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In Deutschland daheim, in der Welt zu Hause? | Nation und Nationalismus | bpb.de

Nation und Nationalismus Editorial Zur "Wiederkehr" des Nationalismus Nationalgeschichte und Globalgeschichte. Wege zu einer "Denationalisierung" des historischen Blicks In Deutschland daheim, in der Welt zu Hause? Der Heimat-Diskurs und die Transnationalisierung von Klassenstrukturen Postnationale Potenziale. Praktiken jenseits der Nation Hindu-Nationalismus. Indien auf dem Weg in einen Hindu-Staat? Von der autonomen Gemeinschaft zur unabhängigen Nation? Separatismus in Katalonien Die neue Diasporapolitik der Türkei und Türkeistämmige in Deutschland

In Deutschland daheim, in der Welt zu Hause? Der Heimat-Diskurs und die Transnationalisierung von Klassenstrukturen

Cornelia Koppetsch

/ 21 Minuten zu lesen

Während die einen Heimat als Schicksal betrachten, gehen die anderen von der Möglichkeit einer (immer wieder neu) gewählten Heimat aus. Die unterschiedlichen Konzepte von "Heimat" sind Ausdruck neuartiger Spaltungen innerhalb einer sich transnationalisierenden Gesellschaft.

Was ist "Heimat"? Seit der Rede des Bundespräsidenten zum Tag der Deutschen Einheit 2017, spätestens aber seit der Einrichtung eines Heimatministeriums auf Bundesebene nach dem Vorbild Bayerns, reden plötzlich alle über sie. Der populäre Diskurs über die Heimat boomt, sichtbar nicht nur an der gesteigerten Produktion von literarischen oder soziologischen Heimaterzählungen, sondern auch am Aufschwung des Handels mit regionalen Produkten und Trachten, der zu einer wahren Selbstvergewisserungsindustrie geworden ist. Aus soziologischer Sicht ist die für viele unheimliche Konjunktur des Heimatbegriffs allerdings nicht so verwunderlich, wie es zunächst scheint. Die Idee der Heimat befindet sich gewissermaßen am mentalen Verkehrsknotenpunkt von Globalisierung, romantischem Neo-Konservatismus und neuen politischen und gesellschaftlichen Konfliktlinien. Im Wort "Heimat" schwingen zarte Erinnerungen an Kirchturmglocken und gemähtes Gras aus Kindheitstagen mit; zugleich sind darin die drängendsten Probleme der Gegenwart kurzgeschlossen: Herkunft, Bleiberecht, Wanderung und vor allem das Streben nach Zugehörigkeit, Stabilität und Vertrautheit.

Versuchen wir die gesellschaftlichen Hintergründe des aktuellen Heimatdiskurses systematisch zu erfassen, so lassen sich zunächst zwei unterschiedliche Aspekte identifizieren: Zum einen stellt die wachsende Relevanz von Heimat schlichtweg eine Konsequenz gesteigerter Mobilitäts- und Migrationserfahrungen dar. Schon die Vorstellung, an einem spezifischen Ort verwurzelt zu sein, ist eine genuin moderne Erfahrung. Diese und die entsprechenden Heimatbindungen konnten sich nämlich erst entwickeln, als der Einzelne nicht mehr selbstverständlich mit seinem Herkunftsort verwachsen war. Heimat tritt im Rück- und Fernblick besonders prägnant in Erscheinung, manchmal dann auch als Phantomschmerz, weil es die Sehnsucht nach einem Ort umfasst, den es so, wie wir ihn in Erinnerung haben, vielleicht gar nicht mehr gibt oder nie gab. Zum anderen, und das ist der interessantere Aspekt, ist die diskursive Konjunktur von "Heimat" Ausdruck einer wachsenden Territorialisierung sozialer Lagen und neuartiger Ungleichheitskonflikte, die um Fragen der sozial-räumlichen Zugehörigkeit kreisen. Im Heimatbegriff werden soziale Ansprüche spezifischer Gruppen geltend gemacht – oder eben auch zurückgewiesen.

Zwei Vorstellungen von Heimat

Im aktuellen Diskurs erschließt sich die gesellschaftliche Brisanz des Heimatbegriffs allerdings erst dann vollständig, wenn die gegenwärtig innerhalb der Mittelschicht aufbrechenden Konfliktfelder um die Frage, was Heimat überhaupt bedeuten soll, genauer auf ihre gesellschaftlichen Hintergründe und ihre Standortbedingungen untersucht werden. Hier zeigt sich, dass der Heimatbegriff sich im Zentrum neuer politischer Konflikte um Transnationalisierung, Migration und territorialer Autonomie befindet.

Die Rollen in diesen Konflikten sind wie folgt verteilt: Auf der einen Seite stehen die Fortschrittlichen und Beweglichen, jene also, die unermüdlich behaupten, dass Heimat auch Zuwanderern offenstehe und niemals etwas sei, was man für immer haben oder besitzen könne, sondern stets nur das Ergebnis eines "gelungenen Heimischwerdens in der Welt" und der "tätigen Auseinandersetzung mit der Umwelt". Auf der anderen Seite stehen jene, die zumeist weniger mobil sind, deutlich weniger Wahlmöglichkeiten hinsichtlich ihres Wohn-, Arbeits- oder Urlaubsortes haben und deren Identität auf Zugehörigkeit zu einem spezifischen Territorium, sei es eine Region, eine Nation oder ein spezifischer Ort, beruht. Hier existiert häufig die Vorstellung einer schicksalhaften Verbindung mit dem eigenen Ursprung, der zufolge der Mensch seine primäre Heimat nicht wählen kann, weil sie ihm zugefallen ist und er sie folglich immer schon besitzt. Heimat in diesem Sinne verbürgt unhintergehbare Zugehörigkeit und Identität, und die kann es aus Sicht der Anhänger und Fürsprecher dieses Konzepts nur im Singular geben. In dieser Perspektive muss die "unbegrenzte Flexibilität" einer offenen Selbstverortung dazu führen, dass am Ende niemand mehr eine Heimat hat.

Der erstgenannten Heimatvorstellung liegt hingegen ein kosmopolitisches Selbstverständnis zugrunde, dem zufolge fremde Orte und Menschen stets neue Möglichkeiten kultureller Aneignung und Identitätsbildung eröffnen. Heimat dürfe demnach nicht exklusiv verstanden werden und zum Ausschluss anderer führen, da das Aufnehmen des Anderen, des Neuen Chancen für "mehr Kompetenz" berge. Behauptet wird zudem, dass Migration die Heimat für beide Seiten bereichere: Für die Einheimischen, weil der "bunte Mix" der Kulturen und die Erfahrung des Fremden zu einer Horizonterweiterung führten, die die Rückbesinnung auf eigene lokale oder nationale Traditionen umso attraktiver werden lasse; für die Zugewanderten, weil der Schritt in die Fremde "die Chance verheißt, sich neu zu erfinden". In diesem Zusammenhang wird von den Kosmopoliten auch gerne darauf verwiesen, dass es sich bei der Heimat, ähnlich wie bei der Nation, um ein soziales Konstrukt handle und sie daher keine natürliche Grundlage besitze.

In exemplarischer Weise wird diese Auffassung etwa von dem Kulturtheoretiker und Schriftsteller Klaus Theweleit artikuliert: "Ich bin ein Flüchtlingskind aus Ostpreußen und hatte dann meine neue, meine zweite schleswig-holsteinische Heimat. Als Jugendlicher wurde dann englische Beat-Musik meine kulturelle Heimat. Ich kenne also mindestens drei verschiedene Heimaten." Die Identität, die die Heimat stiftet, wird in dieser Vorstellung als Patchwork-Zugehörigkeit entworfen, die ihre Wurzeln in unterschiedlichen Gemeinschaften findet. Die verschiedenen Herkünfte werden als Ressourcen für die biografische Arbeit an der eigenen Identität behandelt. Kosmopolitisch mutet diese Vorstellung deshalb an, weil das Prinzip der unverbrüchlichen Verwurzelung von Mensch und Herkunft aufgehoben scheint.

Demgegenüber liegt dem Heimat-als-Schicksal-Modell die Überzeugung zugrunde, Heimat sei in erster Linie etwas für Eingeborene und nicht für Zuwanderer. Nach dieser Logik gilt: Es gibt nur eine einzige Heimat, die man sich nicht aussuchen kann, weshalb Migration und Flexibilität auf beiden Seiten unweigerlich zum Heimatverlust führen müssen. In neueren politischen Diskursen wird dieses Verständnis von Heimat häufig dann artikuliert, wenn Autonomieverluste abgewendet werden sollen. Dabei geht es zumeist um zwei Formen der Angst vor Entfremdung: einerseits um die Befürchtung der Fremdbestimmung der eigenen kleinen "heilen Welt" durch Einmischung von als mächtig beziehungsweise bedrohlich empfundenen Anderen, andererseits um die Angst vor kultureller Überfremdung durch (massenhafte) Zuwanderung. Die Abwehr von Fremdbestimmung durch Einmischung Anderer zeigt sich etwa im neu erwachten Heimatbewusstsein peripherer, oftmals ländlicher Regionen, die um ihren Status kämpfen und sich durch die Mehrheitsgesellschaft in eine marginale Position gebracht sehen. Sie ist aber kein exklusives Konstrukt wirtschaftlich schwacher oder abgehängter Regionen; auch ökonomisch starke Regionen können unter bestimmten Bedingungen dazu tendieren, drohende Autonomieverluste durch Abschottung zu kompensieren. Das zeigt sich nicht zuletzt auch an separatistischen Bewegungen, wie sie etwa in Norditalien, im Baskenland, in Irland oder aktuell in Katalonien zu beobachten sind. Der Traum vom eigenen Ministaat, von der autarken, autonomen Heimat bringt den Wunsch der regionalen Bürger nach Selbstbestimmung in Stellung gegen die vermeintliche Fremdbestimmung durch die eigene Nation oder etwa den "Suprastaat" Europa.

Am aktuellen öffentlichen Diskurs über "Heimat" wird offenbar, das jedes der beiden Modelle für sich moralische Überlegenheit reklamiert. Äußerungen eines nationalen, regionalen oder separatistischen Heimatbewusstseins ziehen stets eine wahre Bekenntnisflut zur Weltoffenheit seitens der Kosmopoliten nach sich. Die Gegensätzlichkeit der beiden Lebensauffassungen sollte allerdings nicht den Blick dafür verstellen, dass auch Kosmopoliten keineswegs uneingeschränkt "offen" sind, sondern spezifische soziale Räume bewohnen, die sie gegenüber anderen Gruppen abschließen.

Zwar zeichnet sich die urbane akademische Mittelklasse durch einen hohen Grad an räumlicher – teilweise auch transnationaler Mobilität – aus. Dass der räumliche Lebensmittelpunkt gezielt ausgewählt wird, etwa indem man den Ort, an dem man geboren wurde und aufgewachsen ist, mit Beginn des Studiums oder aber spätestens mit dem Eintritt ins Berufsleben verlässt, erscheint für die Subjekte der akademischen Klasse eine Selbstverständlichkeit. Doch folgt aus der Fähigkeit zur Anverwandlung einer zweiten oder mitunter sogar dritten Heimat tatsächlich mehr Offenheit, in dem Sinne, dass man an beliebigen Orten heimisch werden kann, Fremde nicht ausgrenzt und kulturelle Vielfalt erlebt und praktiziert? Wohl kaum.

