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Den Stadtumbau flankieren - Was leisten neue Kooperationsformen in der Stadtentwicklung? | Städtepolitik | bpb.de

Städtepolitik Editorial Umbauen und Integrieren - Stadtpolitik heute - Essay Regionalpolitische Optionen für schrumpfende Städte Den Stadtumbau flankieren - Was leisten neue Kooperationsformen in der Stadtentwicklung? Zivilgesellschaft und soziales Kapital im städtischen Raum Impulse für die neue Politik der Sozialen Stadt

Den Stadtumbau flankieren - Was leisten neue Kooperationsformen in der Stadtentwicklung?

Peter Jakubowski

/ 15 Minuten zu lesen

In der Stadtentwicklung müssen von der Planungsverwaltung gezielt neue Kooperationsformen eingesetzt werden. Die kooperative Planungskultur ist ein wichtiger Baustein zur Erhaltung der Selbststeuerungskräfte unserer Städte.

Einleitung*

Unsere Städte verändern sich jeden Tag - Veränderung ist vielleicht das Wesensmerkmal, das die Stadt zur Stadt macht. Dies ist heute so, und es war auch schon gestern und vorgestern so. Städte haben immerwieder zyklische Auf- und Abwertungen erlebt, die sich letztlich auch in Begriffen von Wachstum und Schrumpfung fassen lassen. Gleichwohl erhält die Aufgabe des Stadtumbaus vor dem Hintergrundder drei demographischen Herausforderungen - Alterung, Bevölkerungsrückgang und Heterogenisierung - für die aktuelle Stadtpolitik noch nicht erlebte Herausforderungen.

Jahrzehntelanges Wachstum, fortwährende Suburbanisierung mit ihren auch infrastrukturellen Festlegungen haben zu räumlich und technisch ineffizienten Strukturen geführt. Diese lassen Schrumpfung in (städte)baulichgeordneter Form oft nur langsam und schwerfällig zu, zudem entstehen Kosten, deren Höhe heute vielfach noch nicht abzusehen ist. Dies fällt zusammen mit akuten Finanzproblemen der kommunalen und staatlichen Haushalte, womit eine alleinige Übernahme der Kosten des Stadtumbaus durch dieöffentlichen Haushalte kaum realisierbar scheint. Mit Blick auf die ostdeutschen Städte kommt ein gravierendes Merkmal des Stadtumbaushinzu: Der Bevölkerungsrückgang durch Abwanderung, verstärkt durch den Geburtenrückgang, hat sich dort in kurzen Zeiträumen so rasant vollzogen, dass die Städte - die verantwortlichen Politiker und anderen Akteure - keine realistische Chance hatten und haben, adäquat darauf zu reagieren. Während sich die Städte in kürzester Zeit entleeren, haben wir mit nur mittel- bis langfristig zu lösenden baulichen, stadttechnischen und anderen infrastrukturellen Problemen zu kämpfen. In diesen zeitlichen Zwängen des Wandels droht die unseren Städten eigene Anpassungsflexibilität verloren zu gehen.

Das macht Zeit- und Kostenaspekte unmittelbar zu Zielgrößen, wenn es darum geht, Planungsverfahren zur Flankierung des Stadtumbaus zu analysieren. Neben guten Ideen zu Zwischennutzungen, Rückbau und qualitativ hochwertigen Umstrukturierungen sind entsprechend ausgestaltete Steuerungs- und Planungsverfahren gefragt, mit denen die Flexibilität der Anpassung der Städte erhöht werden kann.

In diesem Beitrag wird die Leistungsfähigkeit neuer Formen der Kooperation in der Stadtentwicklung einer Analyse unterzogen. Die Ergebnisse entstammen einem Forschungsvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus des Bundes. Zunächst werden die übertragbaren Resultate zu Fragen der Effizienz neuer Formen der Kooperation zusammengefasst, um dann von den Erfahrungen aus Gelsenkirchen zu berichten, die als westdeutsche Stadt unter den Bedingungen des ökonomischen und demographischen Strukturwandels sehr stark auf eine kooperative Planungskultur setzt.

* Die vorgestellten Erkenntnisse beruhen auf gemeinsamen Arbeiten des BBR mit der FIRU- mbH in Kaiserslautern. Die zum Modellvorhaben Gelsenkirchen vorgestellten Ergebnisse fußen auf Analysen der Stadt Gelsenkirchen und des beauftragten Büros Ursula Stein, Büro für Raumplanung und Kommunikation, Frankfurt a.M.

Neue Kooperationsformen - Worüber diskutieren wir?

Kooperation leitet sich aus einem analytischen Kommunikationsverständnis ab: Kommunikation ist ein Sammelbegriff für die vielen Einzeltätigkeiten der Vermittlungsarbeit in Planungsprozessen. Information, Koordination, Partizipation/Beteiligung und Kooperation werden dabei als vier zentrale Bestandteile des Begriffs unterschieden. Spricht man von "Neuen Kooperationsformen", werden in der Regel alle Elemente von Kommunikation betrachtet. Die Betrachtung der neuen Kooperationsformen und der kooperativen Prozesse geht über die informativen und partizipativen Elemente hinaus, wie sie vom Gesetzgeber z.B. im Bauleitplanverfahren vorgesehen sind. Kooperative Stadtentwicklungsprozesse schließen diese Elemente mit ein und kombinieren sie mit neuen, weiter gehenden kooperativen Ansätzen.

Greift man auf teilweise standardisierte und kommerziell angebotene Instrumente der Kooperation zurück, sind z.B. Planungszelle, Zukunfts- oder Perspektivenwerkstätten, Mediationen, kooperativ angelegte Wettbewerbe oder Werkstattgespräche zu nennen, die in ihrer Verknüpfung mit den Verfahren der Bauleitplanung und der übrigen stadtpolitischen Meinungsbildung das Spektrum neuer Kooperationsformen andeuten.

Im Forschungsvorhaben "3stadt2 - Neue Kooperationsformen in der Stadtentwicklung" wurde versucht, die Ansätze von Public Private Partnership und Bürgerbeteiligung zusammenführen. Während bislang in der Regel Bürger und Verwaltung (Bürgerbeteiligung nach BauGB) oder aber Verwaltung und Investor (klassische Public Private Partnerships) zusammenarbeiteten, ist es eine Kernidee von "3stadt2", die drei zentralen Akteursgruppen der Stadtentwicklung - die öffentliche Hand, die investitionsbereite Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger - gezielt zusammenzuführen und zu prüfen, ob auf diese Weise Planungsverfahren effizienter zu gestalten sind und städtebauliche Qualitäten gesichert werden können.

Effizienz im Kooperationsprozess

Zur Einschätzung der Leistungsfähigkeit neuer Verfahren in der Stadtentwicklung ist der Frage nachzugehen, in welchem Verhältnis für die Beteiligten Aufwand und Ertrag zueinander stehen und wann der umfassende Ansatz einer Kooperation zwischen öffentlicher Hand, Bürgern und Investoren ggf. zu einem Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag führt. Für die Einordnung der Resultate ist es wichtig zu beachten, dass je nach Akteursperspektive unterschiedliche Erwartungen an Aufwand und Ertrag gestellt werden. Während sich die Anforderungen von Investoren mit denen der öffentlichen Hand teilweise decken (z.B. bei Gewinnoptimierung, wirtschaftlicher Tragfähigkeit), stehen bei den Bürgern Nutzbarkeit, Qualität oder eine schnelle öffentliche Aufgabenerfüllung im Vordergrund.

Kooperative Stadtentwicklungsprojekte erfordern Vorleistungen, die als Investition in den Prozess zu verstehen sind. Bei der Anbahnung, Vorbereitung und Entwicklung entsteht insbesondere bei der öffentlichen Hand im Vergleich zu klassischen, also rechtlich über die Bauleitplanung normierten Verfahren ein anders strukturierter Aufwand. Dieser ist für die lokalen Akteure zum Teil beträchtlich; er wird aber gezielt getätigt, um schneller zu den erwarteten Ergebnissen und Vorteilen zu gelangen. Der Aufwand ist in eingesetzter Zeit und entstehenden Kosten zu fassen.

