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Kriegswende | Der Zweite Weltkrieg | bpb.de

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Kriegswende

Dr. Thomas Vogel

/ 17 Minuten zu lesen

Die Niederlage in Stalingrad markiert einen Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges. Schon bald befanden sich deutsche Truppen an allen Fronten auf dem Rückzug. Am 6. Juni 1944 schließlich landeten allierte Truppen in der Normandie und leiteten damit das letzte Kapitel der Befreiung Europas ein.

Alliierte Landung in der Normandie am 6. Juni 1944: Amerikanische Truppen der ersten Welle landen am schwer umkämpften "Omaha Beach". (© akg-images)

Die unmittelbaren Folgen von Stalingrad

Das NS-Regime konnte nicht verhindern, dass die Umstände und das katastrophale Ausmaß der Niederlage von Stalingrad in der deutschen Bevölkerung bald bekannt wurden. Viele Deutsche deuteten sie als einen Wendepunkt des Krieges. Nicht wenige rechneten damit, dass ihr Land den Krieg verlieren würde. Dagegen ließen sich andere von Propagandaminister Joseph Goebbels anstecken, der am 18. Februar 1943 zum "totalen Krieg" aufrief, um den Siegeswillen der Bevölkerung zu stärken. Geschickt lenkte die NS-Propaganda von den Ursachen des Debakels ab und glorifizierte den Untergang der 6. Armee als heroischen und militärisch sinnvollen Opfergang.

In der Tat, wenngleich ohne Absicht, trug die späte Kapitulation der 6. Armee dazu bei, eine sehr viel größere Katastrophe der Wehrmacht zu verhindern. Weil sie hierdurch mehrere sowjetische Armeen fesselte,

Generalfeldmarschall Erich von Manstein (links), als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd in der Ukraine im Herbst 1943. (© Bundesarchiv)

erreichte eine neue sowjetische Offensive ab Mitte Dezember 1942 nicht genügend Durchschlagskraft, um die gesamte deutsche Heeresgruppe A im Kaukasus abzuschneiden. Nur mit Mühe ließ sich Hitler zum Rückzug von dort bewegen, und die Heeresgruppe entkam mit knapper Not. Schließlich brachte eine weitere sowjetische Offensive Mitte Januar 1943 die deutsche Front am mittleren Don zum Einsturz und zerschlug mit der ungarischen Armee die letzte der Verbündeten. Bis Ende März hatte die Rote Armee das gesamte im Vorjahr von der Wehrmacht eroberte Gebiet zurückgewonnen. Erst eine Gegenoperation von Generalfeldmarschall Erich von Manstein bei Charkow konnte sie vorerst stoppen.

Alliierte Geleitzüge, wie hier im Atlantik im Mai 1942, versorgten Großbritannien, transportierten militärisches Personal und Material aus Nordamerika nach Europa und Nordafrika und belieferten die Sowjetunion mit Rüstungsgütern. (© akg-images)

Gegenüber den monatlich über 100.000 Toten, Verwundeten und Vermissten der Wehrmacht erlitt die Rote Armee im Winter 1942/43 noch sehr viel höhere Verluste. Im Unterschied zur Wehrmacht konnte sie diese dank ihrer vielfach größeren Personalreserven ausgleichen. Auch Waffen und Ausrüstung erhielt sie genügend. Hierzu trugen britische und amerikanische Hilfslieferungen bei. Vor allem aber hatte die Sowjetunion ihre eigene Rüstungsproduktion auf das Mehrfache der deutschen gesteigert. Dies war möglich, weil in einer beispiellosen Anstrengung gleich nach dem deutschen Überfall die meisten Industrieanlagen aus dem Westen in das Ural- und Wolgagebiet, nach Westsibirien und Mittelasien evakuiert worden waren. Unter den Arbeitsbedingungen des vom Sowjetregime verordneten "totalen Krieges" erreichte die Rüstungsproduktion dort rasch quantitative wie qualitative Höchstleistungen

Alliierte Landung und Endkampf in Nordafrika

Die heftigen Schlachten des Winters hatten beide Parteien Ende März 1943 so erschöpft, dass an der Ostfront bis zum Sommer relative Ruhe eintrat. Dafür wurde der Machtbereich der Achsenmächte, von Hitler zur "Festung Europa" erklärt, längst anderen Ortes massiv bedroht.

Deutscher Panzer IV mit Besatzung bei der Rast vor den Endkämpfen in Tunesien im März 1943. (© Bildarchiv preußischer Kulturbesitz)

Eine alliierte Armee unter US-General Dwight D. Eisenhower war am 8. November 1942 an der marokkanischen und algerischen Küste gelandet (Operation "Torch"). Den Widerstand der französischen Kolonialtruppen dort hatten sie schnell überwunden. Weil ihnen ein direktes Eingreifen in Europa noch zu riskant erschien, wollten die Westalliierten auf diese Weise endlich ihren sowjetischen Verbündeten entlasten, der freilich auf die Eröffnung einer "echten" zweiten Front in Frankreich drängte. Das Unternehmen galt deshalb nicht nur Rommels deutsch-italienischer Armee, die sich auf dem Rückzug vor der britischen 8. Armee fast schon wieder in Libyen befand. Es bedrohte vielmehr die gesamte Südflanke der "Achse" und damit Deutschlands Hauptverbündeten Italien.

