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Energiepolitische Interessen in Zentralasien | "Achse des Bösen"? | bpb.de

"Achse des Bösen"? Editorial Zentralasien und der Kaukasus nach dem 11. September: Geopolitische Interessen und der Kampf gegen den Terrorismus Geopolitische Veränderungen auf dem "eurasischen Schachbrett": Russland, Zentralasien und die USA nach dem 11. September 2001 Energiepolitische Interessen in Zentralasien Islamismus und Großmachtpolitik in Afghanistan

Energiepolitische Interessen in Zentralasien

Friedemann Müller

/ 20 Minuten zu lesen

Zentralasien ist nach dem 11. September 2001 wieder stärker ins internationale Blickfeld gerückt. Dies liegt vor allem an der Einbindung dieser Region in die Anti-Terror-Koalition.

Einleitung

Der 11. September 2001 hat neben Afghanistan dessen südöstliches Umfeld, Pakistan, und das nordwestliche Zentralasien ins öffentliche Blickfeld gerückt. In Zentralasien geschahen Veränderungen, die vor den einschneidenden Ereignissen an diesem Tag undenkbar gewesen wären. Insbesondere wurden im Einvernehmen mit Russland usbekische Militärbasen der U. S.-Luftwaffe als Stützpunkte geöffnet. Hat damit Russland aus höheren Erwägungen im "great game" um diesen Raum den USA Gewinne zugespielt? Haben die USA sich dafür mit einer Gegengabe erkenntlich gezeigt?

Geht es dabei "nur" um eine Anti-Terror-Aktion oder um mehr? Immer wieder werden die Energieressourcen des Raumes als das eigentliche Motiv amerikanischer und natürlich auch anderer Mächte Interessen vermutet. Diesen Ressourcen haftet etwas Geheimnisvolles, fast Mystisches an. Dabei sind die wesentlichen Daten und Ereignisse nicht verborgen. Nur sind die Zusammenhänge, wie so häufig in der internationalen Politik, komplex und nicht nur nicht ausreichend, sondern mit dem Vergleich zu dem von Rudyard Kipling für das ausgehende 19. Jahrhundert geprägten Begriff des "great game" eher auf eine falsche Fährte führend beschrieben. In der Tat gibt es Zusammenhänge zwischen der Anti-Terror-Aktion in Afghanistan und weltwirtschaftlichen Interessen, genauer gesagt, der Weltölversorgung, doch sind diese Zusammenhänge anders zu erklären als mit dem Kampf früherer Jahrhunderte um Einflusszonen in der Region.

I. Verteilung der Ölreserven

Um die Bedeutung der zentralasiatischen Energiereserven zu verstehen, bedarf es zunächst einer Beschreibung der globalen Versorgung getrennt nach Öl und Erdgas. Tabelle 1 listet die westlichen Verbrauchsregionen und ihre wichtigsten Versorger auf. Dabei fällt das Auseinanderklaffen der Anteile bei Reserven, Produktion und Verbrauch auf. Die USA und Kanada zum Beispiel verfügen über 3,5 % der gesicherten Weltölreserven, produzieren aber 14 % der Weltproduktion und konsumieren 28 %. Aus der Diskrepanz von Reserven und Produktion ergibt sich eine statistische Lebensdauer der Reserven, als Quotient aus Reserven und Produktion (R/P-Quotient), in Höhe von 9,5 Jahren. Aus der Diskrepanz zwischen Produktion und Verbrauch folgt die heutige Importabhängigkeit von ca. 50 %. Bei Europa liegt der R/P-Quotient noch niedriger, nämlich bei 7,5 Jahren, die Importabhängigkeit bei ca. 60 %. Russland, der drittgrößte Produzent, zweitgrößte Exporteur der Welt und wichtigste Lieferaant für Deutschland verfügt über einen R/P-Faktor in Höhe von 20 Jahren, dagegen die OPEC, deren Anteil an den Weltreserven 78 % beträgt, über einen von 72 Jahren. Noch höher liegt dieser Faktor bei der Golf-OPEC, fünf Staaten, die zusammen 63 % der gesicherten Weltreserven halten und über einen R/P-Faktor von 89 Jahren verfügen.

Diese Zahlen sagen nicht nur etwas über derzeitige, sondern auch über künftige Relationen zwischen Nettoimporteuren und Nettoexporteuren aus. Generell bedeuten sie, erstens, dass die Reserven der westlichen Industrieländer bald zur Neige gehen. Sie sagen nicht, dass in diesen Ländern in zehn Jahren kein Öl mehr produziert wird - Neuerschließungen in beschränkten Mengen sind möglich, und der Rückgang der Produktion wird in kleineren Schritten erfolgen - wohl aber, dass die Produktion in zehn Jahren drastisch unter der heutigen liegen wird, also selbst bei stagnierendem Ölverbrauch der Import anwachsen wird. Zweitens besagen sie, dass Russland, der größte Konkurrent der OPEC, aufgrund seiner begrenzten Reserven ebenfalls über keinen vergleichbar langen Atem verfügt wie die OPEC. In Kenntnis dieser Konstellation hat die OPEC im März 1999 zum ersten Mal nach 13 Jahren versucht, über Mengenbegrenzungen den Weltmarktpreis anzuheben, und anders als in den achtziger Jahren, als noch potente Wettbewerber die Angebotslücken füllen konnten, hat es diesmal funktioniert und die gewaltigen Preissprünge der Jahrtausendwende ausgelöst. In dem Bewusstsein, dass sie langfristig über den längeren Hebel verfügt, hat die OPEC dann 2001 einen für die Weltwirtschaft verträglichen Preiskorridor von 22 bis 28 US-Dollar pro Fass eingeführt, in dessen Schranken sich der Preis bis zum 11. September hielt. Der abrupte Rückgang der Nachfrage nach diesem Datum, hat dann den Preis nach unten gedrückt. Die Fakten sprechen aber dafür, dass - sobald die Welt-Konjunktur wieder anspringt - die OPEC den Ölpreis wieder diktieren kann.