Bedeutend ist zum einen die notwendige Zeit für eine sorgfältige Vorbereitung und Planung. Zum anderen erfordert auch der Einsatz kooperativer Instrumente einen Zeitraum von mehreren Monaten bis zu einem Jahr (vgl. Übersicht 1: PDF-Version).

Außerdem wird der Aufwand durch die Kosten bestimmt, die insbesondere bei der öffentlichen Hand entstehen. Dieser Kostenblock enthält z.B. einen erhöhten Zeit- und somit Personalaufwand der Verwaltungsmitarbeiter. Hinzu kommen externe Kosten wie Sachkosten für Moderatoren, Öffentlichkeitsarbeit oder Räumlichkeiten.

Um die Aufwandsseite gezielt steuern zu können und ein möglichst effizientes Kooperationsverfahren umzusetzen, muss zu Beginn und während eines kooperativen Prozesses für Zeit- und Kostentransparenz gesorgt werden. Faust- bzw. Erfahrungswerte zu Zeitaufwand und Kosten neuer kooperativer Instrumente zeigt Übersicht 1 (s. PDF-Version).

Die Ertragsseite neuer Kooperationsformen umfasst primär qualitative Aspekte. Das direkte Aufeinandertreffen der drei zentralen Akteursgruppen kann Prozess- und Projektqualitäten deutlich verbessern.

Neue Kooperationsformen können die Qualität von Ergebnissen fördern. Wesentliche Vorteile sind: - Erhöhung der Chance auf die tatsächliche Umsetzung der Ergebnisse; - Erhöhung der Planungssicherheit durch Konfliktlösungen in früher Planungsphase; - Förderung von Kompromissen zwischen bedarfsgerechten, städtebaulich hochwertigen und wirtschaftlich umsetzbaren Lösungen; - Förderung von stabilen Ratsbeschlüssen und einer breiten politischen Zustimmung für ein Projekt und somit erhöhte Akzeptanz.

Neue Kooperationsformen verbessern auch die Qualität von Planungsprozessen. Ein wesentliches Qualitätskriterium ist die Beschleunigung von Planungsprozessen und die damit verbundene Kosteneinsparung.

Trilaterale Verfahren ermöglichen breit abgestimmte Zielvorstellungen zwischen öffentlicher Hand, Wirtschaft und Bürgern und tragen dazu bei, komplexe Aufgabenstellungen zu bewältigen. Planungen können dadurch beschleunigt werden. Weil "3stadt2"-Prozesse auch einen stabilen Konsens im politischen Raum fördern, können auch im Konfliktfall zügig erfolgreiche Lösungen erreicht werden. Die Anwendung kooperativer Elemente führt dazu, dass die nachfolgenden Abstimmungsprozesse iin der Regel viel schneller als gewöhnlich ablaufen. Einstimmige Ratsbeschlüsse sind häufig Kennzeichen dieser Verfahren.

Darüber hinaus ist es meist ein Kennzeichen kooperativer Verfahren, dass durch ein Ineinandergreifen verschiedener Planungsschritte eine zeitliche Straffung des Planungsprozesses erreicht werden kann. Die Zeitersparnis führt in der Regel auch zu einer Kostenersparnis.

Den am Anfang einer Kooperation anfallenden und abschätzbaren Kosten und Risiken steht ein häufig nur schwer kalkulierbarer Mehrwert gegenüber. Dies führt oft dazu, dass von den lokalen Akteuren zu Beginn eines Projektes die Kooperationskosten höher eingeschätzt werden als der erwartete Mehrwert. Die Entscheidung darüber, ob ein kooperatives Verfahren durchgeführt werden soll, ist eine komplexe Abwägungsentscheidung "Aufwand gegen Ertrag". Kostenintensive und aufwändige Kooperationsprozesse können durchaus als angemessen beurteilt werden, wenn sie qualitativ hochwertige und nachhaltig wirksame Ergebnisse erwarten lassen.

