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Internationale Finanzpolitik Editorial Stabilität des internationalen Finanzsystems Der IWF auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit? Weltweite Ansteckung: berechtigte Sorge oder grundlose Panik? Leistungsbilanzdefizit der USA Das chinesische Wechselkurssystem Finanzmärkte als Entwicklungshemmnis

Finanzmärkte als Entwicklungshemmnis

Peter Wahl

/ 14 Minuten zu lesen

Obwohl die Finanzströme in die Entwicklungsländer stark zunehmen und eine Entspannung der Schuldenkrise zu verzeichnen ist, sind die Finanzbeziehungen zwischen Nord und Süd in ihrer gegenwärtigen Form problematisch. Eine wirkliche Entwicklung der Schwellenländer setzt eine viel stärkere politische Regulierung der Finanzmärkte voraus.

Einleitung

Ein Paradies für Anleger: An der Johannesburger Börse betrug die Eigenkapitalrendite für international notierte Titel im Jahr 2005 43 Prozent. Lukrative Finanzmarktgeschäfte sind heute nicht länger auf die großen Finanzplätze in den Industrieländen beschränkt. Selbst Afrika partizipiert: "Das Interesse der Investoren an der 'new frontier' Subsahara Afrika wuchs 2006 bedeutend, wenn auch von einem sehr niedrigen Niveau aus." Daher verwundert es nicht, wenn sich die privaten Kapitalflüsse in den Süden seit 2001 mehr als versechsfacht haben. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass es nach wie vor eine starke Konzentration auf die Emerging Markets (aufstrebende Märkte der Schwellenländer), und hier wiederum auf Asien gibt.



Den Zuflüssen von 1,1 Billionen US-Dollar (USD) stehen Abflüsse von 890 Mrd. USD gegenüber, sodass 2006 ein Nettokapitalfluss in die Entwicklungsländer von 220 Mrd. USD bleibt. Gegenüber 72,1 Mrd. USD im Jahr 2000 ist auch das immerhin noch eine Verdreifachung.

Finanzflüsse und Verteilung

Allerdings sagt die Leistung der Johannesburger Börse nichts über die Verteilungswirkung - und damit über die Effekte auf die Armutsbekämpfung aus. Das South African Institute for Race Relations kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Armen in Südafrika 2005 mit 4,2 Millionen doppelt so hoch war wie 1996. Offenbar gehen die Profite der Finanzmärkte an weiten Teilen der Bevölkerung völlig vorbei.

Zu den Gewinnern gehören dagegen die südafrikanischen High Net Worth Individuals (HNWIs). So heißen im Finanzjargon Personen, deren Netto-Kapitalvermögen sich auf eine Million USD aufwärts beläuft. Das weltweit höchste Wachstum an HNWIs hat Afrika. 2005 betrug es 11,7 %, 2006 sogar 12,5 %. Neben dem Rohstoffboom ist es vor allem die zunehmende Nutzung der internationalen Finanzmärkte, welche die rasante Steigerung ermöglicht. So wuchs im Jahr 2006 das Kapitalvermögen der afrikanischen HNWIs um 100 Mrd. USD. Zum Vergleich: Im selben Jahr betrug die gesamte Entwicklungshilfe für die Region 43,4 Mrd. USD, also nicht einmal die Hälfte des Vermögenszuwachses der HNWIs. Gleichzeitig nimmt der Anteil der Armen ständig zu. Die Weltbank prognostiziert, dass "2030 mehr als drei Viertel der Bevölkerung von Subsahara-Afrika zu den Ärmsten der Welt gehören werden." 1990 waren es 47,7 %.

Insofern kann aus erhöhten Zuflüssen in Entwicklungsländer nicht automatisch auf positive entwicklungspolitische Effekte geschlossen werden. Das gilt auch für die Bewertung von Direktinvestitionen. Auch sie sind deutlich angestiegen, etwa um das Doppelte. In der Regel sind Direktinvestitionen entwicklungspolitisch nützlicher als reine Finanzmarktgeschäfte, allerdings nur unter bestimmten Umständen. So stellt sich immer die Frage nach der Beschäftigungswirkung, und zwar nicht nur quantitativ, sondern auch hinsichtlich der Qualität der Arbeitsplätze. Weiterhin sind wichtig: Wissenstransfer, die Einbeziehung von lokalen Zulieferern und die Höhe des Gewinntransfers ins Ausland. Hinzu kommen ökologische Aspekte. Sind niedrige Umweltstandards ein Motiv für Investitonen, so kann das ruinöse Folgen haben. Gleiches gilt für soziale und menschenrechtliche Mindeststandards.

