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Der korrupte Akteur | Korruption | bpb.de

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Der korrupte Akteur

Tanja Rabl

/ 13 Minuten zu lesen

Was bewegt Entscheidungsträger dazu, korrupt zu handeln? Ausgehend von einer Skizze der Persönlichkeitscharakteristika und der Motive des korrupten Akteurs werden die subjektiven Entscheidungsprozesse und Strategien zur Selbstrechtfertigung aufgezeigt.

Einleitung

Weltweit wird Korruption als gravierendes Problem wahrgenommen, das längst nicht mehr nur Politik und öffentliche Verwaltung betrifft, sondern auch den privaten Sektor. Gerade im internationalen Geschäftsverkehr spielt Korruption eine große Rolle. In Deutschland ist Korruption derzeit so aktuell wie nie. So gingen in den vergangenen Monaten zahlreiche spektakuläre Korruptionsfälle durch die Presse. Es fanden sich Schlagzeilen wie "Willkommen in der Bakschischrepublik", "Korruption - Bei neun von zehn Unternehmen werden Sie fündig" und "Selbstbedienung in DAX-Konzernen - Korruption ist Chefsache".

Doch was wird eigentlich allgemein unter Korruption verstanden? Den Begriff knapp und prägnant zu fassen fällt schwer. Ein einheitliches Verständnis existiert nicht. In den Wissenschaftsdisziplinen, die sich mit dem Phänomen der Korruption beschäftigen (z.B. Wirtschaftswissenschaft, Rechtswissenschaft, Soziologie, Kriminologie, Politikwissenschaft, Wirtschaftsethik), hat sich eine Vielzahl von Definitionen herausgebildet. Bringt man diese auf einen Nenner, so lässt sich Korruption wie folgt definieren: Korruption ist von der Norm abweichendes Verhalten, das sich im Missbrauch einer Funktion in Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft zugunsten einer anderen Person oder Institution äußert. Dieser Funktionsmissbrauch erfolgt auf Initiative eines anderen oder aus Eigeninitiative, um einen Vorteil für sich oder einen Dritten zu erlangen. Als Ergebnis wird ein Schaden oder Nachteil für Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft erwartet oder tritt tatsächlich ein. Die korrupten Handlungen werden einvernehmlich geheim gehalten.

Die Korruptionsforschung konzentrierte sich bisher überwiegend auf die politische und öffentliche Korruption, während private Korruption, also Korruption in und zwischen Unternehmen, vernachlässigt wurde. Mein Fokus liegt daher auf Korruption in der Privatwirtschaft, wo Bestechungsleistungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Unternehmen nachgefragt und angeboten werden.

Die bisherige Korruptionsforschung liefert vielfältige Ansätze zur Konzeptualisierung und Erklärung des Phänomens und untersucht Ursachen und Konsequenzen. Allerdings nimmt sie nur selten den korrupten Akteur in den Blick. Betrachtet man bei aufgedeckten Korruptionsfällen, wer eigentlich korrumpiert hat beziehungsweise wer korrumpiert worden ist, so stellt sich insbesondere die Frage nach dem "Warum". Was bewegt Entscheidungsträger in Unternehmen dazu, korrupt zu handeln? Was bringt sie dazu, ein Korruptionsangebot anzunehmen (passive Korruption) beziehungsweise ein Korruptionsangebot zu unterbreiten (aktive Korruption)? Der vorliegende Beitrag versucht, ausgehend von der bisherigen Forschung und auf der Grundlage einer in Deutschland unternommenen empirischen Studie, Antworten auf diese Fragen zu geben.

