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Menschenwürde als Maßstab | Biopolitik | bpb.de

Biopolitik Editorial Dem lieben Gott ins Handwerk pfuschen: Risiken und Chancen der Gentechnik Menschenwürde als Maßstab Forschungsfreiheit und Menschenwürde am Beispiel der Stammzellforschung Klonen: ein Schlüssel zur Heilung oder eine Verletzung der Menschenwürde? Der gute Tod. Zur Sterbehilfe in Europa Ethische Aspekte nanotechnologischer Forschung und Entwicklung in der Medizin

Menschenwürde als Maßstab

Johannes Reiter

/ 22 Minuten zu lesen

Die Unantastbarkeit der Menschenwürde hat sich als einzig konsensfähiger Orientierungspunkt erwiesen. Trotzdem findet ein Streit über mehrere wichtige Themen statt.

Einleitung

Wir müssen zugeben, dass unsere Gesellschaft kein einheitliches Welt- und Menschenbild mehr besitzt. Der Pluralismus der Weltanschauungen ist in der modernen Welt eine Tatsache. Deshalb erscheint auch ein gemeinsames Handeln auf Grund gemeinsamer Wertvorstellungen kaum mehr möglich. Gerade in dieser Situation dürfte der tiefere Grund für die permanenten religiösen, weltanschaulichen, sittlichen und rechtlichen Krisen des heutigen Menschen zu suchen sein. Dieser Pluralismus ist für uns umso bedrängender, als wir heute global in Konfrontation mit anderen Nationen, ja sogar mit völlig anderen Kulturen - alten und neuen - stehen, die den gleichen Wahrheitsanspruch stellen wie wir.

Als Orientierungspunkt innerhalb dieses breit gefächerten Pluralismus wird gerne und vermehrt die Menschenwürde herangezogen. Sie scheint offenbar der allgemeine Nenner zu sein, der das ethische Grundanliegen der modernen Welt zum Ausdruck bringt und auf den alle Forderungen nach Humanität bezogen werden können. Die Menschenwürde will den für das geordnete Zusammenleben notwendigen Konsens herstellen. Weil sie für den Menschen als solchen gilt - also unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Religion und Weltanschauung, politischen Überzeugungen, gesellschaftlicher Stellung, Gesundheitszustand, Geschlecht und wodurch sich sonst noch Menschen unterscheiden mögen -, kann sie grundlegend für alle politisch-gesellschaftlichen Ordnungen sein. Derzeit steht die Menschenwürde im Zentrum der ethischen Auseinandersetzung um die Stellung des Menschen in der technischen Zivilisation sowie der sich daraus ergebenden Fragen des Umgangs mit biotechnischen und biomedizinischen Problemen. In einer Welt, in der sich Wissen und Können immer rasanter vermehren, muss stets neu ermittelt werden, inwieweit neuartige technologische, medizinische und gesellschaftliche Entwicklungen die Menschenwürde berühren.

Begriffsgeschichte und Begründung der Menschenwürde

Um den Gehalt der Menschenwürdegarantie genauer herauszuarbeiten, muss ihre ideengeschichtliche Tradition ins Auge gefasst werden. In der antiken Philosophie wird die Würde in zwei recht unterschiedlichen Kontexten gebraucht. Zum einen ist mit Würde die Kennzeichnung einer sozialen Position innerhalb der Gesellschaft gemeint. Würde wird vor allem als Leistung des Einzelnen, ebenso aber auch als eine Funktion der Gesellschaft verstanden. Insofern gibt es ein Mehr oder Weniger an Würde. Würde ist zum anderen dasjenige, was jeden Menschen vor der nichtmenschlichen Kreatur auszeichnet. Deshalb kommt allen Menschen dieselbe Würde zu. Beide Bedeutungsvarianten des Begriffs lassen sich bereits bei Cicero nachweisen.

Als Grund für die zuletzt genannte Auffassung von der unverlierbaren Menschenwürde galt der Stoa die Teilhabe des Menschen an der Vernunft, den christlichen Autoren der Antike und des Mittelalters die Gottebenbildlichkeit des Menschen und seine unmittelbare Beziehung zu Gott, die durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus bestätigt wurde.

Eine neue Sicht der menschlichen Würde bringt die Renaissance. Der italienische Humanist Pico della Mirandola kommt auf Grund von Überlegungen über die Ähnlichkeit des Menschen mit Gott zu der auf stoische Lehren zurückgehenden Überzeugung, dass der Mensch alles in sich vereint, also einen Mikrokosmos darstellt, in dem alle Möglichkeiten angelegt sind. Zwischen diesen Möglichkeiten eine Wahl zu treffen, dies ist nach Pico die dem Menschen von Gott gegebene Bestimmung. Die den Menschen auszeichnende Würde ist also seine Freiheit.

Mit der beginnenden Neuzeit rückt erneut die Vernunftbestimmung in den Mittelpunkt. Während der Aufklärung wird die Auffassung der Würde als Freiheit mit der stoischen Auffassung der Würde als Teilhabe an der Vernunft verbunden. Der französische Philosoph Blaise Pascal und der Staats- und Völkerrechtstheoretiker Samuel Pufendorf sehen die Würde in der Freiheit des Menschen, das durch die Vernunft Erkannte zu wählen und zu tun. Pufendorf, dessen Lehre übrigens Einfluss auf die amerikanische Erklärung der Menschenrechte von 1776 hatte, verbindet diesen Gedanken der Würde mit dem der Gleichheit aller Menschen, da allen Menschen als solchen diese Eigenschaft zukomme.

