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Die Wiederkehr der Politik und der Kampf der Kulturen

Hans Vorländer

/ 10 Minuten zu lesen

Der 11. September 2001 markiert einen Einschnitt im Bewusstseinshaushalt der westlichen Gesellschaften. Er könnte als "Geschichtszeichen" gedeutet und als Epochenbruch empfunden werden.

Einleitung

Schnell ist deutlich geworden, dass die terroristischen Angriffe auf New York City und Washington D. C. einen tiefen Einschnitt im Bewusstseinshaushalt der westlichen Gesellschaften markieren. Nichts ist mehr so, wie es bis zum 11. September 2001 gewesen ist - die Semantik des Unfassbaren artikuliert den Bruch im Fühlen und Denken der Zeitgenossen, die fast alle zu Zeitzeugen wurden. Die Erschütterung ist nachhaltig, und die Ungewissheit hat Zuversicht und Hoffnung verdrängt. Es können Parallelen zu anderen, weit zurückliegenden Ereignissen gezogen werden, die seinerzeit als "Geschichtszeichen" gedeutet und als Epochenbruch empfunden wurden.

Das Erdbeben in Lissabon vom 1. November 1755 erschütterte den Fortschrittsglauben der Aufklärung. Erst die Französische Revolution konnte dann wieder von Immanuel Kant als ein Zeichen des Fortgangs zum Besseren interpretiert werden und den Königsberger Philosophen zur "Teilnahme dem Wunsche nach" anregen. Goethe sah von der Kanonade von Valmy eine neue Epoche der Weltgeschichte ausgehen - "und Ihr könnt sagen, Ihr seid dabeigewesen", so erklärte Goethe seinen anwesenden Kameraden am Abend des 20. September 1792 in der Champagne. Und die Schüsse von Sarajevo, die am 28. Juni 1914 den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand töteten, lösten nicht nur den Ersten Weltkrieg aus, sondern waren der Auftakt für ein "Zeitalter der Extreme", wie Eric Hobsbawm später die Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts deuten sollte.

Worin besteht der Einschnitt, der Zeitenbruch, das Geschichtszeichen? Nach 1989, nach dem Ende des Kalten Krieges, schien sich für eine kurze Zeit die Möglichkeit eines "ewigen Friedens" (Kant) am Horizont eines unruhigen Jahrhunderts abzuzeichnen. Die liberale Demokratie hatte den Triumph über ihren sozialistischen Antipoden davongetragen - was Francis Fukuyama veranlasste, vom "Ende der Geschichte" zu sprechen. "Was wir heute erleben", behauptete Fukuyama, "ist vielleicht das Ende der Geschichte als solcher, das heißt der Endpunkt der ideologischen Evolution der Menschheit und die Universalisierung der westlich-liberalen Demokratie als definitiver Regierungsform des Menschen." Der große Konflikt schien vorüber, alle Gesellschaften bewegten sich nun auf das Ordnungsmodell der liberalen Demokratie zu, der Kampf um die großen, trennenden Ideen und Ideologien gehörte der Vergangenheit an, die Zukunft würde nur noch die pragmatische Lösung beherrschbarer, nicht jedoch existenzieller Probleme kennen.

Fukuyama irrte gewaltig. Seine Harmonieerwartung, seine Vermutung, die ganze Welt werde dem liberal-demokratischen und kapitalistischen Entwicklungspfad folgen, trog und erweckte falsche Vorstellungen - ganz abgesehen davon, dass hier eine einseitige Hegel-Interpretation den analytischen Blick auf die politische Realität getrübt hatte. Was für die westliche Welt gelten mochte, sich 1989 und 1990 auch auf die mitteleuropäischen Transformationsgesellschaften zu erstrecken schien, das wurde schon sehr schnell nach 1990 auf dem Balkan widerlegt. Und erst recht konnte es nicht für die nichtwestliche Welt gelten. Kulturelle und religiöse Konfliktlinien traten schnell an die Stelle der alten ideologischen Grabenkämpfe. Das Ende der Ost-West-Spaltung bedeutete eben nicht das Ende globaler Konflikte. Nur die Hybris einer exklusiv euro-amerikanischen Weltsicht konnte dieser trügerischen Illusion aufsitzen. Der 11. September war der Tag, an dem die letzten Reste dieser süßen Träume jäh ihr Ende fanden.