Hitler sah diese Entwicklung erst recht mit Sorgen, weil er die innenpolitisch angeschlagene Position Mussolinis kannte. So entschloss er sich trotz der angespannten Lage im Osten

Der Oberbefehlshaber der britischen 8. Armee in Nordafrika, Bernard Montgomery, bei der Truppeninspektion vor der Schlacht an der Mareth-Linie in Tunesien am 30. März 1943. (© Bildarchiv preußischer Kulturbesitz)

zum massiven Eingreifen. Innerhalb weniger Tage errichteten hastig zusammengezogene deutsche und italienische Truppen in der französischen Kolonie Tunesien einen Brückenkopf und brachten den alliierten Angriff aus Algerien im Dezember 1942 zum Stehen. Dagegen musste Rommel, von Montgomery verfolgt, bis Ende Januar 1943 Libyen aufgeben und sich ebenfalls nach Tunesien zurückziehen. Hier fasste er alle deutschen und italienischen Truppen in der "Heeresgruppe Afrika" zusammen. Sie erzielte anfangs kleinere Erfolge gegen die unerfahrenen US-Truppen, wurde aber bald durch die weit überlegenen Alliierten auf den Raum Tunis zurückgedrängt, wo sie schließlich Mitte Mai 1943 kapitulierte. Als Folge dieses "zweiten Stalingrad" gingen 270.000 Deutsche und Italiener in Gefangenschaft. Rommel allerdings war bereits im März auf Befehl Hitlers ausgeflogen worden. Mit der alliierten Landung hatte sich auch Hitlers Rücksichtnahme auf die Regierung in Vichy erledigt; noch im November 1942 ließ er den von ihr kontrollierten Teil Frankreichs besetzen.

Die Konferenz von Casablanca und der Kampf um Italien

Nach ihrem Erfolg in Nordafrika stand das weitere Vorgehen der Westalliierten längst fest. Im Januar 1943 hatten sich Churchill, Roosevelt und ihre militärischen Spitzen in Casablanca darauf geeinigt, von Tunesien über Sizilien nach Süditalien vorzustoßen, um Italien aus dem Bündnis mit Deutschland zu brechen. Die geplante große Invasion in Frankreich verschob man auf das Jahr 1944, weil sie mehr Vorbereitungszeit erforderte. Inzwischen sollte eine amerikanische Bomberflotte die britische Luftoffensive auf Deutschland verstärken. Überhaupt versprachen die Vereinigten Staaten, gegen Deutschland nicht nachzulassen, obwohl sie eine Großoffensive im Pazifik beabsichtigten, wo die Japaner in die Defensive gedrängt worden waren. Die Konferenz schloss mit der Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation ("unconditional surrender") Deutschlands, Italiens und Japans.

Interner Link: Karten und Grafiken: "Kriegswende"

Karten: "Kriegswende"

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Der Vorstoß nach und in Italien entwickelte sich für die Alliierten langsamer und verlustreicher als erwartet. Nach ihrer Landung auf Sizilien am 10. Juli 1943 (Operation "Husky"), der bis dahin größten triphibischen, also zu Lande, zu Wasser und in der Luft durchgeführten Operation des Weltkrieges, brachten sie die Insel bis Mitte August in ihren Besitz. Widerstand leistete letztlich nur eine kleine deutsche Armee, während sich die große italienische Garnison kampfmüde zeigte. Als die Deutschen deshalb die Führung an sich rissen, kam es zu ersten blutigen Konflikten zwischen deutschen und italienischen Soldaten. Die Alliierten zogen hieraus jedoch keinen entscheidenden Vorteil. Die Wehrmacht konnte fast alle kampffähigen Truppen, die Italiener ein Drittel ihrer Armee über die Straße von Messina auf das Festland evakuieren.

Während die Alliierten sich darauf vorbereiteten, auf dem italienischen Festland Fuß zu fassen,

Deutscher Fallschirmjäger auf dem italienischen Monte Cassino im Februar 1944 - in Erwartung des alliierten Angriffs. (© Bundesarchiv)

bahnte sich der Kriegsaustritt des kriegsmüden Landes an. Diktator Mussolini war am 25. Juli 1943 von den eigenen Gefolgsleuten abgesetzt worden. Der neue Regierungschef, Marschall Pietro Badoglio, schloss insgeheim einen Waffenstillstand mit den Alliierten. Dessen Bekanntgabe am 8. September 1943 überraschte die Deutschen nicht. Den Abfall des Verbündeten sahen sie als "Verrat" an. In einer vorbereiteten Blitzaktion entwaffnete die Wehrmacht ihre ehemaligen "Waffenbrüder", während König und Regierung zu den Alliierten flohen. Vielfach kam es zu Kriegsverbrechen an italienischen Soldaten; über 500.000 italienische "Militärinternierte" wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert, wo Tausende starben.

Die Ruinen der durch einen alliierten Luftangriff zerstörten Benediktinerabtei auf dem Monte Cassino nach dessen Eroberung durch die Alliierten am 18. Mai 1944. (© sz-photo)

Brutal gingen SS und Wehrmacht bei der Partisanenbekämpfung gegen die Zivilbevölkerung vor. Diese wurde zudem von den Milizen eines neuen faschistischen Staates terrorisiert, den Mussolini in Norditalien von Hitlers Gnaden gründete.

Zeitlich koordiniert mit dem italienischen Waffenstillstand waren die Alliierten Anfang September 1943 an der Küste Süditaliens gelandet. Sie trafen auf eine Wehrmacht, die sich nach der schnellen Überwältigung der italienischen Armee ganz auf die Abwehr des Gegners konzentrieren konnte. Vor allem die Hauptlandung im Golf von Salerno (Operation "Avalanche") tat sich deshalb schwer. Der deutsche Oberbefehlshaber Süd, Generalfeldmarschall Albert Kesselring, hatte inzwischen alle seine Kräfte bündeln können, um den anschließenden Vorstoß der Alliierten nach Mittelitalien wirksam zu verzögern. An Zahl und Material deutlich unterlegen, wurden die Deutschen durch das gebirgige Gelände begünstigt. In gut ausgebauten Stellungen 100 km östlich von Rom ("Gustav-Linie") brachten sie den Gegner

Der amerikanische Armee-Oberbefehlshaber Mark Clark zieht mit seinen Truppen am 5. Juni 1944 kampflos in Rom ein. (© sz-photo)

im Januar 1944 für vier Monate zum Stehen. Verlustreiche Kämpfe entbrannten hier vor allem um den deutsch besetzten Monte Cassino mit seiner berühmten Abtei, die ein alliierter Luftangriff völlig zerstörte. Erst als den Alliierten Mitte Mai 1944 anderswo ein Durchbruch gelang, gab die Wehrmacht die "Gustav-Linie" auf und wich bis August zur vorbereiteten "Goten-Linie" auf den Apennin zwischen ligurischer und adriatischer Küste zurück. Hier blieb die alliierte Offensive, nachdem sie am 4. Juni 1944 kampflos Rom befreit hatte, bis zum Frühjahr 1945 erneut stecken. Dann begann der Endkampf um Oberitalien, in dem die Wehrmacht bis Kriegsende allmählich auf den Alpenrand zurückgedrängt wurde. Längst hatten die Alliierten ihren Schwerpunkt nach Frankreich verlagert, wo sie im Juni und August 1944 an zwei Stellen gelandet waren. Auch wenn die Westalliierten in Italien nur mühsam vorankamen und dabei starke Verluste erlitten, erreichten sie doch ihr strategisches Ziel: Sie fesselten viele deutsche Divisionen und entlasteten damit die Rote Armee.

Sowjetische Offensive und deutscher Rückzug im Osten

Die sowjetischen Streitkräfte trugen nach wie vor die Hauptlast des Kampfes gegen die Wehrmacht, die wiederum zwei Drittel ihres Heeres gegen die Rote Armee einsetzte. Wenigstens dem Kräfteeinsatz nach wurde der Krieg in Europa also an der Ostfront entschieden. Dort war die Wehrmacht durch die sowjetische Winteroffensive 1942/43 zurückgeschlagen und in die Defensive gedrängt worden. Dabei hatten sich beide Parteien derart erschöpft, dass die Front von April bis Juni 1943 weitgehend stabil blieb. Selbst Hitler sah ein, dass die Wehrmacht zu einer neuen Großoffensive nach Art des Vorjahres nicht mehr in der Lage war. Er wollte aber jeden weiteren Rückzug vermeiden, vor allem

Aus dem Sehschlitz des Kommandanten eines deutschen Panzers VI "Tiger" während des Unternehmens "Zitadelle" im Juli 1943 bei Kursk. (© Bildarchiv preußischer Kulturbesitz)

das wirtschaftlich wichtige Donez-Gebiet nicht aufgeben. Deshalb sollte die Wehrmacht mit einer begrenzten Operation die Initiative zurückgewinnen und die erwartete neue Großoffensive des Gegners schon im Ansatz ersticken. Eine kriegsentscheidende Schlacht war also nicht beabsichtigt. Im Ergebnis startete am 5. Juli 1943 das "Unternehmen Zitadelle" gegen den großen sowjetischen Frontvorsprung von Kursk. Der Angriff in erheblicher zahlenmäßiger Unterlegenheit war äußerst gewagt, kam auch nur teilweise gut voran, hatte dort aber die sowjetische Front bereits in erhebliche Bedrängnis gebracht, als Hitler am 13. Juli den Angriff abbrechen ließ und das ganze Unternehmen aufgab. Damit wurden Eliteverbände des Heeres für die Verlegung nach Italien frei, wo es den Zusammenbruch des wichtigsten Verbündeten zu verhindern galt. Die alliierte Landung in Sizilien am 10. Juli hatte Hitler alarmiert und diese strategische Entscheidung treffen lassen.

Bei Kursk, wo die größte Panzerschlacht des Weltkrieges stattfand, erlitt die Wehrmacht große, aber keineswegs katastrophale Verluste an Soldaten und Waffen; jene der Roten Armee waren relativ und vor allem absolut deutlich höher. Doch machten deren fast unerschöpfliche Reserven einen deutschen Erfolg von vorneherein sehr unwahrscheinlich. Ihre ganze Wucht bekam die Wehrmacht sogleich zu spüren. Ab Mitte Juli 1943 wurde die mittlere und südliche Ostfront in einer ganzen Reihe von sowjetischen Gegenangriffen Zug um Zug zurückgedrängt. Mit Führungsgeschick und Glück verhinderte die Wehrmacht einen Durchbruch. Im November 1943 hatte die Rote Armee die Osthälfte der Ukraine zurückgewonnen, war zuletzt sogar über den Dnjepr vorgestoßen, hatte dabei Kiew erobert und eine deutsche Armee auf der Krim abgeschnitten. An der südlichen Ostfront gab sie die Initiative nicht mehr ab. Im Winter 1943/44 befreite sie auch die westliche Ukraine; im April 1944 überschritten ihre Spitzen die Grenze nach Rumänien. Die Erfolge der Roten Armee waren, weil ohne Rücksicht auf sie, mit sehr hohen Verlusten erkauft. Aber auch die Kräfte der Wehrmacht schwanden zusehends, ohne dass sie diese im Unterschied zum Gegner auch nur annähernd ersetzen konnte. Einen großen Teil der eigenen Verluste hatte Hitler zu verantworten, der immer verbissener seinen Generälen den Rückzug auch in aussichtsloser Lage verbot und das Halten der Front um jeden Preis befahl. Nach einem "Führerbefehl" vom 8. März 1944 sollten sich deutsche Truppen in "festen Plätzen" vom Gegner einschließen lassen und ihn, bis zur letzten Patrone kämpfend, so lange wie möglich binden. Die bewegliche, Kräfte sparende Kampfführung wurde aufgegeben.

