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Internationaler Rundfunk auf dem Weg in den Cyberspace

Henning Hoff

/ 19 Minuten zu lesen

Während CNN und BBC im Internet expandieren, scheint das an Unterfinanzierung leidende Handeln der DW ein gefährlicher Pfad, will man in Deutschland produzierten internationalen Rundfunk erhalten.

Einleitung

Als die British Broadcasting Corporation (BBC) am 19. Dezember 1932 mit ihrer ersten Übertragung im damals noch "Empire Service" genannten Auslandsdienst auf Sendung ging, trat der BBC-Gründer John Reith selbst ans Mikrofon: "Das Radio ist ein Instrument von fast unkalkulierbarer Bedeutung im sozialen und politischen Leben", erklärte Lord Reith bei der internationalen Premiere der BBC, "sein Einfluss wird im täglichen Leben eines jeden Einzelnen mehr und mehr zu spüren sein, in beinahe jeder Sphäre des menschlichen Lebens, in nationalen und internationalen Angelegenheiten."


Ein Dreivierteljahrhundert später ist das von dem Briten Tim Berners-Lee "erfundene" World Wide Web im Begriff, jede "Sphäre des menschlichen Lebens" zu verändern - wohl in viel stärkerem Maße, als es der Rundfunk jemals vermochte. Nicht zuletzt wälzt das Internet die nationalen und internationalen Medienlandschaften um und formatiert sie zugleich neu. Es ersetzt die traditionellen Vertriebs- und Verbreitungswege von Print-, Audio- und audiovisuellen Medien, die sie zudem global ohne Zeitverlust verfügbar macht, und überwindet mit Leichtigkeit Staatsgrenzen, was derzeit beispielsweise britische Zeitungen durch ein Ausgreifen auf die USA zu nutzen versuchen. Digitale Kommunikationstechnik erweitert das Vertriebsspektrum, vor allem durch Mobiltelefone und verwandte Geräte. Zugleich ermöglicht das Internet das Publizieren journalistischer Inhalte von potentiell jedermann auf prinzipiell "gleicher Augenhöhe" mit herkömmlichen Verlagen oder Sendern, wie das Phänomen der Weblogs (oder Blogs) und immer engere Formen der Interaktionen zwischen Sender und Empfänger, Autor und Leser, Hörer oder Zuschauer zeigen. Das Internet befördert zugleich die Entwicklung zur Medienkonvergenz, wo die Trennlinien zwischen bewegtem und unbewegtem Bild, geschriebenem oder gesprochenem Wort immer weiter verschwimmen.

Der internationale Rundfunk ist von dieser Entwicklung in besonderem Maße herausgefordert, vor allem bei seiner Kernkompetenz, der weltweiten Nachrichtenverbreitung. Bis vor kurzem, erinnert man sich beispielsweise bei der Deutschen Welle, war es allein Deutschlands Auslandssender, der alle Deutschen in der Welt erreichen und ansprechen konnte. Auf die jüngste Ausgabe einer großen Tageszeitung wartete man Tage, wenn nicht Wochen. Heute kann man als "Auslandsdeutscher" von Auckland bis Vancouver das angestammte Lokalblatt und neuerdings selbst die Programme deutscher Fernsehsender im Internet lesen und sehen.

Zugleich ist in den vergangenen Jahren ein rascher Zuwachs an neuen Sendern zu verzeichnen, die das einst überschaubare Feld des internationalen Rundfunks bevölkern. Zu nennen ist vor allem der pan-arabische Fernseh-Nachrichtenkanal Al-Jazeera (El-Dschasira), der seit Ende 2006 mit Al-Jazeera English (AJE) auch ein englischsprachiges Vollprogramm unterhält, aber auch die - zumindest ihrer Intention nach - eher als Instrumente einer nationalstaatlichen public diplomacy anzusehenden Sender France24, Russia Today, CCTV-9 aus China oder Press-TV aus dem Iran, die alle (im Fall von F24: zusätzlich auch) rund um die Uhr auf Englisch senden oder dies in naher Zukunft anstreben.

Auf diese Herausforderungen reagieren CNN International, BBC World/BBC World Service und die Deutsche Welle (DW) im Grundsatz gleich. "Das Schlüsselwort ist Integration", sagt Nick Wrenn, Europa-Chef (managing editor) von CNN International mit Verantwortung auch für Afrika und den Mittleren Osten, "wir haben das vergangene Jahr damit verbracht, dafür zu sorgen, dass unsere Fernsehleute mit den producers` digitaler Inhalte so eng wie möglich zusammenarbeiten". - "Wie viele andere internationale Sender haben auch wir gemerkt, dass man ein Multimedia-Angebot braucht, um ein internationales Publikum zu erreichen", pflichtet Richard Sambrook bei, der als Director of Global News bei der BBC für das weltweite TV-Nachrichtenprogramm verantwortlich ist. Und auch die DW stellt in ihrer Aufgabenplanung bis 2010 "die Umsetzung der Multiplattform-Strategie" in den Mittelpunkt und strebt "je nach Region und Zielgruppe (...) einen optimalen Medien-Mix" an.

In ihrem Umgang mit dem Internet gehen die drei Sender zuweilen identische Wege. Beispielsweise haben alle zuletzt auf dem weltweit populärsten Videoportal YouTube eigene "Kanäle" eingerichtet. CNN ist dort seit Oktober 2005, BBC World News seit Juli 2006, die DW seit September 2007 vertreten. Die Zugriffszahlen sind noch vergleichsweise gering, die Partnerschaft mit YouTube hat aber beispielsweise CNN bei der Übertragung der Debatten der Präsidentschaftsanwärter der Republikanischen und Demokratischen Partei neue Zuschauerrekorde eingebracht. Alle Sender sehen das "bewegte Nachrichtenbild" - ob im Fernsehen oder als Live-Stream oder Video im Internet - als derzeitiges oder zukünftiges Schlüsselformat an, bei leichten Verschiebungen des Akzents. "Es ist noch immer der Kern dessen, was wir tun", sagt Wrenn. "Ja und Nein", meint dagegen Sambrook, "das Radiopublikum des BBC World Service ist immer noch sehr stark. Aber Fernsehen und Video wachsen sehr, sehr schnell, und es ist klar, dass wir in vielen Medienmärkten wie zum Beispiel im Mittleren Osten Fernsehen und Video anbieten müssen, wenn wir unsere Reichweiten und unser Publikum halten wollen, zunehmend auch auf mobilen Geräten wie Telefonen - nicht, weil wir so verrückt nach der neuesten Technik sind, sondern weil das die Menschen in den sich entwickelnden Ländern in zunehmenden Maße erwarten."

Bei der DW, wo man einschränkend darauf hinweist, dass der Rückgang der Kurzwellenhörer regional unterschiedlich ausgeprägt ist, schaut man derweil wie bei CNN andeutungsweise noch weiter nach vorn. "Im Moment ist das Fernsehbild - oder das Fernsehnachrichtenbild - zentral, und das wird die nächsten fünf bis zehn Jahre auch so bleiben", sagt DW-Fernsehdirektor Christoph Lanz, "aber wenn alle Experten Recht haben, und ich schließe mich da an, stehen spätestens in fünf Jahren mit der fortschreitenden Digitalisierung und Medienkonvergenz Veränderungen an, deren Wirkungen allerdings schwer abzuschätzen sind."

CNN International

Insbesondere der kommerzielle Marktführer muss sich vom digitalen Zeitalter und der neuen Konkurrenz herausgefordert sehen. Denn im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern ist CNN International darauf angewiesen, Gewinne zu erwirtschaften. CNN International ist der weltweite Ableger des 1980 von Medienunternehmer Ted Turner für den US-Markt gegründeten Cable News Network. Der in Atlanta im Bundesstaat Georgia beheimatete Sender setzte das Format eines rund um die Uhr sendenden Fernseh-Nachrichtenkanals durch und wirkt, seit er 1985 als CNN International die Grenzen der USA verließ, bis heute weltweit stilbildend.

Dem Sender gelang 1991 der internationale Durchbruch, als er während des ersten Irakkriegs nach dem Einmarsch der Truppen Saddam Husseins in Kuwait den Fernsehreporter Peter Arnett auch während des alliierten Bombardements live aus Bagdad berichten ließ. Derzeit sind rund 4000 Mitarbeiter von CNN weltweit mit Nachrichtenproduktion beschäftigt. Das englischsprachige Programm ist in über zweihundert Millionen Haushalten und Hotels in mehr als zweihundert Ländern zu empfangen. Nimmt man alle Angebote zusammen - CNN International unterhält acht Dienste in fünf Sprachen -, erreicht die "Marke CNN" nach Senderangaben weltweit rund zwei Milliarden Menschen.