Die Angemessenheit ist auch abhängig von der Dringlichkeit zu lösender Probleme und vom Gesamtkostenvolumen der städtebaulichen Maßnahme. Entstehen durch unzureichende Zusammenarbeit mit Nutzern oder Planungsbetroffenen Planungsfehler, so steht der finanzielle und zeitliche Aufwand für Nachbesserungen und/oder juristische Auseinandersetzungen häufig in keiner Relation zur eigentlich für den kooperativen Prozess benötigten Zeit. Es ist also die Wahrscheinlichkeit bzw. die Schwere dieser Planungsfehler abzuschätzen, die ohne zusätzlichen kooperativen Prozess entstehen können.

Der Zeitraum für kooperative Verfahren ist häufig durch die notwendige Verknüpfung mit formellen Entscheidungsverfahren bzw. durch einen vorhandenen Entscheidungsdruck begrenzt oder genau vorgegeben. Bei den Kosten gibt es eine solche klare Trennlinie in der Regel nicht. Hier sollte die Angemessenheit von Kosten und Aufwand im Verhältnis zum Ergebnis entscheidend sein.

Die Finanzmittel für einen Diskurs können als ein fixer Prozentsatz (etwa maximal fünf Prozent) des insgesamt benötigten Investitionsvolumens oder - was noch angemessener wäre - des maximalen Verlustes bei einer Fehlentscheidung festgelegt werden. Bei großen Vorhaben machen die Kosten für den kooperativen Prozess meist nur einen Bruchteil des gesamten Planungs- und Kostenaufwandes aus. Sie sind damit gut zu rechtfertigen. Es gibt aber auch Aufgabenstellungen, in denen die Kosten für aufwändige Verfahren deutlich gewichtiger sind, weil es um kleinere Projekte oder Investitionen geht. Hier hängt die Entscheidung über den Einsatz eines kooperativen Verfahrens stark von der politischen Prioritätensetzung ab.

Kooperative Stadtentwicklung in Gelsenkirchen

Die sozioökonomischen Bedingungen für die Stadtentwicklung sind in Gelsenkirchen auch heute noch durch die lange und intensive Abhängigkeit von der Montanindustrie und dem Verlust eben dieser ökonomischen Basis geprägt. Im Herbst 2004 hatte die Stadt bei einer Bevölkerungszahl von rund 274 000 eine Arbeitslosenquote von 20,5 bzw. 15,8 Prozent im Stadtteil Buer zu verzeichnen, bei gleichzeitig extrem angespannter kommunaler Haushaltslage. Gelsenkirchen hat seit 1998 rund 11 000 Einwohner verloren. Bei Eintreffen der Bevölkerungsprognosen wird sich die Bevölkerungsabnahme bis 2015 auf beinahe 30 000 Einwohner erhöhen, dann würde Gelsenkirchen gegenüber 1998 rund zehn Prozent seiner Einwohner verlieren. Mit diesen Werten reiht sich die Stadt durchaus in den Durchschnitt der großen Ruhrgebietsstädte ein. Verglichen mit den durchschnittlichen demographischen Entwicklungen in den alten Bundesländern ist das Ruhrgebiet rund 15 Jahre voraus - Stadtentwicklung in dieser Region entspricht also durchaus einem Blick in deutsche Zukünfte (siehe die Tabelle: PDF-Version).

Aus städtebaulicher und sozialer Sicht zeigen sich in Gelsenkirchen keine Verwerfungen, wie sie aus ostdeutschen Städten bekannt sind. Die meisten Wohngebiete der Stadt werden als stabil bewertet, und es gibt kaum Anzeichen dafür, dass sich dies in nächster Zeit ändern wird. Bei einer auf die Gesamtstadt bezogenen Quote des Wohnungsleerstands von ca. fünf Prozent steht Gelsenkirchen nicht vor dem Problem des mengenmäßig relevanten Abrisses (und seiner organisatorischen und finanziellen Flankierung). Diese Aussichten lassen sich auch durch die demographischen Entwicklungen stützen.

Im Wohnungsbereich bestehen Probleme in Teilbeständen aus den fünfziger bis siebziger Jahren sowie mit einzelnen Altbaubeständen. Die eigentliche Herausforderung der Stadt liegt in der insgesamt für das Ruhrgebiet festzustellenden Erosion der Zentrenfunktion mit entsprechenden Funktionsverlusten bei zentralen Versorgungsbereichen. Für die bizentrale Stadt Gelsenkirchen gilt das sowohl für die so genannten Gelsenkirchener City als auch für das Zentrum Buer.