Quellentext"Führerbefehl" zur Einrichtung von "festen Plätzen" und "Ortsstützpunkten" vom 8. März 1944.

"Aufgrund verschiedener Vorfälle befehle ich:
1. Es ist zu unterscheiden zwischen: "festen Plätzen" unter je einem "Kommandant des festen Platzes" und "Ortsstützpunkten" unter je einem "Kampfkommandant". Die "festen Plätze" sollen die gleichen Aufgaben wie die früheren Festungen erfüllen. Sie haben zu verhindern, dass der Feind diese operativ entscheidenden Plätze in Besitz nimmt. Sie haben sich einschließen zu lassen und dadurch möglichst starke Feindkräfte zu binden. Sie haben dadurch mit die Voraussetzung für erfolgreiche Gegenoperationen zu schaffen.

Die "Ortsstützpunkte" sollen bei feindlichen Durchbrüchen zäh verteidigte Stützpunkte in der Tiefe der Kampfzone sein. Bei ihrer Einbeziehung in die HKL sollen sie den Rückhalt der Abwehr und bei feindlichen Einbrüchen die Angelpunkte und Eckpfeiler der Front und die Ausgangspunkte für Gegenangriffe bilden.

2. Der "Kommandant des festen Platzes" soll ein besonders ausgesuchter, harter Soldat sein und möglichst im Generalsrang stehen. Seine Ernennung erfolgt durch die betr. Heeresgruppe. Der Kommandant des festen Platzes ist persönlich durch den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe zu verpflichten.

Der Kommandant des festen Platzes haftet mit seiner Soldatenehre für die Erfüllung seiner Aufgaben bis zum letzten.
Nur der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe persönlich kann mit meiner Genehmigung den Kommandanten des festen Platzes von seinen Aufgaben entbinden und eine etwaige Aufgabe des festen Platzes anordnen.

Der Kommandant des festen Platzes untersteht dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppe bzw. der betroffenen Armee, in deren Bereich der feste Platz liegt. Eine weitere Unterstellung unter Kommandierende Generale darf nicht erfolgen.

Dem Kommandanten des festen Platzes unterstehen außer der Sicherheits- und Gesamtbesatzung alle darüber hinaus in dem festen Platz befindlichen oder sich sammelnden Personen, ganz gleich ob Soldaten oder Zivilisten und unbeschadet ihres Dienstranges oder ihrer Dienststellung.

Der Kommandant des festen Platzes hat Wehrmachtbefugnisse und die Disziplinarstrafgewalt eines Kommandierenden Generals. Zur Durchführung seiner Aufgaben sind ihm fliegende Kriegsgerichte und Standgerichte beizugeben.

Der Stab des Kommandanten des festen Platzes ist durch die betroffene Aufgäben auf dem Kommando Wege zu bilden. Die Besetzung der Chefstelle erfolgt durch OKH auf Antrag der Heeresgruppe.

3. Die Besatzung des festen Platzes gliedert sich in
Sicherheitsbesatzung und
Gesamtbesatzung.
Die Sicherheitsbesatzung muss dauernd in dem festen Platz vorhanden sein. Ihre Stärke ist von dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppe festzulegen. Sie richtet sich nach der Größe des Platzes und nach den ihr obliegenden Aufgaben (Vorbereitung und Ausbau der Verteidigung, Halten des festen Platzes gegen handstreichartige Überfälle oder örtliche Teilangriffe des Feindes).

Die Gesamtbesatzung muss dem Kommandanten des festen Platzes so rechtzeitig zugeführt werden, dass sie vor drohendem planmäßigem Angriff des Feindes die Verteidigungsstellungen in Ordnung bezogen hat und eingewiesen ist. Ihre Stärke ist von dem Oberkommando der Heeresgruppe je nach der Größe des festen Platzes und der ihr zufallenden Aufgabe (entscheidende Verteidigung des festen Platzes) festzulegen.

4. Der "Kampfkommandant" ist ein Organ des Truppenführers. Er wird von diesem eingesetzt, untersteht ihm und bekommt von ihm seinen Kampfauftrag. Sein Rang richtet sich nach der Bedeutung des Ortes in der Kampfzone und der Stärke der Besatzung. Seine Aufgaben verlangen besonders energische und krisenbewährte Offiziere.

5. Die Stärke der Besatzung des "Ortsstützpunktes" richtet sich nach der Bedeutung des Ortes und den zur Verfügung stehenden Kräften. Sie ist durch die dem Kampfkommandanten vorgesetzte Dienststelle zu befehlen.