Während die privaten Kapitalflüsse und Direktinvestitionen in die Entwicklungsländer stark zunehmen, hat die Schuldenkrise, die jahrelang die Finanzbeziehungen zwischen Nord und Süd beherrschte, an Brisanz verloren. Sie hatte nach 1982 für ein Jahrzehnt zu einem Netto-Kapitalabfluss aus dem Süden geführt - im übertragenen Sinne war dies eine Bluttransfusion vom Kranken zum Gesunden. Dank hohen Wachstums, hinter dem vor allem die Nachfrage von Wachstumslokomotiven wie China steckt, konnte eine Reihe von Ländern ihre Schulden an die öffentlichen Gläubiger teilweise oder ganz tilgen - in den Fällen von Algerien, Brasilien, Peru und Russland sogar vor Ablauf der Frist.

Auch bei der Gruppe der armen, hochverschuldeten Länder (Highly Indebted Poor Countries - HIPCs) hat es durch die so genannte HIPC-Initiative eine gewisse Erleichterung gegeben. Zwar wurden von dem in Aussicht gestellten Schuldenerlass über 70 Mrd. USD nur 41,3 Mrd. bereitgestellt. Dennoch ist die Schuldendienstquote der HIPCs deutlich gesunken - von 330 % auf 120 %. Allerdings ist die Lage dieser Länder nach wie vor prekär. So ist absehbar, dass sie eines ihrer Millennium-Entwicklungsziele, nämlich die Halbierung der Armut bis 2015, verfehlen werden.

Die Zunahme von Ressourcenflüssen in die Entwicklungsländer und die gleichzeitige Entspannung der Schuldenkrise bedeuten jedoch keineswegs, dass die Finanzbeziehungen zwischen Nord und Süd nun in ruhigen Bahnen verliefen. So haben die systemischen Veränderungen der vergangenen Jahre Strukturen entstehen lassen, welche die Stabilitätsrisiken erhöht und die verteilungspolitischen Asymmetrien verschärft haben. Dabei spielen nicht nur Krisen eine Rolle. Auch ohne sie sind die Komplexität und Undurchsichtigkeit des Systems und die alltägliche Schwankungsintensität kaum mehr beherrschbar. Selbst Aufsichtsbehörden und die Rating Agenturen haben bei der jüngsten Hypothekenkrise auf dem US-Immobilienmarkt versagt. Neuartige Akteure und Instrumente wie Hedge-Fonds und Derivate, die Volatilität der Wechselkurse, die Kurzfristlogik der Finanzmärkte, das halbseidene Milieu der Offshorezentren, all das macht die Finanzmärkte zu einem Minenfeld für alle, die auf ein stabiles Umfeld, Berechenbarkeit und Nachhaltigkeit von Wirtschaften angewiesen sind, darunter zuvorderst die verwundbaren Ökonomien der Entwicklungsländer.

Finanzkrisen

Die Häufigkeit und die Schärfe von Finanzkrisen haben deutlich zugenommen. Große Krisen trafen Mexiko 1994, Ostasien 1997, Russland 1998, Brasilien 1999, die Türkei 2000 und Argentinien 2001/2002. Nicht nur die betroffenen Länder können um Jahre zurückgeworfen werden: Infolge der ökonomischen Verflechtung ist die "Ansteckungsgefahr" inzwischen extrem groß. So war beispielsweise während der Krise in Thailand der Einbruch in Laos noch weitaus größer. Das Land wickelt über 80 Prozent seines Außenhandels mit Thailand ab.

Hauptbetroffene sind Lohnabhängige und die Armen. Aber eine Krise führt nicht nur zu inneren Verwerfungen. Wenn, wie in der Asienkrise 1997, die thailändische Währung um 40 % und die indonesische sogar um 60 % an Wert verlieren, bedeutet dies auch, dass der Wertverlust dieser Volkswirtschaften auf den Weltmärkten schlagartig 40 % bzw. 60 % beträgt. Die Einkünfte aus dem Export brechen weg, während sich die Importe entsprechend verteuern. Es wird geschätzt, dass die Finanz- und Bankenkrisen der letzten 25 Jahre das Einkommen der Entwicklungsländer um etwa ein Viertel verringert haben. Bei der Asienkrise wird der entgangene Output in den fünf Folgejahren auf 900 Mrd. USD geschätzt.