Die bisherige Forschung

Längst ist es nicht mehr nur eine provozierende These, sondern Ergebnis zahlreicher empirischer Untersuchungen: Männer handeln eher korrupt als Frauen. Dies ist nicht verwunderlich, da Männer nach wie vor inManagementpositionen überrepräsentiert sind. Die Täter sind auch keineswegs Betrügerpersönlichkeiten, im Gegenteil: Der typische Täter ist nicht vorbestraft und zeigt keine abweichenden Wertvorstellungen. Vielmehr handelt es sich um gesellschaftliche Aufsteiger und erfahrene Leistungsträger, die eine Vielzahl von Aus- und Fortbildungen absolviert haben. Gerade weil sie sich durch hohe Fachkompetenz auszeichnen, wird ihnen viel Vertrauen entgegengebracht. Sie sind ehrgeizig und karriereorientiert und verfügen über Macht- und Entscheidungsbefugnis in ihrer beruflichen Position. Statusbewusst führen sie im Vergleich zur Bezugsgruppe einen hohen Lebensstandard. Die an Korruption Beteiligten zeigen ausgeprägte Rechtfertigungs- und Neutralisierungstendenzen. Sie leugnen die persönliche Verantwortung, den unmoralischen Charakter ihres Handelns wie auch den entstandenen Schaden. Diese Ergebnisse decken sich mit Eigenschaften, die für Wirtschaftskriminelle identifiziert wurden. Korrupte Akteure ähneln dabei stark "normalen" erfolgreichen Managern, weisen sie doch Eigenschaften auf, die offensichtlich sowohl für legale als auch für illegale Geschäfte hilfreich sind. Forschungsergebnisse zu den Persönlichkeitseigenschaften von korrupten Akteuren zeigen Zusammenhänge - mit einer externalen Kontrollüberzeugung, nach welcher die Konsequenzen des eigenen Verhaltens anderen Personen oder äußeren Umständen zugeschrieben werden, - mit Machiavellianismus (der Neigung, andere um des eigenen Vorteils willen zu täuschen oder zu manipulieren), - mit einer hohen Risikobereitschaft sowie - mit pathologischem Narzissmus.

Ihr Motiv ist nur in seltenen Fällen eine finanzielle Notlage. Neben beruflichem Ehrgeiz, der puren Lust an der Machtausübung, der Überforderung am Arbeitsplatz oder auch der Enttäuschung über verpasste Karrierechancen ist es vor allem die Aussicht auf risikolose Bereicherung, welche die Korrupten zu ihrem kriminellen Tun antreibt. Die Täter wollen ihren Eigennutz maximieren und stellen Kosten-Nutzen-Überlegungen an. Voraussetzung für das Zustandekommen einer korrupten Transaktion ist, dass die daraus resultierenden erwarteten Erträge sowohl für den Korrumpierenden als auch für den Korrumpierten die von ihnen erwarteten Kosten übersteigen. Der Anreiz, einen korrupten Vertrag einzugehen, steigt, wenn der Wert der Leistung steigt, das Aufdeckungs- und Ahndungsrisiko, das Strafmaß und die Transaktionskosten der Korruption aber sinken. Durch die geringe Wahrscheinlichkeit, entdeckt und damit auch bestraft zu werden, werden die Kosten im Vergleich zu dem Nutzen, der aus der Korruption für den Einzelnen oder dessen Unternehmen gezogen werden kann, als gering eingeschätzt.

Entscheidungsprozesse

Auch wenn einige Daten zu Persönlichkeitscharakteristika und Motiven von korrupten Akteuren existieren, wurde bislang das Zusammenspiel verschiedener Verhaltenskomponenten, das letztlich zu korruptem Handeln führt, kaum untersucht. Die von mir unternommene Studie zielte daher darauf ab, die personbezogenen Komponenten korrupten Handelns in Interaktion mit einem spezifischen situationalen Kontext, nämlich der Privatwirtschaft, zu untersuchen. In erster Linie sollte dabei herausgefunden werden, welche motivationalen, volitionalen (willentlichen), emotionalen und kognitiven Komponenten eine Rolle spielen und wie ihr Zusammenspiel letztlich zu korruptem Handeln führt.