6. Aufgaben der "Kommandanten der festen Plätze" und der "Kampfkommandanten" sowie ein Verzeichnis der festen Plätze und die von den Heeresgruppen einzureichenden Meldungen enthalten die Anlagen.

7. Alle bisher über Kampfkommandanten gegebenen Befehle treten hiermit außer Kraft."

Quelle: Walter Hubatsch (Hrsg.), Hitlers Weisungen für die Kriegführungen. Dokumente des Oberkommandos der Wehrmacht, Frankfurt am Main 1962, S. 243 f.

Im Frühjahr 1944 musste auch die Heeresgruppe Nord vor einer sowjetischen Offensive bis an die Grenze des Baltikums zurückweichen. Hierdurch wurde Leningrad endlich von der deutschen Belagerung erlöst. Durch Hunger, Kälte und deutsche Luftangriffe waren seit Ende 1941 eine Million Einwohner der Stadt – also etwa jeder Dritte – ums Leben gekommen. Im Süden der Ostfront säuberte die Rote Armee bis Mitte Mai noch die Krim von der Wehrmacht und ihren rumänischen Verbündeten. Dann legte sie an der gesamten Front eine notwendige Kampfpause ein. Der Wehrmacht war hier eine kurze Ruhe vor dem nächsten Sturm vergönnt, während der deutsche Machtbereich an seinem anderen Ende gerade ins Wanken geriet.

Alliierte Landung in Frankreich und deutscher Rückzug im Westen

Was Stalin immer dringlicher gefordert hatte, bereiteten seine westlichen Verbündeten verstärkt seit 1943 vor: die Eröffnung einer "zweiten Front" auf dem europäischen Kontinent vor, deren Stoß direkt auf Deutschland zielte. Hierfür wurde eine große Landung an der Küste der Normandie (Operation "Overlord") geplant, der eine Landung an der südfranzösischen Küste (Operation "Dragoon")

General Dwight D. Eisenhower, Oberkommandierender der alliierten Streitkräfte in Europa, im Gespräch mit Soldaten der amerikanischen 101. Luftlande-Division in ihrer englischen Basis am Vortag der Landung in der Normandie am 5. Juni 1944. (© akg-images)

folgen sollte. Auf ihrer Konferenz in Teheran Ende November 1943 beschlossen Churchill, Roosevelt und Stalin, "Overlord" im Mai 1944 durchzuführen, was man bald auf den 6. Juni 1944 verschob. In Großbritannien wurden für das Vorhaben vier Armeen – zwei amerikanische, eine kanadische und eine britische – sowie starke Luft- und Seestreitkräfte zusammengezogen. Die größte triphibische Operation der Geschichte kündigte sich an. Den Oberbefehl über das Unternehmen mit Truppen aus neun Staaten erhielt erneut US-General Dwight D. Eisenhower.

Für die deutsche Führung verdichteten sich Ende 1943 die Hinweise auf eine alliierte Invasion in Nordfrankreich im Frühjahr 1944. Vom Gegner geschickt getäuscht, erwartete man sie weniger in der Normandie, sondern überwiegend an der engsten Stelle des Ärmelkanals. So wurden dort die Küstenbefestigungen besonders verstärkt. Regie führte dabei Generalfeldmarschall Rommel, seit kurzem Oberbefehlshaber der in Nordfrankreich, Belgien und Holland stationierten Heeresgruppe B. Das Rückgrat der Küstenverteidigung bildete der "Atlantikwall", ein vom Nordkap bis zur spanischen Grenze reichendes Stellungs- und Bunkersystem, das seit 1942 im Bau und erst teilweise fertiggestellt war. Die Besatzung des "Atlantikwalls" sollte eine Invasionsarmee unbedingt abwehren, noch bevor diese an Land Fuß fassen konnte. Denn für eine Schlacht im Hinterland besaß die Wehrmacht zu wenig mobile, kampfkräftige Divisionen. Das änderte sich bis zuletzt nicht wesentlich, obwohl Hitler der Abwehr einer Invasion höchsten Vorrang einräumte. Die starke Beanspruchung an der Ostfront sowie in Italien ließ für Verstärkungen im Westen wenig Spielraum.

Schließlich landeten die Alliierten am 6. Juni 1944 ("D-Day") an vier Küstenabschnitten der Normandie zwischen Caen und Cherbourg. Hier bildeten sie noch am selben Tag erste Brückenköpfe und erreichten damit, unter weniger Verlusten als befürchtet, ihr erstes Ziel. Heftige Luftangriffe und das Artilleriefeuer der Landungsflotte hatten geholfen, die deutsche Verteidigung zu überwinden. Da Hitler noch mit einer Landung anderenorts rechnete, hielt er die Reserven vorerst zurück. Behindert durch die übermächtige alliierte Luftwaffe, kamen sie schließlich zu spät, um die Brückenköpfe zerschlagen oder auch nur eindämmen zu können. Dabei begingen Soldaten einer SS-Panzerdivision am 10. Juni 1944 das größte Massaker des Krieges im Westeuropa: Auf ihrem Anmarsch ermordeten sie 642 Einwohner des Dorfes Oradour-sur-Glane aus Rache für einen Partisanenüberfall. Noch im Juni erweiterten die Alliierten ihre Basis mit der Eroberung der gesamten Halbinsel Cotentin. Über künstliche Häfen schafften sie bis Ende Juli 1944 eineinhalb Millionen Soldaten mit schweren Waffen nach Frankreich; die Heeresgruppe B erhielt gleichzeitig nur knapp 15.000 als Ersatz – bei Verlusten auf jeder Seite von über 100.000 Gefallenen, Verwundete oder Vermissten. Auch Rommel war schwer verwundet worden. Nach dem Attentat und Staatstreich des 20. Juli 1944 geriet er in den Verdacht, daran beteiligt gewesen zu sein. Am 14. Oktober zwang ihn Hitler deshalb zum Selbstmord.