Eine wichtige Stellung nimmt der Begriff der Menschenwürde sodann in der Moralphilosophie Kants ein, wie er sie in der "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" (1785) entwickelt. Kant unterscheidet im Bereich menschlicher Zwecksetzungen zwischen dem, was einen Preis, und dem, was eine Würde hat. "Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als Äquivalent, gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde." Nur ein Wesen, das in der Lage ist, sich selbst Zwecke zu setzen, kommt als letzter Bezugspunkt, als Selbstzweck jeder Zwecksetzung, in Frage. Der Grund dafür, dass die menschliche Natur Würde hat, ist nach Kant die Autonomie des Menschen, das heißt seine Möglichkeit, in Freiheit einem Gesetz unterworfen zu sein, also sittlich sein zu können.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wird der Begriff Menschenwürde dann zu einem politischen Schlagwort der Arbeiterbewegung. Die Forderungen nach einem menschenwürdigen Dasein und nach menschenwürdigen Zuständen gehören zu den Hauptparolen der frühen Sozialisten. Ferdinand Lassalle fordert, dass die materielle Lage der arbeitenden Klasse verbessert und den Arbeitern zu einem wahrhaft menschenwürdigen Dasein verholfen wird. Der Franzose Pierre Proudhon geht noch einen Schritt weiter und bindet die Würde der Person in den Begriff der Gerechtigkeit ein, indem er für die Verwirklichung der Gerechtigkeit von jedem Menschen fordert, die Würde des anderen ebenso zu respektieren wie die eigene.

Eine erneute Besinnung auf die Menschenwürde setzt danach erst wieder im 20. Jahrhundert ein, nicht zuletzt unter dem Eindruck der den Menschen entwürdigenden Vorgänge im "Dritten Reich". Nach dem Zweiten Weltkrieg findet der Menschenwürdebegriff vermehrt Eingang sowohl in das nationale wie auch in das internationale Recht. In der Bundesrepublik Deutschland bildet die Menschenwürde den Mittelpunkt des Wertsystems der Verfassung und die Basis sowie den Geltungsgrund der Grundrechte. Im Grundgesetz von 1949 heißt es in Artikel 1: "(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt." In der Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 heißt es, dass "die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet". Weiter heißt es dann in Artikel 1: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." Die Vereinten Nationen folgen damit, ebenso wie später die Bundesrepublik Deutschland, einem universalistischen Verständnis der Menschenwürde. Würde kommt dem Menschen bereits als Mitglied der Gattung Mensch zu. Das heißt, sie gilt für alle Menschen, ohne dass dafür erst bestimmte Leistungen erbracht oder bestimmte Qualitäten erfüllt werden müssten.

Auch das "Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarates" vom 4. April 1997 nimmt sowohl den Begriff der Menschenwürde als auch den Schutz des Menschen als Gattungswesen in seine Präambel auf. Dort ist die Rede von der "Notwendigkeit der Achtung des Menschen sowohl als Individuum als auch als Mitglied der menschlichen Gattung" und von der "Anerkennung der Bedeutung der Wahrung der Menschenwürde". Darüber hinaus wird die Menschenwürde auch in Artikel 1 ausdrücklich verankert. Als jüngstes Dokument des internationalen Rechts hat die EU-Grundrechtecharta vom 7. Dezember 2000 den Begriff der menschlichen Würde sowohl in die Präambel als auch in Artikel 1 aufgenommen. "In dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität", heißt es in der Präambel. Und Artikel 1 lautet: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen."

Die zuvor angeführten Menschenwürde-Dokumente stützen sich auf anthropologische Grundaussagen, die eindeutige Vorgaben zu ihrer Explikation enthalten: Die Menschenwürde kommt allen Menschen gleicherweise zu. Die Würde des Menschen ist mit seiner Existenz gegeben und Gegenstand nicht einer Zuerkenntnis, sondern Anerkenntnis. Die Würde ist der Existenz eines Menschen immanent, dem Leben eines Menschen "koextensiv", sie ist nicht teilbar, in keiner Phase seines Lebens ist der Mensch ohne sie. Die zeitliche Folge von Lebensphasen eines Subjekts (Embryo, Fetus, Kind, Erwachsener) darf nicht in eine Aufeinanderfolge verschiedener Subjekte umgedeutet werden.

Der Inhalt der Menschenwürde

Was macht nun den Schutz der Menschenwürde aus? Was ist ihr Inhalt? Wie realisiert sie sich, und wo wird sie konkret? Auf diese Fragen versucht der Verfassungsrechtler Günter Dürig mit der so genannten, an Kant erinnernden "Objektformel" zu antworten. In dem von ihm verfassten Grundgesetzkommentar heißt es: "Die Menschenwürde ist getroffen, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird." Anders ausgedrückt: Es widerspricht der Menschenwürde, wenn der Mensch einer Behandlung ausgesetzt wird, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt beziehungsweise unterwandert. Die Menschenwürde wird hierbei im Wesentlichen ex negativo bestimmt. Das heißt konkret: Die Menschenwürde ist betroffen durch Folter, Sklaverei, Ausrottung bestimmter Gruppen, Geburtenverhinderung oder Verschleppung, Unterwerfung unter unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung, Brandmarkung, Vernichtung so genannten unwerten Lebens oder durch Menschenversuche. Diese Kasuistik resultiert also im Wesentlichen aus Verletzungstatbeständen durch Unrechtssysteme. Die Plausibilität der Objektformel beruht nicht zuletzt auf der historischen Erfahrung der Instrumentalisierung von Menschen durch totalitäre Staaten. Und deshalb wurde der Menschenwürdegedanke auch in Reaktion auf die NS-Diktatur in das Grundgesetz aufgenommen. Insofern stellt die Rede von der Menschenwürde ein aus der Leidensgeschichte der Menschheit erwachsenes Sinnangebot an die Welt dar.