Wenn eine Kultur nicht durchmischt, sondern nahezu vollständig homogen ist, dann ist es die kosmopolitische Kultur der urbanen akademischen Mittelklasse mit ihrem körper- und gesundheitsbewussten, auf Selbstverwirklichung und Wissensaneignung hin orientierten Lebensstil. Kultur umreißt im kosmopolitischen Bewusstsein und im Gegensatz zum Heimat-als-Schicksal-Modell nicht mehr den Bereich einer normativ verbindlichen Ordnung, sie wird vielmehr als eine Ressource verstanden, als vielgestaltiges Material, das in unterschiedlichster Weise geformt und zur Bereicherung des eigenen Selbst beitragen soll. Und weil prinzipiell kein Objekt von dieser Form der Aneignung ausgeschlossen ist, weil prinzipiell von jedem Kulturgut eine Erweiterung der individuellen Kompetenzen oder eine Steigerung des Genusses ausgehen kann, ist der akademische Kulturkonsument ein Allesfresser, der die Grenzen zwischen Hoch- und Populärkultur, zwischen dem Historischen und dem Gegenwärtigen, dem Eigenen und dem Fremden, zwischen Kulturkreisen, Nationen oder Regionen im Dienste der Erweiterung seines Wissens und seines Horizontes aufhebt. Jeder Ort, einschließlich der Heimat, kann als Ort der Aneignung von Kultur betrachtet werden. Mit anderen Worten: Kosmopolitismus ist Teil einer umfassenden De-Kontextualisierung kultureller Bedeutungen.

Die Subjekte der urbanen akademischen Mittelklasse sehen sich als Träger einer zukunftsweisenden Lebensform, die sie zum gesellschaftlichen Maßstab gelingenden und erfolgreichen Lebens insgesamt erheben. Auf dieser Basis verteidigen und legitimieren sie Privilegien gegenüber untergeordneten Sozialklassen. Sozioökonomische Ungleichheiten werden dann nicht auf kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse, sondern auf Unterschiede in Geschmack, Kompetenzen und Differenzen in der Lebensführung insgesamt zurückgeführt. Die Lebensformen anderer Milieus erscheinen vor diesem Hintergrund als weniger differenziert und damit auch weniger wertvoll: Aus kosmopolitischer Sicht offenbart sich in der Vorstellung von Heimat als Schicksal eine kultur-konformistische Haltung. Denn nicht nur die Heimat, auch das betreffende Wissen und die zugehörige Kultur werden von den Trägern des Schicksalsmodells zumeist als gegeben, das heißt als ein durch Sitten, Traditionen oder Autoritäten verbürgter Ordnungsrahmen begriffen, in den man sich einfügt. Aus kulturkosmopolitischer Perspektive erscheint diese Auffassung unvereinbar mit einer in erster Linie kulturunternehmerisch verstandenen Intelligenz, da eine "ehrfürchtige" Sichtweise auf Wissens- und Kulturbestände als Kreativitätshindernis wahrgenommen wird.

Ähnlich wie die Vertreter des Heimat-als-Schicksal-Modells verteidigen auch die Kulturkosmopoliten einen exklusiven Lebensraum. Es sind die urbanen Zentren, die mit der Reproduktion historischer Stadtarchitekturen zu privilegierten Erlebnisräumen für Kultur- und Lifestyle-Konsum, Freizeit und Tourismus geworden sind. Die Möglichkeit, sich wiederholt in diesen Räumen aufzuhalten oder gar dauerhaft in ihnen zu leben, bildet vielerorts mittlerweile ein Privileg. Mit zunehmender Privatisierung und Touristisierung zentraler öffentlicher Räume werden Straßen und Plätze auf neue Weise kontrolliert, wodurch Zugangsrechte unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen zu Straßen, Plätzen und anderen ehemals öffentlichen Räumen neu verhandelt werden. Generell gilt: Wer sich die teuren Mieten der attraktiven Stadtquartiere nicht leisten kann und in den Restaurants auf den öffentlichen Plätzen nicht konsumiert, findet in den historischen Kulissen der europäischen Großstädte keine günstigen Verweilmöglichkeiten mehr.

Ursprünglich entstand die neue Urbanität mit dem historischen Aufstieg der "zweiten Heimat" im Zuge der Landflucht der gebildeten Mittelschichtjugend seit den 1970er Jahren. Angeführt von der Alternativbewegung und der städtischen Bohème hat in Deutschland ausgehend von der Besiedlung bestimmter Altbau-Quartiere in den Großstädten eine Re-Urbanisierung der Innenstädte eingesetzt. Diese entstanden auch in Reaktion auf die wachsende Unzufriedenheit mit der "Unwirtlichkeit unserer Städte" (Alexander Mitscherlich), das heißt mit der Monotonie der Vorstadtsiedlungen und dem Verfall des urbanen Lebens in der als provinziell und erstarrt empfundenen Nachkriegsära. Seine soziale Exklusivität gewinnt der urbane Lebensstil jedoch erst durch die wachsende sozialräumliche Polarisierung zwischen den von der urbanen akademischen Mittelschicht bewohnten postindustriellen Großstädten als Zentren und den übrigen Siedlungsgebieten (alte Industriestädte, Kleinstädte, Dörfer) als Peripherien. Von dort wandern die Hochqualifizierten in die Großstädte.