General Dietrich von Choltitz (rechts) - der letzte deutsche Stadtkommandant von Paris - wird nach kampfloser Kapitulation am 1. August 1944 von einem amerikanischen Offizier verhört. (© sz-photo)

Am 15. August 1944 landete eine alliierte Armee auch an der Côte d‘Azur (Operation "Dragoon") und zwang die deutschen Truppen zum Rückzug aus Süd- und Südwestfrankreich. In der Normandie waren die Alliierten inzwischen aus ihren Brückenköpfen ausgebrochen, schlossen zwei deutsche Armeen bei Falaise ein und zerschlugen sie. Sie waren nun nicht mehr aufzuhalten. Am 25. August kapitulierte der deutsche Kommandant von Paris kampflos und übergab die Stadt gegen Hitlers Befehl unzerstört. Die Deutschen gaben den Kampf um Frankreich auf und wichen zur deutschen Westgrenze zurück. Die nachdrängenden Alliierten befreiten bis Mitte September 1944 Belgien und Luxemburg. Erst an der Reichsgrenze zwischen Trier und Aachen mussten sie innehalten. Ihre Logistik kam wegen fehlender Umschlaghäfen nicht mehr nach. Die meisten großen französischen Hafenstädte wurden immer noch – teilweise bis Kriegsende – von deutschen Besatzungen wie Festungen verteidigt. Außerdem zwang der wachsende deutsche Widerstand an der Reichsgrenze die Alliierten zur Vorsicht. Nur in Ostfrankreich drängten sie den Gegner relativ mühelos bis an Saar und Oberrhein zurück. Dagegen scheiterte das große britische Luftlandeunternehmen "Market Garden" am 28. September 1944 bei Arnheim verlustreich. Südlich davon konnte die US-Armee nach harten Kämpfen am 21. Oktober Aachen einnehmen, während ihr Angriff im Hürtgenwald unter großen Verlusten steckenblieb.

Zusammenbruch der deutschen Ostfront

Abgelenkt durch die alliierte Invasion in Frankreich, vernachlässigte die deutsche Führung die Ostfront.

Generalfeldmarschall Walter Model (links) - Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte in Weißrussland im August 1944. (© Bundesarchiv)

Die nächste sowjetische Großoffensive (Operation "Bagration"), die am 22. Juni 1944 gegen die weit nach Weißrussland vorragende Front der Heeresgruppe Mitte losbrach, traf diese in schlechter Verfassung. In kurzer Zeit zerschlug der vielfach überlegene Gegner die schwache Heeresgruppe, der zudem eine starke Partisanenarmee in den Rücken fiel, und stieß fast ungehindert mehrere hundert Kilometer nach Westen vor. Mit Verlusten von fast 400.000 Soldaten erlitt die Wehrmacht ihre größte Niederlage des gesamten Krieges. Irrationale Halte-Befehle Hitlers hatten nicht wenig dazu beigetragen, woraufhin Generalstabschef Kurt Zeitzler zurücktrat. Der sowjetische Angriff kam erst Ende Juli/Anfang August 1944 an der Weichsel wegen Nachschubschwierigkeiten zum Stehen. Allerdings hatte auch die Rote Armee enorme Verluste erlitten, zuletzt durch kleinere deutsche Gegenschläge. Ihre realen Probleme sowie das politische Kalkül Stalins verhinderten auch substanzielle Hilfe für die polnische Untergrundarmee, deren Aufstand gegen die deutsche Besatzung von Warschau am 1. August ausbrach. SS und Wehrmacht benötigten dennoch mehrere Wochen, um den Aufstand systematisch und blutig niederzuschlagen. Der Streit um die Bewertung des Geschehens belastet das polnisch-russische Verhältnis bis heute.

Die Niederlage der Heeresgruppe Mitte bereitete gleich die nächste deutsche Katastrophe vor: Der schnelle und weitreichende sowjetische Vorstoß bedrohte die gesamte Heeresgruppe Nord in ihrer Existenz, weil Hitler sich erneut einem rechtzeitigen Rückzug verweigerte. Schließlich trennte ein sowjetischer Durchbruch zur Ostsee bei Memel Mitte Oktober 1944 die deutsche Front und kesselte die Heeresgruppe mit einer halben Million Soldaten im westlichen Lettland ein. Dort hielt sie auf Befehl Hitlers das zur "Festung Kurland" erklärte Gebiet bis zum Kriegsende. Bereits am 10. Oktober hatten sowjetische Truppen die alte Reichsgrenze in Ostpreußen überschritten. Inzwischen war Deutschland im hohen Norden ein wichtiger Verbündeter verloren gegangen: Finnland hatte sich unter dem Druck einer sowjetischen Offensive von Deutschland losgesagt und am 19. September 1944 zu relativ günstigen Bedingungen einen Waffenstillstand mit Moskau geschlossen. Dafür musste sie den Kampf gegen die deutsche Armee in Lappland aufnehmen. Die zog sich unter systematischer Zerstörung der einheimischen Infrastruktur nach Norwegen zurück, das bis zur Gesamtkapitulation am 8. Mai 1945 unter deutscher Kontrolle blieb.

