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Der Weg in den Krieg

Dr. Thomas Vogel

/ 11 Minuten zu lesen

Nachdem Hitler das öffentliche und private Leben "gleichgeschaltet" hatte, begann er, Militär, Wirtschaft und Gesellschaft auf den kommenden Krieg vorzubereiten. Sukzessive Verletzungen des Versailler Vertrags folgten. Spätestens mit der "Zerschlagung der Rest-Tschechei" mussten Frankreich und Großbritannien einsehen, dass ihre Politik der Beschwichtigung gescheitert war.

Hitler lässt das entmilitarisierte Rheinland besetzen: Truppen der Wehrmacht beim Einmarsch in Köln am 7. März 1936. (© Bundesarchiv)

Am 30. Januar 1933 übernahmen Hitler und die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland. Die offene und brutale Verfolgung Andersdenkender sicherte ihre Herrschaft innerhalb weniger Monate. Bald hatten sie das öffentliche und private Leben in ihrem Sinn "gleichgeschaltet".

Rede Adolf Hitlers vom 3. Februar 1933, Abschrift des kommunistischen Nachrichtendienstes. (© BArch, RY 5/I 6/10/88.)

Außenpolitisch verfolgte Hitler nicht weniger radikale Absichten. Schon länger bekannte er, die Deutschland 1919 vom Versailler Friedensvertrag auferlegten Lasten und Beschränkungen auch gewaltsam abschütteln zu wollen. Den neuen Reichskanzler zwang die militärische Schwäche Deutschlands zunächst zur Vorsicht. Nur die Militärführung erfuhr am 3. Februar 1933 sein sehr viel weiter gestecktes Ziel: die Eroberung von "Lebensraum für das deutsche Volk im Osten". Die Generäle nahmen ihn nicht ganz ernst, hörten aber gerne, dass er auf das Militär bauen und es aufrüsten wollte. Frühzeitig also fanden Regime und Militär zueinander; die Weichen in Richtung Krieg waren gestellt.

Gefolgschaft und Kriegskurs in Staatsapparat und Wirtschaft

In der Folgezeit engagierte sich das Militär mit aller Kraft für die Aufrüstungsziele Hitlers, der freilich mehr erwartete: bedingungslose Gefolgschaft. Noch aber bildeten Reichswehr und konservatives Offizierkorps einen relativ eigenständigen und selbstbewussten Machtfaktor im Staat. Mit taktischem Geschick und wenn nötig rücksichtslos nutzte Hitler deshalb jede Gelegenheit, um sich das Militär gefügig zu machen. Hierzu trug zunächst die "Röhm-Affäre" im Sommer 1934 bei. Damals ließ Hitler die SA-Führung ermorden, wofür ihm das Militär Dankbarkeit schuldete. Unangefochten war es nun "alleiniger Waffenträger der Nation". Reichswehrminister Werner von Blomberg zeigte sich schon bald erkenntlich. Sofort nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 2. August 1934 ließ er die Soldaten auf Hitler als neues Staatsoberhaupt vereidigen. Die neue Eidformel verpflichtete sie zu "unbedingtem Gehorsam".

Die Militärführung während des Reichsparteitages der NSDAP im September 1936 in Nürnberg. V.l.n.r.: Generalfeldmarschall von Blomberg (Reichskriegsminister), Generaloberst Freiherr von Fritsch (Oberbefehlshaber des Heeres), Generaladmiral Raeder (Oberbefehlshaber der Kriegsmarine). (© Bundesarchiv)

Ungeachtet der Regimenähe Blombergs untergrub Hitler von Anfang an dessen Position, um selbst mehr Einfluss auf das Militär zu gewinnen. Dabei machte er sich die traditionelle Eigenstellung von Heer und Marine zu Nutze, die sich bei aller Rivalität in ihrer Abneigung gegen ein starkes, in Rüstungsfragen dominierendes Ministerium einig waren. Vor allem die 1935 neu gegründete Luftwaffe unter Hermann Göring spielte Hitler in die Hände, indem sie sich Blomberg verweigerte. Unverändert loyal, wagten Blomberg und auch der Oberbefehlshaber des Heeres, Werner Freiherr von Fritsch, am 7. November 1937 vorsichtige Kritik an Hitlers konkreten Kriegsplänen. Als Blomberg im Januar darauf über seine skandalträchtige Heirat stolperte, ließ Hitler ihn fallen. Wenig später fiel Fritsch einer Intrige der Gestapo zum Opfer und wurde ebenfalls entlassen.

Hitler führte die Blomberg-Fritsch-Affäre nicht absichtlich herbei, doch wusste er sie bestens auszunutzen. Vor allem konnte er nun die militärische Spitze in seinem Sinn neu ordnen. Die Funktion des Kriegsministers übernahm er selbst, damit auch den direkten Oberbefehl über die Wehrmacht. Als seinen persönlichen Militärstab richtete er das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) ein. Dessen Chef Wilhelm Keitel erhielt ebenfalls Ministerrang, aber keine zentrale Führungskompetenz. Die gleichrangigen Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile besaßen weiterhin direktes Zugangsrecht zu Hitler und erhielten ihre Weisungen von ihm über das OKW.

Der günstige Zeitpunkt veranlasste Hitler zu einer größeren personellen "Flurbereinigung". Um die Militärführung zu "verjüngen", wurden zwölf ranghohe Generale entlassen, weitere 50 höhere Offiziere versetzt. Einige galten den Machthabern als reaktionär und politisch unzuverlässig. Außerdem nahm sich Hitler das Außenministerium vor, dessen konservativen Diplomaten er seit jeher misstraute. Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath, der Hitler loyal gedient hatte, aber zuletzt den riskanten Kriegskurs nicht mittragen wollte, wurde am 4. Februar 1938 durch den "strammen" Nationalsozialisten Joachim von Ribbentrop abgelöst.

Ab 1936 Konkurrenten um die Herrschaft über die deutsche Wirtschaft: Hermann Göring (rechts) und Hjalmar Schacht in einer Aufnahme von 1933. (© bpk-images)

Auch die Wirtschaftspolitik musste Hitlers Kriegspolitik dienen. Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht, seit 1935 zugleich "Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft", stellte die deutsche Volkswirtschaft bereits im Frieden zu Kriegszwecken um. Das System der "Wehrwirtschaft" sollte das gesamte Wirtschaftsleben den Aufrüstungszielen und dem Streben nach wirtschaftlicher Autarkie unterordnen. Dennoch ging das Regime nicht zur staatlichen Planwirtschaft über, sondern beschränkte sich auf eine stärkere Regulierung der Marktwirtschaft, was ihm die Sympathien der Unternehmer einbrachte. Vor allem die Großindustrie konnte sich über profitable Rüstungsgeschäfte mit dem Staat freuen. Den Arbeitnehmern brachte die NS-Wirtschaftspolitik zunächst Nachteile. Streikrecht und Freizügigkeit gingen verloren, Löhne und Arbeitsbedingungen wurden diktiert. Doch schließlich profitierten auch sie vom wirtschaftlichen Aufschwung infolge der Aufrüstung. Die 1933 noch hohe Arbeitslosigkeit ging drastisch zurück, freilich auch wegen der Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht und der Arbeitsdienstpflicht. Neue soziale Sicherheit sowie bescheiden wachsender Wohlstand und Konsum versöhnten selbst sozialdemokratische Arbeiter mit dem NS-Regime.