Heimat: singulär, vertraut und exklusiv

Versucht man vor diesem Hintergrund nun, den Begriff "Heimat" allgemein und beide Lebensformen umfassend zu bestimmen, so stößt man auf insgesamt drei essentielle Bestandteile: Singularität, Vertrautheit und sozialräumliche Exklusivität beziehungsweise Schließung. Im Unterschied zum Nicht-Ort oder auch zum beliebigen Ort, space, ist Heimat ein place, ein einmaliger, herausgehobener Ort, der in seiner Eigensinnigkeit angeeignet wird. Die Eigensinnigkeit zeigt sich sowohl im regional geprägten Heimatgefühl der Schicksalsfraktion wie auch in der Anverwandlung der zweiten Heimat im urbanen Raum. Auch diese ist nicht auf eine kulturindustrielle Schablone reduzierbar, sondern unterliegt idiosynkratischen Aneignungsprozessen. Die zweite Heimat wird durch das Leben in Kiezen und Szenequartieren zu einem einzigartigen, mit der individuellen Biografie verwobenen Ort. Auch wenn Konsum eine zentrale Dimension des kulturkosmopolitischen Urbanismus darstellt, wird eine von oben oktroyierte Kommerzialisierung als Entfremdung erlebt. Vor diesem Hintergrund wird auch die exzessive Zunahme des Städtetourismus als Verfälschung und Bedrohung des authentischen Lebensraums wahrgenommen, da sie die Authentizität der heimatlichen Anverwandlung insbesondere der ihrerseits Zugezogenen infrage stellt.

Auch das zweite Merkmal, die Vertrautheit, ist in beiden Heimatvorstellungen anzutreffen. Heimaten bilden "Wohlfühl-Zonen", sie sind Orte, die "Seinsgewissheit" dadurch vermitteln, dass sie eine habituelle, präreflexive Verwurzelung in Alltagsroutinen und im sozialen Leben ermöglichen. Diese Vertrautheit ist das subjektive Korrelat einer Passung zwischen dem sozialen Ort und den persönlichen Dispositionen. Das Gegenteil ist das Gefühl der Entfremdung, das sich einstellt, wenn Seinsgewissheiten – etwa durch den Zuzug Fremder oder auch durch veränderte Machtverhältnisse und gesellschaftliche Spielregeln – erschüttert werden. In der Heimat-als-Schicksal-Fraktion wird Vertrautheit durch Identifikation mit den Eigenheiten der Herkunftsgemeinschaft, etwa auch durch die Beherrschung des heimatlichen Dialektes, hergestellt. In der kosmopolitischen Heimat hingegen wird Vertrautheit nicht zuletzt durch die urbanen Kieze und durch "die Kultur", das heißt durch das Ensemble der gemeinsam geteilten Praktiken des wissens- und selbstverwirklichungsorientierten Lebensstils gestiftet.

Schließlich ist das dritte gemeinsame Merkmal beider Heimatvorstellungen die sozialräumliche Exklusivität, also die Schließung des Lebensraums gegenüber unerwünschten Zuwanderern. Unterschiedlich sind lediglich die Formen der Grenzziehung wie auch die Gruppen, die jeweils als unerwünscht betrachtet werden – Touristen, Asylsuchende oder Städter. Die Verfechter des Heimat-als-Schicksal-Modells verteidigen Heimat im Modus politischer Grenzen. Begründet wird die soziale Exklusivität mit der Notwendigkeit, Zusammenhalt und Identität der Gemeinschaft gegenüber Zuwanderern aus fremden Kulturen zu schützen. Die Beziehung zwischen Gemeinschaft und Territorium wird dabei gleichsam naturalisiert. Nur die eingeborene Gemeinschaft, nicht die Zugewanderten haben in diesem Modell Anspruch auf die gemeinschaftlichen Ressourcen.

Nichts liegt den Kosmopoliten ferner. Weltoffenheit und die Ausgestaltung einer historisch und kulturell gleichermaßen gesättigten wie vielfältigen Urbanität stehen im Zentrum des Heimatgefühls der akademischen Mittelklasse. Allerdings verfügen auch die vermeintlich offenen Kulturkosmopoliten über ihre ganz spezifischen Grenzanlagen. Die Raumaneignung der urbanen akademischen Mittelklasse umfasst zwar transnationale Bewegungen und öffnet die angestammten Territorien auch für die (kosmopolitischen) Bewohner anderer Länder, doch spielen sich diese Öffnungen stets innerhalb desselben soziokulturellen und geografischen Rahmens urbaner Lebensräume ab. Zu den wirkungsvollsten Grenzanlagen gehört die kapitalistische Ausrichtung des Lebensstils, denn das eigene Territorium wird primär im Modus ökonomischer Grenzen verteidigt. Kulturelle Offenheit wird somit kompensiert durch ein hochgradig effektives Grenzregime, das über Immobilienpreise und Mieten, über ein sozial und ethnisch hoch selektives Bildungswesen sowie über den Zugang zu exklusiven Freizeiteinrichtungen und Clubs gesteuert wird. Abgrenzung erfolgt nicht nach außen, sondern nach unten. Es sind vor allem die ökonomischen Privilegien, die wirkungsvolle Schutzzäune gegenüber unteren Schichten und Migranten darstellen. Gut situierte und gebildete Migranten werden von den einheimischen Kosmopoliten als unproblematisch empfunden, sozial schwache und gering qualifizierte hingegen kommen in den privilegierten Quartieren gar nicht erst vor. Deshalb werden sie von den Bewohnern der kulturell homogenen Milieus auch nicht als Konkurrenten um begehrte Güter wie gesellschaftliche Machtpositionen, Arbeitsplätze, günstigen Wohnraum, Sexualpartner, Sozialleistungen oder staatliche Zuwendungen wahrgenommen.

Das erklärt auch, warum sich Kosmopoliten für gewöhnlich nicht von Migranten irritieren lassen. Für Kosmopoliten in Berliner Bezirken wie Kreuzberg oder Prenzlauer Berg, die zumeist über exklusive Lebensräume und höhere Gehälter verfügen, besitzen fremdenfeindliche Anwandlungen schlicht keine lebensweltliche Grundlage. Migranten – sofern sie nicht auch zur gehobenen Mittelschicht gehören – kommen in dieser Welt zumeist als "Diener" vor, das heißt als Wachschützer, Verkäuferin, Paketfahrer, Kellnerin oder Hilfsarbeiter – oder eben in der Rolle hilfsbedürftiger "Flüchtlinge". Als Angehörige eines neuen Dienstleistungsproletariats haben Migranten zwar ihren Arbeits-, aber eben nicht ihren Lebensmittelpunkt in den Vierteln der kosmopolitischen Mittelschicht. Sollten Zuwanderer dennoch einmal Anlass zu Irritationen geben, etwa weil Migrantenkinder mit Sprachschwierigkeiten aus dem Globalen Süden oder aus "Gastarbeiterfamilien" in die gleiche Schule gehen wie der hoffnungsvolle Nachwuchs der gebildeten Besserverdiener, reagieren die betroffenen Eltern nicht selten mit der stillschweigenden Wiederherstellung der räumlichen Trennung, indem sie ihre Kinder von den betreffenden Einrichtungen abmelden und sie in exklusive oder gleich in private Schulen schicken. Für zukünftige Familien wird das vermutlich gar nicht mehr nötig sein, da die polarisierende sozialräumliche Segregation in attraktive Wohngegenden und problematische Stadtteile mit hohen Migrantenanteilen mittel- bis langfristig ohnehin für weitgehend homogene Schülerschaften sorgen wird. Schulen in unterprivilegierten Quartieren besitzen schon heute Migrantenanteile von bis zu 80 Prozent, während die Schulen in den Quartieren der akademischen Mittelschicht nahezu ohne Kinder mit Migrationsgeschichte auskommen.

Zur Transnationalisierung von Klassenstrukturen

Worauf kann die Unterschiedlichkeit der Heimatvorstellungen in den beiden Klassenfraktionen der Mittelschicht zurückgeführt werden? Sichtbar wird, dass der Streit um die Heimat keine Marginalie darstellt, sondern im Zentrum klassenspezifischer Konflikte um Lebensformen und gesellschaftliche Deutungshoheiten steht. Die unterschiedlichen Konzepte von "Heimat" sind, anders als zumeist geglaubt, keine bloßen Glaubensgrundsätze, sondern Ausdruck neuartiger Spaltungen innerhalb einer sich transnationalisierenden Gesellschaft, die sich an der Trennungslinie zwischen Globalisten und Nativisten oder Kosmopoliten und Heimatverbundenen entzündet. Sie verläuft dabei zwischen solchen Menschen, die alle Vorteile der Freizügigkeit genießen, ihrerseits problemlos überall hin migrieren können, die Nachteile der Zuwanderung in die eigene Region jedoch für gewöhnlich nicht zu spüren bekommen, und solchen Menschen, deren Existenz auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Region basiert, die über geringe oder keine Ausweichmöglichkeiten verfügen und die sich den negativen Folgen von Zuwanderung, wie etwa Lohnkonkurrenz, Integrationsproblemen oder nachlassender kultureller Homogenität und Vertrautheit, ausgesetzt sehen.

Daraus resultieren neuartige Ungleichheitskonflikte, wie sie gegenwärtig prominent in den von populistischen Rechtsparteien angestoßenen beziehungsweise instrumentalisierten Konflikten um Migration und Asyl ebenso wie in den Debatten um die Bedeutung nationaler Souveränität und Identität aufbrechen: Drehte sich der politische Konflikt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch um die Forderung, den produzierten Reichtum innerhalb der Nationalstaaten gerechter zu verteilen und die Ungleichheit der Chancen zwischen den sozialen Klassen zu bekämpfen, so resultiert der zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufkeimende Konflikt aus der viel grundlegenderen Frage, welche gesellschaftlichen Kollektive, welche ethnischen, religiösen oder sozialen Gruppen im politischen Raum des Nationalstaates überhaupt noch repräsentiert werden. Die Brisanz dieser Frage ergibt sich daraus, dass sich Gesellschaften bereits weitgehend aus der Klammer des Nationalstaates herausgelöst und die Welt in globale, nationale und lokale Zonen aufgeteilt haben.

Der Nationalstaat ist schon längst kein souveräner Wirtschaftsraum mehr. Dazu haben einerseits die Etablierung globaler Produktions- und Lieferketten und andererseits die Entwicklung neuer Kommunikationstechnologien beigetragen. Die Herausbildung eines europäischen Wirtschafts- und Währungsraums hat die ökonomische Souveränität der Nationalstaaten zusätzlich geschwächt. Aber nicht nur wirtschaftliche Wertschöpfungsketten, auch politische Steuerungskonzepte haben die nationalstaatlichen Grenzen in vielerlei Hinsicht transzendiert. Während die Politik des Steuerungs- und Wohlfahrtsstaates der Industriemoderne eng an den Nationalstaat gekoppelt war, ist der Bedeutungsverlust nationaler Regulierung in der postindustriellen Gesellschaft einerseits mit dem Aufschwung supranationaler Steuerungsinstanzen und andererseits mit einem Bedeutungsgewinn politischer Akteure unterhalb der nationalen Ebene verbunden. Dabei spielen die Städte, vor allem die Großstädte und Metropolregionen, als Brennpunkte globaler Investitionen eine Schlüsselrolle.

Die Zugehörigkeit zu sozialen Klassen entscheidet sich nun immer häufiger an der Frage, ob soziale Schicksale primär durch regionale, nationale oder transnationale Vergesellschaftungsprinzipien geprägt werden. Es entstehen neue transnationale Klassen, wobei Transnationalisierung nicht immer ein Vorteil darstellt. Diese ist auch nicht mit Migration oder Plurilokalität gleichzusetzen, da viele grenzüberschreitende Prozesse durch einzelne Nationen hindurchgreifen und somit regionale, nationale oder transnationalisierte Lagen unter dem Dach ein und desselben Nationalstaates beherbergt sind. Die hochqualifizierten und gut bezahlten Arbeitnehmer der urbanen akademischen Mittelschicht stellen gemeinsam mit den an der gesellschaftlichen Spitze angesiedelten globalen Eliten das transnationale Oben dar. Sie verfügen über global einsetzbares kulturelles Kapital, transnational verwertbare Bildung und anerkannte Qualifikationen und sind in dem Maße eher lose mit dem nationalen Wirtschafts- und Gesellschaftsraum verbunden wie ihre transnationale Verflechtung in den globalen Metropolen zunimmt. Über ihre soziale Lage wird immer weniger allein im eigenen Land entschieden. Eine Unternehmensberaterin in Frankfurt am Main, ein Investmentbanker in London oder eine Architektin in Taiwan bewohnen einen gemeinsamen Verkehrs- und Transaktionsraum, selbst wenn sie sich nie persönlich begegnet sind und stets innerhalb ihrer Länder verbleiben. Häufig teilen die transnationalen Experten, die sich vorrangig in den Beratungs-, Finanz- und Kulturindustrien finden, nicht nur eine gemeinsame professionelle Identität, sondern eben auch einen gemeinsamen kosmopolitischen Lebensstil, der aus dem Leben in globalen Metropolen resultiert. Die global cities stellen gewissermaßen kosmopolitische Enklaven dar, die in allen Ländern der Welt ähnliche Infrastrukturen und Konsumkulturen aufweisen. Zudem sind die unterschiedlichen Territorien durch ökonomische Austauschbeziehungen und durch das Internet miteinander verbunden. Dadurch werden sich ihre Lebensbedingungen zukünftig noch stärker international angleichen. Das Zugehörigkeitsgefühl der kosmopolitischen Mittelschicht zur eigenen Nation dürfte sich dabei in demselben Maße lockern, wie ihre transnationale Verflechtung innerhalb der global cities zunimmt. Auch der neue Urbanismus hat sich zunehmend transnationalisiert. Wer sich in die Metropolen anderer Länder, etwa nach Shanghai, Bangkok oder London begibt, findet überall eine vergleichbare urbane Geografie von In-Vierteln, gentrifizierten Stadtteilen, Museen, Theatern und Kulturdenkmälern.

Wie gesagt: Transnationalisierung ist nicht mit Migration gleichzusetzen. Auch "sesshafte" Künstler, IT-Fachkräfte, Wissenschaftlerinnen, Architekten, Sportlerinnen oder politische Bewegungen bewegen sich auf transnationalen Märkten der Kulturgüter- und Aufmerksamkeitsindustrien und sind in multiple geografische und wirtschaftliche Kontexte eingebunden. Zwar lebt aktuell nur eine Minderheit tatsächlich transnational in dem Sinne, dass sie sich geografisch flexibel über Grenzen hinwegbewegt und sowohl ihre Karrieren als auch ihre Beziehungen langfristig plurilokal gestaltet. Für viele Angehörige der urbanen Mittelschicht stellt eine internationale Berufstätigkeit jedoch schon heute zumindest eine Option dar. Weltläufigkeit ist zu einem Aspekt sozialer Lagen geworden, der die Identifikation mit dem Nationalstaat schwächt. Das zeigt sich nicht zuletzt an dem enormen Stellenwert, den die gehobene Mittelschicht internationalen Bildungsangeboten zuschreibt. Das frühe Erlernen wichtiger Sprachen (in Deutschland nach wie vor Englisch, in den USA inzwischen Chinesisch), längere Auslandsaufenthalte während der Schul- oder Studienzeit sowie internationalisierte Bildungsabschlüsse dienen als Distinktionsmerkmale, in die Jahr für Jahr erhebliche Summen investiert werden.

Entsprechende Wanderungsbewegungen sind kein Privileg der reichen Länder der Nordhalbkugel, sondern auch in den Ober- und Mittelschichten ärmerer Länder schon länger etabliert. Ohnehin orientieren sich die Bildungssysteme in vielen Ländern des Globalen Südens an den Strukturen des kolonialen "Mutterlandes" und bieten so von vornherein eine mehrsprachige und international ausgerichtete Bildung. Vor allem unter den Eliten der ärmeren Länder hat eine transnationale Ausrichtung als Aufstiegsschneise eine lange Tradition.

Transnationales Oben und Unten, nationale Mittelschicht

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Transnationalisierungsprozesse die sozialräumliche Autonomie privilegierter Schichten erhöhen und die Bindungen an den Nationalstaat lockern. Den transnationalen Akteuren steht frei, sich dort niederzulassen, wo sie die besten Arbeits- und Lebensbedingungen vorfinden. Folglich sind sie schwerer zu motivieren, sich an der Produktion von Kollektivgütern innerhalb ihrer Nation zu beteiligen, um etwa das politische und soziale Leben zu verbessern und allgemeine Wohlfahrtsinstitutionen herauszubilden. Ihr Leben spielt sich zumeist in städtischen Arealen ab, die an sich schon transnationale Räume darstellen und in denen sie dank privat finanzierter Bildungs- und Freizeiteinrichtungen und sozial homogener Stadtviertel meist unter sich bleiben. Die transnationalen Experten bewegen sich nicht länger in nationalen Wirtschafts- und Wohlfahrtsräumen, weshalb ihre Identifikation mit dem Nationalstaat und seinen Einrichtungen geschwächt wird.