Vor allem im Süden drohte sich die Ostfront durch den Abfall der deutschen Verbündeten auf dem Balkan vorzeitig aufzulösen. Im Fall von Ungarn beugte Hitler dem bereits im März 1944 vor, indem er Budapest

SS-Grenadiere während einer Gefechtspause in Ungarn am 5. Januar 1945. (© sz-photo)

besetzen ließ – mit mörderischen Folgen für die vielen ungarischen Juden. Dagegen scheiterte der gewaltsame Versuch, die rumänische Hauptstadt Bukarest wieder unter Kontrolle zu bringen, wo am 23. August 1944 die deutschfreundliche Regierung Antonescu gestürzt worden war. Den Schaden hatte die deutsch-rumänische Heeresgruppe Südukraine, die von einer sowjetischen Großoffensive bereits stark angeschlagen war. Die neue Regierung entzog ihr alle unterstellten Verbände und erklärte Deutschland den Krieg. Die Reste der Heeresgruppe retteten sich zunächst über die Karpaten. Mit Rumänien hatte Deutschland den – auch wegen der Erdölfelder von Ploiești – wichtigsten Bundesgenossen auf dem Balkan verloren. Noch schneller als Rumänien geriet Bulgarien unter sowjetischen Einfluss. Es löste sich Anfang September 1944 von Deutschland und erklärte seinem ehemaligen Verbündeten den Krieg. Der schnelle sowjetische Vorstoß über Rumänien und Bulgarien kam jedoch zu spät, um den beiden deutschen Heeresgruppen in Griechenland und Südjugoslawien den Rückzug nach Ungarn abzuschneiden. Den behinderte dafür ganz erheblich die aus einer kommunistischen Partisanenbewegung entstandene jugoslawische Volksbefreiungsarmee unter Josip Broz "Tito". Gemeinsam mit Tito eroberte die Rote Armee am 20. Oktober 1944 Belgrad und ließ

Die Ruinen der ungarischen Hauptstadt Budapest nach dem Ende der wochenlangen Belagerung durch die Rote Armee im Frühjahr 1945. Die Aufnahme stammt aus dem Sommer 1945. (© sz-photo)

dann Jugoslawien und die nach Kroatien zurückgedrängten deutschen Truppen links liegen. Sie konzentrierte sich ganz auf das strategisch wichtigere Ungarn. Dort war gerade der langjährige Machthaber Miklós Horthy, der insgeheim in Moskau um Frieden nachgesucht hatte, von der SS gestürzt und durch ein Hitler-treues faschistisches Regime ersetzt worden. Die von ihm ausgerufene totale Mobilmachung konnte das Blatt aber nicht mehr wenden. Auch kleinere deutsche taktische Erfolge wie in der Panzerschlacht von Debrecen hielten den mehrfach überlegenen Gegner letztlich nicht auf. Nachdem ein sowjetischer Frontalangriff auf Budapest Anfang November 1944

Mühsamer deutscher Rückzug durch bergiges Gelände bei Višegrad im damaligen Jugoslawien (heute Bosnien und Herzegowina) - Aufnahme vom 24. November 1944. (© Bundesarchiv)

verlustreich gescheitert war, wurde die Stadt bis zum 25. Dezember systematisch eingeschlossen. Hitler hatte sie bereits am 1. Dezember zur "Festung" erklärt und die deutsch-ungarische Besatzung zum rücksichtslosen Kampf um jedes Haus verpflichtet. Ihm war dieses letzte "Bollwerk" im Südosten ebenso wichtig wie dem Gegner, der in Budapest das Einfallstor nach Österreich sah.

Kriegswende im Pazifik und Niedergang Japans

Der Niedergang der Achsenmächte hatte Hitlers "Festung Europa" bis zum Jahresende 1944 auf die Grenzen des "Großdeutschen Reichs" schrumpfen lassen. Auch diese "Festung" war angesichts der militärischen Lage und Kräfteverhältnisse ein fragiles Gebilde, das den nächsten alliierten Ansturm aus West und Ost absehbar nicht aushalten würde. In ähnlicher Lage befand sich die "Achse" inzwischen an ihrem weit entfernten anderen Ende: Japan hatte seinen Machtbereich in Ostasien und im Pazifik bis zum Sommer 1942 gewaltig ausdehnen können, ihn damit jedoch ebenfalls überdehnt. Verlustreiche See-, Luft- und Landschlachten im pazifischen Raum brachten es in die Defensive. Noch 1942 holten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten im Pazifik zum erfolgreichen Gegenschlag aus. Ihnen kam zugute, dass sie den Funkverkehr des Gegners weitgehend entschlüsseln und daher mitlesen konnten. Ihre Strategie des "Insel-Springens" ("Island Hopping") brachte sie in den Folgejahren mittels einer Reihe triphibischer Operationen Japan immer näher. Der erbitterte Widerstand der japanischen Garnisonen und Seestreitkräfte verursachte dabei große Verluste auf beiden Seiten.

