltung". Innerhalb weniger Wochen und Monate wurden Parteien und Gewerkschaften, Presse und Rundfunk, Verbände und Vereine nach nationalsozialistischen Prinzipien ausgerichtet. Die Kölner Universität schaltete sich am 11. April 1933 noch vor der Gleichschaltung der Universitäten auf Reichsebene selbst gleich. Rasch passte sich auch die katholische Kirche an die neuen Verhältnisse an und schloss im Juli 1933 ein Konkordat mit dem Deutschen Reich.

Die NSDAP maß Köln als "Metropole des Westens" besondere Bedeutung zu. Hier befand sich von Anfang an der Sitz der Gauleitung, der die Regierungsbezirke Köln und Aachen umfasste. Von 1934 an nutzte sie das große Gebäude der alten Universität in der Claudiusstraße. Neben der Gauleitung mit ihren zahlreichen Ämtern gab es bis zu 125 Ortsgruppen (Stand 1942), die wiederum in Zellen und Blocks unterteilt waren. Demnach waren Zehntausende Kölnerinnen und Kölner aktive NSDAP-Mitglieder. Bereits 1935 zählte der Gau Köln-Aachen über 90.000 Parteigenossen. Die Nationalsozialisten strebten eine möglichst dauernde politische Mobilisierung der Bevölkerung an und verlangten ständig neue Loyalitätsbekundungen zum Regime wie den "Hitler-Gruß" und Spenden. In der Jugend erkannte das NS-Regime die Zukunft des Nationalsozialismus und versuchte, sie mit der Hitler-Jugend zu erfassen.

Seine Gegner verfolgte das Regime unerbittlich mit seinem Macht- und Terrorapparat. Gefürchtet war vor allem die Gestapo, die in Köln im Dezember 1935 ihre neue Zentrale im EL-DE-Haus am Appellhofplatz bezog. Auch die Polizei unterstützte das NS-Regime bereitwillig und war Vollstrecker seines Rassenwahns. Die Kölner Justiz war ebenfalls in die NS-Diktatur verstrickt.

Köln entwickelte sich zum Zentrum der rassistischen Verfolgung im Rheinland, an der sich mehrere Institutionen von Partei, Stadt, Justiz bis hin zur Universität beteiligten. Der Rassenwahn traf zunächst und vor allem die rund 16.000 Kölner Juden. Ihre systematische Diskriminierung und Ausgrenzung hatte unmittelbar nach der Machtübernahme begonnen. Mit dem Pogrom vom 9./10. November 1938 verschärfte sich der antijüdische Terror. Die wirtschaftliche Existenzvernichtung der Juden – euphemistisch "Arisierung" genannt – trat in eine neue Phase. Ab Juni 1941 waren die Juden gezwungen, nur in bestimmten Häusern, den "Judenhäusern", zu wohnen, und später wurden sie im Fort V in Müngersdorf konzentriert. Von Oktober 1941 bis März 1945 erfolgten schließlich über den Bahnhof Deutz-Tief die Deportationen in die Gettos und Vernichtungslager im Osten. Rund der Hälfte der Juden gelang es, rechtzeitig bis 1939 zu emigrieren. Über 7100 Kölner Juden wurden ermordet. Darüber hinaus wurden mehrere Tausend Juden aus dem Kölner Umland von Köln aus deportiert. Auch die Sinti und Roma, in Köln einige Hundert Familien, wurden als "artfremde und minderwertige Rasse" verfolgt. Im Mai 1940 wurden – als erste Gruppe überhaupt – rund 1000 Sinti und Roma über die Messe und den Bahnhof Deutz-Tief in das besetzte Polen und im Mai 1943 weitere rund 350 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Zum Rassenwahn der Nationalsozialisten zählt auch die Tatsache, dass in Köln über 4000 Menschen zwangssterilisiert wurden und Insassen aus Heil- und Pflegeanstalten im Rahmen der sogenannten Euthanasie ermordet wurden. Diskriminierungen und Verfolgungen bis hin zur Internierung in Konzentrationslager erlitten auch Homosexuelle und als "Asoziale" Verfolgte wie Bettler, Obdachlose oder Prostituierte.

Die Herrschaft der Nationalsozialisten in Köln war zu keinem Zeitpunkt ernsthaft durch Widerstand bedroht. Obwohl sich Tausende verweigerten oder aktiven Widerstand leisteten, fanden sie in der großen Mehrheit der Bevölkerung keinen Rückhalt. Es war ein "Widerstand ohne Volk". Den umfangreichsten Widerstand leistete die KPD, die bereits vor 1933 auf die Arbeit im Untergrund eingestellt gewesen war. Deutlich geringer war der Widerstand von sozialdemokratischen sowie mehreren kleineren linkssozialistischen und oppositionellen kommunistischen Gruppen. Aus den Reihen der Katholiken leisteten vor allem Mitarbeiter des Kolping-Werks und der Katholischen Arbeiterbewegung Widerstand und bei den Protestanten die "Bekennende Kirche". Besonders zahlreich sammelten sich unangepasste und oppositionelle Jugendliche in der Katholischen Jugendbewegung, bei den Navajos oder bei den Edelweißpiraten.

Während des Krieges wurden viele Tausende Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge zur Bewältigung der Folgen der Luftangriffe, beim Bombenentschärfen und der Bergung von Leichen, bei Enttrümmerungsarbeiten und Notbaumaßnahmen eingesetzt. Sie arbeiteten in der Rüstungsindustrie, bei der Reichsbahn und der Stadt Köln, aber auch in der Landwirtschaft oder in kleineren Betrieben. In der Endphase des Krieges verschärfte das Regime seinen Terror. Die Gestapo ließ ab Ende Oktober 1944 auf dem Hofgelände des EL-DE-Hauses mehrere Hundert Häftlinge hinrichten und vollzog im Oktober und November 1944 zwei öffentliche Hinrichtungen in Köln-Ehrenfeld.

Als frontnahe Stadt war Köln vom 13. Mai 1940 bis zum 2. März 1945 262 alliierten Luftangriffen ausgesetzt, bei denen 20.000 Menschen getötet wurden. Vor allem die Innenstadt lag in Schutt und Asche. Am 6. März 1945 besetzten amerikanische Truppen das linksrheinische Köln und – da kurz zuvor die Hohenzollernbrücke als die letzte intakte Brücke von deutschen Pionieren gesprengt wurde – das rechtsrheinische Köln zwischen dem 12. und 15. März 1945. Köln war von der NS-Herrschaft befreit.

Eine Sonderrolle in der Zeit des Nationalsozialismus kann Köln nicht für sich beanspruchen. Die bis auf den heutigen Tag beliebte Legende, Köln sei wegen seiner vorgeblich liberalen, freiheitlichen und katholischen Art weitgehend resistent gegenüber dem Nationalsozialismus oder zumindest bei Weitem nicht so anfällig wie andere Städte gewesen, kann als widerlegt betrachtet werden. Tatsächlich stand auch in Köln der größte Teil der Bevölkerung zustimmend zu dem System, Tausende waren durch Funktionen in der Partei und ihren Gliederungen sowie im Staat unmittelbar verstrickt – bis hin zu Verbrechen. Die Kölner waren während der NS-Zeit grundsätzlich nicht anders als andere Deutsche und Köln grundsätzlich nicht anders als andere Orte.

ist promovierter Historiker und Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln. E-Mail Link: werner.jung@stadt-koeln.de