Auf der anderen Seite entsteht ein "transnationales Unten". Hier finden sich Geringverdiener aus unterschiedlichen Weltregionen, gering- und de-qualifizierte einheimische Arbeitnehmer und Migranten aus Entwicklungs- und Schwellenländern als modernes transnationales Dienstleistungsproletariat wieder. Für die einheimischen Arbeitnehmer in den Ländern des Globalen Nordens entstehen daraus teilweise gravierende Nachteile, weil ihre Löhne an die niedrigeren internationalen Maßstäbe angeglichen werden. Für sie funktioniert die "soziale Rolltreppe" in die Mittelschicht nun nicht mehr, da sie als Arbeitnehmer innerhalb eines transnationalen Wirtschaftsraums faktisch nicht mehr unter dem Dach ihrer heimischen Volkswirtschaft angesiedelt sind, selbst wenn sie als Staatsbürger weiterhin über alle politischen Rechte verfügen. Die Herausbildung des "transnationalen Unten" wird durch zwei komplementäre Prozesse vorangetrieben: Einerseits werden geringqualifizierte Arbeitsplätze aus der Produktion in sogenannte Niedriglohnländer ausgelagert, wodurch Unternehmen ein Drohpotenzial in der Hand haben. Andererseits wandern Arbeitsmigranten aus ärmeren Ländern in Hochlohnländer ein und bieten die gleiche Arbeit günstiger an. Die polnische Altenpflegerin, der Wachschützer aus Sri Lanka oder die Haushaltshilfe aus Mexiko machen den einheimischen Arbeitnehmern Konkurrenz und setzen dabei nicht zuletzt die Gruppe der Geringqualifizierten verstärkt unter Druck.

Zwischen dem "transnationalen Oben" aus Eliten und oberer Mittelschicht und dem "transnationalen Unten" befindet sich nun die in den nationalen Wirtschafts- und Wohlfahrtsraum eingebundene untere Mittelschicht, deren Wohlstandsniveau vorläufig weitgehend von innerstaatlichen und nationalen Institutionen geprägt wird und für die die Staatsangehörigkeit in einem reichen nationalen Wohlfahrtsstaat ein erhebliches Privileg darstellt. Doch dieser Teil der Mittelschicht verliert zunehmend seinen Einfluss auf die Geschicke des Landes. Über Lebenschancen und Ressourcenzuteilungen entscheiden immer weniger die klassischen Anwälte der Mitte, wie etwa die Gewerkschaften oder die lange Zeit etablierten Volksparteien, sondern globale Wirtschaftsverflechtungen sowie supra- oder transnationale Einrichtungen. Es zeichnet sich somit immer deutlicher eine zentrale Spaltungsachse innerhalb der Mittelschicht ab: Die akademisch ausgebildete urbane Mittelschicht entwickelt sich zunehmend zu einer transnationalen Oberschicht, während die in den Regionen und Kleinstädten angesiedelte mittlere und untere Mittelschicht noch im nationalen Wirtschafts- und Wohlfahrtsraum verankert ist und ein Interesse an dessen Stärkung, notfalls auch durch Abkopplung von der Globalisierung, hat. Heimat erscheint nicht wenigen von ihnen unter diesen Vorzeichen als etwas, das verteidigt werden muss – zur Not mit Klauen und Zähnen.

Der Beitrag ist eine gekürzte und überarbeitete Version von: Cornelia Koppetsch, In Deutschland daheim, in der Welt zuhause? Alte Privilegien und neue Spaltungen, 22. 12. 2017 Externer Link: www.soziopolis.de/beobachten/gesellschaft/artikel/in-deutschland-daheim-in-der-welt-zu-hause/.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Christian Schüle, Heimat. Ein Phantomschmerz, München 2017.

  2. Vgl. Juli Zeh, Unterleuten, München 2016; Thomas Wolfe, Schau heimwärts, Engel!, Hamburg 2016 (1978); Didier Eribon, Rückkehr nach Reims, Berlin 2016.

  3. Siehe dazu etwa Spiegel Wissen 6/2016 zum Thema "Heimat".

  4. Nane Retzlaff/Gunter Weidenhaus, Heimat in der Fremde, in: Berliner Republik. Das Debattenmagazin 5/2015, S. 32ff.; Patrick Gensing, Immer nur Vergangenheit. Einspruch: Die Debatte, wie der altdeutsche Begriff Heimat progressiv besetzt werden kann, löst kein einziges Problem, in: ebd., S. 38ff.

  5. Vgl. Retzlaff/Weidenhaus (Anm. 4), S. 33.

  6. Auch Familie, Geschlecht, Aktienmärkte und Berufe sind bekanntlich soziale Konstruktionen. Abschaffen kann man sie deshalb noch lange nicht, denn sie stehen als "gesellschaftliche Tatsachen" (Émile Durkheim) außerhalb der individuellen Verfügbarkeit. Kosmopoliten unterschätzen die Mächtigkeit des Sozialen. Tatsächlich verliert man wesentliche Teile von sich, wenn man in ein anderes Land auswandert. Zunächst verliert man die eigene Sprache, dann die Identität: als Bürgerin oder als Tochter oder Sohn, als Angehörige einer ethnischen Gruppierung, als Eingeborene. Nach und nach jedoch kann dann der Verlust zur Bereicherung führen: Man lernt eine neue Sprache, nimmt eine neue Identität an und gewinnt eine neue Heimat – im Idealfall.