Interner Link: Karten und Grafiken: "Der Weg in den Krieg"

Karten und Grafiken: "Der Weg in den Krieg"

Ende 1937 trat Minister Schacht zurück. Die Politik der Aufrüstung um jeden Preis hatte einen Finanzexperten wie ihn fast zwangsläufig mit Hitler in Konflikt geraten lassen. Entmachtet worden war er schon ein Jahr zuvor, als Hitler seinem engen Gefolgsmann Hermann Göring weitreichende Kompetenzen übertrug. Der Nicht-Fachmann sollte nun als "Bevollmächtigter für den Vierjahresplan" Wehrmacht und Wirtschaft bis 1940 rücksichtslos einsatz- bzw. kriegsfähig machen. Mit brachialen Methoden trieb Göring die Aufrüstung und Selbstversorgung weiter voran, verfehlte jedoch klar die überehrgeizigen Ziele. Von den Rüstungsanstrengungen ausgezehrt, konnten sich die deutsche Volkswirtschaft vor dem Kollaps und der Staat vor dem Bankrott nur in den Krieg retten, den Hitler 1939 vorzeitig begann. Wie vom ihm beabsichtigt, trug bald die Ausbeutung der besetzen Gebiete wesentlich zur Deckung des Rüstungsbedarfs, zur Versorgung der deutschen Bevölkerung und zur staatlichen Schuldentilgung bei.

Außenpolitik und Kriegsvorbereitung

Geheimes Zusatzprotokoll des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages, unterschrieben vom deutschen Außenminister Joachim von Ribbentrop und seinem sowjetischen Kollegen Wjatscheslaw M. Molotow am 23. August 1939. (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes)

Außenpolitische Hemmnisse, die seiner Aufrüstungspolitik entgegenstanden, beseitigte Hitler zunächst mit diplomatischen Mitteln. Noch im Jahr 1933 verließ Deutschland die internationale Abrüstungskonferenz und trat auch aus dem Völkerbund aus. Dass es sich damit außenpolitisch isolierte, nahm Hitler in Kauf, zumal ihm schon Anfang 1934 ein großer Erfolg gelang: Durch den Abschluss eines Nichtangriffsvertrages mit Polen durchkreuzte er französische Bündnispläne und bannte die Gefahr eines Zweifrontenkrieges für Deutschland. Zudem ließ es seine Versöhnungs- und Friedensrhetorik glaubwürdiger erscheinen. Tatsächlich schloss Hitler den Vertrag nur aus taktischen Überlegungen und war von Anfang an bereit, ihn später zu brechen.

Ein früher Versuch, Österreich dem Deutschen Reich einzuverleiben, schlug dagegen fehl. Im Juli scheiterte ein von Hitler unterstützter Staatsstreich österreichischer Nationalsozialisten und führte fast zur militärischen Konfrontation mit dem faschistischen Italien. Bereits ein halbes Jahr später, als sich das Saarland per Volksabstimmung für die Wiedereingliederung in das Deutsche Reich entschied, triumphierte Hitler wieder. Er fühlte sich nun stark genug für ein größeres Wagnis. Am 16. März 1935 verkündete er den "Aufbau der Wehrmacht" und die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht. Dieser offene Bruch des Versailler Vertrages forderte die Siegermächte des Ersten Weltkrieges heraus, doch waren sie zu keinem entschlossenen Vorgehen bereit. Deutschland erreichte wenig später in einem Flottenabkommen sogar britische Zugeständnisse. Hierdurch ermutigt, zerstörte Hitler im März 1936 die Versailler Friedensordnung weiter. Er kündigte den Vertrag von Locarno und ließ – gegen die Bedenken der eigenen Militärführung – das entmilitarisierte Rheinland durch deutsche Truppen besetzen. Frankreich und Großbritannien, deren militärische Überlegenheit Hitler damals noch fürchten musste, protestierten nur schwach dagegen.

QuellentextDas "Hoßbach-Protokoll" vom 5. November 1937

"Anwesend: Der Führer und Reichskanzler, der Reichskriegsminister Generalfeldmarschall von Blomberg, der Oberbefehlshaber des Heeres Generaloberst Freiherr von Fritsch,

der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Generaladmiral Dr. h. c. Raeder,

der Oberbefehlshaber der Luftwaffe Generaloberst Göring, der Reichsminister des Auswärtigen Freiherr von Neurath, Oberst Hoßbach

Der Führer stellte einleitend fest, dass der Gegenstand der heutigen Besprechung von derartiger Bedeutung sei, dass dessen Erörterung in anderen Staaten wohl vor das Forum des Regierungskabinetts gehörte, er - der Führer - sähe aber gerade im Hinblick auf die Bedeutung der Materie davon ab, diese in dem großen Kreise des Reichskabinetts zum Gegenstand der Besprechung zu machen. Seine nachfolgenden Ausführungen seien das Ergebnis eingehender Überlegungen und der Erfahrungen seiner viereinhalbjährigen Regierungszeit; er wolle den anwesenden Herren seine grundlegenden Gedanken über die Entwicklungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten unserer außenpolitischen Lage auseinandersetzen, wobei er im Interesse einer auf weite Sicht eingestellten deutschen Politik seine Ausführungen als seine testamentarische Hinterlassenschaft für den Fall seines Ablebens anzusehen bitte.

Der Führer führte sodann aus:

Das Ziel der deutschen Politik sei die Sicherung und die Erhaltung der Volksmasse und deren Vermehrung. Somit handele es sich um das Problem des Raumes.

Die deutsche Volksmasse verfüge über 85 Millionen Menschen, die nach der Anzahl der Menschen und der Geschlossenheit des Siedlungsraumes in Europa einen in sich so fest geschlossenen Rassekern darstelle, wie er in keinem anderen Land wieder anzutreffen sei und wie er andererseits das Anrecht auf größeren Lebensraum mehr als bei anderen Völkern in sich schlösse. Wenn kein dem deutschen Rassekern entsprechendes politisches Ergebnis auf dem Gebiet des Raumes vorläge, so sei das eine Folge mehrhundertjähriger historischer Entwicklung und bei Fortdauer dieses politischen Zustandes die größte Gefahr für die Erhaltung des deutschen Volkstums auf seiner jetzigen Höhe. Ein Aufhalten des Rückganges des Deutschtums in Österreich und in der Tschechoslowakei sei ebenso wenig möglich als die Erhaltung des augenblicklichen Standes in Deutschland selbst. Statt Wachstum setze Sterilisation ein, in deren Folge Spannungen sozialer Art nach einer Reihe von Jahren einsetzen müssten, weil politische und weltanschauliche Ideen nur solange von Bestand seien, als sie die Grundlage zur Verwirklichung der realen Lebensansprüche eines Volkes abzugeben vermöchten. Die deutsche Zukunft sei daher ausschließlich durch die Lösung der Raumnot bedingt, eine solche Lösung könne naturgemäß nur für eine absehbare, etwa 1-3 Generationen umfassende Zeit gesucht werden.

Bevor er sich der Frage der Behebung der Raumnot zuwende, sei die Überlegung anzustellen, ob im Wege der Autarkie oder einer gesteigerten Beteiligung an der Weltwirtschaft eine zukunftsreiche Lösung der deutschen Lage zu erreichen sei.

Autarkie: Durchführung nur möglich bei straffer nationalsozialistischer Staatsführung, welche die Voraussetzung sei, als Resultat der Verwirklichungsmöglichkeit sei festzustellen:

A. Auf dem Gebiet der Rohstoffe nur bedingte, nicht aber totale Autarkie.

1. Soweit Kohle zur Gewinnung von Rohprodukten in Betracht komme, sei Autarkie durchführbar.

2. Schon auf dem Gebiet der Erze Lage viel schwieriger. Eisenbedarf = Selbstdeckung möglich und Leichtmetall, bei anderen Rohstoffen - Kupfer, Zinn dagegen nicht.

3. Faserstoffe - Selbstdeckung, soweit Holzvorkommen reicht. Eine Dauerlösung nicht möglich.

4. Ernährungsfette möglich.

B. Auf dem Gebiet der Lebensmittel sei die Frage der Autarkie mit einem glatten 'nein' zu beantworten.

Mit der allgemeinen Steigerung des Lebensstandards sei gegenüber den Zeiten vor 30-40 Jahren eine Steigerung des Bedarfs und ein gesteigerter Eigenkonsum auch der Produzenten, der Bauern, Hand in Hand gegangen. Die Erlöse der landwirtschaftlichen Produktionssteigerung seien in die Deckung der Bedarfssteigerung übergegangen, stellten daher keine absolute Erzeugungssteigerung dar. Eine weitere Steigerung der Produktion unter Anspannung des Bodens, der infolge der Kunstdüngung bereits Ermüdungserscheinungen aufweise, sei kaum noch möglich und daher sicher, dass selbst bei höchster Produktionssteigerung eine Beteiligung am Weltmarkt nicht zu umgehen sei. Der schon bei guten Ernten nicht unerhebliche Ansatz von Devisen zur Sicherstellung der Ernährung durch Einfuhr steigere sich bei Missernten zu katastrophalem Ausmaß. Die Möglichkeit der Katastrophe wachse in dem Maße der Bevölkerungszunahme, wobei der Geburtenüberschuss von jährlich 560 000 auch insofern einen erhöhten Brotkonsum im Gefolge habe, da das Kind ein stärkerer Brotesser als der Erwachsene sei.

Den Ernährungsschwierigkeiten durch Senkung des Lebensstandards und durch Rationalisierung auf die Dauer zu begegnen, sei in einem Erdteil annähernd gleicher Lebenshaltung unmöglich. Seitdem mit Lösung des Arbeitslosenproblems die volle Konsumkraft in Wirkung getreten sei, wären wohl noch kleine Korrekturen unserer landwirtschaftlichen Eigenproduktion, nicht aber eine tatsächliche Änderung der Ernährungsgrundlage möglich. Damit sei die Autarkie sowohl auf dem Ernährungsgebiet als auch in der Totalität hinfällig.

Beteiligung an der Weltwirtschaft: Ihr seien Grenzen gezogen, die wir nicht zu beheben vermöchten. Einer sicheren Fundierung der deutschen Lage ständen die Konjunkturschwankungen entgegen, die Handelsverträge böten keine Gewähr für die praktische Durchführung. insbesondere sei grundsätzlich zu bedenken, dass seit dem Weltkrieg eine Industrialisierung gerade früherer Ernährungsausfuhrländer stattgefunden habe. Wir lebten im Zeitalter wirtschaftlicher Imperien, in welchem der Trieb zur Kolonisierung sich wieder dem Urzustand nähere; bei Japan und Italien lägen dem Ausdehnungsdrang wirtschaftliche Motive zu Grunde ebenso wie auch für Deutschland die wirtschaftliche Not den Antrieb bilden würde. Für Länder außerhalb der großen Wirtschaftsreiche sei die Möglichkeit wirtschaftlicher Expansion besonders erschwert.

Der durch die Rüstungskonjunkturen verursachte Auftrieb in der Weltwirtschaft könne niemals die Grundlage zu einer wirtschaftlichen Regelung für einen längeren Zeitraum bilden, welch letzterer vor allem auch die vom Bolschewismus ausgehenden Wirtschaftszerstörungen im Wege stünden. Es sei eine ausgesprochene militärische Schwäche derjenigen Staaten, die ihre Existenz auf dem Außenhandel aufbauten. Da unser Außenhandel über die durch England beherrschten Seegebiete führe, sei es mehr eine Frage der Sicherheit des Transportes als eine solche der Devisen, woraus die große Schwäche unserer Ernährungssituation im Kriege erhelle. Die einzige, uns vielleicht traumhaft erscheinende Abhilfe läge in der Gewinnung eines größeren Lebensraumes, ein Streben, das zu allen Zeiten die Ursache der Staatenbildungen und Völkerbewegungen gewesen sei. Dass dieses Streben in Genf und bei den gesättigten Staaten keinem Interesse begegne, sei erklärlich. Wenn die Sicherheit unserer Ernährungslage im Vordergrund stände, so könne der hierfür notwendige Raum nur in Europa gesucht werden, nicht aber ausgehend von liberalistisch-kapitalistischen Auffassungen in der Ausbeutung von Kolonien. Es handele sich nicht um die Gewinnung von Menschen, sondern von landwirtschaftlich nutzbarem Raum. Auch die Rohstoffgebiete seien zweckmäßiger im unmittelbaren Anschluss an das Reich in Europa und nicht in Übersee zu suchen, wobei die Lösung sich für ein bis zwei Generationen auswirken müsse. Was darüber hinaus in späteren Zeiten notwendig werden sollte, müsse nachfolgenden Geschlechtern überlassen bleiben. Die Entwicklung großer Weltgebilde gehe nun einmal langsam vor sich, das deutsche Volk mit seinem starken Rassekern finde hierfür die günstigsten Voraussetzungen inmitten des europäischen Kontinents. Dass jede Raumerweiterung nur durch Brechen von Widerstand und unter Risiko vor sich gehen könne, habe die Geschichte aller Zeiten - Römisches Weltreich, Englisches Empire - bewiesen. Auch Rückschläge seien unvermeidbar. Weder früher noch heute habe es herrenlosen Raum gegeben, der Angreifer stoße stets auf den Besitzer.

Für Deutschland laute die Frage, wo größter Gewinn unter geringstem Einsatz zu erreichen sei.

Die deutsche Politik habe mit den beiden Hassgegnern England und Frankreich zu rechnen, denen ein starker deutscher Koloss inmitten Europas ein Dorn im Auge sei, wobei beide Staaten eine weitere deutsche Erstarkung sowohl in Europa als auch in Übersee ablehnten und sich in dieser Ablehnung auf die Zustimmung aller Parteien stützen könnten. In der Errichtung deutscher militärischer Stützpunkte in Übersee sähen beide Länder eine Bedrohung ihrer Überseeverbindungen, eine Sicherung des deutschen Handels und rückwirkend eine Stärkung der deutschen Position in Europa.

England könne aus seinem Kolonialbesitz infolge des Widerstandes der Dominien keine Abtretungen an uns vornehmen. Nach dem durch Übergang Abessiniens in italienischen Besitz eingetretenen Prestigeverlust Englands sei mit einer Rückgabe Ostafrikas nicht zu rechnen. Das Entgegenkommen Englands werde sich bestenfalls in dem Anheimstellen äußern, unsere kolonialen Wünsche durch Wegnahme solcher Kolonien zu befriedigen, die sich z.Z. in nicht englischem Besitz befänden z. B. Angola -. In der gleichen Linie werde sich das französische Entgegenkommen bewegen.

Eine ernsthafte Diskussion wegen der Rückgabe von Kolonien an uns käme nur zu einem Zeitpunkt in Betracht, in dem England sich in einer Notlage befände und das deutsche Reich stark und gerüstet sei. Die Auffassung, dass das Empire unerschütterlich sei, teile der Führer nicht. Die Widerstände gegen das Empire lägen weniger in den eroberten Ländern als bei den Konkurrenten. Das Empire und das Römische Weltreich seien hinsichtlich der Dauerhaftigkeit nicht vergleichbar; dem letzteren habe seit den punischen Kriegen kein machtpolitischer Gegner ernsthafteren Charakters gegenüber gestanden. Erst die vom Christentum ausgehende auflösende Wirkung und die sich bei jedem Staat einstellenden Alterserscheinungen hätten das alte Rom dem Ansturm der Germanen erliegen lassen.

Neben dem englischen Empire ständen schon heute eine Anzahl ihm überlegener Staaten. Das englische Mutterland sei nur im Bunde mit anderen Staaten, nicht aus eigener Kraft in der Lage, seinen Kolonialbesitz zu verteidigen. Wie solle England allein z. B. Kanada gegen einen Angriff Amerikas, seine ostasiatischen Interessen gegen einen solchen Japans verteidigen!

Das Herausstellen der englischen Krone als Träger des Zusammenhaltes des Empire sei bereits das Eingeständnis, dass das Weltreich machtpolitisch auf die Dauer nicht zu halten sei. Bedeutungsvolle Hinweise in dieser Richtung seien:

a) Das Streben Irlands nach Selbständigkeit.

b) Die Verfassungskämpfe in Indien, wo England durch seine halben Maßnahmen den Indern die Möglichkeit eröffnet habe, späterhin die Nichterfüllung der verfassungsrechtlichen Versprechungen als Kampfmittel gegen England zu benutzen.

c) Die Schwächung der englischen Position in Ostasien durch Japan.

d) Der Gegensatz im Mittelmeer zu Italien, welches - unter Berufung auf seine Geschichte, getrieben aus Not und geführt durch ein Genie - seine Machtstellung ausbaue und sich hierdurch in zunehmendem Maße gegen englische Interessen wen den müsse. Der Ausgang des abessinischen Krieges sei ein Prestigeverlust Englands, den Italien durch Schüren in der mohammedanischen Welt zu vergrößern bestrebt sei.

In summa sei festzustellen, dass trotz aller ideeeller Festigkeit das Empire machtpolitisch auf die Dauer nicht mit 45 Millionen Engländern zu halten sei. Das Verhältnis der Bevölkerungszahl des Empires zu der des Mutterlandes von 9 : 1 sei eine Warnung für uns, bei Raumerweiterungen nicht die in der eigenen Volkszahl liegende Plattform zu gering werden zu lassen.

Die Stellung Frankreichs sei günstiger als die Englands. Das französische Reich sei territorial besser gelagert, die Einwohner seines Kolonialbesitzes stellten einen militärischen Machtzuwachs dar. Aber Frankreich gehe innenpolitischen Schwierigkeiten entgegen. Im Leben der Völker nehmen die parlamentarische Regierungsform etwa 10%, die autoritäre etwa 90% der Zeit ein. Immerhin seien heute in unsere politischen Berechnungen als Machtfaktoren einzusetzen: England, Frankreich, Russland und die angrenzenden kleineren Staaten.

Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur den Weg der Gewalt geben, dieser niemals risikolos sein. Die Kämpfe Friedrichs d.Gr. um Schlesien und die Kriege Bismarcks gegen Österreich und Frankreich seien von unerhörtem Risiko gewesen und die Schnelligkeit des preußischen Handelns 1870 habe Österreich vom Eintritt in den Krieg ferngehalten. Stelle man an die Spitze der nachfolgenden Ausführungen den Entschluss zur Anwendung von Gewalt unter Risiko, dann bleibe noch die Beantwortung der Fragen 'wann' und wie. Hierbei seien drei Fälle zu entscheiden:

Fall 1: Zeitpunkt 1943-1945.

Nach dieser Zeit sei nur noch eine Veränderung zu unseren Ungunsten zu erwarten.

Die Aufrüstung der Armee, Kriegsmarine, Luftwaffe sowie die Bildung des Offizierkorps seien annähernd beendet. Die materielle Ausstattung und Bewaffnung seien modern, bei weiterem Zuwarten läge die Gefahr ihrer Veraltung vor. Besonders der Geheimhaltungsschutz der 'Sonderwaffen' ließe sich nicht immer aufrechterhalten. Die Gewinnung von Reserven beschränke sich auf die laufenden Rekrutenjahrgänge, ein Zusatz aus älteren unausgebildeten Jahrgängen sei nicht mehr verfügbar.

Im Verhältnis zu der bis dahin durchgeführten Aufrüstung der Umwelt nähmen wir an relativer Stärke ab. Wenn wir bis 1943/45 nicht handelten, könne infolge des Fehlens von Reserven jedes Jahr die Ernährungskrise bringen, zu deren Behebung ausreichende Devisen nicht verfügbar seien. Hierin sei ein 'Schwächungsmoment des Regimes' zu erblicken. Zudem erwarte die Welt unseren Schlag und treffe ihre Gegenmaßnahmen von Jahr zu Jahr mehr. Während die Umwelt sich abriegele, seien wir zur Offensive gezwungen.

Wie die Lage in den Jahren 1943/45 tatsächlich sein würde, wisse heute niemand. Sicher sei nur, dass wir nicht länger warten können.

Auf der einen Seite die große Wehrmacht mit der Notwendigkeit der Sicherstellung ihrer Unterhaltung, das Älterwerden der Bewegung und ihrer Führer, auf der anderen Seite die Aussicht auf Senkung des Lebensstandards und auf Geburteneinschränkung ließen keine andere Wahl als zu handeln. Sollte der Führer noch am Leben sein, so sei es sein unabänderlicher Entschluss, spätestens 1943/45 die deutsche Raumfrage zu lösen. Die Notwendigkeit zum Handeln vor 1943/45 käme im Fall 2 und 3 in Betracht.

Fall 2:

Wenn die sozialen Spannungen in Frankreich sich zu einer derartigen innenpolitischen Krise auswachsen sollten, dass durch letztere die französische Armee absorbiert und für eine Kriegsverwendung gegen Deutschland ausgeschaltet würde, sei der Zeitpunkt zum Handeln gegen die Tschechei gekommen.

Fall 3:

Wenn Frankreich durch einen Krieg mit einem anderen Staat so gefesselt ist, dass es gegen Deutschland nicht 'vorgehen' kann.

Zur Verbesserung unserer militär-politischen Lage müsse in jedem Fall einer kriegerischen Verwicklung unser 1. Ziel sein, die Tschechei und gleichzeitig Österreich niederzuwerfen, um die Flankenbedrohung eines etwaigen Vorgehens nach Westen auszuschalten. Bei einem Konflikt mit Frankreich sei wohl nicht damit zu rechnen, dass die Tschechei am gleichen Tage wie Frankreich uns den Krieg erklären würde. In dem Maße unserer Schwächung würde jedoch der Wille zur Beteiligung am Kriege in der Tschechei zunehmen, wobei ihr Eingreifen sich durch einen Angriff nach Schlesien, nach Norden oder nach Westen bemerkbar machen könne.

Sei die Tschechei niedergeworfen, eine gemeinsame Grenze Deutschland-Ungarn gewonnen, so könne eher mit einem neutralen Verhalten Polens in einem deutsch-französischen Konflikt gerechnet werden. Unsere Abmachungen mit Polen behielten nur solange Geltung als Deutschlands Stärke unerschüttert sei. bei deutschen Rückschlägen müsse ein Vorgehen Polens gegen Ostpreußen, vielleicht auch gegen Pommern und Schlesien in Rechnung gestellt werden.

Bei Annahme einer Entwicklung der Situation, die zu einemplanmäßigen Vorgehen unsererseits in den Jahren 1943/45 führe, sei das Verhalten Frankreichs, Englands, Italiens, Polens, Russlands voraussichtlich folgendermaßen zu beurteilen:

An sich glaube der Führer, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit England, voraussichtlich aber auch Frankreich die Tschechen bereits im Stillen abgeschrieben und sich damit abgefunden hätten, dass diese Frage eines Tages durch Deutschland bereinigt würde. Die Schwierigkeiten des Empire und die Aussicht in einen lang währenden europäischen Krieg erneut verwickelt zu werden, seien bestimmend für eine Nichtbeteiligung Englands an einem Kriege gegen Deutschland. Die englische Haltung werde gewiss nicht ohne Einfluss auf die Frankreichs sein. Ein Vorgehen Frankreichs ohne die englische Unterstützung und in der Voraussicht, dass seine Offensive an unseren Westbefestigungen sich festlaufe, sei wenig wahrscheinlich. Ohne die Hilfe Englands sei auch nicht mit einem Durchmarsch Frankreichs durch Belgien und Holland zu rechnen, der auch bei einem Konflikt mit Frankreich für uns außer Betracht bleiben müsse, da es in jedem Fall die Feindschaft Englands zur Folge haben müsste. Naturgemäß sei eine Abriegelung im Westen in jedem Fall während der Durchführung unseres Angriffs gegen die Tschechei und Österreich notwendig. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Verteidigungsmaßnahmen der Tschechei von Jahr zu Jahr an Stärke zunähmen und dass auch eine Konsolidierung der inneren Werte der österreichischen Armee im Laufe der Jahre stattfände. Wenn auch die Besiedelung insbesondere der Tschechei keine dünne sei, so könne die Einverleibung der Tschechei und Österreichs den Gewinn von Nahrungsmitteln für 5-6 Millionen Menschen bedeuten unter Zugrundelegung, dass eine zwangsweise Emigration aus der Tschechei von zwei, aus Österreich von einer Million Menschen zur Durchführung gelange. Die Angliederung der beiden Staaten an Deutschland bedeute militär-politisch eine wesentliche Entlastung infolge kürzerer, besserer Grenzziehung, Freiwerdens von Streitkräften für andere Zwecke und der Möglichkeit der Neuaufstellung von Truppen bis in Höhe von etwa 12 Divisionen, wobei auf 1 Million Einwohner eine neue Division entfalle.

Von der Seite Italiens sei[en] gegen die Beseitigung der Tschechei keine Einwendungen zu erwarten, wie dagegen seine Haltung in der österreichischen Frage zu bewerten sei, entziehe sich der heutigen Beurteilung und sei wesentlich davon abhängig, ob der Duce noch am Leben sei.

Das Maß der Überraschung und der Schnelligkeit unseres Handelns sei für die Stellungnahme Polens entscheidend. Gegen ein siegreiches Deutschland wird Polen - mit Russland im Rücken - wenig Neigung haben, in den Krieg einzutreten. Einem militärischen Eingreifen Russlands müsse durch die Schnelligkeit unserer Operationen begegnet werden; ob ein solches überhaupt in Betracht kommen werde, sei angesichts der Haltung Japans mehr als fraglich.

Trete der Fall 2 - Lahmlegung Frankreichs durch einen Bürgerkrieg - ein, so sei infolge Ausfall des gefährlichsten Gegners die Lage jederzeit zum Schlag gegen die Tschechei auszunutzen.

In gewissere Nähe sähe der Führer den Fall 3 gerückt, der sich aus den derzeitigen Spannungen im Mittelmeer entwickeln könne und den er eintretendenfalls zu jedem Zeitpunkt, auch bereits im Jahre 1938, auszunutzen entschlossen sei ... Wenn Deutschland diesen Krieg zur Erledigung der tschechischen und österreichischen Frage ausnutze, so sei mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass England - im Kriege mit Italien liegend - sich nicht zu einem Vorgehen gegen Deutschland entschließen würde. Ohne die englische Unterstützung sei eine kriegerische Handlung Frankreichs gegen Deutschland nicht zu erwarten.

Der Zeitpunkt unseres Angriffs auf die Tschechei und Österreich müsse abhängig von dem Verlauf des italienisch-englischfranzösischen Krieges gemacht werden und läge nicht etwa gleichzeitig mit der Eröffnung der kriegerischen Handlungen dieser drei Staaten. Der Führer denke auch nicht an militärische Abmachungen mit Italien, sondern wolle in eigener Selbständigkeit und unter Ausnutzung dieser sich nur einmal bietenden günstigen Gelegenheit den Feldzug gegen die Tschechei beginnen und durchführen, wobei der Überfall auf die Tschechei 'blitzartig schnell' erfolgen müsse.

Feldmarschall von Blomberg und Generaloberst von Fritsch wiesen bei der Beurteilung der Lage wiederholt auf die Notwendigkeit hin, dass England und Frankreich nicht als unsere Gegner auftreten dürften, und stellten fest, dass durch den Krieg gegen Italien das französische Heer nicht in dem Umfange gebunden sei, dass es nicht noch mit Überlegenheit all unserer Westgrenze auf den Plan treten könne. Die mutmaßlich an der Alpengrenze gegenüber Italien zum Einsatz gelangenden französischen Kräfte veranschlagte Generaloberst von Fritsch auf etwa 20 Divisionen, so dass immer noch eine starke französische Überlegenheit an unserer Westgrenze bliebe, der als Aufgabe nach deutschem Denken der Einmarsch in das Rheinland zu unterstellen sei, wobei noch besonders der Vorsprung Frankreichs in der Mobilmachung in Rechnung zu stellen und zu berücksichtigen sei, dass abgesehen von dem ganz geringen Wert unseres derzeitigen Standes der Befestigungsanlagen - worauf Feldmarschall von Blomberg besonders hinwies - die für den Westen vorgesehenen vier mot[orisierten] Divisionen mehr oder weniger bewegungsunfähig seien. Hinsichtlich unserer Offensive nach Südosten machte Feldmarschall von Blomberg nachdrücklich auf die Stärke der tschechischen Befestigungen aufmerksam, deren Ausbau den Charakter einer Maginot-Linie angenommen hätte und unseren Angriff aufs Äußerste erschwere.

Generaloberst von Fritsch erwähnte, dass es gerade Zweck einer durch ihn angeordneten Studie dieses Winters sei, die Möglichkeiten der Führung der Operationen gegen die Tschechei unter besonderer Berücksichtigung der Überwindung des tschechischen Festungssystems zu untersuchen; der Generaloberst brachte ferner zum Ausdruck, dass er unter den obwaltenden Verhältnissen davon absehen müsse, seinen am 10. 11. beginnenden Auslandsurlaub durchzuführen. Diese Absicht lehnte der Führer mit der Begründung ab, dass die Möglichkeit des Konfliktes noch nicht als so nahe bevorstehend anzusehen sei. Gegenüber dem Einwand des Außenministers, dass ein italienisch- englisch-französischer Konflikt noch nicht in so greifbarer Nähe sei als es der Führer anzunehmen schiene, stellte der Führer als den ihm hierfür möglich erscheinenden Zeitpunkt den Sommer 1938 hin. Zu den seitens des Feldmarschalls von Blomberg und des Generalobersten von Fritsch hinsichtlich des Verhaltens Englands und Frankreichs angestellten Überlegungen äußerte der Führer in Wiederholung seiner bisherigen Ausführungen, dass er von der Nichtbeteiligung Englands über zeugt sei und daher an eine kriegerische Aktion Frankreichs gegen Deutschland nicht glaube. Sollte der in Rede stehende Mittelmeerkonflikt zu einer allgemeinen Mobilmachung in Europa fuhren, so sei unsererseits sofort gegen die Tschechei anzutreten, sollten dagegen die am Kriege nicht beteiligten Mächte ihr Desinteressement erklären, so habe sich Deutschland diesem Verhalten zunächst anzuschließen.

Generaloberst Göring hielt angesichts der Ausführungen des Führers es für geboten, an einen Abbau unseres militärischen Spanienunternehmens zu denken. Der Führer stimmt dem insoweit zu, als er den Entschluss einem geeigneten Zeitpunkt vorbehalten zu glauben solle.

Der zweite Teil der Besprechungen befasste sich mit materiellen Rüstungsfragen.

Für die Richtigkeit: Oberst d. G. gez. Hoßbach"

Das "Hoßbach-Protokoll" ist die Niederschrift von Oberst Friedrich Hoßbach, Hitlers Wehrmacht-Adjutant, über eine Besprechung am 5. November 1937 in der Berliner Reichkanzlei, bei der Hitler den anwesenden Spitzen aus Regierung und Militär die Grundzüge seiner Kriegspolitik erläuterte. Nach dem Krieg diente sie in den Nürnberger Prozessen als Beweismittel, um die Angeklagten der Vorbereitung eines Angriffskrieges zu überführen.