Tabelle 2 weist darauf hin, dass der Anteil der OPEC an der Weltölversorgung, welcher in den neunziger Jahren langsam gestiegen ist, in den folgenden zwei Jahrzehnten noch verstärkt wachsen wird.

Interessant ist dabei, dass das gesamte Wachstum der Weltmarktanteile (von 40 % auf 54 %, also 14 %), und sogar noch mehr, im Mittleren Osten bereitgestellt werden muss. Dieser wird 15 % Wachstum übernehmen, sodass die Anteile der Rest-OPEC an der Weltversorgung von 14 % auf 13 % absinken werden. Selbst wenn diese Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) einen beträchtlichen Unsicherheitsfaktor aufweisen, so bringen sie doch die Tendenz einer gewaltigen Machtverschiebung bei der Weltversorgung mit Öl zugunsten von fünf Anrainer-Staaten am Golf zum Ausdruck. Die politische Stabilität dieser fünf Staaten wird jedoch nicht als hoch eingeschätzt. Vielmehr bietet die Möglichkeit der Destabilisierung eines dieser Staaten mehr Anlass zur Besorgnis um die Weltölversorgung als isolierte Machtverschiebungen in Zentralasien und Afghanistan. 1973 hat eine Reduzierung des Weltangebots um 4 % ausgereicht, um nicht nur die größte Krise der Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch langfristige Strukturveränderungen auszulösen. In diesem Sinne bildet eine Bedrohung der Stabilität des Golfraumes, die von einem in Afghanistan oder Zentralasien konzentrierten Netzwerk ausgehen kann, das für die Weltwirtschaft kritischste Problem.

II. Verteilung der Erdgasreserven

Erdgas ist ein Energieträger, der im Verbrauch gegenüber dem Öl manche Vorteile aufweist, so ist er umweltfreundlicher, weil emissionsärmer. Auch liegt der globale R/P-Faktor, also die gesicherten Reserven geteilt durch die derzeitige jährliche Produktion, mit 62 Jahren wesentlich über der bei Öl (38 Jahre). Deshalb weist Erdgas weltweit ein höheres Nachfragewachstum auf als Öl. Doch lässt sich Öl nur beschränkt durch Erdgas substituieren. Neben den unterschiedlichen Verbrauchseigenschaften unterscheiden sich die beiden Energieträger sehr bei der erforderlichen Verteilungsstruktur. Während Öl über längere Strecken ganz überwiegend mit Tankern transportiert wird und neben dem Transport durch Pipelines auch Eisenbahn- und Lastkraftwagen-Transporte möglich sind, beschränken sich die Transportmöglichkeiten bei Erdgas in der Regel auf Pipelines, die vom Produzenten bis zum Endverbraucher vernetzt sind. Dadurch ist eine aufwändigere und zugleich weniger flexible Transportinfrastruktur erforderlich. Da Pipeline-Transporte wiederum nur über eine Strecke von maximal 6 000 km rentabel sind, gibt es nicht wie bei Öl einen Weltmarkt, sondern nur globale Teilmärkte, und wegen der investitionsintensiven Infrastruktur begrenzt sich der Verbrauch weitgehend auf Industriestaaten.

Tabelle 3 führt die Hauptproduzenten- und -verbraucherregionen auf. Hierbei zeigt sich erstens, dass anders als beim Öl, dessen Weltreserven zu zwei Dritteln am Golf angesiedelt sind, zwei dominante Regionen existieren, nämlich Russland und der politisch nicht einheitliche, geographisch und geologisch jedoch dicht beieinander liegende südkaspische und Golf-Raum. Zusammen verfügen diese beiden Regionen über 80 % der gesicherten Weltreserven. Zweitens fällt auf, dass die R/P-Faktoren noch weiter auseinander fallen als bei Öl. Während dieser Faktor bei Nordamerika neun Jahre beträgt, liegt er bei der reservereichsten Region, der südkaspischen/Golfregion, bei mehr als 200 Jahren. Letzteres liegt daran, dass angesichts der Regionalisierung der Märkte für diese Region bisher kein Zugang zu einem potenten Absatzmarkt besteht, sodass, anders als dies für die wichtigsten Ölproduzenten gilt, die tatsächliche Produktion weit unter der möglichen liegt.

In der Tabelle 4 bietet die Internationale Energieagentur eine Prognose bis 2020 auf der Basis von 1995 für Produktion und Verbrauch in den von ihr identifizierten neun Teilmärkten an.

Als die drei größten Regionen bei Produktion und Verbrauch erweisen sich im Jahr 1995 Nordamerika, OECD Europa und die Transformationsländer (in diesem Fall die GUS-Staaten). Auch bis 2020 werden diese drei Regionen entsprechend der IEA-Schätzung die größten Verbraucher sein, doch auf der Produzenten-Seite wird Europa sowohl von Süd- und Ostasien wie vom Mittleren Osten überholt werden. Wie Tabelle 5 zeigt, wird allerdings Süd- und Ostasien trotz des beträchtlichen Produktionswachstums vom Netto-Exporteur (Produktion minus Verbrauch) zum -Importeur werden, während dem Mittleren Osten als Nettoexporteur eine drastisch wachsende Bedeutung zukommen wird.

Tabelle 5 macht darüber hinaus besonders deutlich, dass die Region OECD-Europa bereits jetzt der mit Abstand weltgrößte Netto-Importeur ist und diese Rolle ausbauen wird. Das heißt, Europa importiert schon jetzt mehr Erdgas als alle anderen Regionen der Welt zusammen; im Jahr 2020 wird die Menge fast viermal so groß sein. Darin liegt ein beträchtliches Abhängigkeitsrisiko, aber auch eine Chance, den weltweit einzigen internationalen Wettbewerbsmarkt aufzubauen, auf dem sich ein freier Preis aufgrund eines Wettbewerbs auf der Angebots- und Nachfrageseite herausbildet. Voraussetzung ist, dass alle großen Anbieter, d. h. Afrika, Russland und die südkaspische/Golfregion, Zugang zu dem europäischen Markt bekommen. Anders lässt sich das Versorgungsproblem Europas rein arithmetisch nicht lösen. Doch verfügt die südkaspische/Golfregion bisher über keinen Zugang zum europäischen Markt, es sei denn, es würden postsowjetische Pipelines in Anspruch genommen.

III. Die Bedeutung der zentralasiatischen Energieressourcen

Über den tatsächlichen Energieressourcen Zentralasiens liegt immer noch ein Schleier der Ungewissheit, der die Fantasien anregt. Es gibt für die Erdöl- und Erdgasreserven jedoch Ober- und Untergrenzen, innerhalb derer die tatsächlichen Werte mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen. Diese werden von Jan Kalicki wie in Tabelle 6 angegeben.

Damit ist die Spanne zwischen gesicherten und möglichen Reserven zwar wesentlich größer als in der viel besser erkundeten benachbarten Golfregion, doch zeigt es zugleich, dass die kaspische/zentralasiatische Region mit Sicherheit nicht die energiepolitische Bedeutung hat wie die des Persischen Golfes.

Die Internationale Energieagentur schätzt für die drei wichtigsten Energieproduzenten - das westkaspische Aserbaidschan wird hier der weiteren zentralasiatischen Region hinzugerechnet - folgende Produktionszahlen bei Öl (Tabelle 7) und Erdgas (Tabelle 8)

Die Ölproduktion dieser drei Staaten könnte ab dem Jahr 2015 4 % bis 5 % der Weltproduktion erreichen. Dies bedeutet einen für die Weltversorgung und den Ölpreis durchaus signifikanten Beitrag, doch stellt dieser bestenfalls ein Zehntel der am Golf erwarteten Ölproduktion dar. Usbekistan wird vermutlich ebenfalls beträchtliche Wachstumsraten bei seiner Ölproduktion aufweisen, doch wird erwartet, dass der Verbrauch ähnlich wachsen wird und deshalb keine nennenswerten Mengen für den Export bereitstehen. Für alle übrigen Staaten zwischen dem Bosporus und der chinesischen Grenze gilt, dass keine Ölreserven bekannt sind oder vermutet werden, die von irgendwelcher internationaler Bedeutung wären. Dies trifft insbesondere auch für Afghanistan zu.

Die Erdgasproduktion in den kommenden 20 Jahren ist viel weniger gesichert zu beschreiben, weil angesichts der infrastrukturellen Voraussetzungen unklar ist, auf welchen Absatzmarkt das Erdgas dieser Region transportiert werden kann. Viel stärker als bei Öl, das einem funktionierenden Weltmarkt zugeführt werden kann, hängt also die Erdgas-Produktion von dem technisch realisierbaren Absatz ab. Die IEA-Schätzung geht von einem Beitrag von 5 % bis 6 % zum Weltverbrauch aus, doch ließen die Produktionsmöglichkeiten auch einen höheren Anteil zu.

IV. Veränderte Regeln im Interessenspiel der äußeren Mächte

Die kaspische/zentralasiatische Region beherbergt ein Energiepotenzial, das in seiner Größenordnung das der Nordsee übertrifft und nach der Golfregion das größte Wachstumspotenzial für Öl- und Gasproduktion darstellt. Dadurch werden die "great game"-Assoziationen geweckt. Doch lassen Überlegungen hierzu häufig außer Acht, dass sich im Zeitalter der Globalisierung gegenüber dem seinerzeitigen des Imperialismus und seinen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein reichenden Ausläufern die Spielregeln verändert haben. Die multinationalen Ölunternehmen, welche die Erschließung der Energiereserven betreiben, sind weder Instrument von Regierungen, noch sind Regierungen die Exekutiven von Interessen der Ölfirmen. Vielmehr hat sich gerade in dieser Region durch die Schaffung internationaler Konsortien, welche alle großen Projekte durchführen, in fast exemplarischer Weise die Trennung von wirtschaftlichen und politischen Interessen herausgebildet. Diese Konsortien, denen in der Regel amerikanische, europäische und russische Ölfirmen angehören und die anteilmäßig so zusammengesetzt sind, dass keiner dieser Gruppen die Anteilsmehrheit zufällt, haben nur das gemeinsame Interesse eines langfristig profitablen Projektes und damit einer Immunisierung gegen politische Einflüsse, die als ineffizient betrachtet werden, wenn geopolitische Interessen, also Einflusszonen zugunsten des einen und zulasten eines anderen Staates, geschaffen werden sollen. Dagegen sind die Konsortien durchaus in dem Sinne an politischer Einflussnahme interessiert, dass allgemeingültige Rahmenbedingungen, zum Beispiel im Sinne des 1998 in Kraft getretenen Energiechartavertrages, vereinbart werden. Solche Abkommen tragen zur Kalkulierbarkeit des unternehmerischen Risikos bei und wirken geopolitischen Machtspielen entgegen.

V. Die amerikanischen Interessen

Das amerikanische Interesse an der kaspischen/zentralasiatischen Region manifestiert sich nicht in dem Bedarf, über die Energie der Region zu verfügen, und nur sehr eingeschränkt in der Unterstützung amerikanischer Energiefirmen. In den ersten beiden Jahren nach Auflösung der Sowjetunion (1992/93) hat die US-Regierung durchaus die russische Philosophie des "Nahen Auslandes", die gerade auch auf diese Region angewandt wurde, akzeptiert. Erst die Erkenntnis, dass Iran in eine sich neu bildende Infrastruktur einbezogen werden könnte, hat die Alarmglocken in Washington läuten lassen. Sowohl Kasachstan, das 1993 mit der amerikanischen Firma Chevron einen Vertrag zur Erschließung des Tengiz-Feldes, am Nordostufer des Kaspischen Meeres, abgeschlossen hat, wie auch Aserbaidschan, dessen "Jahrhundertgeschäft" ein Vertrag mit elf internationalen Ölfirmen (20. September 1994), zur Erschließung von drei Offshore-Feldern führen sollte, haben mit Iran Absichtserklärungen ausgetauscht, das neu erschlossene Öl mittels einer Pipeline durch Iran zum Persischen Golf zu leiten. Beträchtliche diplomatische Anstrengungen des Weißen Hauses haben dazu geführt, dass der kasachische Präsident Nasarbajev zugesagt hat, die Pipeline nach Süden nicht zu bauen, und der aserbaidschanische Präsident Aliev Präsident Clintons Vorschlag akzeptiert hat, zunächst die kleineren Mengen des "early oil" in zwei auszubauenden Pipelines zu dem georgischen Schwarzmeerhafen Supsa und dem russischen Hafen Novorossiisk zu leiten und die Entscheidung für die Hauptexport-Pipeline um mehrere Jahre zu verschieben.

Während diese Lösung für den Transport des aserbaidschanischen Öls bisher ausreichte, kam der Erschließungsplan des Tengiz-Feldes in große Bedrängnis. Denn die Untersagung des Transports des erschlossenen Öls nach Süden brachte Russland in eine Monopolposition als Transitland zum offenen Meer und damit zum Weltmarkt. Russland aber ließ sich viel Zeit, dem bereits 1992 gegründeten Caspian Pipeline Consortium (CPC), dessen Anteile sich auf die Staaten Russland, Kasachstan und Oman verteilten, den Bau einer Pipeline zuzugestehen. Zum einen sah Russland in dem Tengiz-Öl eine Konkurrenz für das eigene Exportangebot, zum anderen war Moskau verärgert, dass Kasachstan keine russische Ölfirma an der Erschließung des Tengiz-Feldes beteiligt hatte. Doch ab Mitte der neunziger Jahre zeichnete sich in der russischen Strategie eine Kurskorrektur ab, die auf das Betreiben der größten russischen Ölfirma Lukoil und des russischen Energieministeriums zurückging. Moskau erkannte, dass es mit herkömmlichen machtpolitischen Instrumenten zwar Entwicklungen blockieren, von diesen jedoch nicht profitieren konnte. Ein Ergebnis dieser Kurskorrektur war die Zustimmung zu der von amerikanischer Seite angestrebten (Teil-) Privatisierung der CPC-Anteile. 50 % dieser Anteile wurden 1997 an amerikanische, europäische und russische Ölfirmen vergeben. Das Konsortium erhielt ein neues Management, die Pipeline von Tengiz zum russischen Schwarzmeerhafen mit einer außerordentlich großen Transportkapazität von anfangs 28, später 64 Millionen Tonnen pro Jahr wurde gebaut und 2001 in Betrieb genommen.