"Island Hopping" im Pazifik: Landung amerikanischer Truppen auf den Philippinen (Leyte) am 20. Oktober 1944. (© akg-images)

Ihre südliche Angriffsachse führte die Alliierten von Australien aus über den Südwest-Pazifik im Oktober 1944 auf die Philippinen, ihre nördliche von Hawai aus über den Zentral-Pazifik im Juli 1944 auf die Marianen-Inseln. Nun war Japan in Reichweite der neuen amerikanischen Bomber vom Typ B-29. Als nächstes Zwischenziel fasste man Iwo Jima und Okinawa ins Auge, die ersten Inseln des japanischen Mutterlandes. Ebenfalls im Juli 1944 begann der Niedergang Japans am anderen Ende seines Machtbereiches. Sein Angriff von Birma aus auf Britisch- Indien scheiterte und führte zu einer britischen Gegenoffensive, die Birma bis Mai 1945 befreite. Dagegen behauptete Japan vorerst seine Herrschaft über weite Teile Chinas, weil ihm der innerchinesische Konflikt zwischen Chiang Kai-shek und Mao Tse-tung in die Hände spielte.

Weiterführende Literatur:

  • Katriel Ben Arie, Die Schlacht bei Monte Cassino 1944, Freiburg 1985.

  • Hans-Jürgen Bömelburg, Eugeniusz Cezary Król, Michael Thomae (Hrsg.), Der Warschauer Aufstand 1944. Ereignis und Wahrnehmung in Polen und Deutschland, Paderborn 2011.

  • Horst Boog, Gerhard Krebs, Detlev Vogel, Das Deutsche Reich in der Defensive. Strategischer Luftkrieg in Europa, Krieg im Westen und in Ostasien 1943-1944/45, Stuttgart München 2001 (= Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 7, hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt).

  • Jörg Echternkamp, Die 101 wichtigsten Fragen – Der Zweite Weltkrieg, München 2010.

  • Douglas Ford, The Pacific War. Clash of Empires in World War II, London 2012.

  • Karl-Heinz Frieser (Hrsg.)Die Ostfront 1943/44. Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten, Stuttgart 1984 (= Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 8, hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt).

  • Jörg Ganzenmüller, Das belagerte Leningrad 1941-1944. Eine Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern, Paderborn 2005.

  • Carlo Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg. Italien 1943-1945, Paderborn 2012.

  • Lutz Klinkhammer, Amedeo Osti Guerrazzi, Thomas Schlemmer (Hrsg.), Die "Achse" im Krieg. Politik, Ideologie und Kriegführung 1939–1945, Paderborn, München 2010.

  • Peter Lieb, Unternehmen Overlord. Die Invasion in der Normandie und die Befreiung Westeuropas, München 2014.

  • Joachim Ludewig, Der deutsche Rückzug aus Frankreich 1944, Freiburg i. Br. 1994.

  • Manfred Menger, Deutschland und Finnland im zweiten Weltkrieg. Genesis und Scheitern einer Militärallianz, Berlin (Ost) 1988.

  • Rolf-Dieter Müller, Der letzte deutsche Krieg 1939-1945, Stuttgart 2005.

  • Ders., An der Seite der Wehrmacht. Hitlers ausländische Helfer beim "Kreuzzug gegen den Bolschewismus" 1941–1945, Berlin 2007.

  • Richard Overy, Russlands Krieg 1941-1945, Reinbek 2003 (engl. Orig. 1997).

  • Jürgen Rohwer, Eberhard Jäckel (Hrsg.), Die Funkaufklärung und ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1979.

  • Gerhard Schreiber, Kurze Geschichte des Zweiten Weltkriegs, München 2005.

  • Klaus Schmider, Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941-1944, Hamburg 2002.

  • Hans Umbreit (Hrsg.), Invasion 1944, Hamburg, Bonn, Berlin 1998.

  • Gerhard L. Weinberg, Eine Welt in Waffen. Die globale Geschichte des Zweiten Weltkriegs, Stuttgart 1995 (engl. Orig. 1994).

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Oberstleutnant Dr. Thomas Vogel, geboren 1959, ist Projektbereichsleiter am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), vormals Militärgeschichtliches Forschungsamt (MGFA), in Potsdam. Sein Interesse gilt schon länger der Militäropposition im ‚Dritten Reich‘ und dem Widerstand von Soldaten gegen den Nationalsozialismus. Seit einigen Jahren befasst er sich intensiver mit verschiedenen Aspekten der Kriegführung im Zeitalter der Weltkriege, jüngst vor allem mit der Koalitionskriegführung. Er hat u. a. veröffentlicht: "Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime, 5. Aufl., Hamburg u.a. 2000 (Hrsg. und Autor); Wilm Hosenfeld: "Ich versuche jeden zu retten." Das Leben eines deutschen Offiziers in Briefen und Tagebüchern, München 2004 (Hrsg. und Autor); Tobruk 1941: Rommel’s Failure and Hitler’s Success on the Strategic Sidelines of the ‚Third Reich‘, in: Tobruk in the Second World War. Struggle and Remembrance, hrsg. v. G. Jasiński und J. Zuziak, Warschau 2012, S. 143-160; "Ein Obstmesser zum Holzhacken." Die Schlacht um Stalingrad und das Scheitern der deutschen Verbündeten an Don und Wolga 1942/43, in: Stalingrad. Eine Ausstellung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr, hrsg. v. G. Piecken, M. Rogg, J. Wehner, Dresden 2012, S. 128-141; A War Coalition Fails in Coalition Warfare: The Axis Powers and Operation Herkules in the Spring of 1942, in: Coalition Warfare: An Anthology of Scholarly Presentations at the Conference on Coalition Warfare at the Royal Danish Defence College, 2011, hrsg. v. N. B. Poulsen, K. H. Galster, S. Nørby, Newcastle upon Tyne 2013, S. 160-176; Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Der deutsche Aufmarsch in ein kriegerisches Jahrhundert, München 2014 (Co-Hrsg. und Autor).