Auf die Herausforderungen des digitalen Zeitalters hat CNN International mit Expansion geantwortet. Die Wachstumsraten lagen nach Senderangaben zuletzt stets im zweistelligen Bereich. Zu den wichtigsten Entwicklungen gehört, dass CNN International im Herbst 2007 eine langjährige Zusammenarbeit mit der Nachrichtenagentur Reuters auslaufen ließ und stattdessen "den größten Ausbau in der internationalen Nachrichtenbeschaffung" in der 27-jährigen CNN-Geschichte in Gang setzte. Mit "mehreren Millionen" US-Dollar schweren Investitionen baut CNN International derzeit unter anderem ein neues Regionalzentrum in den Vereinigten Arabischen Emiraten und eine neue digitale Produktionseinheit in London auf und wird wohl auch die Zahl seiner derzeit 29 internationalen Büros steigern. Auf- oder ausgebaut werden sollen insbesondere Vertretungen in Südostasien (Jakarta, Bangkok, Peking und Hongkong), Indien und Afrika, aber auch in europäischen Ländern wie der Türkei, Belgien und Polen. Dahinter steckt das Ziel, über die Verbreitung von Bildern und anderen Inhalten auf allen Plattformen selbst bestimmen zu können - was mit von Reuters bereitgestelltem Material zwar im Fernsehen, aber nicht im Internet möglich war. "Wir wollen keine Nachrichtenagentur werden", sagt Nick Wrenn, der den Sender vom brandneuen "Turner House" nahe Londons Oxford Street aus mitlenkt, "aber ich möchte den CNN-Stempel auf so viele Storys wie möglich drücken."

Gleichzeitig setzt der Sender auf den raschen Ausbau seiner Onlinepräsenzen. In Atlanta und London arbeitet eine "Video-Fabrik", die dafür sorgt, dass so viele Fernsehbeiträge und Sendungen wie möglich für den Onlinegebrauch zur Verfügung stehen. Im Juli 2007 wurde die internationale CNN-Website in Konsultation mit Bloggern und den eigenen Nutzern neu gestaltet, die Zahl der User wächst laut Senderangaben seitdem ansehnlich: 28 Millionen nutzen derzeit die Website durchschnittlich im Monat. Schon im April überholte CNN International seine Angebote für Mobiltelefone - "mit viel versprechenden Resultaten", so Wrenn, der auf den Wachstumsmarkt Afrika hinweist, wo nur wenige Zugang zu Breitband-Internet haben, aber die Zahl der Handybenutzer stark steigt. Gleichzeitig sucht CNN International weitere Onlinedistribution durch Kooperationen, beispielsweise mit Internetanbietern oder Zeitungswebsites. "In der Vergangenheit haben wir unseren Journalismus nicht ausreichend genug online verbreitet", sagt Wrenn, "unsere Fernsehnachrichten kommen weiterhin zuerst: Wir berichten die Ereignisse, wenn sie passieren, und erklären ihre Bedeutung einem internationalen Publikum." Aber erst die Verbindung von Fernsehen oder Video mit der schnell wachsenden Onlinereichweite von CNN International ermögliche es dem Sender, dass "wir unsere Inhalte gebührend vorzeigen können". Internetangebote seien nicht länger ein Zusatz, sondern integraler Bestandteil.

Gleichzeitig verändere sich die Arbeitsweise: "Unsere Korrespondenten denken neben ihren TV-Reportagen darüber nach, was sie noch zusätzlich liefern können. Von guten Interviews laufen oft nur zwei Minuten auf dem Bildschirm - auf der Website kann man dann eine längere Fassung zeigen. Onlinezuschauer wollen ohnehin oft mehr Informationen darüber, wie wir an die Nachrichten gekommen sind, was sich hinter den Kulissen abspielt." Darüber hinaus bänden Unterhaltungs- oder Lifestyle-Shows über die Website ein Nischenpublikum an sich, das oft "sehr leidenschaftlich" sei, und das dann wiederum auch bei breaking news CNN International einschalte.

Zuschauerbeteiligung in allen Formen werde immer bedeutender, so Wrenn: "Ich hasse den Begriff vom Bürgerjournalisten, aber ich kann dem Konzept nur Gutes abgewinnen." Unter der Rubrik "I-Report" gibt CNN International die Möglichkeit zur Übermittlung von eigenen Berichten oder Bildern und unterhält Blogs mit Kommentarfunktionen. "Für mich ist I-Report` nicht nur ein Weg, an Material zu kommen, sondern die Möglichkeit zum Dialog. Ich möchte nicht, dass CNN als Organisation wahrgenommen wird, die einfach nur sendet, die nur Nachrichten pusht", sagt Wrenn. Mit der Expansion reagiere CNN International nicht auf die zunehmende Konkurrenz anderer internationaler Sender, sondern eher auf die rasanten Veränderungen der Medienlandschaft. "Hätte man vor ein paar Jahren bei einer Etatbesprechung gesagt, bald würden mehr Angestellte im Onlinebereich arbeiten als in allen anderen, wäre man vermutlich aus dem Raum geführt und in eine Zwangsjacke gesteckt worden", sagt Wrenn, "aber die Zeiten haben sich geändert, allen ist die Kraft der digitalen Medien klar, selbst wenn wir in manchen Bereichen noch experimentieren." Fernsehnachrichten werde es noch geraume Zeit geben: "Fernsehen baut eine spezielle Verbindung mit dem Zuschauer auf. Aber wir müssen über Alternativen nachdenken. Für viele junge Leute ist Fernsehen kein Medium mehr, und war es vielleicht nie."