Um das Entscheidungskalkül korrupter Akteure abzubilden, entwickelte ich ein Modell korrupten Handelns (Abbildung), das im Rahmen einer experimentellen Simulation mit Hilfe eines Unternehmensplanspiels anhand einer Studentenstichprobe empirisch überprüft wurde. Dieses Modell bezieht sich auf die Erstinitiierung einer Korruptionsbeziehung zwischen zwei Einzelakteuren.

Nach der Datenanalyse ergab sich ein reduziertes Modell korrupten Handelns (Abbildung, nichtgestrichelter Teil). Ausgangspunkt im finalen Modell ist der Wunsch, für die Erreichung eines beruflichen oder privaten Ziels korrupt zu handeln. Dieser Wunsch ist umso stärker, je positiver die Einstellung des Akteurs zu Korruption ist und je mehr andere wichtige Personen im Umfeld des Akteurs Korruption akzeptieren. Mit dem willentlichen Entschluss, korrupt zu handeln, wird der Wunsch zu einer Intention. Diese ist umso stärker, je stärker nicht nur der Wunsch zu korruptem Handeln ist, sondern auch je mehr Kontrolle der Akteur glaubt, über sein korruptes Handeln zu haben. Diese wahrgenommene Kontrolle über eigenes Verhalten ist umso höher, je geringer zum Beispiel das Aufdeckungsrisiko, das Strafmaß und die Kosten sind, die vor, während und nach der Korruptionsbeziehung entstehen. Dabei kann es sich um Kosten handeln, um zum Beispiel einen korruptionswilligen Partner zu finden, um den korrupten Austausch sicher zu stellen oder auch um die Korruptionsbeziehung geheim zu halten. Je stärker die Intention, korrupt zu handeln, umso wahrscheinlicher wird korruptes Handeln auch tatsächlich erfolgen.

Die Ergebnisse zeigen, dass alle Komponenten des theoretischen Ausgangsmodells, welche die Erreichung eines bestimmten privaten oder beruflichen Ziels betreffen (positive und negative antizipierte Emotionen, Schwierigkeit der Zielerreichung, der Wunsch und die Absicht, ein bestimmtes privates oder berufliches Ziel zu erreichen), keine Prognose über korruptes Handeln zulassen. Doch warum? Eine Erkenntnis aus der Einstellungs-Verhaltens-Forschung ist, dass allgemein formulierte private und berufliche Ziele zur Vorhersage spezifischen Verhaltens, wie es korruptes Handeln darstellt, nicht geeignet sind. Des Weiteren scheint Korruption nicht in einen übergeordneten Handlungsplan eingeordnet zu sein. Vielmehr erfolgt eine individuelle Entscheidung erst, wenn sich die Gelegenheit zu Korruption ergibt. Da diese bei vergleichbarer Ausgangssituation der Probanden unterschiedlich ausfällt, zeigt dies die Bedeutung personbezogener Komponenten für die Vorhersage korrupten Handelns. Kognitive Komponenten - die Einstellung zu Korruption, die Normen anderer bezüglich Korruption, die wahrgenommene Kontrolle über eigenes korruptes Verhalten - spielen daher den Ergebnissen zufolge bei der Vorhersage korrupten Handelns eine sehr wichtige Rolle. Auch die Unterscheidung zwischen Wunsch und Wille erweist sich als relevant. Somit führt das Zusammenspiel motivationaler, volitionaler und kognitiver - nicht aber emotionaler - Komponenten innerhalb eines situativen Kontexts bei entsprechender Gelegenheit zu korruptem Handeln. "The person matters!" - so ließe sich die Quintessenz der Ergebnisse zusammenfassen.

Rationalisierungsstrategien

Wie bereits oben erwähnt, weisen korrupte Akteure starke Rechtfertigungs- und Neutralisierungstendenzen auf. Die Forschungsliteratur schreibt diesen Rationalisierungsstrategien eine bedeutende Rolle bei der Normalisierung von Korruption in Unternehmen zu. Sobald sie korrupt gehandelt haben, nutzen die Akteure diese Strategien, um sich selbst als moralische und ethische Individuen zu sehen, um sich von ihrem schlechten Gewissen zu befreien und sich ein positives Selbstbild zu bewahren. Korrupte Akteure lösen sich dabei nicht von den gesellschaftlichen Werten, sie konstruieren Situationen nur anders. Sie lehnen konventionelle Normen nicht ab und sind auch nicht der Ansicht, dass die Normen, die sie verletzen, ersetzt werden sollen. Sie behaupten aber, dass diese Normen unter bestimmten Umständen nicht zutreffen. Rationalisierungsstrategien weisen negative Interpretationen korrupter Handlungen zurück und neutralisieren das potenzielle Stigma von Korruption. Die meisten dieser Techniken sind kulturell gelernt und werden sozial verstärkt. Der Unternehmenskultur kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Wurde eine bestimmte Technik erfolgreich eingesetzt, führt dies zum erneuten Einsatz in vergleichbaren Situationen. So können Rationalisierungsstrategien zur Ausbreitung von Korruption in und zwischen Unternehmen beitragen. Es werden dabei acht verschiedene Rechtfertigungen unterschieden, die auch in der von mir durchgeführten Studie überprüft wurden (Tabelle).

Im Planspiel meiner Studie rechtfertigen korrupte Akteure ihr Verhalten am häufigsten, indem sie die Metapher des Kontos nutzen. Sie fühlen sich berechtigt, korrupt zu handeln, weil sie meinen, durch die im Job erbrachten Anstrengungen ein "Guthaben" angesammelt zu haben, von dem sie nun zehren könnten. Sehr häufig ist auch der Appell an höhere Ziele. Hier argumentieren die Akteure, dass ihr korruptes Handeln nötig war, um ein höheres Ziel (z.B. Unternehmensziel) zu erreichen. Beide Strategien spiegeln den Bezug zur Organisation und zur Arbeit des Individuums wider. Während sich die Metapher des Kontos auf die bislang im Job erbrachten Verdienste bezieht, konzentriert sich der Appell an höhere Ziele auf die Unternehmensziele, die erreicht werden sollen. Die Leugnung der Verantwortung, der Schädigung und der Opfer spielen eine untergeordnete Rolle. Dies zeigt, dass Rationalisierungsstrategien nicht primär auf eine Leugnung der negativen Implikationen korrupten Handelns abzielen, sondern vielmehr die "positive" Absicht hervorheben, die hinter dem korrupten Handeln steht.

Handlungsempfehlungen

Das empirisch validierte Modell korrupten Handelns bietet Unternehmen Anhaltspunkte, geeignete Maßnahmen für die Prävention und Bekämpfung von Korruption zu entwickeln. Da der Fokus des Modells auf den psychologischen Faktoren liegt, können vor allem Handlungsempfehlungen für das Personalmanagement abgeleitet werden. Nichtsdestotrotz müssen diese vorsichtig ausgesprochen werden, da das experimentelle Design mit einer Studentenstichprobe nur eine eingeschränkte Übertragung der Ergebnisse auf Managementpositionen in Unternehmen zulässt.

Drei Faktoren konnten als wesentliche Einflussgrößen im Entscheidungsprozess korrupter Akteure identifiziert werden: die Einstellung des Individuums zu Korruption, die Normen anderer bezüglich Korruption und die wahrgenommene Kontrolle über eigenes korruptes Handeln.

Um korruptionsaverse Normen zu schaffen, sollte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf verschiedene Art und Weise gezeigt werden, dass Korruption im Unternehmen keinesfalls toleriert wird und die Integrität aller absolut gefordert ist. Anzustreben ist ein ethisches Unternehmensklima und eine strikte Ablehnung von Korruption, selbst dann, wenn korruptes Handeln vordergründig dem Unternehmen zu nützen scheint. Es muss klar gemacht werden, dass ethische Werte höher stehen als kurzfristige wirtschaftliche Ziele, da Korruption dem Unternehmen langfristig schadet. Das Ziel rechtfertigt nicht die (illegalen und unethischen) Mittel. Eine Möglichkeit, Korruption institutionell zu verurteilen, ist die Einführung eines Ethik-Kodexes durch das Top-Management. Des Weiteren kommt diesem die Aufgabe als Rollenvorbild zu. Es sollte der Korruptionsbekämpfung höchste Priorität einräumen und unmissverständlich kommunizieren, dass alle Gesetze einzuhalten sind. Selbstverpflichtungen des Managements gegen Korruption, die in Mitarbeiterbriefen, Newslettern oder Aushängen innerhalb des Unternehmens kommuniziert werden, können diese Bemühungen unterstützen.

Selbstverständlich müssen alle Unternehmensmitglieder in die Schaffung einer korruptionsaversen Unternehmenskultur integriert sein. Eine Beschränkung auf das höhere Management ist zu kurz gegriffen. Ethik- oder Antikorruptionskomitees, die sich aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschiedener Unternehmensbereiche und Hierarchien zusammensetzen und deren Mitgliedschaft rotiert, können dabei helfen. Solche Komitees diskutieren ethische Dilemmata, besonders solche, die mit Korruption zu tun haben. Zusätzlich unterstützen sie die Realisierung der Antikorruptionsmaßnahmen. Ein positives Signal, das ebenfalls zu korruptionsaversen Normen im Unternehmen beitragen kann, ist die Kooperation mit anderen Unternehmen, der Regierung, Arbeitnehmerverbänden und Nichtregierungsorganisationen im Kampf gegen Korruption.

Die Einstellung zu Korruption ist eine wichtige Determinante des Wunsches, korrupt zu handeln. Wie können Unternehmen einerseits eine korruptionsaverse Einstellung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherstellen und andererseits Maßnahmen ergreifen, um die Einstellung der Belegschaft zu verändern? Eine Möglichkeit besteht darin, bereits bei der Auswahl neuer Mitarbeiter deren Einstellung zu Korruption zu überprüfen. Dabei sollte nicht nur auf allgemeine Integritätstests zurückgegriffen werden, sondern es sollten auch spezifische korruptionsrelevante Fragen zum Einsatz kommen. Des Weiteren können Unternehmen ihren Ethik-Kodex in das Recruiting-Material mit aufnehmen und in den Auswahlinterviews direkt ansprechen. Dies ermöglicht den Bewerberinnen und Bewerbern den Selbstabgleich ihrer persönlichen Einstellung mit der des Unternehmens. Außerdem können Unternehmen die Bewerberinnen und Bewerber auffordern, sich durch die Unterzeichnung eines obligatorischen Statements zur Antikorruptionspolitik des zukünftigen Arbeitgebers zu bekennen.

Weitere Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, die auf bereits eingestelltes Personal abzielen, stellen Trainings und Workshops dar. Auch hier ist wieder Spezifität gefordert. Allgemeine Ethik-Trainings reichen nicht aus. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen für das Korruptionsproblem sensibilisiert werden, sodass sie verstehen, was Korruption ist, warum sie abzulehnen ist und welche Konsequenzen sie hat. Die Auseinandersetzung mit gängigen Rationalisierungsstrategien sollte Teil eines Antikorruptionstrainings sein. Eine andere Möglichkeit, Einstellungen zu ändern, ist der Einsatz von Prämien und Sanktionen. Ethisches Verhalten ist zu belohnen und korruptes Verhalten zu bestrafen. So könnten zum Beispiel Leistungsbeurteilungen und die damit verbundenen Belohnungen an ethisches Verhalten geknüpft sein.