Quelle: Akten zur deutschen auswärtigen Politik (ADAP), Serie D, Bd. 1, Baden-Baden 1950, S. 25-32.

In Deutschland war der "Schmachfrieden" von Versailles weithin als Unrecht empfunden worden. Sein fortgesetzter Triumph über die Siegermächte des Ersten Weltkrieges verschaffte Hitler deshalb große Zustimmung und wachsendes Ansehen unter den Deutschen. Kritik an der Gewalttätigkeit des NS-Regimes im Inneren konnte sich unter diesen Umständen nicht durchsetzen. Gleichzeitig täuschte Hitler mit Friedensbeteuerungen und diplomatischen Winkelzügen die deutsche wie internationale Öffentlichkeit über seine wahren Absichten. Die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin boten ihm eine geeignete Bühne, um sich und das nationalsozialistische Deutschland im günstigen Licht darzustellen.

Zwei Diktatoren haben sich gefunden: Der deutscher "Führer" Adolf Hitler und der italienische "Duce" Benito Mussolini, hier in einer Aufnahme von 1937, repräsentieren seit 1936 die "Achse Berlin-Rom". (© sz-photo)

Seine inzwischen gefestigte Position erlaubte es Hitler, ein internationales Bündnissystem zu schmieden, das seinen weitreichenden Kriegsplänen dienen sollte. Von seinem "Wunschpartner" Großbritannien abgewiesen, fand er in anderen faschistischen und rechts-autoritäten Regimen natürliche Verbündete gegen seinen ideologischen Hauptfeind, die Sowjetunion. Dem mit dieser Zielrichtung gegründeten Antikominternpakt traten Ende 1936/Anfang 1937 Japan und Italien bei. Japan war durch seine kriegerische Expansionspolitik in Ostasien seit Anfang der 1930er-Jahre selbst in einen Gegensatz zur Sowjetunion geraten. Am wichtigsten erwies sich für Hitler der politische Ausgleich mit Italien, dessen "Duce" Benito Mussolini er als Vorbild betrachtete. Beide Diktatoren verkündeten im Herbst 1936 die "Achse Berlin-Rom", aus der sich bis Kriegsausbruch ein formales Bündnis entwickelte.

Die neue Partnerschaft fand

Bomber der Legion Condor mit ihren typischen Hoheitszeichen auf einem Feldflugplatz in Spanien, ca. 1937/38. (© sz-photo)

sogleich ein gemeinsames Aktionsfeld. Beide "Achsenmächte" griffen ab Mitte 1936 in den Spanischen Bürgerkrieg zu Gunsten der putschenden Militärs unter Francisco Franco ein. Ein deutsches Expeditionskorps ("Legion Condor") trug nicht wenig zum Sieg Francos im Frühjahr 1939 bei, der danach dem Antikominternpakt beitrat. Die Wehrmacht sammelte durch die "Legion Condor" wertvolle Erfahrungen mit neuen Waffen und Einsatzverfahren unter Kriegsbedingungen. Ihr rücksichtsloser Luftangriff auf die baskische Stadt Guernica wies bereits in die Zukunft.

"Anschluss" Österreichs: Deutsche Truppen überschreiten am 13. März 1938 die österreichische Grenze in Schärding. (© Bundesarchiv)

Das Hauptziel von Hitlers zunehmend aggressiver Außenpolitik waren Deutschlands Nachbarn im Osten und Südosten. Im Inneren von Nationalsozialisten unterwandert und außenpolitisch weitgehend isoliert, ergab sich Österreich dem deutschen Einmarsch am 12. März 1938 kampflos. Seinen "Anschluss" an das Deutsche Reich verkündete Hitler tags darauf in Wien unter dem Beifall einer großen Menschenmenge.

Plakatwerbung für die Volksabstimmung über die "Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich", die gleichzeitig mit der Wahl zum "Großdeutschen Reichstag" am 10. April 1938 durchgeführt wurde. In dieser Scheinwahl "gewann" die NSDAP 99,1 Prozent der Stimmen und alle Sitze im Reichstag. (© Bundesarchiv)

Gegen die erneute Verletzung des Versailler Vertrages protestierten Frankreich und Großbritannien wiederum nur schwach.

Auf eine Art Anschluss Österreichs hatte Hitler jahrelang hingearbeitet. Dagegen entschloss er sich Ende 1937 relativ spontan, bei günstiger Gelegenheit die mit Frankreich verbündete Tschechoslowakei "auszuschalten". Seitdem ließ er insgeheim den Krieg gegen sie vorbereiten. Propagandistisch und diplomatisch trieb er die Regierung in Prag mit unerfüllbaren Forderungen in die Enge, vor allem jener nach Abtretung der überwiegend deutsch besiedelten Sudetengebiete. Der drohende Krieg rief im Sommer 1938 Frankreich und Großbritannien auf den Plan. Weil beide Länder letztlich nicht kriegsbereit waren, gaben sie Ende September 1938 auf der Münchner Konferenz Hitlers Forderungen nach.

Vorbereitung der Münchener Konferenz: Hitler (links) empfängt am 16. September 1938 auf seiner Residenz "Berghof" den britischen Premierminister Neville Chamberlain (Mitte). Rechts, Außenminister Joachim von Ribbentrop. (© Bundesarchiv)

Ohne den Rückhalt ihrer Schutzmächte sah sich auch die tschechische Regierung hierzu genötigt, worauf die Wehrmacht umgehend das Sudetenland besetzte.

Ein halbes Jahr später offenbarte Hitler der Welt auf skrupellose Weise sein eigentliches Ziel. Aus fadenscheinigen Gründen brach er sein Versprechen von München, die Tschechoslowakei nach ihren Abtretungen unangetastet zu lassen. Schon kurz danach hatte er die Wehrmacht insgeheim mit der "Zerschlagung der Rest-Tschechei" beauftragt. Am 15. März 1939 war es soweit:

Öffentliche Ankündigung der Ende September 1938 stattfindenden Münchener Konferenz, auf der über das Schicksal der Tschechoslowakei entschieden wurde. (© Bundesarchiv)

Von Hitler erpresst, ergaben sich das Land und seine Armee der einmarschierenden Wehrmacht kampflos. Böhmen und Mähren wurden schnell besetzt und als "Protektorat" unter deutsche Aufsicht gestellt, die Slowakei abgetrennt und zu einem deutschen Satellitenstaat faschistischer Prägung umgebildet.

Das Finale zum Krieg

Frankreich und Großbritannien mussten einsehen, dass ihre Politik der Beschwichtigung ("Appeasement") gescheitert war. Angesichts eines offenbar unersättlichen Diktators waren beide Westmächte nicht länger zum Frieden um jeden Preis bereit. Am 30. März 1939 gaben sie Garantieerklärungen für Polen ab, das sich als nächstes Land deutschen Forderungen ausgesetzt sah. Man stellte sich auf einen Krieg mit Deutschland ein und verstärkte die Rüstungsanstrengungen. Tatsächlich fasste Hitler bereits im März 1939 den Entschluss zum Krieg gegen Polen, weil es seine Forderungen bezüglich Danzig und des Danziger Korridors zurückwies und ein Bündnis mit Deutschland verweigerte. Die Garantien der Westmächte für Polen nahm er nicht ernst. Ihre bis dahin gezeigte Nachgiebigkeit sagte ihm, dass sie weiterhin einen "großen" Krieg scheuen würden, vor allem wenn ein deutscher Sieg über Polen schnell Fakten schaffte. Am 3. April 1939 beauftragte er die Wehrmacht, ab dem 1. September für den Angriff bereit zu sein ("Fall Weiß"). Ende April kündigte er den deutsch-polnischen Nichtangriffsvertrag.