BBC World/BBC World Service

Die Abrissbirne waltet derzeit in unmittelbarer Nachbarschaft des BBC World Service. Das prächtige Bush House im Art-deco-Stil nahe von The Strand, eingerahmt von den an Weltreichzeiten erinnernden India House und Australia House, dient seit 1940 dem World Service als Sitz. Es umweht bis heute eine spezielle Aura. Der Bau wird stehen bleiben, aber die BBC nimmt Schritt für Schritt Abschied. Der neu strukturierte arabischsprachige Dienst, der mit Verspätung im Frühjahr 2008 als BBC Arabic mit einem zunächst 12-, ab Herbst 24-stündigen TV-Nachrichtenprogramm auf Sendung gehen und gleichzeitig Radio- und Internetdienste vollständig integrieren soll, ist bereits in einen modernistischen Erweiterungsbau am alten BBC Broadcasting House im Stadtteil Marylebone umgezogen.

Die Veränderungen sind sinnbildlich. Der öffentlich-rechtliche Weltsender macht seit ein paar Jahren eine sprunghafte Transformation durch und setzte vor knapp drei Jahren mit der "2010-Strategie" harte Schnitte an. Für den Aufbau von BBC Arabic und einem weiteren, persischen Kanal - BBC Farsi soll ebenfalls im Laufe von 2008 auf Sendung gehen - schloss der BBC World Service Ende 2005 abrupt zehn Sprachdienste - neben ost- und südeuropäischen Sprachen auch Kasachisch und Thailändisch. Seitdem sendet der World Service nur noch in 32 Sprachen, neben dem weltweit und zudem in 151 Metropolen auf FM-Frequenz zu empfangenden englischsprachigen Radioprogramm.

Für die Neugründungen erhielt der BBC World Service im Oktober 2007 vom Schatzkanzler eine Zuwendung von 70 Millionen Pfund (rund 93 Millionen Euro) bis 2011 - zusätzlich zum vom Außenministerium finanzierten Etat von zuletzt 239 Millionen Pfund (rund 320 Millionen Euro), von denen 15 Millionen pro Jahr allein für BBC Farsi mit anfänglich mindestens acht Stunden Fernsehprogramm entfallen sollen. Daneben setzt die BBC international auf Kommerzialisierung. Das TV-Nachrichtenprogramm der BBC, das nach dem Erfolg von CNN 1991 als BBC World Service Television auf Sendung ging und seit 1995 unter BBC World firmiert, war von Anfang an werbefinanziert. Seit Ende 2007 gilt dies nun auch für die globale BBC-Website (bbc.com).

Der bisherige Erfolg gibt der BBC, die im World Service 1740 Angestellte beschäftigt, Recht - das erreichte Publikum war zuletzt so groß wie nie. Die Zuschauerzahlen der in der BBC Global News Division zusammengefassten Dienste kletterten 2006/07 im Vergleich zum Vorjahr um 23 Millionen auf insgesamt 233 Millionen wöchentlich, mit 183 Millionen Radiohörern und 76 Millionen Fernsehzuschauern. Die Zahl der Internetnutzer lag im März 2007 bei 38,5 Millionen unique users gegenüber 32,8 im März 2006, bei 763 Millionen Klicks (page impressions) gegenüber 546 Millionen im Vorjahresmonat.

"Wir konzentrieren uns auf unsere traditionellen Stärken", sagt Richard Sambrook, Director of Global News, "wir stellen nicht britische Politik dar oder werfen einen britischen Blick auf das internationale Geschehen, sondern berichten die Welt für die Welt. Wir sind die globale, unparteiische Stimme und bieten hochklassigen Journalismus." Rückgrat ist eines der weltweit besten Korrespondentennetze: Die BBC hat Büros in über hundert Ländern und berichtet aus über zweihundert. Die Kommerzialisierung der internationalen TV- und neuerdings auch der Onlineangebote werde den Ruf der BBC als weltweit vertrauenswürdigste Nachrichtenquelle nicht beeinträchtigen, ist sich Sambrook sicher: "Dass wir nun Werbeplätze verkaufen heißt nicht, dass wir unsere Werte oder Standards ändern: Es ist weiter öffentlich-rechtlicher Journalismus, nur auf einer kommerziellen Plattform."

Die lange Radiotradition der BBC untermauere zwar die weltweite Reputation, aber der World Service könne nicht allein von seiner großen Vergangenheit zehren, meint Sambrook: "Die Medienmärkte rund um die Welt bewegen sich sehr schnell, ebenso das Publikum, das immer mehr auf Nachrichten auf dem Computer oder dem Mobiltelefon zugreifen will. Also müssen wir unsere Dienste immer weiter integrieren, um unsere Inhalte zu den Zuschauern zu transportieren, auf den Wegen, auf denen sie sie empfangen wollen. Es ist ein sehr schnelllebiger, hart umkämpfter Markt, und man muss mit ihm gehen."

Die digitale Umwälzung der Medienlandschaft stellt für die Auslandsdienste der BBC eher Chancen dar, meint Sambrook, der die künftige Finanzierung für gesichert hält, die Schließung von weiteren Sprachdiensten aber auch nicht kategorisch ausschließen will. Beispielsweise profitiere die Sendung "World, Have Your Say", in der globale Themen diskutiert werden, stark von den Möglichkeiten des Internets. Auch die BBC experimentiert: Vergangenen Sommer schickte sie ein BBC-World-Service-Boot durch Bangladesch, das an verschiedenen Orten anlegte und Diskussionen veranstaltete, die im Internet begleitet wurden. Beispielsweise stellten die das Boot begleitenden Fotoreporter ihre Bilder in das populäre "Flickr"-Portal ein. "Durch das Internet verändert sich unsere Rolle", gibt Sambrook zu bedenken. Die Hörer und Zuschauer seien nicht länger passiv, sie wollten partizipieren und ihre Meinungen einfließen lassen. "Die Nachrichten gehören' uns nicht länger - fast jeder kann heute Teil der Medienlandschaft sein. Aber wir haben dort weiterhin eine starke Rolle zu spielen - unser Können, unsere Professionalität, Expertise und redaktionelle Fähigkeiten einzubringen, das wird auch künftig von uns erwartet."

Laut Sambrook bestehe weder die Gefahr einer uniformen Bilderwelt mit sich immer ähnlicher werdenden Informationskanälen ("Wir waren zuerst da, deshalb ist Teil meiner Antwort, dass es das Problem der anderen ist, sich zu differenzieren") noch die einer Bild- und Informationsüberflutung im Cyberspace. Letztere sollte internationalen Sendern ein Ansporn sein: "Das ist die Herausforderung für uns - Bilder und Berichte zu produzieren, die die Leute sehen wollen. Wir müssen hart arbeiten, um relevant zu bleiben. Die Technik ändert sich schneller als zu jeder anderen Phase, die ich miterlebt habe. Wir müssen so flexibel, offen und reaktionsbereit sein, wie wir können, und gleichzeitig unseren Werten und Auftrag treu bleiben." Und überdies sei die gute Nachricht, so Sambrook, dass "das internationale Publikum wächst, während das nationale schrumpft".

Deutsche Welle

Während die kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Marktführer im internationalen Informations- und Nachrichtengeschäft expandieren und sich rasch wandeln, ist die Deutsche Welle (DW) in den vergangenen Jahren vor allem eines gewesen: Opfer von Sparzwängen. Der Etat des 1953 gegründeten deutschen Auslandssenders, der mit Bonn, wo das Radio (DW-Radio) und die Onlinedienste (DW-World.de) beheimatet sind, und Berlin, wo das Fernsehen (DW-TV) residiert, zwei Sitze hat, wurde zwischen 1998 und 2005 von 321 auf 271 Millionen Euro heruntergefahren. Auf diesem Niveau soll er bis 2010 stagnieren. Die Zahl der Planstellen sank im selben Zeitraum von 1732 auf 1200. Bezeichnenderweise heißt es bei der Aufgabenplanung der DW zum Thema "Positionierung bis 2010" eher ernüchternd: "Orientierung am Machbaren".

Der Vergleich der DW mit CNN International und BBC World/BBC World Service hinkt. Die DW, die Radio- und Onlinedienste in 30 Sprachen betreibt und derzeit ein Deutsch und Englisch alternierendes, 24-stündiges Fernsehprogramm mit einem achtstündigen arabischsprachigen Fenster anbietet, sieht sich explizit nicht im Geschäft derbreaking news. Dafür fehlt ihr schon einweltumspannendes Korrespondentennetz. Allerdings hat die DW mit rund 100 Millionen Zuhörern und 210 Millionen Zuschauern im Fernsehbereich ein ebenso großes Publikum wie ihr US-Pendant Voice of America (VOA), wenn auch nur einen Bruchteil dessen Etats. "Der Vergleich zwischen CNN International, BBC World und der DW ist wie zwischen einer Chevrolet Corvette - die für den etwas prolligen Kommerz steht -, einem Bentley - mit dem Nimbus des Legendären - und einem Golf GTI. Letzterer ist übrigens ein sehr gutes Auto", sagt DW-Fernsehdirektor Christoph Lanz, dessen Büro im früheren AEG-Werk im Bezirk Wedding, wo DW-TV seit 1992 seinen Sitz hat, einen grandiosen Blick auf Berlins Mitte bietet.

Gleichzeitig ist der (gesetzliche festgeschriebene) Auftrag der DW beschränkt. Sie berichtet in erster Linie über Deutschland und Europa, informiert aber auch über die Zielgebiete selbst, insbesondere dann, wenn es sich um "unfreie" Medienmärkte oder Krisenregionen handelt, um mitzuhelfen, Informationsdefizite auszugleichen. Die Angebote richten sich vor allem an "ausländische Multiplikatoren und Infoeliten", während die "Auslandsdeutschen" oder die deutschen Touristen als Zielgruppe an Bedeutung verlieren. "Ein Problem der DW war bislang der Spagat zwischen den zwei Zielgruppen - den Ausländern mit Interesse an Deutschland und Europa, und den 'Germans abroad'. Letztere wurden von der Politik oft noch als das wichtigere Publikum angesehen und es als notwendig betrachtet, dass - salopp gesagt - die 'Sendung mit der Maus' auch in Südamerika zu sehen war", sagt Lanz. "Der Strategiewechsel, die Zuwendung primär auf ein nicht-deutsches Publikum, ist richtig und überfällig. Wir müssen die Zielgruppe Ausländer stärker ansprechen, sie über Deutschland informieren und über unsere Sicht der Dinge."

Im Zuge der "Multiplattform-Strategie" hat die DW begonnen, die bislang relativ eigenständig arbeitenden Bereiche Fernsehen, Radio und Internet umzustrukturieren. Der Prozess beschränkt sich allerdings bislang auf DW-Radio und DW-World.de in Bonn. Ziel sei eine "intensivere Programmerfahrung und ein hochwertigeres Produkt". Damit geht die DW anderen öffentlich-rechtlichen Sendern voran, was sie - in Deutschland oft unbemerkt - in der Vergangenheit schon häufig tat. 1994 ging die DW mit dem ersten Onlineangebot ins Web, bot als erste Audio- und Video-Podcasts sowie Live-Streaming an und setzte noch vor der "Tagesschau" Handy-TV um. Gerade im Mobilbereich, in dem sie Angebote in allen 30 Sprachen bereithält, verzeichnete die DW nach eigenen Angaben zuletzt deutliche Anstiege der Abrufzahlen, die über einer Million pro Monat liegen.

Der Sparkurs machte es der DW aber oft schwer, die Vorteile des early adopting in Kombination mit den sich im internationalen Medienmarkt bietenden Möglichkeiten auch zu nutzen. Gezwungenermaßen konzentriert sich die DW derzeit auf Europa östlich der EU-Grenzen einschließlich Russlands und Zentralasiens, auf den arabischen Sprachraum und Iran sowie Asien. "Im Arabischen waren wir die Ersten", sagt Lanz, "aber wir haben in der Vergangenheit manche Chancen ausgelassen - man denke an die Erwartungen in der arabischen Welt an Deutschland und die Möglichkeiten dort für mehr arabischsprachige Programme. Ich denke auch an Afghanistan, wo wir als Deutsche sehr willkommen waren und wo uns immer noch viel Sympathie entgegengebracht wird." Ein 24-stündiger, englischsprachiger Nachrichtenkanal nach dem Vorbild von France24 ist weiterhin nicht geplant, und das Fernsehprogramm soll vor allem als "Schaufenster" für das Gesamtangebot der DW dienen. Statt den breaking news "hinterherzuhecheln", heißt es bei der DW-Marketing- und Strategieplanung in Bonn, setze die DW mit Mitarbeitern aus 60 Nationen auf ihre "Spezialität": "Wir können für nahezu jedes Ereignis die entsprechenden Hintergründe und Analysen liefern, und das ohne jegliche kommerzielle Zwänge."

Den vergleichsweise geringen Umfang des Fernsehangebots erklärt Lanz aber auch mit deutschen Befindlichkeiten. Es spiegelt die Stimmungslage in Deutschland wider: Man ist sich noch nicht sicher oder bewusst, wer man ist in der Welt, und welche Art von internationaler Verantwortung man wirklich bereit ist zu übernehmen. Hätten Politik und Wirtschaft in Deutschland davon klarere Vorstellungen und mehr Selbstbewusstsein, dann hätten wir längst einen rund um die Uhr sendenden deutschsprachigen und einen rund um die Uhr sendenden englischsprachigen DW-TV-Kanal, und seit mindestens drei Jahren ein zumindest zwölfstündiges arabischsprachiges TV-Programm."

Gleichzeitig warnt Lanz davor, die Dimensionen aus den Augen zu verlieren: "Alle diese internationalen Sender sind Nischenprogramme. BBC World hat in Berlin eine analoge TV-Frequenz. Der Marktanteil ist so gering, dass er nicht messbar ist. CNN International hat normalerweise in Deutschland eine Einschaltquote von 0,1 bis 0,2 Prozent, bei Kriegen oder Krisen etwa 1,1 Prozent - und das als 'Mutter aller Quellen'. DW-TV ist auch ein Nischensender mit im Normalfall Marktanteilen von um die ein Prozent. In den Spitzen erreichen wir auch bessere Werte wie beispielsweise in Marokko mit 2,1 Prozent Marktanteil und in Peru, Argentinien oder Chile mit je um die drei Prozent."

Für eher reflexiv-analytischen Journalismus und generell für deutsche Medieninhalte gebe es nach Ansicht des Senders durchaus internationale Märkte, aber aufgrund der Etatlage keine Möglichkeit zum Ausbau des Angebots. Obwohl von Bundesregierung und Bundestag gut geheißen, sind beispielsweise für Neuerungen wie ein russisches und chinesisches Fenster im DW-TV keine Mittel vorhanden. Hinzu kommen im internationalen Vergleich strukturelle Nachteile: Im Unterschied beispielsweise zur BBC hat die DW erst seit kurzem durch ein neues Kooperationsabkommen einen kostengünstigeren Zugriff auf Fernsehinhalte von ARD und ZDF.

Die Entwicklung neuer Medien beobachtet die DW nach eigenen Angaben sehr genau und engagiert sich auch, beispielsweise durch die seit 2004 veranstalteten "Best of the Blogs"-Awards (BOBs) für Qualitätsangebote im Internet, ist aber in ihrer Öffnung ihnen gegenüber weit zurückhaltender als die Konkurrenten. So unterhält die DW - im Gegensatz zu CNN International und der BBC - bislang keine Blogs. Die Feedbackmöglichkeiten, die nach Senderangaben wie andere interaktive Elemente immer stärker genutzt werden, sind nicht einzelnen Beiträgen zugeordnet. "Die DW wird sich auch in der Zukunft vor allem über ihre programmliche Qualität definieren. In Verbindung mit unserem spezifischen deutschen Blick auf die Welt haben wir als Komplementär mit den anderen nationalen Angeboten durchaus eine gute Chance, wahrgenommen zu werden", sagt Lanz. Allerdings herrschen senderintern große Sorgen, ob sich die "Marke DW" auch zukünftig auf den internationalen Medienmärkten werde behaupten können. Die DW verfügt über keinen nennenswerten Marketingetat. Ohne eine deutliche Steigerung der Ausgaben, die sich im Moment auf homöopathischem Niveau bewegten, sei die Bekanntheit der DW kaum zu halten, geschweige denn zu steigern.

Per Anhalter in die Internet-Galaxie

Mit dem Anbruch des digitalen Zeitalters steht dem internationalen Rundfunk ein fundamentaler, in manchem sogar revolutionärer Wandel bevor. Während internationale Nachrichten- und Informationssender in ihrer langen (BBC, DW) oder eher kurzen (CNN) Vor-Internet-Geschichte konkurrierende, aber weitgehend eigenständige Akteure im Äther und in den Kabelnetzen waren, zwingt ihnen das World Wide Web in verschiedenen Formen neue, ungleich kooperativere Modelle auf - sowohl in Bezug auf ihre Verbreitung als auch in Bezug auf ihren Journalismus. Sie sind bereits jetzt in mancher Hinsicht per Anhalter in der Internet-Galaxie unterwegs - ein Trend, der eher noch zunehmen wird.

Die neuen Rahmenbedingungen des sich rasch entwickelnden digitalen Zeitalters fordern den Sendern sowohl ein hohes Maß an Qualität und Originalität bei der Besinnung auf die Kernkompetenzen als auch höchste Wandel- und Anpassungsfähigkeit ab. Während der von CNN International und BBC World/BBC World Service praktizierte offensive und expansive Umgang mit dem Medium Internet viele Fragen offen lässt - die problematischste ist für die BBC zweifelsohne die der fortschreitenden Kommerzialisierung -, scheint das in manchem zurückhaltende und vor allem an permanenter Unterfinanzierung leidende Handeln der DW ein gefährlicher Pfad, will man in Deutschland produzierten, internationalen Rundfunk auch im 21. Jahrhundert erhalten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die direkten Zitate entstammen, wenn nicht anders angegeben, Interviews des Autors.