Zur Lösung ihrer Strukturprobleme setzt die Stadtplanung in Gelsenkirchen ausdrücklich auf eine kooperativ angelegte Planungsphilosophie, in der sich Planungsverwaltung als dezentral präsenter Kooperationspartner in interdisziplinären Arbeitsprozessen sieht. Ein Ausschnitt dieses kooperativen Ansatzes der Gelsenkirchener Stadtplanung ist mit der Kooperation "Zentrum Buer" näher untersucht worden.

Die Kooperation "Zentrum Buer" - Modellvorhaben in "3stadt2"

Buer hat mit strukturellen Problemen, wie z.B. einer überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit oder der Erosion des innerstädtischen Einzelhandels zu kämpfen. Oberziel der Stadtentwicklung ist die Revitalisierung und Stabilisierung des Stadtteils Buer. Vor diesem Hintergrund wurde der Leitplan Zentrum Buer mit ökonomischen und städtebaulichen Empfehlungen in einem kooperativen Verfahren erstellt. Der politisch beschlossene Leitplan fungiert als Leitplanke für die weitere Aufwertung des Zentrums Buer.

In der zweiten Phase, nach Beschluss des Leitplanes, geht es in Buer darum, das kooperativ erarbeitete Handlungskonzept schrittweise verbindlich zu machen und umzusetzen. Ziel ist es, den Bürgern, Kunden und Besuchern von Buer ein hohes Maß an Aufenthaltsqualität, einen wieder attraktiveren Branchenmix und eine vitalere Urbanität zu bieten. Zur Verwirklichung des Ziels bedarf es auch bei der konkreten Planung und Maßnahmenumsetzung der Mitwirkung und Unterstützung vieler Akteure, die sich gemeinschaftlich für den Stadtteil engagieren. So wird allen Beteiligten die Chance gegeben, ihre Ideen und Ressourcen einzubringen.

Der kooperative Prozess begann mit der gemeinsamen Erarbeitung des Leitplans "Zentrum Buer" durch Bürger, örtliche Investoren, Verwaltung und die Politik. Bedeutender Akteur in diesem Kooperationsansatz ist die Buer Management Gesellschaft (BMG). Sie wurde als Public Private Partnership zwischen der Stadt Gelsenkirchen und privaten Investoren/Eigentümern aus dem Zentrum gegründet. Die Zusammenarbeit zwischen der BMG und der Stadt wird durch einen Kooperationsvertrag begleitet. Aufgabe der BMG ist die Konzeption, Organisation und Durchführung von Maßnahmen zur Revitalisierung und Stabilisierung des Stadtteils Buer.

Den Kern der informellen Kooperation bilden Werkstattgespräche, in denen Bürgerinnen und Bürger, der Einzelhandel oder Mitglieder der Lokalen Agenda ebenso vertreten sind wie die Stadt Gelsenkirchen (Verwaltung und Politik) und die BMG. Die zentralen Akteure haben sich bereits während der Leitplanerarbeitung zusammengefunden.

Die Werkstattgespräche ergänzen weiterhin die "üblichen" Schritte der notwendigen Planungsverfahren. Die Einzelprojekte werden vertieft und zwischen den Akteuren abgestimmt. Einzelne Teilnehmer aus den Werkstattgesprächen sind direkt an Einzelprojekten beteiligt (vgl. die Abbildung: PDF-Version).

Das kooperative Verfahren hat gezeigt, dass sich über die Arbeitsgruppen hinaus auch neue Formen der Zusammenarbeit in den Einzelprojekten ergeben. So wurde z.B. für die Umgestaltung der Marktplatzes ein städtebauliches Entwurfsverfahren (Werkstattverfahren) durchgeführt, bei dem die Jury mit zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Werkstattgespräche besetzt war. Dazu gehörten Vertreter der BMG ebenso wie Verwaltung und Politik. Mit städtebaulichen Entwurfsverfahren und der starken Einbeziehung der örtlichen Akteure wurden Experimente im Sinne der vertieften Kooperation gewagt, die sich als erfolgreich erwiesen haben.