Bisher waren Schwellenländer Schauplatz der großen Finanzkrisen. Die (derzeitige) US-Hypothekenkrise zeigt jedoch, dass selbst das Zentrum des globalen Finanzsystems mit den neuen Problemen nicht ohne weiteres fertig wird. Der Ansteckungseffekt reichte u.a. bis zur Sächsischen Landesbank. Banken in den Entwicklungsländern sind bisher allerdings nicht betroffen. Dennoch wird sich die Krise auch auf den Süden auswirken:

  • Das globale Wachstum wird schon jetzt um mindestens ein halbes Prozent sinken. Damit geht auch die Nachfrage aus den Industrieländern zurück.

  • Die Kapitalbeschaffungskosten steigen, mit entsprechenden Konsequenzen für Investitionen und Beschäftigung.

  • Sollte die Krise zum Auslöser einer Rezession in den USA werden, wird dies alle Länder treffen, die eng mit der US-Ökonomie verflochten sind.

    Die Leidtragenden werden voraussichtlich (wieder) die "kleinen Leute" sein, von denen in den USA viele ihr mühsam erworbenes Eigenheim verloren haben.

    Offshorezentren



    Ein entwicklungspolitisch besonders problematisches Element im internationalen Finanzsystem sind Steuerparadiese wie Offshorezentren (OFCs), die das Kapital aus den Entwicklungsländern ziehen. OFCs sind von Aufsicht und Regulierung weitgehend frei. Anders als der Name es suggeriert, liegen sie nicht unbedingt auf hoher See. Das größte Offshorezentrum ist zum Beispiel die Londoner City. "Offshore" heißt nicht mehr, als dass dort keine, oder nur sehr geringfügige Formen der Finanzaufsicht existieren oder keine oder wenig Steuern erhoben werden.

    Höchste Diskretion und das Bankgeheimnis machen sie zu idealen Orten für Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Verlässliche Zahlen gibt es nicht. Dabei sind es nicht nur die Mafia oder terroristische Netzwerke, die sich der OFCs bedienen, sondern auch transnationale Unternehmen, Banken und andere institutionelle Anleger.

    Die Kapital- und Steuerflucht von Unternehmen, Wohlhabenden und korrupten Eliten führt zu einem permanenten Abfluss von Ressourcen. Etwa 50 % aller Barvermögen und Wertpapiere aus Lateinamerika sind in OFCs angelegt. Im Nahen Osten sind es sogar 70 %. Die Verluste der Entwicklungsländer durch Offshoreanlagen werden auf 500 Mrd. USD jährlich geschätzt - etwa das Fünffache der gesamten Entwicklungshilfe.

    OFCs spielen auch eine große Rolle bei der Erosion der Unternehmens-, Vermögens- und Kapitalsteuern in Industrie- und Entwicklungsländern. Mit Steuervergünstigungen und speziellen Dienstleistungen wird Steuerdumping betrieben. Schätzungsweise 11,5 Billionen USD Privatvermögen sind in den OFCs angelegt. Mindestens 255 Mrd. wurden dabei dem Fiskus der Herkunftsländer entzogen. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive sind Offshorezentren völlig überflüssig. Sie nutzen nur einer kleinen Gruppe privilegierter Akteure, institutionellen Investoren sowie kriminellen Vereinigungen.

    Freie Wechselkurse



    Mit der Einführung freier Wechselkurse 1973 ist nicht nur eine beliebige ökonomische Variable verändert worden. Neben den Zinsen ist der Wechselkurs der wichtigste strategische Preis. Unterschiedliche Währungen erhöhen nicht nur die Transaktionskosten für Außenhandel und Investitionen, sondern führen zu einem Wechselkursrisiko, dessen Absicherung weitere Kosten produziert.