Der Schock sitzt nicht nur wegen der großen Zahl der Opfer so tief. Es ist die Durchführung der terroristischen Schläge, ihre logistische Perfektion und medienwirksame Inszenierung, die Verunsicherung und Traumatisierung nachhaltig bewirkt haben. Der zivilisatorische Alltag, von einem lebensweltlichen Grundvertrauen getragen, erscheint nun fragil und verletzlich. Der Gegner aber ist unsichtbar, seine Anschläge werden aus der Mitte der eigenen Gesellschaft verübt. Es sind nicht Staaten, die offen den Krieg erklären, sondern unspezifische, anonyme Gruppen, die aus religiösen und kulturellen Motiven die Gesellschaften bekämpfen, in denen sie selbst, zumindest zeitweise, leben. Dass diese Menschen keine Angst vor dem Tod haben, macht sie nicht nur gefährlich, sondern gänzlich unkalkulierbar. Gotteskrieger fügen sich nicht in die Diesseitigkeitsreligionen der westlichen, säkularisierten Zivilisation.

Anschläge, die aus der Mitte der Gesellschaft verübt werden, sind auch nicht mit traditionellen Mitteln zu verhindern oder zu bekämpfen. Sie entsprechen nicht dem Muster, nach dem Auseinandersetzungen zwischen Staaten ablaufen. Das "realistische" Paradigma internationaler Politik rechnet in Machtkalkülen von Staaten und Staatengruppen und ihren Versuchen, Macht zu akkumulieren, um durch Abschreckung oder die Schaffung eines Gleichgewichts Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen oder aber sie zu begrenzen. Usama Bin Laden und seine bezeichnenderweise "Netzwerk" genannte Organisation Al-Qaida sind, auch wenn sie Schutz oder Unterstützung von einzelnen Staaten genießen mochten, keine staatlichen, sondern gesellschaftliche, transnationale Akteure. Auch wenn der Afghanistankrieg zunächst anderes nahe legen mag - mit bellizistischen Formen der Konfliktlösung wird der Kampf gegen den Terrorismus auf Dauer nicht zu gewinnen sein.

Es ist nicht ohne Ironie, dass der global agierende Terrorismus die Grenzen der Globalisierung deutlicher zu markieren in der Lage ist, als es die Gegner der Globalisierung bislang zu tun vermochten. Mit dem 11. September kommt die Politik zurück und wird der nationale Staat wieder aufgewertet. Zuvor mochte es so scheinen, als könnte die ökonomische und technologische Globalisierung Politik und Staat zum Verschwinden bringen. Was Karl Marx für den Kommunismus fälschlich prognostiziert hatte, schien die Globalisierung gründlich zu erledigen: das Absterben des Staates und das Abdanken der Politik. Die Politik hatte sich ihrer Steuerungs- und Interventionsmöglichkeiten auf den internationalen, regionalen und globalen Märkten begeben, und wo Politik notwendig wurde, da entzog sie sich den territorialen Grenzen des Nationalstaates als dem legitimen und demokratischen Handlungsrahmen des Politischen und "passierte" irgendwo im transnationalen Niemandsland. Nicht nur, dass nun Staaten ihre alten Kontrollfunktionen auf den Finanzmärkten neu zu etablieren suchen, es ist vor allem die Schutz- und Sicherungsaufgabe des Staates gegenüber seinen Bürgern, die zu seiner Renaissance führen.