Dürig hat seine Objektformel immer nur als Leitfaden verstanden; diese bedarf jeweils näherer Konkretisierung und inhaltlicher Auslegung. Das bedeutet aber keine Relativierung im Hinblick auf ihre Geltung. Als nähere positive Bestimmung "jener Kernzonen und elementaren Bedingungen, die Art. 1 I gegen schwere Verletzungen schützen soll", nennt Wolfram Höfling: 1. Achtung und Schutz der körperlichen Integrität; 2. Sicherung menschengerechter Lebensgrundlagen; 3. Gewährleistung elementarer Rechtsgleichheit; 4. Wahrung der personalen Identität.

Die ethische Bedeutung des Menschenwürdegedankens liegt vor allem und insbesondere darin, dass die Menschenwürde als das Fundament der Menschenrechte herausgestellt wird. Die Menschenwürde führt zur Formulierung der Menschenrechte hin, bedarf aber umgekehrt auch der politisch-rechtlichen Absicherung durch eben diese Rechte; sie begründet die Schutz- und Freiheitsrechte des Menschen und schärft diese ein.

Der Streit um die Menschenwürde

Dies ist grob umrissen das bislang weithin herrschende Menschenwürdekonzept, mit dem zwar nicht überall Frieden gestiftet, aber zumindest Diskurskriege in Grenzen gehalten wurden. Seit September vergangenen Jahres wird, jedenfalls für die Öffentlichkeit erkennbar, über dieses traditionelle Menschenwürdekonzept gestritten. Der Anlass war folgender: In der 42. Ergänzungslieferung (Februar 2003) zu dem maßgeblichen Grundgesetz-Kommentar, dem so genannten "Maunz-Dürig", hat der Bonner Staats- und Völkerrechtler Matthias Herdegen nach 45 Jahren eine Neukommentierung des ursprünglich von Günter Dürig bearbeiteten Artikels 1 Absatz 1 des Grundgesetzes vorgenommen. Daraufhin unterzog im September 2003 der ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Kommentierung durch Herdegen einer Fundamentalkritik.

Schon die Überschrift seines Beitrags "Die Würde des Menschen war unantastbar" lässt aufmerken, und dementsprechend breit war das Echo auf den Artikel. Für Böckenförde markiert die Neukommentierung durch Herdegen einen Epochenbruch. Nach Dürig ist die Menschenwürdegarantie ein "sittlicher Wert", der als "vorpositives Fundament", als "naturrechtlicher Anker" dem positiven Verfassungsrecht vorangestellt ist. Dürig wollte sozusagen vor die Klammer des konkret normierten Rechts eine ewige und unantastbare Substanz ziehen, die keinerlei Abwägungen zugänglich, deshalb unantastbar ist. Im Gegensatz zu den Grundrechten, die Grenzen und Abwägungen unterliegen, ist das Achtungs- und Schutzgebot der Menschenwürde universal und unantastbar, keinen Abwägungen zugänglich.

Herdegen verzichtet auf diesen, dem positiven Verfassungsrecht vorgeordneten Anspruch und bezeichnet ihn als deklaratorische und nostalgische Größe (Nr. 17). Damit aber, so räsoniert Böckenförde, gehe der fundamentalen Norm des Grundgesetzes die "tragende Achse" verloren. Das Neue bei Herdegen ist der Wechsel, den er vollzieht: Die Menschenwürde ist nicht mehr vorpositives Fundament der Verfassungsnorm, sondern sie wird zur "Verfassungsnorm auf gleicher Ebene". Damit ist sie zugleich für "Abwägungen und Angemessenheitsgesichtspunkte" geöffnet, "anheimgegeben und anvertraut der Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, für die kein verbindlicher Kanon der Interpretationswege existiert".

Will man die Umstände der Entstehung der Menschenwürdegarantie im Grundgesetz bei deren aktueller Interpretation überhaupt noch in Betracht ziehen, so zeigt sich Folgendes: Bei der Abstimmung über den Menschenwürde-Artikel, so ist aus den Protokollen zu ersehen, hat im Parlamentarischen Rat "eine gegenüber Religion und Metaphysik abstinente Haltung" zwar denkbar knapp, aber doch obsiegt. Die Menschenwürde ist im Grundgesetz nicht "von Gott" gegeben, aber auch nicht "gegen" ihn. Sie ist indes - und das ist ihre Pointe - auch nicht vom Staat gegeben. Sie ist vorgegeben, liegt dem Gemeinwesen voraus. Und dieses "voraus" ist mit der rechtlichen Anerkennung der Unantastbarkeit der Menschenwürde ausgesprochen.

