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Fake News: Der Lackmustest für die politische Öffentlichkeit | Medienkritik | bpb.de

Fake News: Der Lackmustest für die politische Öffentlichkeit

Jonas Kaiser

/ 4 Minuten zu lesen

Die einen sagen: Fake News sind Gift für die Demokratie! Die anderen sagen: Fake News sind ein Symptom, aber nicht das eigentliche Problem. Mal ganz langsam. Was sind überhaupt Fake News? Und warum sorgen sie gerade für so viel Wirbel?

Fake News: Selten in gedruckten Zeitungen, häufiger in den sozialen Medien - so zumindest Stand der aktuellen Diskussion um das Phänomen. (CC, von Markus Spiske) Lizenz: cc by/2.0/de

Eine einheitliche Definition von Fake News ist schwierig. Ist etwa ein unbeabsichtigter Fehler in einem Artikel bereits Fake News? Oder eine Prognose, die sich als falsch erweist? Grundsätzlich nicht. Für Externer Link: Ethan Zuckerman vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) etwa lassen sich drei Formen von Fake News unterscheiden: Nachrichten, die einem bestimmten Thema übertriebene Aufmerksamkeit widmen, Propaganda und gezielte Desinformation.

Bei ersterem wird letztlich der falsche Eindruck erweckt, dass ein Thema relevanter ist, als es sein sollte. So berichteten die US-Medien etwa, wie eine unveröffentlichte Studie der Harvard Universität zeigt, überproportional häufig über Hillary Clintons vermeintlichen Email-Skandal. Zuckerman erklärt diese überhöhte Aufmerksamkeit mit einer "falschen Balance" und dem Versuch der US-Medien ausgewogen über die Skandale Trumps und Clintons zu berichten, um nicht parteiisch zu wirken. Nicht das Thema an sich, sondern die vermeintliche Relevanz sei also "fake".

Propaganda hingegen ist ein klassischer Bestandteil von Politik und Wahlkämpfen. Es beschreibt das Vermischen von wahren und falschen Informationen, um die andere Seite zu schwächen und die eigene zu stärken. Vergleichsweise neu ist die Taktik der Desinformation. Sie zielt nicht darauf ab, dass etwas Falsches geglaubt wird, sondern darauf, dass Bürger/-innen nicht mehr zwischen wahr und falsch, zwischen seriösen und unseriösen Quellen unterscheiden können. Diese gezielte Verzerrung der öffentlichen Debatte, welche etwa in den USA zu beobachtet ist, wird auch für die diesjährige Bundestagswahl befürchtet.

Was ist das Problem?

Bei dem "Fake News"-Typ der Desinformation handelt es sich oft um absichtlich frei erfundene, als Nachrichten getarnte Geschichten. Die behaupten dann zum Beispiel, dass Angela Merkel bewusst ISIS in Europa operieren lässt. Dies geschieht nicht immer aus politischen, sondern zum Teil einfach aus finanziellen Gründen. Mit Fake News lässt sich nämlich auch Geld verdienen. Veröffentlicht werden diese Beiträge in der Regel auf Internetseiten, die häufig so heißen und aussehen wie seriöse Massenmedien. Diese Form der Imitation macht das Erkennen von Fake News-Seiten oftmals schwer.

Problematisch werden die Artikel jedoch erst durch Internetplattformen wie Facebook, Twitter oder Reddit, auf denen sie geteilt und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Denn: Das Teilen dieser Inhalte hat einen doppelten Effekt. Nicht nur die Fake-News-Seite suggeriert die eigene Authentizität, sondern auch die Nutzer/-innen, die den Beitrag geteilt haben, scheinen für die Korrektheit der Beiträge zu garantieren. Zum Beispiel macht es natürlich einen Unterschied, ob ein unbekannter Twitter-Account Fake-News-Beiträge bei Twitter teilt oder der Präsident der USA.

Der Einfluss von Fake News

Als Buzzfeed kurz nach der US-Wahl im November 2016 eine Externer Link: Studie präsentierte, die besagte, dass prominente Fake News-Beiträge häufiger auf Facebook geteilt wurden, als die Top-Beiträge der klassischen Massenmedien, fand dies große Beachtung. Einige Kommentatoren waren überzeugt, dass Fake News zur Wahl Donald Trumps beigetragen haben könnten.

Erste wissenschaftliche Studien hingegen zeichnen ein anderes Bild. Eine gemeinsame Externer Link: Studie der Harvard University und des MIT, in der über 1,2 Millionen Artikel von über 25.000 Internetseiten untersucht wurden, zeigt etwa, dass Fake News-Seiten nur eine sekundäre Rolle im Online-Diskurs zur US-Wahl gespielt haben. Eine Externer Link: weitere Studie suggeriert gar, dass Fake News-Artikel so überzeugend wie 36 Wahlwerbespots sein müssten, um die US-Wahl beeinflusst haben zu können. Auch der Tenor einer Konferenz der Harvard Law School zum Thema klingt eher beschwichtigend: So problematisch Fake News auch in vielerlei Hinsicht sein mögen, so sind sie, historisch gesehen, weder neu, noch waren sie wahlentscheidend.

Also was tun?

Das alles soll nicht heißen, dass Fake News nicht doch ein Problem für unsere Demokratie und den öffentlichen Diskurs darstellen können. Es heißt nur, dass die Lage nicht so schlimm ist, wie etwa manche Politiker befürchten, wenn sie ein Verbot von Fake News fordern.

Ein möglicher Lösungsansatz kommt derweil vonseiten der Tech-Firmen: Facebook etwa versucht, die Nutzer/-innen selbst Fake News melden und die Beiträge dann von einer dritten journalistischen Seite auf Korrektheit prüfen zu lassen. Für Twitter konnten Externer Link: Forscher/-innen nachweisen, dass sich Gerüchte anders verbreiten, als richtige Nachrichten. Und Google hat mehrere Fake News-Seiten aus dem eigenen Werbenetzwerk Adsense verbannt und damit die Seiten-Betreiber/-innen da getroffen, wo sie verwundbar sind: Dem Geldbeutel.

Gelöst wird damit das Problem "Fake News" sicherlich nicht. Schließlich gibt es Propaganda und Gerüchte schon seit langem. Doch in einer intakten politischen Öffentlichkeit mit starken Massenmedien und konsensorientiertem politischen Diskurs, dürften Fake News nur geringe Überlebenschancen haben.

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Jonas Kaiser ist Fellow am Berkman Klein Center der Harvard University und Assoziierter Forscher am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft.