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Editorial | Jugend in Deutschland | bpb.de

Jugend in Deutschland Editorial 100 Jahre Jugend in Deutschland Politikverdrossenheit in Ost und West? Der Jugend eine Zukunft Der Umgang mit Aggression und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen

Editorial

Katharina Belwe

/ 3 Minuten zu lesen

"Zuversicht ohne Illusionen: Die Jugend ist schon in der Zukunft angekommen". Dieses eher optimistische Fazit zieht die 13. Shell Jugendstudie.

Einleitung

Jugendliche sind längst keine klar umrissene sozialstrukturelle Gruppe mehr. Entsprechende Definitionen, die das Alter, das Verhalten, die Interessen zum Maßstab nehmen, greifen heute in der Regel zu kurz. Jugend ist mehr denn je in die Gesellschaft eingebettet, weshalb sie nicht getrennt von dieser sowie deren Themen und Problemen betrachtet werden darf. Die 12. Shell Jugendstudie "Jugend 97" hatte diese Erkenntnis auf die Formel gebracht: "Die gesellschaftliche Krise hat die Jugend erreicht." Ein eher optimistisches Fazit zieht dagegen die 13. Shell Jugendstudie "Jugend 2000": "Zuversicht ohne Illusionen: ,Die Jugend ist schon in der Zukunft angekommen'."

Im Ergebnis eines Längsschnitts durch "100 Jahre Jugend in Deutschland" bezeichnet Uwe Sander das 20. Jahrhundert als "Jahrhundert der Jugend". Die Jugend habe sich als Lebensphase so durchgesetzt, dass sie zum biografischen Muster für alle Heranwachsenden wurde. Zugleich sei Jugendlichkeit als Lebenshaltung Maßstab für eine attraktives Erwachsenenleben geworden. Der Autor verweist darüber hinaus auf ein Missverhältnis zwischen weitreichenden Autonomieerfahrungen Jugendlicher einerseits und ihrer gesellschaftlichen und politischen Unselbständigkeit andererseits. Die Folge sei, dass sich die junge Generation - über eine immer längere Zeit weitgehend von Verantwortung befreit - immer weniger für gesellschaftliche Belange interessiere.

Hier dürfte ein Grund für die Politikverdrossenheit Jugendlicher und junger Erwachsener liegen, der sich Wolfgang Gaiser, Martina Gille, Winfried Krüger und Johann de Rijke in ihrem Beitrag zuwenden. Sie äußere sich vor allem in Unzufriedenheit und Misstrauen gegenüber den Repräsentanten der Politik. Von einer fundamentalen Erosion des Verhältnisses junger Menschen zu Demokratie und Staat könne dennoch nicht ausgegangen werden. Mit Blick auf die neuen Bundesländer, in denen die Politikverdrossenheit Jugendlicher stärker ausgeprägt ist, sehen sie allerdings "die Hoffnung auf eine rasche Angleichung politischer Einstellungen in Ost und West" eher schwinden.

Dass sich, wie Gaiser, Gille, Krüger und de Rijke zeigen, Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer Haltung zur Politik gar nicht so stark von Erwachsenen unterscheiden, legen auch die Ergebnisse von Joachim Hofmann-Göttig nahe, der in seinem Beitrag Ergebnisse der Jugend- und Wahlforschung analysiert: "Noch nie waren sich die Generationen politisch so nahe." Junge Menschen seien allerdings idealistischer und deshalb fordernder und weniger nachsichtig. Das wiederuum prädestiniert sie dazu, in der Gesellschaft mehr Verantwortung zu übernehmen - nicht zuletzt mit Blick auf die jüngsten politischen Affären: Glaubwürdigkeit ist für junge Menschen ein Wert an sich. So findet sich das Fazit der 13. Shell Jugendstudie auch im Beitrag Hofmann-Göttigs wieder.

Immer wieder führen Aggression und Gewalt von Kindern und Jugendlichen zu Schlagzeilen in der Presse. Deutschlands Schulen scheinen in einer Welle der Gewalt unterzugehen. Ulrich Wagner und Rolf van Dick treten diesem Eindruck in ihrem Beitrag entgegen. Zwar habe es in den letzten zehn Jahren eine Zunahme an physischer Gewalt gegeben, aber von "amerikanischen Verhältnissen" an unseren Schulen könne nicht die Rede sein. Mit dem Ziel, Prävention und Intervention wirksamer gestalten zu können, plädieren sie dafür, "den Einsatz physischer Gewalt von anderen Formen der Einwirkung auf Menschen und Sachen zu trennen".