Gestufter Schutz der Menschenwürde

Die Menschenwürde als solche zieht Herdegen nicht in Zweifel. Sie kommt "allen Menschen als Gattungswesen" zu und hängt auch "nicht an irgendwelchen geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Einzelnen oder sozialen Merkmalen". (Nr. 48) Dem kann man uneingeschränkt zustimmen. Dann aber kommt der Schlüsselsatz, an dem sich die Geister scheiden: "Trotz des kategorischen Würdeanspruchs aller Menschen sind Art und Maß des Würdeschutzes für Differenzierungen durchaus offen, die den konkreten Umständen Rechnung tragen." (Nr. 50) Herdegen plädiert daher für eine "prozesshafte Betrachtung des Würdeschutzes mit entwicklungsabhängiger Intensität eines bestehenden Achtungs- und Schutzanspruches" (Nr. 56). Dabei richtet sich nicht der Würdeanspruch als solcher (das "Ob") nach dem Stand der Entwicklung, sondern sein Inhalt (das "Wie") (Nr. 56). So verstärke sich der Würdeanspruch des Embryos in vitro nach Implantation (Einpflanzung) und Nidation (Einnistung) und weiter mit dem Heranwachsen im Mutterleib. Die unterschiedslose Qualität des Würdeanspruchs von Zygote einerseits und geborenem Menschen andererseits - meint Herdegen feststellen zu können - sei der Geistesgeschichte der letzten Jahrhunderte fremd. Auch lasse sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur auf der Grundlage eines entwicklungsabhängigen Würdeschutzes widerspruchsfrei darstellen. Und schließlich beziehe sich die Achtung der Menschenwürde meist auf das Subjekt zwischenmenschlicher Beziehungen. Diese seien aber in einem frühen Stadium menschlicher Entwicklung nur schwer erlebbar, so dass eine Würdeverletzung zu diesem Zeitpunkt nur mit Zurückhaltung angenommen werden könne (Nr. 65 - 67). "Ein so gesehener Würdeschutz", stellt Böckenförde fest, "ist für viele Abstufungen und Variationen offen. Über seine eigene Relativierung führt er notwendig auch zur Relativierung der Unabdingbarkeit der Menschenwürde selbst, wiewohl der Anschein erweckt wird, diese bestünde fort. (...) Letztlich geht es um den Freiraum für die Gewährung und den Abbau von Würdeschutz nach Angemessenheitsvorstellungen des Interpreten." Zwar betont Herdegen, dass es in einem gestuften Würdeschutz-System nicht nur ein Weniger, sondern durch spezielle Schutzvorkehrungen auch ein Mehr an Schutz geben könne (Nr. 67), aber leider bricht sich diese Auffassung in seiner Kommentierung keine Bahn.

Biomedizin und Menschenwürde

Wie sich Herdegens gestuftes Menschenwürdekonzept konkret auswirkt, sei an einigen Themenfeldern aus der Biomedizin illustriert. Nach Herdegens Verständnis der Menschenwürde wird durch diese nur weniges uneingeschränkt garantiert, vieles dagegen ermöglicht. Aus der Menschenwürdegarantie folgt für ihn nicht nur die Verwirklichung eines Kinderwunsches, sondern auch die Freiheit, sich der Methoden der modernen Fortpflanzungsmedizin zu bedienen. Weder die homologe noch die heterologe Insemination, noch die In-vitro-Fertilisation stellen demnach eine Verletzung der Menschenwürde dar. Dagegen sah Dürig in der heterologen Insemination noch eine eindeutige Verletzung der Menschenwürde: "Der Samenspender, denen es gleichgültig ist, wem das Sperma zur Verfügung gestellt wird, und was aus den Kindern wird, kann überhaupt nur schaudernd gedacht werden. Der Ehemann wird zu einer 'vertretbaren Größe' degradiert. Von der Mutter wird vorausgesetzt, dass sie den Gatten als austauschbar hinnimmt (...). Das Kind wird systematisch in seinem Recht getroffen, seine blutsmäßige Abstammung zu erfahren." Der Staat habe hier nicht nur die Pflicht der Nichtlegalisierung, sondern eine echte Schutz- und Abwehrpflicht. Selbst die Leihmutterschaft lässt nach Herdegen die Menschenwürde unberührt. "Weder der Embryo noch die genetische Mutter oder die Tragemutter werden dadurch in ihrer Würde tangiert." (Nr. 97) Die gemeinsame Arbeitsgruppe des Bundesministers für Forschung und Technologie und des Bundesministers der Justiz, die so genannte Benda-Kommission, hatte dies noch anders gesehen: "Eine Vereinbarung über eine Ersatzmutterschaft missachtet die Menschenwürde des Kindes, denn sie lässt außer acht, dass die Entwicklung im Mutterleib ein wichtiger Teil der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes ist und dass der biologischen wie psychischen Beziehung zwischen der Schwangeren und dem Kind für diese Entwicklung besondere Bedeutung zukommt. Diese besonders geartete Beziehung, die durch die natürliche Verbindung des ungeborenen Lebens mit dem der Mutter begründet wird, würde beeinträchtigt, wenn die Schwangerschaft als eine Art Dienstleistung übernommen würde. Die für die Entwicklung des Kindes wesentliche enge persönliche Beziehung zwischen der Schwangeren und dem Kind könnte unter diesen Umständen kaum zustande kommen. Deshalb bestehen generell Bedenken gegen eine Ersatzmutterschaft, auch gegen eine 'altruistisch' übernommene." Im Embryonenschutzgesetz ist die Ersatzmutterschaft auch aus diesen Erwägungen heraus im Paragraph 1 Abs. 1 Nr. 2 verboten.