Die hier vorgestellte Studie zeigt weiterhin, dass die Absicht, korrupt zu handeln, umso stärker ist, je höher die wahrgenommene Kontrolle über das eigene Verhalten ist. Daher ist es wichtig, effektive Kontrollmechanismen zu etablieren, die das Risiko für korrupte Akteure maximieren. Dies kann auf unterschiedliche Art und Weise realisiert werden. Die Arbeitsgestaltung bietet eine Reihe von Möglichkeiten, um größtmögliche Transparenz und eine hohe Entdeckungswahrscheinlichkeit zu erzielen: klar definierte Verantwortlichkeiten, Funktionstrennung, ein Mehr-Augen-Prinzip in wichtigen Entscheidungen, Personalrotation sowie ein effektives Dokumentationssystem. Dies kann ergänzt werden um institutionelle Kontroll- und Unterstützungswerkzeuge, die helfen, Korruption am Arbeitsplatz zu entdecken: der Einsatz eines Antikorruptionsbeauftragten oder Ombudsmannes, die Implementierung von internen Audits oder Revisionen, die Einführung eines effektiven whistleblowing-Systems, sowie die Realisierung regelmäßiger Leistungsbeurteilungen und Mitarbeitergespräche. Letztere können helfen, korrupte Tendenzen zu erkennen und das Vertrauen der Mitarbeiter aufzubauen, ihrem Vorgesetzten korrupte Angebote anzuzeigen.

Zusätzlich zu diesen Maßnahmen, welche die Aufdeckungswahrscheinlichkeit erhöhen können, sollten Unternehmen ganz klar die Sanktionen kommunizieren, die im Falle der Aufdeckung drohen. So ist das Bewusstsein der Mitarbeiter für das Risiko bei korrupten Handlungen zu schärfen. Es reicht nicht aus, nur hohe Strafen zu verhängen. Sämtliche Konsequenzen korrupten Handelns für das Individuum müssen klar hervorgehoben werden. Dies kann in Reden, Leitlinien, Newslettern, Antikorruptionskampagnen oder Trainings und Seminaren passieren.

Fazit

Die hier referierte Untersuchung liefert Einblicke in das subjektive Entscheidungskalkül korrupter Akteure. Nichtsdestotrotz zeigt dieser Beitrag aber auch auf, wie defizitär die Forschung gerade im Hinblick auf den korrupten Akteur immer noch ist. Daher ist es wichtig, dass Forscher und Praktiker ihre Anstrengungen und Ressourcen bündeln, um das Thema der Korruption gemeinsam anzugehen. Nur so kann sie zukünftig in und zwischen Unternehmen, aber auch in anderen Bereichen, effektiv verhindert und bekämpft werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Tanja Rabl/Torsten M. Kühlmann, Understanding corruption in organizations - Development and empirical assessment of an action model, in: Journal of Business Ethics, 82 (2008) 2, S. 477-495; Werner Vahlenkamp/Ina Knauß, Korruption - Hinnehmen oder handeln?, Wiesbaden 1995.

  2. Vgl. Christian Brünner, Zur Analyse individueller und sozialer Bedingungen von Korruption, in: ders. (Hrsg.), Korruption und Kontrolle, Wien 1981.

  3. Vgl. Tanja Rabl, Private corruption and its actors - Insights into the subjective decision making processes, Lengerich 2008, zugl. Diss., Universität Bayreuth 2008. Die zugrunde liegende empirische Studie wurde finanziell unterstützt von der Stiftung "Wertevolle Zukunft", der Business Keeper AG, der Telekom AG und der ABB AG.

  4. Dies zeigt sich in kriminologischen Studien mit überführten korrupten Akteuren. Die Ergebnisse experimenteller Studien mit standardisierten Lebens- und Arbeitsbedingungen für Frauen und Männer zeigen überwiegend keine Geschlechterunterschiede.