  7. Vgl. Katherine J. Cramer, The Politics of Resentment. Rural Consciousness in Wisconsin and the Rise of Scott Walker, Chicago, 2016.

  8. Vgl. Schüle (Anm. 1), S. 111.

  9. Bei der Unterscheidung zwischen den beiden Heimatmodellen handelt es sich um eine idealtypische Zuspitzung. Die realen Lebenswirklichkeiten der jeweiligen Trägergruppen sind keineswegs so eindeutig voneinander geschieden, als hier bisweilen propagiert. Regional-heimatliche Bindungen oder ethno-nationale Zugehörigkeiten sind auch für Angehörige der urbanen kosmopolitischen Mittelschichten relevant; umgekehrt nehmen auch die Befürworter des Heimat-als-Schicksal-Modells ihre jeweiligen Milieus mitunter als ambivalent wahr und betrachten sie keineswegs als "heile Welten".

  10. Vgl. Cornelia Koppetsch/Günter Burkart, Die Illusion der Emanzipation. Zur Wirksamkeit latenter Geschlechtsnormen im Milieuvergleich, Konstanz 1999.

  11. Vgl. Kenneth J. Gergen, Das übersättigte Selbst. Identitätsprobleme im heutigen Leben, Heidelberg 1996, S. 21ff.

  12. Vgl. Richard A. Peterson/Roger M. Kern, Changing Highbrow Taste. From Snob to Omnivore, in: American Sociological Review 5/1996, S. 900–907.

  13. Vgl. Richard Florida, The Rise of the Creative Class, New York 2002, S. 8ff.

  14. Vgl. Walter Prigge (Hrsg.), Peripherie ist überall, Frankfurt/M.–New York 1998, S. 79.

  15. Siehe dazu die Ausführungen bei Sven Reichardt, Authentizität und Gemeinschaft. Linksalternatives Leben in den siebziger und frühen achtziger Jahren, Frankfurt/M. 2014.

  16. Vgl. Alexander Mitscherlich, Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden, Frankfurt/M. 1965.

  17. Vgl. Marc Augé, Nicht-Orte, München 2010.

  18. Zur Unterscheidung von space und place vgl. Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt/M. 2001.

  19. Vgl. Cornelia Koppetsch, Die Wiederkehr der Konformität. Streifzüge durch die verunsicherte Mitte, Frankfurt/M.–New York 2013, S. 93ff.

  20. Vgl. Christoph Bartmann, Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal, München 2016.

  21. Vgl. Philipp Staab, Macht und Herrschaft in der Servicewelt, Hamburg 2014.

  22. Vgl. Heinz Bude, Bildungspanik. Was unsere Gesellschaft spaltet, Hamburg 2013.

  23. Dazu u.a. Arjun Appadurai, Die Geographie des Zorns, Frankfurt/M. 2009; Ivan Krastev, Europadämmerung. Ein Essay, Berlin 2017.

  24. Vgl. u.a. Robert B. Reich, Die neue Weltwirtschaft. Das Ende der nationalen Ökonomie, Frankfurt/M.–Berlin 1993.

  25. Die alten Produktionssysteme des Konzernkapitalismus wurden in Einzelteile zerlegt und rund um den Erdball neu aufgebaut, wo immer sich Produkte am besten oder am billigsten fertigen lassen. Eine globale Kultur- und Wissensindustrie hat zur Erweiterung von Absatzmärkten für Kulturgüter beigetragen. Eine weltweite Konkurrenz um einerseits die billigsten und andererseits die fähigsten Arbeitskräfte ist entfacht worden.

  26. Vgl. Leslie Sklair, The Transnational Capitalist Class, Oxford u.a. 2001.

  27. Vgl. Saskia Sassen, Metropolen des Weltmarkts. Die neue Rolle der Global Cities, Frankfurt/M.–New York 1996.

  28. Vgl. Anja Weiß, Soziologie globaler Ungleichheiten, Berlin 2017, S. 167.

  29. Ebd., S. 95.

  30. Vgl. Jürgen Gerhards/Silke Hans/Sören Carlson, Klassenlagen und transnationales Humankapital. Wie Eltern der mittleren und oberen Klassen ihre Kinder auf die Globalisierung vorbereiten, Wiesbaden 2016.

  31. Vgl. Weiß (Anm. 28), S. 95ff.

  32. Dazu u.a. schon Ralf Dahrendorf, Die globale Klasse und die neue Ungleichheit, in: Merkur 11/2000, S. 1057–1068; Richard Münch, Das Regime des liberalen Kapitalismus: Inklusion und Exklusion im neuen Wohlfahrtsstaat, Frankfurt/M.–New York 2009.

  33. Vgl. Martin Werding/Marianne Müller, Globalisierung und gesellschaftliche Mitte. Beobachtungen aus ökonomischer Sicht, in: Herbert-Quandt-Stiftung (Hrsg.), Zwischen Erosion und Erneuerung. Die gesellschaftliche Mitte in Deutschland. Ein Lagebericht, Frankfurt/M. 2007, S. 103–161. Hier findet aktuell ein internationaler Unterbietungswettbewerb um die niedrigsten Löhne und die geringsten Arbeitnehmerrechte statt. Besiegelt wird der kollektive Ausschluss der Geringverdiener aus den Mittelschicht-Milieus durch die "Krise des Wohlfahrtsstaates", der ihre Einkommens- und Statusverluste beziehungsweise ihr "Überflüssigwerden" nicht mehr auffängt.

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ist Inhaberin der Professur für Geschlechterverhältnisse, Bildung und Lebensführung an der TU Darmstadt. E-Mail Link: koppetsch@ifs.tu-darmstadt.de