Totipotenten Zellen, also solchen Zellen, die die Fähigkeit haben, sich zu einem ganzen Individuum zu entwickeln, kommt nach Herdegen keine Menschenwürde zu - obwohl der Gesetzgeber im Embryonenschutzgesetz solche Zellen als Embryonen ansieht. Folglich stellt auch die Abspaltung von Zellen eines Embryos im Achtzellstadium, etwa zu Diagnosezwecken, für Herdegen kein rechtliches Problem dar (Nr. 64). Die Menschenwürde, so Herdegen, sei auch für die Präimplantationsdiagnostik (PID) wenig ergiebig und bleibe im Normalfall unberührt. Die Untersuchung der genetischen Disposition zu bestimmten Krankheiten liege außerhalb des Schutzbereiches von Art. 1 Abs. 1 GG. "Begründen lässt sich eine Gefährdung der Menschenwürde allenfalls mit dem 'Selektionsdruck', der von einer PID mit 'positiv'-eugenischer Zielsetzung (im Dienste der 'Züchtung' gewünschter Anlagen) ausgeht." (Nr. 106)

Die Menschenwürde wird nach Herdegen auch nicht durch die Keimbahntherapie berührt. Jenen, die dies anders sehen, hält er entgegen, sie verträten eine "erstaunlich langlebige Vorstellung über eine unveränderliche, natürliche Ordnung und die Frevelhaftigkeit korrigierender Eingriffe selbst zu Heilungszwecken". "Dass die Menschenwürde einen Bestandsschutz von Erbkrankheiten tragen soll", sei nicht nachvollziehbar. (Nr. 101) Ein Therapieverbot auf Grund der noch mit der Keimbahntherapie verbundenen Gesundheitsrisiken für die Nachkommenschaft läge auf einer anderen Ebene. Unter Hinweis auf diese Risiken - aber nicht nur auf sie - hat jedoch die Benda-Kommission aus verfassungsrechtlichen Überlegungen ein Verbot der Keimbahntherapie gefordert: "Es ist davon auszugehen, dass ein gezielter Gentransfer in menschliche Keimbahnzellen derzeit nicht möglich ist. Da aber ein ungezielter Gentransfer mit unvorhersehbaren Risiken für die Betroffenen und deren Nachkommen verbunden ist, lässt sich diese Methode mit der Grundentscheidung des Art. 1 Abs. 1 GG für den Schutz der Menschenwürde und auch mit dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbaren, weil das menschliche Leben hier zum Objekt für Experimente würde. Darüber hinaus würde die Durchführung des Gentransfers bei einer größeren Anzahl Embryonen mit dem Ziel, später nur die wenigen erfolgreich transformierten Embryonen austragen zu lassen, mit dem auch den Embryonen zu gewährenden Lebensschutz nicht in Einklang stehen."

Im europäischen Bereich gibt es schon länger Befürchtungen im Hinblick auf mögliche manipulative Veränderungen der menschlichen Identität. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat bereits im Jahr 1982 in einer Entschließung die Anerkennung eines Menschenrechts auf "nicht künstlich veränderte" Erbanlagen gefordert. Maßnahmen der "genetischen Veredelung", also positive Eugenik bzw. Menschenzüchtung, sind für Herdegen ebenfalls keine Verletzung der Menschenwürde. "In der Schrankenziehung liegt eine verfassungsrechtlich schwach determinierte Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers." (Nr. 102)

Herdegens These eines entwicklungsbedingten Würdeschutzes zeigt sich besonders prägnant, wo es um den Umgang mit so genannten überzähligen Embryonen geht: "In der Verwendung 'überzähliger' Embryonen, die bei einer In-vitro-Fertilisation nicht zur Implantation kommen und übrig bleiben, für Zwecke der Stammzellforschung mag man eine fremdnützige 'Instrumentalisierung' sehen. Jedoch sind diese Embryonen mangels Implantation zum Absterben verurteilt und verfügen deshalb über keine Entwicklungsperspektive mehr. Deshalb erscheint die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus diesen Embryonen für eine therapieorientierte Forschung oder unmittelbar zu Heilungszwecken - auch im Hinblick auf die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG - nicht als erniedrigende oder sonst würdeverletzende Behandlung. Ein striktes Verbot dieser Verwendung muss sich eine andere Rechtfertigung suchen als den Würdeschutz." (Nr. 107) Anders sieht dies sein Bonner Kollege Christian Hillgruber: "Auch die verwaisten Embryonen haben als 'morituri' noch einen letzten Anspruch, der unter allen Umständen zu erfüllen ist: den auf einen menschenwürdigen, das heißt 'nutzlosen' Tod." Der ebenfalls aus Bonn stammende Staatsrechtler Josef Isensee sieht es ähnlich: Die alleinige ihrer Würde entsprechende Behandlung dieser Embryonen sei, sie sterben zu lassen.

Auch beim therapeutischen Klonen, bei dem die Gewinnung von Stammzellmaterial im Vordergrund steht, stelle die Menschenwürde keinen Verbotsgrund dar. Der Würdeschutz erstrecke sich nicht auf den so erzeugten Embryo in vitro. Zudem liege keine Würdeverletzung des Spenders der duplizierten Chromosomen vor, da ja ein Heranreifen zum Menschen nicht beabsichtigt sei (Nr. 99). Anders dagegen handelt es sich beim reproduktiven Klonen auch für Herdegen um eine evidente Menschenwürdeverletzung, und zwar der des geklonten Spenders. "Der geklonte Mensch wird gezielt genetisch dupliziert und damit bewusst seiner genetischen Identität durch die Hervorbringung eines genetisch gleich ausgestatteten Menschen beraubt. Das Einverständnis der geklonten Person zu einem völlig von natürlichen Zeugungsbedingungen entfernten Reproduktionsprozess übersteigt deren Dispositionsbefugnis." (Nr. 98)

Ebenso stelle die Bildung von Chimären (Zellverbände mit mehr als zwei Eltern) und Hybriden (Lebewesen, die aus der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle verschiedener Spezies hervorgehen) eine Menschenwürdeverletzung dar. Verletzt werde die Menschenwürde des Spenders der verwendeten Keimzelle. (Nr. 100)

Die Menschenwürde entfaltet ihre Relevanz auch am Lebensende. Man kann hier Herdegen weitgehend zustimmen, wenn er feststellt: "Zur Menschenwürde gehört das Recht, bei schweren Leiden und körperlichem oder geistigem Verfall (unter dem Vorbehalt hinreichender Urteilsfähigkeit) über ein Sterben in Würde zu entscheiden, insbesondere das Recht, den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu verlangen. Ein Anspruch auf aktive Sterbehilfe überspannt den Würdeanspruch." Darüber hinaus meint Herdegen, dass sich aus der Menschenwürde auch ein Recht auf Selbsttötung ableiten lasse. (Nr. 85) Früheren Kommentatoren galt der Selbstmord als verwerflich, weil er der Substanz der Menschenwürde widerspreche.

Menschenwürde - keine Leerformel

Die Geschichte der Menschenwürde, dies haben die einleitenden Überlegungen gezeigt, ist zugleich die Geschichte ihrer Begründung und Auslegung. Trotz einer prinzipiellen und völkerübergreifenden Zustimmung zur Menschenwürde begegnet man zuweilen auch dem Einwand, der Begriff sei unklar. Im modernen, weltanschaulich neutralen, säkularen Staat bilde er eine Leerformel, es handele sich um eine "metaphysische Ballastvorstellung" oder - so schon Theodor Heuß - um eine "nicht interpretierte These". Eine heutige inflationäre Berufung auf die Menschenwürde entwerte diese nochmals zusätzlich. Im Hinblick auf diesen Einwand muss man zugeben, dass die Gefahr einer oberflächlichen Inanspruchnahme der Menschenwürde durchaus vorhanden ist.. Entscheidender aber ist, dass die Menschenwürde sehr wohl gehaltvoll, formal und inhaltlich ertragreich in unterschiedliche Blickrichtungen hin ausgelegt werden kann. "Dieser Sachverhalt, dass sich Menschenwürde in gefüllter, menschendienlicher Weise konkretisieren lässt, spricht gegen die These, es handele sich lediglich um eine Leerformel."

Es sind dann vor allem auch die skizzierten Schwierigkeiten der inhaltlichen Bestimmung von Menschenwürde, die es geraten erscheinen lassen, sie als Berufungsinstanz bei der Lösung ethischer und rechtlicher Kontroversen nicht zu überschätzen. Schon 1840 hatte Schopenhauer die sorgfältige Verwendung des Begriffes angemahnt und bemängelt, dass dieser Ausdruck zum "Schibboleth aller rath- und gedankenlosen Moralisten [geworden sei], die ihren Mangel an einer wirklichen, oder wenigstens doch irgend etwas sagenden Grundlage der Moral hinter jenem imponierenden Ausdruck 'Würde des Menschen' verstecken".

Der aktuelle Streit um die Menschenwürde kann auch befruchtend wirken. "Der Streit um die Interpretation selbst ist es, der die Streitenden bindet. Die Bindungswirkung, welche die Idee der Menschenwürde entfaltet, zeigt sich darin, dass die Streitenden sich auf diese Idee, und keine andere, beziehen. Das ist nicht nichts." Vielleicht kann durch die Mehrzahl von Begründungsperspektiven die Geltung und die Akzeptanz der Menschenwürde innerhalb der pluralistischen Gesellschaft sogar noch zusätzlich gestützt werden.

Allerdings sind an das Konzept eines gestuften Würdeschutzes doch einige Fragen zu stellen. Wird mit diesem Konzept nicht der Keim der Relativierung in die Menschenwürde hineingetragen? Und wird, indem bei Art und Maß des Menschenwürdeschutzes Differenzierungen angenommen werden, nicht gegen die fundamentale Gleichheit aller Menschen verstoßen? Handelt es sich - wenn man dem menschlichen Embryo eine gestufte, was nichts anderes heißt als eingeschränkte, Schutzwürdigkeit zugesteht und ihn damit anders behandelt als geborene Menschen - nicht sogar um eine entwicklungsbedingte Diskriminierung?