QuellentextHitler über seine grundlegende politisch-militärische Strategie im August 1939

"Alles, was ich unternehme, ist gegen Russland gerichtet; wenn der Westen zu dumm und zu blind ist, um dies zu begreifen, werde ich gezwungen sein, mich mit den Russen zu verständigen, den Westen zu schlagen, und dann nach seiner Niederlage mich mit meinen versammelten Kräften gegen die Sowjetunion zu wenden. Ich brauche die Ukraine, damit man uns nicht wieder wie im letzten Kriege aushungern kann."

Hitler über seine grundlegende politisch-militärische Strategie, geäußert gegenüber dem Schweizer Carl Jacob Burckhardt, Hoher Kommissar des Völkerbundes für die Freie Stadt Danzig, bei dessen Besuch in Hitlers Residenz "Berghof" (Obersalzberg) am 11. August 1939. Die Glaubwürdigkeit dieser Überlieferung wird auch angezweifelt. In jedem Fall gibt das Zitat die Strategie Hitlers, wie sie aus zahlreichen anderen Fakten rekonstruiert werden kann, treffend wieder.

Quelle: Carl Jacob Burckhardt, Meine Danziger Mission 1937-1939, München 1960, S. 348.

Ausgabe der nationalsozialistischen "Hohenloher Rundschau" vom 1. September 1939 mit Berichten über angebliche Grenzverletzungen durch Polen und mit ersten deutschen Siegesmeldungen. (© Public Domain)

Die nachfolgende Entwicklung stellte Hitlers außenpolitisches Kalkül in Frage. Denn die Westmächte zeigten sich fest entschlossen, ihm diesmal Widerstand entgegenzusetzen. Die britische Regierung nahm sogar Verhandlungen mit der Sowjetunion auf, um sie in eine große Allianz gegen Deutschland einzubinden. Gleichzeitig zerschlugen sich Hitlers Hoffnungen auf Verbündete. Italien ging zwar am 22. Mai 1939 ein Militärbündnis mit Deutschland ein ("Stahlpakt"), verweigerte aber seinen Beistand für den Fall eines Krieges mit den Westmächten. Und Japan trat dem "Stahlpakt" gar nicht erst bei.

Um seine Absicht nicht aufgeben zu müssen, vollzog Hitler im Sommer 1939 eine politische Kehrtwende: Er suchte das Bündnis mit seinem ideologischen Todfeind, der Sowjetunion, als er günstige Vorzeichen hierfür sah. Nach kurzen Verhandlungen überraschten beide Mächte die Welt am 23. August mit dem Abschluss eines Nichtangriffsvertrages. In einem geheimen Zusatzprotokoll grenzten sie ihre Interessensphären in Osteuropa ab und teilten Polen unter sich auf. Hitler hatte damit nicht nur im Osten freie Hand gegen Polen, sondern in Stalin sogar einen aktiven Partner gewonnen. Seine Motive und damit seine grundlegende Strategie

verriet er im vertraulichen Gespräch dem Schweizer Diplomaten Carl J. Burckhardt.

Mit diplomatischen Manövern verschleierte die deutsche Seite in den letzten Augusttagen ihren bereits laufenden Truppenaufmarsch. Um in der eigenen Bevölkerung Kriegsbegeisterung zu wecken, schürte die NS-Propaganda schon seit Wochen die antipolnische Stimmung. Übergriffe gegen "Volksdeutsche" in Polen wurden zu Gräuelmärchen aufgebauscht. Um einen Vorwand für den Angriff bemüht, inszenierten schließlich SS-Agenten in polnischen Uniformen Verletzungen der deutschen Grenze. Mit gespielter Empörung verkündete Hitler am 1. September 1939 vor dem Reichstag, dass seit dem frühen Morgen "zurückgeschossen" werde. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen.

QuellentextErklärung Hitlers vor dem Reichstag am 1. September 1939 zum deutschen Überfall auf Polen

"[…] Ich habe daher gestern Abend der britischen Regierung mitgeteilt, dass ich unter diesen Umständen auf Seiten der polnischen Regierung keine Geneigtheit mehr finden kann, mit uns in ein wirklich ernstes Gespräch einzutreten.
Damit sind diese Vermittlungsvorschläge gescheitert. Denn unterdes war als Antwort auf diesen Vermittlungsvorschlag erstens die polnische Generalmobilmachung gekommen und zweitens neue schwere Gräueltaten. Diese Vorgänge haben sich nun heute Nacht abermals wiederholt. Nachdem schon neulich in einer einzigen Nacht 21 Grenzzwischenfälle zu verzeichnen waren, sind es heute Nacht 14 gewesen, darunter drei ganz schwere.

Ich habe mich daher nun entschlossen, mit Polen in der gleichen Sprache zu reden, die Polen seit Monaten uns gegenüber anwendet.
(Die Abgeordneten erheben sich und bringen dem Führer stürmische Ovationen.)

Wenn nun Staatsmänner im Westen erklären, dass dies ihre Interessen berühre, so kann ich eine solche Erklärung nur bedauern. Sie kann mich aber nicht eine Sekunde in der Erfüllung meiner Pflicht wankend machen.
(Bravorufe und Händeklatschen)

Ich habe es feierlich versichert und wiederhole es, dass wir von diesen Weststaaten nichts fordern und nie etwas fordern werden. Ich habe versichert, dass die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland eine endgültige ist. Ich habe England immer wieder eine Freundschaft und, wenn notwendig, das engste Zusammengehen angeboten. Aber Liebe kann nicht nur von einer Seite geboten werden, sie muss von der anderen ihre Erwiderung finden. Deutschland hat keine Interessen im Westen. Unser Westwall ist zugleich für alle Zeiten die Grenze des Reiches. Wir haben auch keinerlei Ziel für die Zukunft und diese Einstellung des Reiches wird sich nicht mehr ändern. Die anderen europäischen Staaten begreifen zum Teil unsere Haltung. Ich möchte hier vor allem Italien danken, das uns in dieser ganzen Zeit unterstützt hat. Sie werden aber auch verstehen, dass wir für die Durchführung dieses Kampfes nicht an eine fremde Hilfe appellieren wollen.
(Heilrufe)

Wir werden diese unsere Aufgabe selber lösen. Die neutralen Staaten haben uns ihre Neutralität versichert, genau so, wie wir sie ihnen schon vorher garantierten. Es ist uns heiliger Ernst mit dieser Versicherung, und solange kein anderer ihre Neutralität bricht, werden wir sie ebenfalls peinlichst achten; denn was sollten wir von ihnen wünschen oder wollen?

Ich bin glücklich, Ihnen nun von dieser Stelle aus ein Ereignis mitteilen zu können. Sie wissen, dass Russland und Deutschland von zwei verschiedenen Doktrinen regiert werden. Es war nur eine Frage, die geklärt werden musste: Deutschland hat nicht die Absicht, seine Doktrin zu exportieren. Im Augenblick, in dem Sowjetrussland seine Doktrin nicht nach Deutschland zu exportieren, und in dem Augenblick, in dem Sowjet-Russland seine Doktrin nicht nach Deutschland zu exportieren gedenkt, sehe ich keine Veranlassung mehr, dass wir auch nur noch einmal gegeneinander Stellung nehmen sollen!
(Stürmischer Beifall)

Wir sind uns beide darüber klar: Jeder Kampf unserer Völker gegeneinander würde nur anderen einen Nutzen abwerfen. (Lebhafte Zurufe: "Sehr richtig!")