Die einzelnen Teilprojekte verlaufen sehr unterschiedlich. Von "schnellem Start und späterem Scheitern", über "kontinuierliche Arbeit" bis zu "stark verzögertem Start" und "Verschiebung" ist alles vertreten. Allerdings lässt dies noch keine ausreichenden Rückschlüsse auf Erfolg oder Misserfolg des gewählten Ansatzes zu. Angeleitet durch die externe Moderation, haben die lokalen Akteure in Buer Erfolgskriterien für ihre Arbeit selbst formuliert. Sie dienen als Hilfsmittel für eine regelmäßige Selbstreflexion der Kooperationspartner.

Kosten der Kooperation - eine Annäherung

Wie bei allen Modellvorhaben ist auch in Buer versucht worden, die Kosten des Kooperationsprozesses genauer zu erfassen. Das Gesamtbudget der umfassenden Kooperation in Gelsenkirchen-Buer beruht auf einer Förderzusage des Landes NRW aus dem Jahr 2000 und umfasst 409 000 EUR (damals 800 000 DM). Davon wurden 204 500 EUR vom Land NRW finanziert, die für die Erstellung des Leitplans Buer und als Beteiligung an den Geschäftsführungskosten der Buer Management GmbH für die Jahre 2001 bis 2003 eingesetzt wurden. Die Eigenleistungen der Stadt Gelsenkirchen beliefen sich auf rund 51 000 EUR, während die Mitglieder der BMG Eigenleistungen in Höhe von rund 153 000 EUR zur Finanzierung beigetragen haben. Von der Stadt wird hervorgehoben, dass weite Teile der aufgeführten Kosten dem experimentellen Design der Kooperation sowie der Erarbeitung des Leitplans zuzurechnen sind, wobei insbesondere Letztgenannter auch ohne den Kooperationsrahmen hätte aufgestellt werden können. Spezifische externe Kosten für Moderation und Beratung sind in Höhe von 48700 EUR entstanden. Aus den Analysen der Projektforscher im Modellvorhaben Gelsenkirchen-Buer geht hervor, dass die Personalkosten der Verwaltung mit "einer dreiviertel Stelle BAT II" kalkuliert werden können.

Bewertung durch die Akteure

Angestoßen durch die Diskussionen im Forschungsfeld "3stadt2 - Neue Kooperationsformen in der Stadtentwicklung" haben sich die Akteure der Kooperation entschlossen, eine Erfolgsanalyse zum bisherigen Kooperationsverfahren durchzuführen. Zusammen mit den Akteuren wurden Erfolgskriterien ermittelt, um dann im Rahmen von Zufriedenheitsabfragen Anhaltspunkte zur Bewertung des Kooperationsverfahrens zu bekommen. Im Ergebnis ergaben Interviews mit beteiligten Personen aus Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft eine große Zufriedenheit mit dem Aufwand-Ertrag-Verhältnis bei der Erstellung des Leitplans. Er "sei schnell und günstig zustande gekommen, und die Kommunikation untereinander wurde als Bereicherung angesehen". Aus Sicht der Planungsverwaltung hat das kooperative Verfahren wesentlich zur Stärkung der Rationalität der Planung und zur besseren Abstimmung der Akteure beigetragen. Insgesamt schätzt die Verwaltung die Investitionen in den Prozess als erfolgreich ein. Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, dass die Umsetzung von Projekten weit weniger direkt und positiv durch den kooperativen Ansatz zu beeinflussen ist. Insgesamt hat die Einschätzung der Beteiligten recht eindeutig gezeigt, dass die Zufriedenheit mit Ausgestaltung und Ablauf des Kooperationsprozesses deutlich größer ist als die Zufriedenheit mit den erreichten Ergebnissen.