    Ähnlich ist die Situation für den Schuldendienst. Bei Kursänderungen kann er über Nacht plötzlich ansteigen - oder auch absinken. Die Wechselkursvolatilität ist daher ein permanenter Unsicherheitsfaktor für Entwicklung. Deshalb wird auf verschiedenen Wegen versucht, sie in den Griff zu bekommen. Lösungen, wie zum Beispiel eine Weltwährung oder regionale Währungen nach dem Vorbild des Euro, sind vorerst nicht in Sicht. Auch die Erfahrungen mit der Kopplung an Starkwährungen sind sehr gemischt. Daher bedienen sich immer mehr Entwicklungsländer eines Instruments, das ihnen wenigstens ein gewisses Maß an nationalstaatlicher Autonomie gewährt: des Einsatzes von Währungsreserven. Mit den Reserven kann die Zentralbank durch den gezielten Auf- oder Verkauf von Devisen die eigene Währung stabil halten. Allerdings ist dies teuer: "Wenn immer die Zentralbank eines Landes Devisen herausgibt, denen keine realwirtschaftliche Kapitalbildung im Land entspricht, kommt es zu internationalen Vermögensverlagerungen, deren Ausmaß die Ströme der Entwicklungshilfe oft um ein Vielfaches übertrifft."

    Bei der Asienkrise half aber selbst dieses Mittel nicht, da die Reserven zu gering waren. Deshalb haben jene Länder, die es sich leisten konnten, enorme Reserven angelegt. Absoluter Spitzenreiter ist China mit 1,5 Billionen USD. Russland hatte im November 2007 463 Mrd., Indien 273, Brasilien 180 und Singapur 160 Mrd. USD angehäuft.

    Freilich werden damit Mittel absorbiert, die dann nicht mehr für Entwicklung und Armutsbekämpfung zur Verfügung stehen. Finanziert werden müssen die Reserven durch inländische Staatsverschuldung: "Das Hauptproblem hoher Reserven für die Binnenwirtschaft ist die große Anhäufung öffentlicher Schulden."

    Hinzu kommt, dass hohe Reserven Zinserhöhungsdruck erzeugen. Schließlich führt eine Abwertung der Reservewährungen zu Verlusten. Genau das erleben wir augenblicklich mit dem Verfall des Dollarkurses. Währungsreserven zur Sicherung gegen das Wechselkursrisiko sind also sehr ineffizient und stellen eine Belastung für die Entwicklung eines Landes dar.

    Allerdings gibt es auch Finanzmarktakteure, denen die Wechselkursschwankungen lukrative Renditen bieten. Die Kursschwankungen ermöglichen nämlich Arbitrage- und Spekulationsgeschäfte mit Devisen, Zinsen und Wertpapieren. Unter Arbitrage ist die Ausnutzung von bekannten Kursdifferenzen zu verstehen. Sie findet auch bei Zinsen und Wertpapieren statt. So ist gegenwärtig der so genannte Carry Trade sehr en vogue, der wie folgt funktioniert: Ein (zum Beispiel) in den USA mit 5 % Zinsen aufgenommener Kredit wird in Brasilien weiterverliehen, wo der Zinssatz bei 15 % liegt. Der dabei erzielte Gewinn entspricht der Differenz von 10 %. Allerdings werden die Zinseinnahmen damit der brasilianischen Volkswirtschaft entzogen.

    Demgegenüber ist Spekulation sehr unsicher. Da selbst geringe Kursschwankungen von wenigen Basispunkten bei Einsatz großer Summen beträchtliche Gewinne abwerfen, ist diese neue Profitquelle höchst attraktiv geworden. Heute werden pro Börsentag 2 Billionen USD umgesetzt. Das meiste davon sind spekulative Geschäfte. Mehr als 80 % dieser Transaktionen haben eine Laufzeit von weniger als sieben Tagen.

    Die Kurzfristigkeit bedeutet natürlich auch Unkalkulierbarkeit und Unsicherheit. Per Mausklick können Investoren Milliardenbeträge aus einem Land abziehen (Exit). Die Exit-Option ist nicht nur ein ökonomisches Stabilitätsrisiko, sondern auch ein politisches Druckmittel, mit dem die Investoren Wohlverhalten von Regierungen erzwingen können. Der frühere Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, beschrieb das so: "Anleger müssen sich nicht mehr nach den Anlagemöglichkeiten richten, die ihnen ihre Regierung einräumt, vielmehr müssen sich die Regierungen nach den Wünschen der Anleger richten."

    Institutionelle Anleger und Shareholder-Orientierung



    Die Dynamik der Finanzmärkte hat auch neue Akteure auf den Plan gerufen. Im Zentrum steht dabei der "Institutionelle Anleger". Von den weltweit 78,7 Billionen USD Vermögen wurden im Jahr 2005 55 Billionen (70 %), von institutionellen Investoren verwaltet. "Institutioneller Investor" heißt, dass es zu einer Institutionalisierung und Professionalisierung der Eigentümerfunktion kommt. Das Streben nach der größtmöglichen Rendite wird jetzt nach allen Regeln der Kunst von hochspezialisierten Profis organisiert. Die verschiedenen Dimensionen von Unternehmertum, zu denen zwar schon immer das Gewinnstreben gehörte, aber auch andere, wie Wachstum, langfristige Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Sicherung der Arbeitsplätze, werden auf einen einzigen Parameter reduziert: die Eigenkapitalrendite.

    Durch den Wettbewerb werden die Erwartungen an die Renditen immer höher geschraubt. Die neue Verhaltensmaxime greift auch auf die Realwirtschaft über. Auch dort dreht sich zunehmend alles um die Steigerung des Kurswertes für die Anteilseigner (Shareholder). Die neue Logik wird am rigorosesten von institutionellen Investoren, wie den Private Equity Funds (PEFs) durchgesetzt. Das Interesse dieser ist nicht, langfristig Eigentum zu erwerben, sondern ein Unternehmen nach einiger Zeit - durchschnittlich nach fünf Jahren - gewinnbringend wieder zu verkaufen. Ein wesentliches Merkmal der PEFs ist, dass sie hebelverstärkt operieren, das heißt, dass sie einen hohen Anteil an Fremdkapital verwenden. Wenn das Unternehmen dann übernommen wurde, wird ihm die Schuldenlast übertragen.

    Um die angepeilte Wertsteigerung beim Wiederverkauf zu erzielen, wird das Unternehmen Kostensenkungsstrategien unterzogen, was mit Personalabbau, Arbeitszeitverlängerung, Outsourcing, Rationalisierungsinvestitionen und anderem verbunden ist. Da 80 % dieser Fonds in Steueroasen angesiedelt sind, sparen auch sie massiv Steuern.

    Die Branche wächst sehr dynamisch und ist inzwischen auch in Entwicklungsländern aktiv. In Indien haben sich zum Beispiel zwischen 2004 und 2007 die Investitionen von PEFs von 1,1 Mrd. USD auf 10,8 Mrd. verzehnfacht. Anders als in den Industrieländern, in denen ein Teil der Rentabilität durch Kostensenkungen zustande kommt, setzen die PEFs in den Emerging Markets eher auf starkes Wachstum.

    Noch extremer findet sich die Shareholder-Logik bei Hedge-Fonds (HFs), die vorwiegend in hochriskante spekulative Finanzgeschäfte investieren. Das von HFs bewegte Kapital hat sich seit 1999 verfünffacht und betrug 2006 1,6 Billionen USD. Die Anleger müssen bei ihnen ein hohes Mindestkapital einbringen, haben dafür aber den Vorteil, dass Sie keinerlei Aufsicht unterliegen. Ihr Sitz ist meist in Offshorezentren, und sie arbeiten hebelverstärkt. Dem durch seine Pleite 1999 berüchtigt gewordenen Hedge-Fond LTCM war es zum Beispiel gelungen, mit Eigenmitteln von 4,8 Mrd. USD Aktiva in Höhe von 125 Mrd. USD zu finanzieren - eine Fremdfinanzierungsquote von 1:25.

    Für die Entwicklungsländer bedeutet das nicht nur einen Anstieg des allgemeinen Stabilitätsrisikos. Aufgrund ihrer großen Kapitalmassen sind die Fonds in der Lage, die Währungen mittlerer und kleinerer Volkswirtschaften mit spekulativen Attacken anzugreifen. So behauptet die malaysische Regierung, dass die Asienkrise 1997 durch eine solche Attacke ausgelöst worden sei. Angesichts der Intransparenz der Branche ist diese Behauptung jedoch nicht nachweisbar - dass sie stimmt, ist aber ebenfalls nicht auszuschließen, denn das Potential dazu hätten solche Attacken auch heute noch.

