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Die Hochschule für Grafik und Buchkunst | Autonome Kunst in der DDR | bpb.de

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Die Hochschule für Grafik und Buchkunst

Uta Grundmann

/ 3 Minuten zu lesen

Die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig war einerseits das Lehrinstitut des Sozialistischen Realismus und andererseits unmittelbar an der Ausprägung von Gegenentwürfen zu ihren politisch und ideologisch motivierten Strategien beteiligt.

Die Teilnahme an der Demonstration zum 1. Mai war die einzige Verpflichtung der Studenten, auf der Rektor Heisig bestand. Die Studenten fanden jedoch einen Weg, trotz dieser Anordnung ihre persönliche Haltung zu den politischen Verhältnissen zur Anschauung zu bringen: Traditionsgemäß wurde von Studenten ein Objekt für den 1. Mai verfertigt. Das dritte Studienjahr malte 1984 detailgetreu das in jedem öffentlichen Raum befindliche Porträt Erich Honeckers nach – ein damaliger Student: „Alles war eine Spur zu groß – der Kopf, die Brille, das Parteiabzeichen. Und das Lächeln ein bisschen zu selbstgefällig.“ (© Jens Rötzsch)

Die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig ist ohne Zweifel als die einflussreichste Institution des Kunstsystems in der DDR zu betrachten. Sie war einerseits das Lehrinstitut des Sozialistischen Realismus und andererseits unmittelbar an der Ausprägung von Gegenentwürfen zu ihren politisch und ideologisch motivierten Strategien beteiligt. In der Lehre wurde der Realismus in akademisch-konservativer Tradition gepflegt, sei er nun kritisch-veristisch, expressiv oder symbolverdichtet. Die in den 1970er und 1980er Jahren auch in der Bundesrepublik Anerkennung findende Maltradition der "Leipziger Schule“ behauptete dieses Prinzip ungebrochen.

Die exponierte Stellung dieser Schule in der Selbstwahrnehmung der DDR-Kulturpolitik mag der Grund dafür gewesen sein, dass ihren Vertretern eine weitreichende Entscheidungskompetenz und Handlungsautonomie in der Lehre und Ausstellungspolitik zugestanden wurde. Bernhard Heisig, von 1976 bis 1985 Rektor der Hochschule, nutzte den Spielraum weidlich aus. Selbst ein Vertreter dieses Konzepts und vielfach in den Machtapparat verstrickt, war er zugleich ein väterlicher Lehrer, der seine Schüler vor den Angriffen der Kulturfunktionäre in Schutz nahm. In seiner Funktion als Mitglied der SED-Bezirksleitung setzte er sich auch für ein ausgewiesenes Gegenprojekt zur eigenen Doktrin wie den Interner Link: "1. Leipziger Herbstsalon“ ein.

Prof. Bernhard Heisig beim Unterrichten, 1980. (© Bundesarchiv, Bild 183-W0405-0007 / Fotograf: Raphael verehel. Grubitzsch, Waltraud)

Der Zeitpunkt, an dem die realismustreuen Maximen der Leipziger Hochschule ins Wanken gerieten, lässt sich deshalb genau benennen: 1979 engagierte Bernhard Heisig Hartwig Ebersbach als Assistenten der Fachklasse "Angewandte Malerei und Grafik“ von Professor Heinz Wagner und forderte ihn auf, mit seinen Schülern experimentell zu arbeiten. Nicht, dass sich die Verhältnisse plötzlich geändert hätten. Die wenigsten Studenten nahmen das, was in dieser Klasse entstand, zur Kenntnis. Allein die Tatsache ihrer Existenz – gegen die verordnete "Gewerketrennung“ und fixierte Traditionsverbundenheit in der Kunst – sorgte für innerbetriebliche Irritation, und das wurde als wohltuend wahrgenommen. 1981 wurde die "Experimentalklasse“ auf Anweisung des Ministeriums für Kultur wieder geschlossen: Ebersbachs erster Schüler Hans-Joachim Schulze hatte seinem Diplom folgerichtig den Charakter eines "Experiments“ verliehen, für das es keine Maßstäbe der Bewertung und also keine Note gab. Zu diesem Zeitpunkt hatten die künstlerischen Strategien Schulzes ihre Wirkung nach außen aber schon entfaltet.

Durch die Verbindung zu seinem Sammler Peter Ludwig – der seit 1977 große Mengen an DDR-Kunst kaufte und dem dafür Sonderkonditionen des Staatlichen Kunsthandels der DDR gewährt wurden – gelang es Bernhard Heisig auch, die Lehre mit internationalen Ausstellungsaktivitäten in der hochschuleigenen Galerie zu verbinden, die andernorts in der DDR nicht möglich waren und sowohl die künstlerischen Auseinandersetzungen an der Hochschule selbst beeinflussten als auch für die Subkultur Leipzigs und die Kunstlandschaft der DDR Ausstrahlungskraft besaßen. Es wurden Ausstellungen wichtiger Positionen der klassischen Moderne und der westlichen Gegenwartskunst gezeigt, deren Werke zumeist aus den Sammlungen von Ludwig stammten. Die wichtigste Ausstellung dieser Reihe war die Präsentation des Frühwerks von Joseph Beuys (1988), dessen Arbeiten für viele Künstler in der DDR eine besondere Rolle als "Irritationsinstrumente“ (Eugen Blume) spielte. Am Abend der repräsentativen Eröffnung in der Hochschule für Grafik und Buchkunst begann auch der Werkstatt-Zyklus Interner Link: „Nach Beuys“ im Hinterhofgebäude der Interner Link: Galerie Eigen+Art im Leipziger Stadtteil Connewitz.

Quellen / Literatur

Bismarck, Beatrice von/Rink, Christine (Hrsg.): Nur hier? Die Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig 1980–2005. Bielefeld 2005.

Fussnoten

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Geb. 1965, Kunsthistorikerin, arbeitet als freiberufliche Autorin und Lektorin in Berlin.