Im Erdgassektor konnte die US-Regierung nicht verhindern, dass Turkmenistan, welches 1990 als Republik der Sowjetunion noch 90 Milliarden Kubikmeter Erdgas produzierte und mit diesem Produktionspotenzial zu wirtschaftlichem Wohlstand gelangen wollte, in der Absicht eine Pipeline nach Iran baute und 1997 in Betrieb nahm, längerfristig die Türkei via Iran mit Erdgas beliefern zu können. Doch auf Druck der US-Regierung hat die Türkei ihr Interesse, über eine solche Route turkmenisches und iranisches Gas zu beziehen, zurückgestellt, wodurch der rasch wachsende türkische Gasmarkt praktisch zu 100 % von russischen Lieferungen abhängig wurde. Um die Lieferung von turkmenischem Gas unter Umgehung iranischen Territoriums dennoch zu ermöglichen, hat die US-Regierung die Erstellung einer Machbarkeitsstudie für den Bau einer transkaspischen Erdgasleitung in Auftrag gegeben, die turkmenisches Gas durch das Kaspische Meer nach Aserbaidschan und von dort über Georgien in die Türkei liefern sollte. Eine solche Pipeline hat jedoch auf absehbare Zeit aus mindestens zwei Gründen keine Chance, verwirklicht zu werden: Erstens sind der Rechtsstatus des Kaspischen Meeres und damit die Hoheitsrechte weiterhin ungeklärt. Unter diesen Umständen wird schwerlich ein privater Investor zu finden sein, der eine Pipeline gegen den Protest der Anrainer Russland und Iran durch das Kaspische Meer bauen wird. Zweitens hat sich Turkmenistans Präsident Nijasov entschlossen, entgegen seiner seit Auflösung der Sowjetunion betriebenen Unabhängigkeitspolitik gegenüber Russland, dem russischen Angebot zuzustimmen, wachsende Mengen über das postsowjetische Pipeline-Netz zu transportieren, um damit endlich eine Exportoption zu erhalten, denn die Erdgasproduktion ist in den neunziger Jahren wegen fehlender Absatzmöglichkeiten von 90 Millionen auf 17 Milliarden Kubikmeter (1997) zurückgegangen. Die Vereinbarung mit Russland war offensichtlich an die Verpflichtung gebunden, einer transkaspischen Pipeline mindestens so lange nicht zuzustimmen, bis der Rechtsstatus des Kaspischen Meeres geklärt ist.

Auch die mögliche Pipeline-Infrastruktur von Zentralasien in Richtung Südosten hat die US-Regierung zu beeinflussen versucht. Um zu vermeiden, dass eine Erdgas- oder Erdöl-Pipeline von Turkmenistan via Iran nach Pakistan gebaut wird, haben die USA Verhandlungen zwischen den Staaten Turkmenistan und Pakistan sowie den Investoren Unocal (USA) und Delta (Saudi Arabien) begünstigt, die am 23. Juli 1997 zum Abschluss eines Vertrages in Islamabad geführt haben. Entsprechend diesem Vertrag hätten die Investoren ab Dezember 1998 eine Pipeline von Dauletabad (Turkmenistan) durch Afghanistan nach Multan (Pakistan) bauen sollen. Aus diesem Projekt haben sich die Investoren 1998 zurückgezogen, da die politische Situation in Afghanistan längst keine ausreichende politische Stabilität mehr bot. Möglicherweise wird dieses Vorhaben nach einer Stabilisierung des Landes wieder aufgenommen, doch bedarf es noch einer längeren Phase der Vertrauensbildung, bis private Investoren das Risiko einer solchen Investition zu tragen bereit sein werden.

Die USA waren bisher mit der Politik der Isolation Irans relativ erfolgreich. Weniger glücklich agierten sie mit ihrer aktiven Politik zum Bau einer Öl-Pipeline von Baku über Georgien zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Trotz mehrfacher, von den Staatspräsidenten der betroffenen Länder unterzeichneten Abkommen - zum Beispiel auf dem OSZE-Gipfel im November 1999 in Istanbul - ist die Finanzierung der auf 50 Millionen Jahrestonnen geplanten Pipeline bisher ungeklärt und kein Termin für den ersten Spatenstich festgelegt, während die über Russland führende, größer dimensionierte Pipeline bereits ihren Betrieb aufgenommen hat. Die USA haben - wie Russland - erfahren müssen, dass politische Instrumente ausreichen können, Entwicklungen in einer dynamischen Region zu verhindern, dass aber die Gestaltung einer neuen Infrastruktur nur mit und nicht gegen die im Zeitalter der Globalisierung gültigen Spielregeln zu beeinflussen ist.

VI. Die Interessen Russlands

Die russische Außenpolitik ließ sich nach Auflösung der Sowjetunion zunächst davon leiten, dass die Erschließung kaspischer Energieressourcen und deren Transport zum Herzstück der neu gegründeten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) entwickelt werden kann. Den Rechtsstatus des Kaspischen Meeres wollte Russland als ein von Moskau dominiertes Kondominium gestalten. Umso stärker wirkte der Schock im russischen Außenministerium, als sich Aserbaidschan unilateral über diese Position, aber auch über die Ungeklärtheit des Rechtsstatus hinwegsetzte und mit dem "Jahrhundertvertrag" 1994 ein Konsortium internationaler Ölfirmen unter der Führung von BP mit der Erschließung von drei Offshore-Feldern beauftragte. Pikanterweise gehörte dem Konsortium mit Unterstützung des russischen Energieministeriums auch Lukoil (10 %-Anteil) an. Dennoch protestierte das Außenministerium mit Unterstützung Präsident Jelzins bei den Vereinten Nationen gegen diesen angeblichen Völkerrechtsbruch. Schon bald setzten sich jedoch in der russischen Politik die Interessen durch, die eine Beteiligung russischer Unternehmen und Regionen an Erschließung und Transport der Energie nach internationalen Spielregeln befürworteten. 1995 stimmte Russland dem amerikanischen Vorschlag zu, das in Baku verfügbare Öl in den ersten Jahren über zwei kleine Pipelines - eine über Georgien, die andere über Russland - zu leiten. Für Hauptexport bot Russland den Bau einer Pipeline mit größerer Kapazität von Baku nach Novorossiisk an.

1997 erfolgte die russische Zustimmung zur Teilprivatisierung des CPC-Konsortiums, das Eigentümer der inzwischen fertig gestellten Pipeline über russisches Territorium ist. Ende 1996 bot Russland bei einem Treffen der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres in Ashgabat an, an Stelle der reinen Kondominium-Regelung für das Kaspische Meer eine 45-Meilen-Küstenzone national zuzuordnen und nur die Mitte des Meeres sowie das Wasser (Schiffahrt, Ökologie) gemeinsam zu verwalten. Damit wären praktisch alle bekannten Offshore-Ressourcen unter nationale Hoheit gefallen. Aserbaidschan stimmte dennoch diesem Vorschlag nicht zu. Russland bewegte sich weiter in Richtung auf eine sektorale Teilung und unterzeichnete 1998 ein entsprechendes Abkommen mit Kasachstan zur Festlegung der gemeinsamen Offshore-Grenze, das Kasachstan die gesamten Ressourcen des Kaspischen Schelfes zusprach. Inzwischen ist Russland fast gänzlich auf die Linie Aserbaidschans eingeschwenkt. Nun weigerte sich Iran, einer Aufteilung des Kaspischen Meeres nach dem Äquidistanzprinzip zuzustimmen. Vielmehr besteht Iran entweder auf der Kondominiumlösung oder auf einer Aufteilung zu fünf gleichen Teilen. Dem können weder Aserbaidschan noch Turkmenistan zustimmen. Obwohl also die Eigentumsverhältnisse weiterhin ungeklärt sind, findet die Offshore-Erschließung mit der Ausnahme von Streitfällen zwischen Aserbaidschan einerseits und Turkmenistan und Iran andererseits, wegen der ungeklärten Grenzziehung, statt. Bezüglich des Wassermanagements sind die Zuständigkeiten jedoch ungeklärt.

Beim Transport von Erdgas aus der Region scheint Russland ebenfalls durch eine Änderung seiner Politik im Jahr 2001 einen Punktgewinn errungen zu haben. Nach Auflösung der Sowjetunion sperrte Russland das postsowjetische Pipeline-Netz für den Transport turkmenischen Gases nach Europa, um sich eines Konkurrenten zu entledigen. Nur begrenzte Mengen durfte Turkmenistan an die für ihre Zahlungssäumnisse bekannte Ukraine liefern. Inzwischen ist Russland bewusst geworden, dass die eigene Erdgasproduktion, die zwischen 1990 und 2000 um 9 % gesunken ist, nicht mehr zur Deckung des europäischen Bedarfs ausreicht. So hat sie Turkmenistan angeboten, zunehmend bis zu 80 Milliarden Kubikmeter Erdgas zu einer für Russland ergiebigen Transitgebühr nach Europa zu transportieren. Damit kann Russland nicht nur mit Transiteinnahmen rechnen, sondern auch seine Position als Haupterdgaslieferant Europas bestärken.

Russland musste seine ursprünglichen geopolitischen Positionen zwar aufgeben, doch warf es diesen Ballast gerne ab, denn dadurch entwickelten sich die Dinge weitgehend zugunsten russischer Interessen: Die mit Abstand größte Pipeline zum Transport kaspischen Öls führt durch Russland. Im Erdgasbereich steigen die Chancen, dass Russland Haupttransitland wird. Begünstigt wurden diese Erfolge dadurch, dass die USA Iran als Konkurrenten ausschalteten. Doch konnte Russland diese Position nur erreichen, indem es, anders als die USA, sich zunehmend auf eine Interessenpolitik beschränkte, die sich mit ökonomischer Effizienz in Einklang befand. Die Ausnahme bildet immer noch der Konflikt in Tschetschenien und Daghestan. Es werden sich nämlich keine Investoren finden lassen, welche die Hauptexport-Pipeline von Baku durch diese Region nach Novorossiisk bauen werden, woran Russland gelegen ist. Ohne politische Konflikte böte diese Route durchaus eine wettbewerbsfähige Option.

VII. Die Interessen Irans und der Türkei

Iran und die Türkei sind ungleiche Konkurrenten bei den Bemühungen um die Transportinfrastruktur von Zentralasien zum offenen Meer. Ungleich sind sie deshalb, weil die USA Iran mit Sanktionen belegen und die Türkei als Mittelmacht in der Region aufzubauen versuchen. In der Tat ist es Iran bisher nicht gelungen, sich in größerem Umfang mit den kaspischen/zentralasiatischen Staaten zu vernetzen. Zwar wurde 1996 eine erste Eisenbahnlinie, die Iran mit seinem Nachbarn Turkmenistan verbindet, eingeweiht. Doch die damit verbundenen Hoffnungen auf eine intensive wirtschaftliche Verknüpfung des mittelöstlichen mit dem zentralasiatischen Raum erfüllten sich nicht. Die Erdgas-Pipeline, die zwischen Turkmenistan und Iran gebaut und 1996 in Betrieb genommen wurde, kann nur Erdgas zwischen zwei Staaten transportieren, die beide mehr produzieren als sie verbrauchen und gerne mehr Erdgas exportieren würden.

Noch weniger trifft eine infrastrukturelle Vernetzung mit Zentralasien für die Türkei zu. Sie setzt zu sehr auf das wirtschaftlich fragwürdige Projekt der Öl-Pipeline von Baku nach Ceyhan. Dabei gelang es trotz mehrerer Anläufe um eine konstruktive Kaukasus- und Zentralasien-Politik der Türkei weder, auf die Lösung des zwischen Armenien und Aserbaidschan schwelenden Konflikts um Nagorny Karabach positiv einzuwirken, womit ihr der geographisch direkte Weg zu den Turkstaaten westlich und östlich des Kaspischen Meeres verbaut ist, noch ist es ihr gelungen, eine funktionsfähige Transportlinie für Öl oder Erdgas aus diesem Raum aufzubauen. Unter den drei Nachbarn Armenien, Georgien, Iran, die als Brücke nach Zentralasien dienen können, besteht allenfalls zu Georgien ein kooperatives Verhältnis, doch Georgien leidet unter einer Vielzahl innerer Konflikte, die seine Verlässlichkeit als Partner für Infrastrukturmaßnahmen infrage stellen. Während Iran insbesondere durch die US-Sanktionen in seiner Vernetzung mit Zentralasien behindert ist, leidet die Türkei vor allem unter der Unfähigkeit, historisch gewachsene Konflikte in und mit seinen nordöstlichen Nachbarn zugunsten einer kooperativen Entwicklung aufzuarbeiten und zu lösen. Dadurch bleibt die aufgrund ethnischer Gemeinsamkeiten nahe liegende engere Zusammenarbeit mit den Turkstaaten Zentralasiens ebenso weitgehend ungenutzt wie die Möglichkeit einer Diversifizierung der türkischen Energieversorgung und schließlich auch die Chance, zum wichtigsten Transitland für eine Erdgasleitung vom südkaspischen Raum nach Europa zu werden.

VIII. Die Interessen Europas

Europa ist in Zentralasien bisher nicht als eine Macht mit geopolitischen Interessen in Erscheinung getreten. Dennoch gibt es besondere Beziehungen. Die EU ist der größte Geber an Entwicklungshilfe in der Region. Sie hat mit allen Staaten Zentralasiens Partnerschafts- und Kooperationsabkommen abgeschlossen, wenngleich diese mangels Ratifikation nicht alle in Kraft getreten sind. Sie hat die Europäische Energiecharta initiiert, die in dem Energiechartavertrag mündete, dem alle zentralasiatischen Staaten angehören und der die Spielregeln für internationale Investitionen und Transport im Energiesektor festlegt. Die wichtigsten Konsortien zur Ölerschließung werden von Ölunternehmen aus EU-Staaten angeführt. Die EU-Programme TRACECA und INOGATE unterstützen den Aufbau einer länderübergreifenden regionalen Infrastruktur.

Dennoch hat sich die EU gegenüber konkreten Infrastrukturentscheidungen neutral verhalten. Dabei müsste sie mehr als andere Akteure daran interessiert sein, dass die Versorgungslinien für Öl und Erdgas nach Europa führen. In ihrem Grünbuch bringt die EU die erwartete Versorgungslücke bei beiden Energieträgern aufgrund der zur Neige gehenden eigenen Produktionspotenziale deutlich zum Ausdruck. Doch mangels klarer Kompetenz muss die EU-Kommission gegenüber den EU-Mitgliedstaaten sehr vorsichtig taktieren, wenn es um die Entwicklung einer Energieversorgungsstrategie geht. Die Mitgliedsstaaten wiederum sind weit davon entfernt, eine solche Strategie zu entwickeln. Hier besteht also ein Zuständigkeitsvakuum, über das erst langsam politisches Bewusstsein geschaffen wird. Dabei ist Europa der natürliche Absatzmarkt sowohl für das kaspische/zentralasiatische Öl wie für das Erdgas. Die Region liegt zwischen noch energiereicheren Regionen im Norden und Süden, und ein Export nach Osten ist technisch schwierig und ökonomisch zu riskant, als dass Investoren derzeit bereit wären, die notwendige Infrastruktur zu errichten. Wird die Energie nach Westen geliefert, so bieten sich die Türkei und Europa als Abnehmer an. Für Nordamerika ist ein Transport des Erdgases zu weit, und das Öl wird billiger vom Golf von Hafen zu Hafen transportiert.