Der Begriff der Menschenwürde ist ein dynamischer Begriff. Es kann und sollte immer mehr und besser erkannt werden, was dem Menschen auf Grund seiner unverlierbaren Grundwürde an weiterer Würde zusteht. Es ist ein Prozess, der zwar Etappen kennt, aber grundsätzlich nicht abgeschlossen werden kann, ebenso wenig wie die Entwicklung des Menschen selbst als eines gesellschaftlich-kulturellen Wesens.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Johannes Schwartländer, Art. Menschenwürde/Personwürde, in: Lexikon der Bioethik, Bd. 2, Gütersloh 1998, S. 683 - 688, hier S. 683: "Die Menschenwürde bestimmt in der Gegenwart national, regional und global den ethischen und vor allem den rechtsethischen Grundlagendiskurs (...). Dieser Diskurs betrifft zunächst und vor allem das Verhältnis von Politik und Ethik. Er bestimmt aber auch das Verhältnis von Wissenschaft und Ethik und wird - gerade auf dem Boden der sich an die Achtung der Würde des Menschen und die Grundrechte bindenden Verfassung der Bundesrepublik Deutschland - durch die Entwicklung von Wissenschaft und Technik in immer neuer Weise erforderlich."

  2. "Träger dieser menschenrechtlichen Würde ist jedes menschliche Wesen, unabhängig von seinem Entwicklungsstand, seiner Leistungsfähigkeit und seiner gleichsam subjektiven und objektiven Zuständlichkeit. Sie gilt also für den Ungeborenen ebenso wie für den missgebildeten Geborenen und sogar für den Verbrecher. Sie besteht also für das menschliche Wesen von seiner Empfängnis bis zu seinem Tod." J. Schwartländer, ebd., S. 686.

  3. Vgl. Rolf-Peter Horstmann, Art. Menschenwürde, in: Joachim Ritter/Karlfried Gründer/Gottfried Gabriel (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 5, Basel - Stuttgart 1980, Sp. 1124 - 1127; Kurt Bayertz, Art. Menschenwürde, in: Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie, Bd. 1, Hamburg 1999, S. 824 - 826; Robert Spaemann, Über den Begriff der Menschenwürde, in: Ernst-Wolfgang Böckenförde/Robert Spaemann (Hrsg.), Menschenrechte und Menschenwürde, Stuttgart 1987, S. 295 - 313.

  4. Vgl. Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten (Weischedel-Ausgabe), Bd. IV, Darmstadt 1956, S. 600.

  5. "Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat sich die Völkergemeinschaft konkret, politisch bzw. rechtspolitisch darauf verständigt, die Idee der Menschenwürde und die Schutz- bzw. die Freiheitsrechte eines jeden Einzelnen als Basis für das Zusammenleben der Menschen anzuerkennen. Es handelt sich um eine interkulturelle Einigung. Der französische Diplomat Stéphane Hessel, der damals bei den Beratungen der Menschenrechtskommission zugegen war, berichtete im Rückblick, für die Betonung des "Gewissens" habe ein chinesischer Jurist plädiert; den Begriff Menschenwürde hätten vor allem katholische Kulturen eingebracht. Bei der Abstimmung enthielt sich Saudi-Arabien dann allerdings der Stimme, weil dieses islamische Land die Kodifizierung der Religionsfreiheit nicht nachvollzog. Inzwischen werden Menschenrechte in der islamischen Welt zumindest dem Grundsatz nach anerkannt, und zwar mit Hilfe einer Deutung, der zufolge die Menschenrechte nicht neuzeitlich-westlichen Ursprungs, sondern im Islam selbst verwurzelt seien. Außerdem enthielten sich 1948 sechs sozialistische Staaten und bezeichnenderweise Südafrika." Hartmut Kreß, Menschenwürde im modernen Pluralismus, Hannover 1999, S. 33.

  6. Vgl. Günther Pöltner, Grundkurs Medizin - Ethik, Wien 2002, S. 50.

  7. Günter Dürig, Der Grundrechtssatz von der Menschenwürde, in: Archiv des öffentlichen Rechts, 81 (1956), S. 117 - 157, hier S. 127.

  8. Vgl. das Urteil des Hessischen Staatsgerichtshofes, in: Deutsches Verwaltungsblatt (DVBL), 89 (1974), S. 940ff.

  9. Vgl. Wolfram Höfling, Kommentierung des Art. 1 (Schutz der Menschenwürde, Menschenrechte, Grundrechtsbindung), in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, München 20023, S. 78 - 115, hier S. 87.

  10. Zur Menschenwürde aus ethischer und rechtlicher Sicht vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Enquete-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin. Schlussbericht (Zur Sache 2/2002), Berlin 2002, S. 21 - 44; Hans Michael Baumgartner/Ludger Honnefelder/Wolfgang Wickler u.a., Menschenwürde und Lebensschutz: Philosophische Aspekte, in: Günter Rager (Hrsg.), Beginn, Personalität und Würde des Menschen, Freiburg i. Br. 1997, S. 161 - 242; Kurt Bayertz, Die Idee der Menschenwürde: Probleme und Paradoxien, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, 81 (1995), S. 465 - 481; Ernst Benda, Verständigungsversuche über die Würde des Menschen, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 54 (2001), S. 2147f.; Ernst-Wolfgang Böckenförde, Menschenwürde als normatives Prinzip. Die Grundrechte in der bioethischen Debatte, in: Juristenzeitung (JZ), (2003), S. 809 - 815; Erhard Denninger, Embryo und Grundgesetz. Schutz des Lebens und der Menschenwürde vor Nidation und Geburt, in: KritV, 86 (2003), S. 191 - 209; Sigrid Graumann (Hrsg.), Die Genkontroverse. Grundpositionen, Freiburg i. Br. 2001; Eilert Herms (Hrsg.), Menschenbild und Menschenwürde, Gütersloh 2001; Matthias Kettner (Hrsg.), Biomedizin und Menschenwürde, Frankfurt/M. 2004; Johannes Reiter, Über die Ethik der Menschenwürde, in: Albert Raffelt (Hrsg.), Weg und Weite. Festschrift für Karl Lehmann, Freiburg i. Br. 2001, S. 443 - 454.