Daher haben wir uns entschlossen, einen Pakt abzuschließen, der zwischen uns beiden für alle Zukunft jede Gewaltanwendung ausschließt, (Bravo! und Händeklatschen) der uns in gewissen europäischen Fragen zur Konsultierung verpflichtet, der uns das wirtschaftliche Zusammenarbeiten ermöglicht und vor allem sicherstellt, dass sich die Kräfte dieser beiden großen Staaten nicht gegeneinander verbrauchen.

Jeder Versuch des Westens, hier etwas zu ändern, wird fehlschlagen! Und ich möchte das eine hier versichern: Diese politische Entscheidung bedeutet eine ungeheure Wende für die Zukunft und ist eine endgültige. (Bravorufe und Händeklatschen)

Ich glaube, das ganze deutsche Volk wird diese politische Einstellung begrüßen!
(Erneuter lebhafter Beifall)

Russland und Deutschland haben im Weltkrieg gegeneinander gekämpft und waren beide letzten Endes die Leidtragenden. Ein zweites Mal soll und wird das nicht mehr geschehen!
(Stürmischer Beifall)

Der Nichtangriffs- und Konsultativpakt, der am Tage seiner Unterzeichnung bereits gültig wurde, hat gestern die höchste Ratifikation in Moskau und auch in Berlin erfahren.
(Bravo! und Händeklatschen)

In Moskau wurde dieser Pakt genau so begrüßt, wie Sie ihn hier begrüßen. Die Rede, die der russische Außenkommissar Molotow hielt, kann ich Wort für Wort unterschreiben.

Unsere Ziele: Ich bin entschlossen:
erstens die Frage Danzig,
zweitens die Frage des Korridors zu lösen und
drittens dafür zu sorgen, dass im Verhältnis Deutschlands zu Polen eine Wendung eintritt, die ein friedliches Zusammenleben sicherstellt!
(Stürmischer Beifall)

Ich bin dabei entschlossen, so lange zu kämpfen, bis entweder die derzeitige polnische Regierung dazu geneigt ist, diese Änderung herzustellen, oder bis eine andere polnische Regierung dazu bereit ist!
(Erneuter stürmischer Beifall.)

Ich will von den deutschen Grenzen das Element der Unsicherheit, die Atmosphäre ewiger bürgerkriegsähnlicher Zustände entfernen.
(Beifall)

Ich will dafür sorgen, dass im Osten der Friede an der Grenze kein anderer ist, als wir ihn an unseren anderen Grenzen kennen. Ich will dabei die notwendigen Handlungen so vornehmen, dass sie nicht dem widersprechen, was ich Ihnen hier, meine Herren Abgeordneten, im Reichstag selbst als Vorschläge an die übrige Welt bekanntgab. Das heißt, ich will nicht den Kampf gegen Frauen und Kinder führen!
(Lebhafter Beifall)

Ich habe meiner Luftwaffe den Auftrag gegeben, sich bei den Angriffen auf militärische Objekte zu beschränken. Wenn aber der Gegner glaubt, daraus einen Freibrief ablesen zu können, seinerseits mit umgekehrten Methoden zu kämpfen, dann wird er eine Antwort erhalten, dass ihm Hören und Sehen vergeht!
(Anhaltender stürmischer Beifall)

Polen hat nun heute Nacht zum erstenmal auf unserem eigenen Territorium auch durch reguläre Soldaten geschossen.
(Pfuirufe)

Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen!
(Lebhafter Beifall)

Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten!
(Beifall) […]"

Quelle: Verhandlungen des Reichstags. 4. Wahlperiode. Band 460. Stenographische Berichte 1939-1942. 3. Sitzung, Freitag, 1. September 1939, S. 45-48 (Ausschnitt nach der überlieferten stenografischen Mitschrift).

Weiterführende Literatur:

  • Carlos Collado Seidel, Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines europäischen Konflikts, München 2006.

  • Wilhelm Deist u.a., Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik, Stuttgart 1979 (= Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Bd. 1).

  • Helmut-Dieter Giro, Die Remilitarisierung des Rheinlands 1936. Hitlers Weg in den Krieg?, Essen 2006.

  • Roland G. Förster (Hrsg.), "Unternehmen Barbarossa". Zum historischen Ort der deutsch-sowjetischen Beziehungen von 1933 bis Herbst 1941, München 1993.

  • Karl-Heinz Janßen/Fritz Tobias, Der Sturz der Generäle. Hitler und die Blomberg-Fritsch-Krise 1938, München 1994.

  • Klaus-Jürgen Müller, Das Heer und Hitler. Armee und nationalsozialistisches Regime, 1933–1940, Stuttgart 1969.

  • Ders., Armee und Drittes Reich 1933-1939. Darstellung und Dokumentation, unter Mitarbeit von Ernst Willi Hansen, Paderborn 1987.

  • Erwin Oberländer (Hrsg.), Hitler-Stalin-Pakt. Das Ende Ostmitteleuropas?, Frankfurt am Main 1989.

  • Erwin A. Schmidl, Der "Anschluss" Österreichs. Der deutsche Einmarsch im März 1938, Bonn 1994.

  • Rainer F. Schmidt, Die Außenpolitik des Dritten Reiches 1933 – 1939, Stuttgart 2002.

  • Stefanie Schüler-Springorum, Krieg und Fliegen. Die Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg, Paderborn 2010.

  • Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, München 2007 (engl. Orig. 2006).

  • Bernd Wegner (Hrsg.): Zwei Wege nach Moskau. Vom Hitler-Stalin-Pakt bis zum Unternehmen Barbarossa, München und Zürich 1991.

  • Bernd-Jürgen Wendt, Großdeutschland. Außenpolitik und Kriegsvorbereitung des Hitler-Regimes, München 1987.

  • Jürgen Zarusky/Martin Zuckert (Hrsg.), Das Münchener Abkommen von 1938 in europäischer Perspektive, München 2013.

Weitere Inhalte

Oberstleutnant Dr. Thomas Vogel, geboren 1959, ist Projektbereichsleiter am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), vormals Militärgeschichtliches Forschungsamt (MGFA), in Potsdam. Sein Interesse gilt schon länger der Militäropposition im ‚Dritten Reich‘ und dem Widerstand von Soldaten gegen den Nationalsozialismus. Seit einigen Jahren befasst er sich intensiver mit verschiedenen Aspekten der Kriegführung im Zeitalter der Weltkriege, jüngst vor allem mit der Koalitionskriegführung. Er hat u. a. veröffentlicht: "Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime, 5. Aufl., Hamburg u.a. 2000 (Hrsg. und Autor); Wilm Hosenfeld: "Ich versuche jeden zu retten." Das Leben eines deutschen Offiziers in Briefen und Tagebüchern, München 2004 (Hrsg. und Autor); Tobruk 1941: Rommel’s Failure and Hitler’s Success on the Strategic Sidelines of the ‚Third Reich‘, in: Tobruk in the Second World War. Struggle and Remembrance, hrsg. v. G. Jasiński und J. Zuziak, Warschau 2012, S. 143-160; "Ein Obstmesser zum Holzhacken." Die Schlacht um Stalingrad und das Scheitern der deutschen Verbündeten an Don und Wolga 1942/43, in: Stalingrad. Eine Ausstellung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr, hrsg. v. G. Piecken, M. Rogg, J. Wehner, Dresden 2012, S. 128-141; A War Coalition Fails in Coalition Warfare: The Axis Powers and Operation Herkules in the Spring of 1942, in: Coalition Warfare: An Anthology of Scholarly Presentations at the Conference on Coalition Warfare at the Royal Danish Defence College, 2011, hrsg. v. N. B. Poulsen, K. H. Galster, S. Nørby, Newcastle upon Tyne 2013, S. 160-176; Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Der deutsche Aufmarsch in ein kriegerisches Jahrhundert, München 2014 (Co-Hrsg. und Autor).