Diese Einschätzung kann insbesondere unter den ökonomischen Rahmenbedingungen, die dieses Verfahren prägen, nicht erstaunen. Letztlich ist die Projektumsetzung von tatsächlichen Investitionen abhängig, die in letzter Konsequenz eben nicht durch Konsens und Verfahren entschieden werden können. Zu betonen ist aber zugleich, dass eine kooperative Planungskultur mit einem entsprechenden Engagement der Bürger sowie der lokalen Wirtschaft das Investitionsklima in Stadtumbausituationen positiv beeinflusst. Übersicht 2: Auszug aus den Zielen und Erfolgskriterien im Rahmen der akteursorientierten Evaluation "Kooperation Zentrum Buer"

A - Ergebnisse bis Ende 2003:
Ende 2003 sind Ansätze für ein verbessertes Erscheinungsbild Buers sichtbar ...
z.B. einheitlichere Gestaltung, weniger Werbereiter und negativ empfundene Sondernutzungen, gepflegteres und aufgeräumtes Aussehen, weniger Autos im Fußgängerbereich und verbesserte Parkplatzsituation
Ende 2003 gibt es gemeinsame Qualitätsmaßstäbe ...
- z.B. ein von BMG, Werbegemeinschaft, wichtigen Einzelakteuren und Stadt gemeinsam getragenes Gestaltungs- und Design-Konzept für Stadtmöbel und Werbeanlagen, ein "Qualitätssiegel Buerer Einzelhandelsunternehmen"
Ende 2003 gibt es eine positive Bewusstseinsänderung ...
- z.B. gemeinsame Verantwortlichkeit, Wir-Gefühl, Verständnis für die Situation

Quelle: U. Stein/M. Stock (Anm.15), S. 130.

Zusammenfassung

Intelligent Schrumpfen heißt die künftige Gestaltungsaufgabe in unseren Städten. Wenn Teile der Stadtgesellschaften durch Schrumpfungsprozesse in neue ökonomische, bauliche und besonders soziale Zusammenhänge wachsen (müssen), sollte der Weg in diese veränderten Städte durch kooperative, auf Beteiligung und Mitverantwortung setzende Planungsverfahren flankiert werden. Diese Sicht wird auch von der Bundesregierung vertreten, die u.a. mit den Neuregelungen des BauGB beim Stadtumbau die kooperative weiter Linie gestärkt hat. Auch in ihrem jüngsten Städtebaulichen Bericht nehmen neue Allianzen zwischen Bürgern, Verwaltung und Wirtschaft eine wichtige Rolle ein.

Neue Kooperationsformen, gezielt und intelligent eingesetzt, können zu Kosteneinsparungen, kürzeren Planungszeiten und qualitativ hochwertigen städtebaulichen Resultaten führen. Gleichwohl darf man nicht vergessen, dass es - insbesondere in den ostdeutschen Ländern - nicht allein um im Konsens zu erarbeitende Stadtumbaukonzepte geht. Wohnungsabriss und Infrastrukturrückbau gehen mit handfesten ökonomischen Interessen und scharfen Konfliktlinien einher, die nur durch ein kombiniertes System aus Kooperation und Entschädigung auflösbar sind. Schließlich wird auf dem Weg zur kleineren Stadt über die Vernichtung von betrieblichen Aktiva der Wohnungs- oder Ver- und Entsorgungsunternehmen verhandelt. Neuen Kooperationen fehlt hier der Glanz, weil die angestammte Logik des Ressourceneinsatzes - investieren in etwas Neues - umdefiniert werden muss. Gefragt ist der Mitteleinsatz für ein Weniger, und das entspricht (kurzfristig) nicht der unternehmerischen Logik.

Neue Kooperationsformen gehören in den Kanon flankierender Maßnahmen zum Stadtumbau, die kooperative Planungskultur ist ein wichtiger Baustein zur Erhaltung der Selbststeuerungskräfte unserer Städte. Je mehr aber Entschädigungsfragen und harte ökonomische Konfliktlinien erkennbar sind, desto wichtiger ist eine präzise und detaillierte Analyse der Einsatzbedingungen und Erfolgswahrscheinlichkeiten kooperativer Verfahren. Unterbleibt dies, besteht die Gefahr, sich in verfahrenen Verfahren zu verlieren und so beträchtliche Ressourcen zu vergeuden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Hans-Peter Gatzweiler/Katrin Meyer/Antonia Milbert, Schrumpfende Städte in Deutschland? Fakten und Trends, in: Informationen zur Raumentwicklung, (2003) 10/11, S. 557-575.

  2. Vgl. Dieter Freudenberg/Matthias Koziol, Anpassung der technischen Infrastruktur beim Stadtumbau - Arbeitshilfe, in: Fachbeiträge zu Stadtentwicklung und Wohnen des Landes Brandenburg, Heft 2/2003, Frankfurt/O.

  3. Vgl. anschaulich dazu Götz Hamann, Wie schrumpft man eine Stadt?, in: Die Zeit vom 28. 10. 2004, S. 45 f.

  4. Gelsenkirchen ist in das Programm Stadtumbau West des Bundes aufgenommen. Vgl. im Internet www.stadtumbauwest.de. / Pilotstädte Gelsenkirchen.

  5. Vgl. Klaus Selle, Was? Wer? Wie? Warum? Voraussetzungen und Möglichkeiten einer nachhaltigen Kommunikation, Dortmund 2000, S. 61ff.

  6. Vgl. Klaus J. Beckmann, Stadtplanung im Rahmen von Public Private Partnership. Erfahrungen, Chancen Risiken, in: Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Stadtentwicklung - Neue Kooperationsformen und Partnerschaften, Düsseldorf 2000, S. 7 - 28, hier S. 8.

  7. Vgl. hierzu Peter Jakubowski, Stadt-Wandel erfolgreich gestalten, in: Die Wohnungswirtschaft, (2001) 10 und 11, S. 33 - 36 und S. 28 - 31; Oliver Fuchs/Dietrich Fürst/Ruth Rohr-Zänker, Neue Kooperationsformen zwischen Kommune, Bürgern und Wirtschaft, in: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.), Neue Kooperationsformen in der Stadtentwicklung. Werkstatt: Praxis, 2 (2002), S. 1 - 88, Bonn.

  8. Vgl. zur Projektdokumentation und weiteren Veröffentlichungen: www.exwost.de / 3stadt2

  9. In den Erfahrungswerten nicht enthalten, dennoch für eine Kommune kostenrelevant ist die Arbeitszeit der das Verfahren betreuenden Mitarbeiter in der Verwaltung.

  10. Vgl Sabine Herz/Peter Jakubowski, Neue Kooperationen und effiziente Verfahren für lebendige Städte, in: BundesBauBlatt (BBB), (2004) 3, S. 12 - 15.

  11. Vgl. Regionalverband Ruhrgebiet, Regionalinformation Ruhrgebiet, Oktober 2004, Essen.

  12. Vgl. Michael von der Mühlen, Eine Zukunftsstrategie zum Umbau der Gelsenkirchener City, in: Ministerium für Städtebau und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Stadtumbau West. Intelligentes Schrumpfen, Düsseldorf 2004, S. 88 - 95.

  13. Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, ExWoSt-Informationen "3stadt2 - Neue Kooperationsformen in der Stadtentwicklung", Nrn. 1 - 4 (2002 - 2004); Ursula Stein/Stefanie Ruschek, Gelsenkirchen: Kooperation Zentrum Buer, in: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.), ExWoSt-Informationen "3stadt2 - Neue Kooperationsformen in der Stadtentwicklung", (2004) 5, S. 12 - 15.

  14. Vgl. Stefanie Ruschek/Ursula Stein, Endbericht zum Modellvorhaben Gelsenkirchen "Kooperation Zentrum Buer", Frankfurt/M. 2003, S. 64f.

  15. Vgl. Ursula Stein/Marion Stock, Evaluation innenstadtbezogener Kooperationsprozesse mit Akteuren, in: RaumPlanung, (2004) 114/115, S. 127 - 132; U.Stein/S. Ruschek (Anm. 14).

  16. U. Stein/M. Stock, ebd., S. 130.

  17. Vgl. hierzu Manfred Stolpe, Städtebaupolitik aus der Sicht des Bundes, in: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Dokumentation zum II. Nationalen Städtebaukongress, 10. bis 11. Mai 2004 in Bonn, S. 11 - 15.

Dr. rer. pol., geb. 1967; wissenschaftlicher Projektleiter im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
Abteilung "Raumordnung und Städtebau", Deichmannsaue 31-37, 53179 Bonn.
E-Mail: E-Mail Link: Peter.Jakubowski@BBR.Bund.de