Eine europäische Strategie müsste einerseits auf die Pipelineführung bis zum Schwarzen Meer Einfluss nehmen und andererseits die europäische Anbindung von den Häfen Burgas (Bulgarien), Konstanza (Rumänien), und/oder Odessa (Ukraine) per Pipeline organisieren. Erste Schritte sind erfolgt, insbesondere hat die Ukraine eine Verbindungspipeline von Odessa zu der auf sowjetische Zeiten zurückgehenden Freundschafts-Pipeline geschaffen, doch das Ganze ist bisher Stückwerk. Brüssel hat sich bisher nicht dazu geäußert, welche Infrastruktur es den Investoren empfiehlt und gegebenenfalls politisch absichert.

Eine Erdgas-Pipeline vom südkaspischen Raum, in welche turkmenisches, iranisches und aserbaidschanisches Gas fließen könnte, via Türkei und Südosteuropa zum mitteleuropäischen Pipeline-Netz könnte nicht nur die in dem EU-Grünbuch beschriebene Versorgungslücke schließen, sie würde auch Südosteuropa in das somit flächendeckende Netz einbinden, und sie böte die Möglichkeit eines Wettbewerbsmarktes in Europa, womit der Übergang von dem im Erdgasbereich bisher gängigen bilateralen Monopol zwischen Produzenten und Verbrauchern mit Preisanbindung an den Ölpreis zu einem wirklichen Markt geschaffen werden könnte. Anders als die in der zentralasiatischen Region immer noch präsenten geopolitischen Interessenwahrnehmungen könnte Europa mit dieser Region eine Partnerschaft eingehen, welche europäische Interessen mit wirtschaftlicher Entwicklung in der Region verbindet, bei der es keine Verlierer gibt.

IX. Schlussfolgerungen

Das Problem der Energieversorgung wird mit zur Neige gehenden Reserven in Nordamerika und Europa wieder ein höheres Gewicht in der Politik westlicher Industrieländer gewinnen. Damit steigt auch die Krisenanfälligkeit und deren Nutzungsmöglichkeit durch Terrorismus. Während jedoch für die USA - und noch mehr für die Staaten Ost- und Südasiens - die besondere Aufmerksamkeit dem Ölfluss vom Persischen Golf zu den Verbrauchermärkten gilt und hierbei die Anfälligkeit für Terrorismus und Staatszusammenbrüche im Auge behalten werden muss, fällt Afghanistan allenfalls als Transitalternative zu Iran und Zentralasien insgesamt eine Bedeutung niedrigerer Ordnung zu. Die Einhaltung der vom amerikanischen Kongress im August 2001 um fünf Jahre erneuerten Iran-Sanktionen wird von der Bush-Administration anders als von der Clinton-Regierung nur als eine Pflichtübung gesehen. Konzentrierte sich in der Vergangenheit die US-Politik in der Region auf die Isolation Irans, so hat diese Rolle nunmehr die Terrorismus-Bekämpfung übernommen. Dass dabei die Interessen des bisherigen Partners Türkei auf der Strecke bleiben könnten, wird in Kauf genommen. Für Europa böte sich dagegen eine Chance, in der Region eigene Versorgungsinteressen wahrzunehmen und dabei zugleich einen effizienten Entwicklungsbeitrag zu leisten. Doch leider sind die europäischen Strukturen bisher nicht dahingehend ausgelegt, dass solche strategischen Interessen auch mit angemessenem Engagement umgesetzt werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Georg Watzlawek, USA geben Russland im Pipeline-Poker am Kaspischen Meer freie Hand, in: Handelsblatt vom 4. 12. 2001, S. 6.

  2. Vgl. Neil MacFarlane, Amerikanische Politik in Zentralasien und im Transkaukasus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B43 - 44/98, S. 4.

  3. Vgl. Amy Myers Jaffe/Obert A. Manning, The Myth of the Caspian "Great Game": The Real Geopolitics of Energy, in: Survival, 40 (Winter 1998 - 99) 4, S. 112 - 129.

  4. Vgl. Abraham S. Becker, Russia and Caspian Oil: Moscow Loses Control, in: Post-Soviet Affairs, (2000) 16, S. 91 - 132.

  5. Vgl. Guive Mirfenderski, A Diplomatic History of the Caspian Sea, Palgrave - New York 2001, S. 193.

  6. Vgl. Wall Street Journal vom 3. 8. 2001, S. 1.

  7. Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch - Die Sicherheit der Energieversorgung der Union, Brüssel 2001.

Dipl.-Volkswirt, Dr. rer. pol., geb. 1943; Leiter der Forschungsgruppe "Globale Fragen" der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Anschrift: Stiftung Wissenschaft und Politik, Ludwig- Kirch-Platz 3-4, 13505 Berlin.
E-Mail: Friedemann.mueller@swp-berlin.org

Zahlreiche Publikationen zu Themen der globalen Energieressourcen, Fragen der Versorgungssicherheit, geopolitischen Problemen insbesondere am Golf, im Kaspischen Raum und Russland, zur Klimaproblematik, zu ordnungspolitischen Fragen im Zusammenhang mit Energieversorgung und Umweltpolitik.