    Zit. nach Global Voice. Britain's Future in International Broadcasting, London 2007, S. 7.

  2. Vgl. Henning Hoff, Rule Online, Britannia?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5.10. 2007.

  3. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy stellte am 8. Januar 2008 die Zukunft des englisch- und arabischsprachigen Programm des erst am 6. Dezember 2006 gegründeten France24 in Frage. Während die Fusion von F24 mit dem französischen Auslandsradio Radio France Internationale (RFI) wohl beschlossene Sache ist, steht eine Entscheidung über die Zukunft der fremdsprachigen F24-Sender offenbar noch aus. Vgl. Doreen Carvajal, French for the world from France's media, in: International Herald Tribune (IHT) vom 14.1. 2008.

  4. Deutsche Welle, Aufgabenplanung 2007 - 2010. 1. Fortschreibung (21.9. 2007), Bonn-Berlin 2007, S. 1. "Inhalte werden so produziert, dass sie nicht nur für die Verbreitung im traditionellen Radio und TV[,] sondern auch über andere Kanäle - wie das Internet oder mobile Endgeräte - geeignet sind." Die DW setzt dabei auf das "POPE-Prinzip (produce once, publish everywhere`)". (Ebd., S. 2 u. 4).

  5. Am Stichtag 28. Januar 2008 zählte CNN International auf YouTube 249 Abonnenten und 19 997 channel views, BBC World News 5678 Abonnenten und 291 323 views, die DW (als DW English) 176 Abonnenten und 7050 views. Zum Vergleich: Das seit November 2006 auf YouTube vertretene Al-Jazeera English hatte zum selben Stichtag 15 154 Abonnenten und 896 107 views. Die DW und seit Anfang 2008 auch die BBC sind zudem auf der social networking-Website MySpace vertreten.

  6. Vgl. Democratic debate heat draws cable TV viewers, in: IHT vom 23.1. 2008.

  7. Vgl. CNN announces Major Investment in International Newsgathering, Pressemitteilung von CNN International, London vom 14.11. 2007.

  8. Wegen der Geschäftsrelevanz solcher Daten macht CNN International keine genaueren Angaben.

  9. In Großbritannien sind alle Programme der gebührenfinanzierten BBC werbefrei.

  10. Die Zahlen erklären sich mit überlappender Mediennutzung.

  11. Vgl. BBC's global news audiences reach record 233m, BBC World Service Press Release vom 21.5. 2007.

  12. Unter Verweis auf die auf europabezogene Studie European Media & Marketing Survey (EMS) bezeichnet sich CNN International als "führende Nachrichtenmarke". Die Umfrage konzentrierte sich auf die europäischen "Top 3 Prozent" oder global citizens. Vgl. CNN International ist die führende Nachrichtenmarke im digitalen Zeitalter, Pressemitteilung von CNN International, London, vom 19.6. 2007. BBC World/BBC World Service verweist gern auf den früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan, der den World Service "Großbritanniens Geschenk an die Welt" nannte.

  13. Vgl. DW (Anm. 4), S. 45.

  14. Vgl., ebd., S. 48.

  15. Ebd., S. 34.

  16. Laut DW-Medienforschung von 2005 sahen 28,5 Millionen Zuschauer wöchentlich Programme von DW-TV.

  17. VOA verfügt allein für Hörfunk- und Onlineaktivitäten mit zuletzt 672 Million US-Dollar (etwa 460 Millionen Euro) über einen mehr als doppelt so großen Etat.

  18. In Lateinamerika und Afrika muss sich die DW derzeit auf das Halten des Status quo beschränken.

  19. Vgl. DW (Anm. 4), S. 7.

  20. Vorher bestand die bemerkenswerte Situation, dass die DW für die Übernahme von Inhalten der ebenfalls öffentlich-rechtlich finanzierten Sender enorme Gebühren bezahlen musste. Allerdings ist die neue Kooperation mit ARD und ZDF für die DW mit neuem Verwaltungsaufwand (und entsprechenden Kosten) verbunden, und sie erhält die Sendungen oft erst am Ende der "Verwertungskette" der jeweiligen Rundfunkanstalten.

  21. Beim BBC World Service ist eine deutliche Steigerung der Marketingausgaben Teil der "2010-Strategie".

Dr. phil., geb. 1970; Zeithistoriker und Journalist; internationaler Korrespondent, 34 Highsett, Cambridge CB2 1NY, England/UK.
E-Mail: E-Mail Link: henning.hoff@foreignmedia.co.uk