Der neuzeitliche Staat war angetreten, Frieden und Freiheit nach innen und außen zu sichern. Insofern ist es immer der "Ernstfall", wenn der Staat Leben und Sicherheit seiner Bürger nicht gewährleisten kann. Es ist die Hobbes'sche Problemstellung, die aber auch von den anderen Vertragstheoretikern, von John Locke und Immanuel Kant, übernommen worden ist. Bürger schließen sich zu einem Staat zusammen, weil sie selbst, im so genannten Naturzustand, ihr Leben, ihre Freiheit, ihren Besitz nicht wirksam und auf Dauer zu schützen in der Lage sind. Erst die Etablierung eines staatlichen Gewaltmonopols, mit der Befugnis, physische Zwangsgewalt einzusetzen, um Recht und Gesetz aufrechtzuerhalten, garantiert den Schutz des Bürgers, was diesen wiederum zum Gehorsam gegenüber Recht und Gesetz verpflichtet.

Nach dem 11. September rückt dieser Zusammenhang wieder stärker in den Vordergrund. Die existenzielle Schutzfunktion des im nationalen Rahmen organisierten Staates ist notwendig, weil auch das internationale System bislang nicht die Sicherheit bietet, die der Bürger vom Staat füglich erwarten kann. Auch globale Menschenrechtserklärungen bedürfen einer Sanktionsgewalt, um durchsetzbar zu werden. Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder völkerrechtliche Vereinbarungen wie die zur Errichtung einer internationalen Strafgerichtsbarkeit arbeiten zwar an einem einheitlichen, sanktionsbewehrten Menschenrechtsstatus, aber sie benötigen, um wirksam zu sein, die Zustimmung der internationalen Staatengemeinschaft. Das aber ist, vor allem im Konfliktfall, immer wieder fraglich und beeinträchtigt so die Handlungsfähigkeit einer international abgestimmten und tätigen Sanktionsgewalt. Ein globaler Leviathan, der wie ein Weltstaat in der Hobbes'schen Logik aus der Anarchie des internationalen Naturzustandes erwachsen könnte und dann von seinem exklusiven Gewaltmonopol Gebrauch machte, ist gleichermaßen unrealistisch wie auch bedrohlich. Und ein internationaler Hegemon, die Dominanz nur einer Macht, ist kein Garant für die Gewährleistung universaler Menschenrechte, weil ihn seine Vormachtstellung von den Zwängen multilateraler Konsensherstellung entbindet, dafür aber den Verlockungen unilateraler Interessendurchsetzung ausliefert. So bleibt vorerst nur ein mittlerer Weg, den auch Kant bei seinen Vorstellungen über den "ewigen Frieden" realistischerweise glaubte einschlagen zu müssen, nämlich den - nationalen - Staat als Rechtsstaat zu begründen und von dort die Etablierung und Anerkennung eines Weltbürgerrechtes zu befördern. So rückt der 11. September die existenzielle Schutzfunktion des Staates für seine Bürger wieder nach vorne - schafft damit aber auch ein neues, altbekanntes Problem.

Die Wiederkehr der Politik im Sinne einer Revitalisierung staatlicher Schutzfunktionen ist ambivalent. Denn es geht ja zunächst nicht darum, den demokratischen Partizipations- und Entscheidungsprozeduren den Raum zurückzugeben, der mit der Auswanderung der Probleme in den transnationalen Bereich im Zuge der Globalisierung verloren gegangen ist. Die Wiederkehr der Politik im Zeichen des Ernstfalls bedeutet immer eine Stärkung der Exekutive. Man muss nicht so weit gehen, um mit Carl Schmitt festzustellen, dass sich erst im Ausnahmezustand herausstellt, wer souverän ist. Dass aber in Zeiten von terroristischer Bedrohung und militärischer Einsatzplanung die politische Führung die Prämie des Machtgewinns davonträgt, ist historisch belegt und wird durch aktuelle Entwicklungen unmittelbar evident. Der Sicherheitsstaat läuft immer Gefahr, genau jene freiheitlichen und demokratischen Grundlagen auf's Spiel zu setzen, zu deren Sicherung er eingerichtet wurde. So hat der 11. September einen radikalen Themenwechsel bewirkt. Hatte das Thema der Globalisierung in den neunziger Jahren die Agenda bestimmt und die Befreiung der Ökonomie aus den Fesseln der Politik zum Pflichtprogramm gemacht, so scheinen sich nun Politik und nationaler Staat den verloren gegangenen Primat zurückzuerobern - von new economy zu old politics.