    Auch Hedge-Fonds sind zunehmend in Entwicklungsländern aktiv. So laufen 45 % des Handels mit Schatzbriefen, 47 % von Schuldentiteln und 58 % aller Kreditderivative über sie.

    Auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 wollte die deutsche Bundesregierung mehr Transparenz für die Fonds erreichen, scheiterte aber an der Haltung Großbritanniens und der USA. Das einzige Argument, das öffentlich zugunsten der Hedge-Fonds ins Feld geführt wird, ist, dass sie vermeintlich Risiken trügen, die andere nicht übernehmen könnten und somit der Stabilität des Finanzsystems dienten. Richtig daran ist, dass die Risikobereitschaft der Fonds außerordentlich hoch ist. Das allein trägt jedoch zur Finanzmarktstabilität so viel bei, wie der Pyromane zum Brandschutz. Das Risiko verschwindet keineswegs, sondern ist nur versteckt in der Undurchsichtigkeit der Fonds und ihrer Operationsbasis, den Offshorezentren. Spätestens mit der US-Hypothekenkrise, an der zahlreiche dieser Fonds beteiligt sind, zerschellte der Glaube an das Gute in den Fonds an der Realität.

    Derivate



    Derivate entstanden ursprünglich aus dem Motiv, den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten gegen Preisrisiken, zum Beispiel Missernten, abzusichern. Der entsprechende Kontrakt ist ein Derivat, das heißt, er ist von einem anderen Geschäft abgeleitet. Auf gleiche Weise können Derivate sich auf Zinsen, Aktien- und andere Wertpapierkurse oder auf Indizes, wie den Dax oder Dow Jones beziehen. Im Glauben, dass spezialisierte Marktteilnehmer mit bestimmten Marktrisiken besser umgehen können, möchte der Derivatehandel den Markt berechenbar machen.

    Die Welt der Derivate hat sich aber längst von der Absicherung von realwirtschaftlichen Geschäften entfernt. Das zeigt allein schon das Wachstum der Branche. Waren Derivate noch 1980 eine zu vernachlässigende Größe, betrug der Umsatz der börsennotierten Kontrakte 1990 bereits 123,4 Billionen USD. 2002 hatte er sich fast auf 693,7 Billionen USD versechsfacht. 80 % des Derivatenhandels findet außerbörslich ("over the counter") und ohne jegliche aufsichtsrechtliche Kontrolle statt. Derivate sind heute quantitativ die bedeutendste Form der Wertpapiere.

    Auch in der US-Hypothekenkrise spielen Derivate eine große Rolle: Im Wissen um die Risiken der Immobilienkredite im so genannten Subprime-Sektor wurden diese Kredite weiterverkauft. Dabei wurde das Risiko auf unterschiedliche Tranchen verteilt. Die unterste Tranche musste das Risiko für das Gesamtvolumen der Kredite tragen. Dafür erhielten deren Käufer eine besonders hohe Risikoprämie. Die hochriskanten Tranchen wurden meist von Hedge-Fonds gekauft und weiterverkauft und dabei erneut nach dem o. g. Verfahren zerlegt.

    Für Entwicklungsländer kann jener Typus von Derivaten, der auf die Absicherung realwirtschaftlicher Geschäfte zielt, als zweitbeste Lösung nützlich sein, solange die Volatilität auf den Finanzmärkten nicht durch andere Maßnahmen zurückgeht. Da aber die spekulativen Derivate das systemische Risiko erhöhen, sind auch die Ökonomien der Entwicklungsländer bedroht, selbst wenn sie nicht unmittelbar an Geschäften mit spekulativen Derivaten beteiligt sind. Daher ist eine strenge Regulierung dieser Geschäfte aus entwicklungspolitsicher Sicht wünschenswert.

    Ausblick



    Die geschilderten Strukturen und Verfahren haben zu einem tief greifenden Wandel des globalen Wirtschaftssystems geführt. Dabei hat sich das Verhältnis von der Realwirtschaft zum Finanzsektor umgekehrt. War es früher die Funktion der Finanzdienstleister, Handel und Produktion im wahrsten Sinne des Wortes zu "dienen", dominiert heute die Logik der Finanzmärkte. Der Shareholder Value, die ausschließliche Orientierung an der maximalen Rendite, ist zum Maß aller Dinge geworden.

    Entwicklung folgt aber einer anderen Rationalität als jener der größtmöglichen Rendite. Für die Überwindung von Armut und Elend ist demokratische, politische Gestaltung entscheidend. Der Markt kann dazu einen Beitrag leisten, wenn er politisch eingehegt und eingebunden ist. Die Finanzmärkte müssen daher so reguliert werden, dass sie in den Dienst von Entwicklung gestellt werden können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. International Monetary Fund, Global Financial Stability Report, Washington, D. C. 2007, S. 24.

  2. Armutsdefinition nach Weltbankkriterium: 1 Dollar Pro-Kopf-Einkommen pro Tag.

  3. Vgl. John Kane-Berman, Analysing the poverty of the president's attack, 22. 11. 2007, in: http://www.sairr.org.za/wsc/pstory.php? storyID=458 (21.1. 2008).

  4. Vgl. Merrill Lynch/Capgemini, World Wealth Report, o.O. 2007.

  5. Davon entfielen 39,9 Mrd. USD auf Subsahara Afrika. Allerdings sind darin 12,4 Mrd. Schuldenerlasse enthalten, die nur vorübergehend wirksam sind. Rechnet man sie heraus, betragen die tatsächlichen Öffentlichen Entwicklungsleistungen (ODA) für Afrika 37,5 Mrd., also etwa ein Drittel des Vermögenszuwachses der afrikanischen HNWIs. Vgl. OECD Development Assistance Committee. Final ODA flows in 2006. DCD/DAC/RD(2007)15/RD2, 10.12. 2007.

  6. Vgl. World Bank, Global Economic Prospects, Managing the Next Wave of Globalization, Washington, D. C. 2006. S. 79.

  7. Vgl. Daniela Setton, Quo Vadis Internationales Schuldenmanagement?, in: Karten neu gemischt. WEED-Schuldenreport 2007, Berlin 2007, S. 32.

  8. Vgl. Stephany Griffith-Jones, New Investors in Developing Countries: opportunities, Risks and Policy Responses, the Case of Hedge Funds, o. O. 2007.

  9. Vgl. John Christensen/Sony Kapoor, Tax Avoidance, Tax Competition and Globalisation: making tax justice a focus for global activism, in: Accountancy Business and the Public Interest, 3 (2005) 2.

  10. Paul Bernd Spahn, Zur Durchführbarkeit einer Devisentransaktionssteuer. Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bonn 2002, S. 9.

  11. Vgl. IMF, Data and Statistics, www.imf.org/exter nal/np/sta/ir/sgp/eng/cursgp.htm.

  12. World Bank, Global Development Finance 2006, Washington, D. C. 2006.

  13. Wenn zum Beispiel der Wechselkurs zwischen Euro und USD bei Börsenschluss in der europäischen Zeitzone unterschiedlich notiert ist als bei Börsenbeginn in der Wallstreet, wird die Differenz durch entsprechende Transaktionen sehr schnell ausgeglichen.

  14. Ein Basispunkt bezeichnet ein Hundertstel Prozent (also 0,01 %).

  15. Kurzfristig ist definiert als eine Laufzeit bis zu sieben Tagen.

  16. Rolf E. Breuer, Die fünfte Gewalt, in: Die Zeit vom 18.5. 2000.

  17. Vgl. Jörg Huffschmid, Finanzinvestoren - Retter oder Raubritter? Vortrag bei der IG Metall, Frankfurt/M. am 19.10. 2006.

  18. Vgl. Venture Intelligence India 2007, http://ventureintelligence.in.

  19. Vgl. Financial Stability Forum, Update of the FSF Report on Highly Leveraged Institutions, Washington, D. C. 2007.

  20. Zum Beispiel: Ein Bauer verkauft seine Ernte noch bevor sie ausgebracht ist zu einem fixen Preis an einen Händler. Unabhängig vom Ausgang der Ernte bekommt er den vereinbarten Preis. Der Händler hat das Risiko: Steigen die Preise nach der Ernte, macht er ein Geschäft, fallen sie, macht er Verlust.

Geb. 1948; Leiter des Arbeitsbereichs Finanzmärkte von WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung, Eldenaer Straße 60, 10247 Berlin.
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