  11. Theodor Maunz/Günter Dürig/Roman Herzog/Rupert Scholz (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, München 2003.

  12. Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. 9. 2003, S. 33 und 35. Herdegen ist allerdings nicht der Einzige, der in seiner Kommentierung von der traditionellen Meinung abweicht. Herdegens Auffassung vergleichbar ist die des an der Universität Würzburg lehrenden Staatsrechtlers Horst Dreier; vgl. den von ihm herausgegebenen Grundgesetzkommentar, Bd. I, München 20042, und darin seine Kommentierung zu Art. 1 GG. Böckenförde vermutet daher, dass in dem Wechsel der Kommentierung auch ein Generationsunterschied zum Ausdruck kommt. Eine Ausnahme würde hier allerdings der Staatsrechtler Wolfram Höfling von der Universität in Köln machen; vgl. seine Kommentierung des Art. 1 GG, in: M. Sachs (Hrsg.) (Anm. 9).

  13. So E.-W. Böckenförde, ebd., S. 33.

  14. Ebd.

  15. Ebd., S. 35.

  16. Ebd.

  17. Vgl. Uwe Justus Wenzel, Menschenwürde und Menschenbild. Über die Relativität des Absoluten, in: Neue Zürcher Zeitung vom 15. 11. 2003.

  18. Zu dieser Feststellung Herdegens bemerkt Thomas Traub: "Dieser Versuch, der Verfassung die Vorstellung einer mit Ausmaß von der Entwicklung abhängigen Menschenwürde zu unterstellen, hätte sich auch in der Darstellung ausführlicher mit den Gegenargumenten auseinandersetzen sollen. Der Hinweis auf die Geistesgeschichte erschöpft sich leider ohne jeden weiterführenden Hinweis auf die schlichte Behauptung, das Recht differenziere 'seit jeher' nach dem Stand der menschlichen Entwicklung. Abgesehen davon, dass Herdegen selbst an anderer Stelle die Relevanz der geistesgeschichtlichen Entwicklung für diesen Fragenkomplex relativiert (Nr. 55), weist der 1. Teil, 1. Titel § 10 des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 in eine andere Richtung. In dieser Bestimmung, auf die auch das Bundesverfassungsgericht hinweist, ist festgelegt, dass 'die allgemeinen Rechte der Menschheit (...) auch den noch ungeborenen Kindern, schon von der Zeit ihrer Empfängnis', gebühren. Ebenso erweist sich Herdegens Annahme, nur auf der Grundlage eines gestuften Würdeschutzes lasse sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch konsistent darstellen, als nicht überzeugend." Thomas Traub, Schutz der Menschenwürde in Stufen?, in: Zeitschrift für Lebensrecht, 12 (2003), S. 130 - 134, hier S. 132.

  19. E.-W. Böckenförde (Anm. 12), S. 33.

  20. Der Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg.), In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie. Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe des Bundesministers für Forschung und Technologie und des Bundesministers der Justiz, München 1985, S. 23.

  21. Ebd. S. 46.

  22. Vgl. Martina Fietz, Volles Recht auf Leben?, in: Rheinischer Merkur vom 12. Februar 2004.

  23. Anders sieht dies W. Höfling (Anm. 9), S. 88: "Die gezielte Herstellung von Embryonen, etwa im Wege des so genannten 'therapeutischen Klonens', zum Zweck der späteren Vernichtung durch forscherischen und industriellen Verbrauch verstößt aber gegen Art. 1 I GG."

  24. Zitiert bei Ernst Benda, Erprobung der Menschenwürde am Beispiel der Humangenetik, in: Rainer Flöhl (Hrsg.), Genforschung - Fluch oder Segen?, München 1985, S. 205 - 231, hier S. 214.

  25. H. Kreß (Anm. 5), S. 170f.

  26. Arthur Schopenhauer, Preisschrift über die Grundlage der Moral, in: Werke in fünf Bänden, hrsg. von Ludger Lütgehaus, Bd. III, Zürich 1988, S. 522.

  27. U. J. Wenzel (Anm. 17).

Dr. theol., geb. 1944; Professor für Moraltheologie am Fachbereich Katholische Theologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Mitglied der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" des Deutschen Bundestages.
Anschrift: Universität Mainz, Fachbereich Katholische Theologie, Saarstr. 21, 55099 Mainz.
E-Mail: E-Mail Link: reiter@mail.uni-mainz.de

Zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen der medizinischen Ethik und Bioethik, zuletzt: Die genetische Gesellschaft. Handlungsspielräume und Grenzen, Limburg 2002.