Der 11. September setzt aber auch eine These wieder auf die internationale Tagesordnung, die schon früher, nach den friedlichen Revolutionen von 1989/90 und dem Ende des Kalten Krieges, die Gemüter, mehr noch die internationalen Diskursgemeinschaften von Intellektuellen, Wissenschaftlern und Publizisten beunruhigt hatte: jene vom Kampf der Kulturen. Bemerkenswerterweise wird auch heute wieder die These Samuel Huntingtons, nicht zuletzt wegen ihrer politischen Brisanz und ihres vermeintlichen Charakters als self-fulfilling prophecy, abgelehnt. Eine aus politischer Besorgnis motivierte Zurückweisung Huntingtons aber greift entschieden zu kurz. Es kann nicht sein, was nicht sein darf - das war schon immer kurzsichtig, vor allem aber analytisch falsch.

Unbestritten ist zwar, dass die sich auf den Islam berufenden Terroristen zuerst politische Ziele verfolgen: den Sturz prowestlicher, modernisierungsfreundlicher Regime in den islamischen Staaten, den Abzug US-amerikanischer Truppen aus der arabischen Region und die Lösung des Palästinakonflikts durch Beseitigung des Staates Israel. Doch sie sind religiös motiviert, bedienen sich islamistischer Rechtfertigungen und verfolgen die Idee eines integristischen Gottesstaates. Indem sie sich zu Guerilleros des Islam stilisieren, versichern sie sich des Rückhalts nicht nur der fundamentalistischen Islamisten, sondern, mit Ausnahme der kleinen politischen und ökonomischen Modernisierungselite in den Staaten Arabiens, auch solcher tief religiöser Bevölkerungskreise, die im Schatten globalisierter Märkte und asymmetrischer Kommunikationsverhältnisse leben. Terror wird zur Stimme ökonomischer Abhängigkeit und politisch-kultureller Unterlegenheit. Für die Übel werden die USA, ihre militärische, ökonomische und kulturelle Macht verantwortlich gemacht. "Amerika" ist der Inbegriff des Bösen, Amerika verkörpert den als Bedrohung wahrgenommenen "Westen".

Huntingtons These war es, dass in den Bruchlinien zwischen den großen Zivilisationen die neuen zentralen Konfliktlinien globaler Politik liegen. Der Balkan-Konflikt konnte hier als eine erste Bestätigung gelten. Er zeigte aber auch, dass "der" Westen sehr wohl, vielleicht etwas spät, zu einer - auch militärischen - Solidarität mit den Glaubensgemeinschaften der Muslime, in Bosnien und im Kosovo, bereit war, damit die kulturell-religiösen Bruchlinien entschärfte und sich als Hüter von religiöser und ethnokultureller Vielfalt versteht.

Und doch ist auch "der" Westen nicht gänzlich frei von der Versuchung, militärische Konflikte und politische Reaktionen selbst kulturell aufzuladen und damit jenes Zerrbild eines globalen Kampfs der Zivilisationen zu bestätigen, das Bin Ladens Netzwerk braucht, um die eigenen Aktionen zu rechtfertigen. Eine - anfänglich - vertretene Rhetorik, die sich selbst einer fundamentalistischen Semantik bedient, die Welt nach dem Muster des Manichäismus in Gut und Böse, Freund und Feind einteilt, ist zwar Ausdruck von Hilflosigkeit und purer Selbstbehauptung, führt aber zu ressentimentgeladenen Gegensolidarisierungen, die genau das bewirken, was um der Vermeidung weiterer Bedrohung wegen verhindert werden soll. Vor allem aber wird damit der eigene und der fremde Blick auf jene westliche Kultur der Offenheit und der Pluralität verstellt, die wichtige Bausteine für einen globalen Dialog der Kulturen sind.

Die Attacken vom 11. September 2001 galten den Ikonen der amerikanischen Macht - sie galten aber auch den Symbolen der westlichen Gesellschaften. Insofern stimmt es, dass nicht nur die Amerikaner getroffen werden sollten, und auch nicht alleine getroffen worden sind, sondern all jene, die sich einem "westlichen" Typus von Zivilisation, einem spezifischen Verständnis von sich, ihrem politischen und gesellschaftlichen Leben, ihren ökonomischen und sozialen Grundlagen, verbunden fühlen. Insofern sind wir, wie bemerkt worden ist, alle Amerikaner. Der Unterschied zwischen Europa und den USA mag im Auftritt, in der Selbstgewissheit, in der Radikalität des Eintretens für den eigenen way of life liegen, manchmal auch in der Entschiedenheit und den Methoden der Verfolgung machtgestützter Interessen, aber die Grundmuster politischer Kultur und liberal-demokratischer Ordnung sind die gleichen.

Der euro-amerikanische "Westen" teilt eine gemeinsame Kultur - eine Kultur der Trennung von Politik und Religion, die sich historisch über viele Jahrhunderte und als Ergebnis von Bürger- und Religionskriegen herausgebildet hat. Erst Aufklärung und Säkularisierung haben ein politisches System entstehen lassen, das es erlaubte, individuelle und politische Freiheit miteinander zu vereinbaren. Das aber war nur möglich, weil zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich rechtsförmige Schranken gezogen wurden. Die liberale Ordnung der Sicherung von Freiheit und Menschenrechten lässt Unterschiede der Religionen, Kulturen und Vorstellungen des guten Lebens zu, ja setzt sie eigentlich als Bedingung von Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie voraus. Pluralität und Offenheit für Differenzen machen die Beachtung von grundlegenden Regeln des Miteinanders ebenso notwendig wie die Tugenden von Respekt und Toleranz gegenüber dem Anderen.

Der "Westen" kann zu Recht überzeugt sein von seiner so verstandenen Kultur und Zivilisation. Das Problem ist nur, und das war Samuel P. Huntingtons Anliegen, dass sich eine jede Kultur als Mittelpunkt der Welt sieht und ihre Geschichte als das zentrale Drama der Menschheitsgeschichte schreibt. Die Einbildung, dass die Kultur des Westens die universale Weltkultur sei, ist so verbreitet wie provinziell, sagt Huntington. Die Annahme einer Einheit der Geschichte aber, die davon ausgeht, dass es "nur einen einzigen Strom der Zivilisation, nämlich den unseren, gibt und dass alle anderen entweder Zuflüsse sind oder im Wüstensand versickern", hatte früher bereits Arnold Toynbee zurückgewiesen. Und vor fast zweieinhalbtausend Jahren hielt Herodot fest, als er die Kultur der Perser mit der der Griechen verglich: "Wenn man alle Völker der Erde aufforderte, sich unter all den verschiedenen Sitten die trefflichsten auszuwählen, so würde jedes doch die eigenen allen anderen vorziehen. So sehr ist jedes Volk davon überzeugt, dass seine Lebensformen die besten sind." Wer den Krieg der Kulturen vermeiden will, muss die Vielfalt der Kulturen anerkennen und den Dialog der Kulturen zur Maxime seines politischen Handelns machen.

Dr. phil., geb. 1954; o. Professor für Politikwissenschaft, insbes. Politische Theorie und Ideengeschichte, an der Technischen Universität Dresden.

Anschrift: Technische Universität Dresden, Institut für Politikwissenschaft, 01062 Dresden.
E-Mail: Hans.Vorlaender@mailbox.tu-dresden.de

Veröffentlichungen u. a.: Hegemonialer Liberalismus. Politisches Denken und politische Kultur in den USA 1776-1920, Frankfurt/M. - New York 1997; Nationale Identität und Staatsbürgerschaft in den USA, Opladen 2001.