  5. Vgl. z.B. Britta Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle, Neuwied 2002.

  6. Vgl. z.B. James W. Coleman, The criminal elite. Understanding white-collar crime, New York 1998.

  7. Vgl. Kai Bussmann, Kriminalprävention durch Business Ethics: Ursachen von Wirtschaftskriminalität und die besondere Bedeutung von Werten, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, 5 (2004) 1, S. 35-50.

  8. Vgl. Michael R. Gottfredson/Travis Hirschi, A general theory of crime, Stanford/CA 1990.

  9. Vgl. z.B. John Cherry/John Fraedrich, An empirical investigation of locus of control and the structure of moral reasoning: Examining the ethical decision-making processes of sales managers, in: The Journal of Personal Selling & Sales Management, 20 (2000) 3, S. 173-188.

  10. Vgl. z.B. W. Harvey Hegarty/Henry P. Sims, Some determinants of unethical decision behavior: An experiment, in: Journal of Applied Psychology, 63 (1978) 4, S. 451-457.

  11. Vgl. z.B. Andreas O. Vogt, Korruption im Wirtschaftsleben. Eine betriebswirtschaftliche Schaden-Nutzen-Analyse, Wiesbaden 1997.

  12. Vgl. David P. Levine, The corrupt organization, in: Human Relations, 5 (2005) 6, S. 723-740.

  13. Vgl. Britta Bannenberg/Wolfgang J. Schaupensteiner, Korruption in Deutschland, München 2004.

  14. Vgl. Silvio Borner/Christophe Schwyzer, Bekämpfung der Bestechung im Lichte der Neuen Politischen Ökonomie, in: Mark Pieth/Peter Eigen (Hrsg.), Korruption im internationalen Geschäftsverkehr. Bestandsaufrahme, Bekämpfung, Prävention, Neuwied 1999; Rajeev K. Goel/Daniel P. Rich, On the economic incentives for taking bribes, in: Public Choice, 61 (1989) 3, S. 269-275.

  15. Vgl. T. Rabl (Anm. 3); Dies./T. M. Kühlmann (Anm. 1).

  16. Vgl. Blake E. Ashforth/Vikas Anand, The normalization of corruption in organizations, in: Research in Organizational Behavior, 25 (2003), S. 1-25.

  17. Vgl. Vikas Anand/Blake E. Ashforth/Mahendra Joshi, Business as usual: The acceptance and perception of corruption in organizations, in: The Academy of Management Executive, 19 (2005) 4, S. 9-23.

  18. Vgl. Gresham M. Sykes/David Matza, Techniques of neutralization: At theory of delinquency, in: American Sociological Review, 22 (1957) 6, S. 664-670.

  19. Vgl. Scott J. Vitell/Stephen J. Grove, Marketing ethics and the techniques of neutralization, in: Journal of Business Ethics, 6 (1987) 6, S. 433-438.

  20. Vgl. B. E. Ashforth/V. Anand (Anm. 16).

  21. Vgl. T. Rabl (Anm. 3).

  22. Vgl. ebd; T. Rabl/T. M. Kühlmann (Anm. 1).

  23. Darunter versteht man das uneigennützige Bekanntmachen von Beobachtungen korrupter, illegaler oder unmoralischer Praktiken oder Vermutungen über solche Vorgänge. Unternehmen können ihre Mitarbeiter explizit dazu anhalten. Die Anlaufstelle kann direkt im Unternehmen angesiedelt sein. Möglich ist auch die anonyme Hinweisgabe im Internet (z.B. bei der Internetplattform der Business Keeper AG). Es gilt, den Informationsgebern die Furcht vor negativen Konsequenzen zu nehmen, auch wenn es in Deutschland noch keine Schutzgesetze für whistleblower gibt.

Dr. rer. pol., geb. 1980; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Personalwesen und Führungslehre an der Universität Bayreuth, Universitätsstraße 30, 95440 Bayreuth.
E-Mail: E-Mail Link: tanja.rabl@uni-bayreuth.de