Die staatlich organisierten Massenverbrechen, die im Zweiten Weltkrieg begangen wurden, bildeten nicht nur einen moralischen "Zivilisationsbruch". Sie verstießen auch gegen geltende Regelungen des Kriegsvölkerrechts, wie sie in der Haager Landkriegsordnungen von 1899 und 1907 sowie den Genfer Konventionen von 1929 fixiert waren. Noch während des Krieges beschlossen die Alliierten daher die "politische Säuberung" Deutschlands nach dem Ende des Krieges. Zum einen wollten sie den Nationalsozialismus und den Militarismus beseitigen. Zum anderen sollten die Verbrechen der Deutschen gesühnt und die Täter in speziellen Kriegsverbrecherprozessen überführt und bestraft werden. Eine Strafe ohne Prozess kam für sie ebenso wenig in Frage wie der Verzicht auf jegliche Sühne. Dass die Täter für die Gräueltaten in den besetzten Gebieten zur Rechenschaft gezogen würden, hatten Roosevelt und Churchill bereits im Oktober 1941 angekündigt. Ein Jahr später hatte die Interalliierte Kommission zur Bestrafung von Kriegsverbrechen ihre Arbeit aufgenommen. Sie sollte ab 1944 gemeinsam mit der United War Crimes Commission die Gerichtsverfahren vorbereiten.
Das Londoner Statut
Nach Kriegsende kam es zu unterschiedlichen Arten von Prozessen, in denen die Siegermächte die Kriegs- und NS-Verbrechen mit strafrechtlichen Mitteln verfolgten. Die Verbrechen wurden zum einen vor deutschen, zum anderen vor alliierten Gerichten verhandelt. Das Kontrollratsgesetz Nr. 4 vom 30. Oktober 1945 hatte deutsche Gerichte in jenen Fällen für nicht zuständig erklärt, die sich gegen Staatsangehörige der alliierten Nationen richteten. Nicht nur die alliierte, auch die deutsche Justiz verfolgte dagegen in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre Verbrechen, die zwischen 1933 und 1945 von Deutschen an politischen Gegnern des NS-Regimes, an Juden, Menschen mit Behinderungen oder psychischen Krankheiten und Zwangsarbeitern begangen wurden.
Um die Strafverfolgung zu vereinheitlichen, legte das Londoner Statut vom 8. August 1945 (auch Nürnberger Charta genannt) die Rechtsgrundlagen fest. Es kodifizierte die Tatbestände "Kriegsverbrechen", "Verbrechen gegen den Frieden" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", die nun neben den Vorschriften des Strafgesetzbuchs galten. Als Kriegsverbrechen galten insbesondere Mord, Misshandlung und Verschleppung zur Zwangsarbeit, die Ermordung von Kriegsgefangenen, die Tötung von Geiseln, Raub und die mutwillige Zerstörung von Städten. Als Verbrechen gegen den Frieden galten Planung, Einleitung und Durchführung eines Angriffskriegs oder die Beteiligung an einer Verschwörung dazu. Zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit zählten die Gerichte alle Verbrechen, die mit den eigentlichen Kampfhandlungen nichts zu tun hatten und sich gegen die Zivilisten richteten: ihre Ermordung, Versklavung und Deportation, die Verfolgung aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen. Unmittelbar nach Kriegsende führten alliierte Militärgerichte die ersten Kriegsverbrecherprozesse gegen deutsche Soldaten wegen Gefangenenerschießungen. Von besonderer Bedeutung war der Prozess gegen General Anton Dostler im Oktober 1945 vor einem amerikanischen Militärgericht im italienischen Caserta. Dostler hatte im März 1944 fünfzehn gefangene uniformierte US-Kommandosoldaten gemäß des berüchtigten „Kommandobefehls“ von 1942 erschießen lassen. In seiner Verteidigung insistierte Dostler, er habe nur Befehle weitergegeben. Das US-Militärgericht folgte dieser Argumentation aber nicht und betonte die individuelle Verantwortung bei der Ausführung verbrecherischer Befehle. Diese Sicht sollte für die kommenden Nürnberger Prozesse richtungsweisend sein. Dostler wurde am 1. Dezember 1945 erschossen.
Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher
Am 8. August 1945 einigten sich die USA, Großbritannien, die Sowjetunion und Frankreich darauf, einen Internationalen Militärgerichtshof (IMT) einzurichten, vor dem jene Taten verhandelt werden sollten, deren Tatort unklar war. Auf der Anklagebank des IMT in Nürnberg saßen vom 20. November 1945 bis zum 30. September 1946 die Spitzenfunktionäre des NS-Regimes (sofern sie noch lebten). Die Anklage richtete sich gegen 22 sogenannte Hauptkriegsverbrecher und sechs als verbrecherisch angeklagte Organisationen. (Vor einem ähnlichen Sondergericht fand in Tokio von Mai 1946 bis November 1948 der Prozess gegen hohe japanische Militärs und Bürokraten statt.) Die Alliierten hatten die Stadt der "Reichsparteitage" und der Nürnberger Rassegesetze von 1935 gezielt als Ort des IMT ausgewählt. Dem Gerichtshof gehörte je ein Vertreter und Stellvertreter der USA, der UdSSR, Großbritanniens und Frankreichs an. Das Londoner Statut garantierte den Angeklagten die Grundsätze eines "gerechten Verfahrens"; so konnten auch ihre Verteidiger die Zeugen der Anklage ins Kreuzverhör nehmen. Die Urteile reichten von Freispruch in drei Fällen über teils lebenslange Haftsprachen bis zur Todesstrafe in den meisten Fällen.
Freisprüche, Freiheitsstrafen, TodesurteileDie Urteile des Internationalen Gerichtshofs in Nürnberg gegen die Hauptkriegsverbrecher
Am 30. September und 1. Oktober 1946 erging das Urteil. Das Gericht befand drei Angeklagte für "nicht schuldig": den Reichskanzler Franz von Papen, den Reichsbankpräsident und Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht sowie den Leiter der Presseabteilung im Propangandaministerium, Hans Fritzsche.
Gefängnisstrafen zwischen zehn und zwanzig Jahren erhielten vier Angeklagte: Großadmiral (und letzter Reichskanzler) Karl Dönitz, Außenminister Konstantin von Neurath, Reichsjugendführer Baldur von Schirach und Rüstungsminisiter Albert Speer. Eine lebenslange Haftstrafe erhielten Wirtschaftsminister Walter Funk, Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess und Großadmiral Erich Räder.
Zum "Tode durch den Strang" wurden die übrigen Angeklagten verurteilt: Generalgouverneur Hans Frank, Generaloberst Alfred Jodl, der Chef des Reichssicherheitshauptamtes und der Sicherheitspolizei Ernst Kaltenbrunner, der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Innenminister Wilhelm Frick, Hermann Göring (der sich vor der Hinrichtung das Leben nehmen sollte), der Gauleiter Julius Streicher, der Reichsstatthalter in Österreich und Reichskommissar in den besetzten Niederlanden Arthur Seyß-Inquart, der Generalbevollmächtige für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel, der Rassenideologe und Reichsminister für die besetzten Ostgebiete Alfred Rosenberg, der Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop sowie – in Abwesenheit – der Reichsleiter der NSDAP Martin Bormann. Noch während des Verfahrens hatte sich Robert Ley, der ehemalige Reichsführer der Deutschen Arbeitsfront, das Leben genommen.
Die Verhandlungen, die Präsentation der Beweismittel, vor allem der Urteilsspruch stießen im In- und Ausland auf großes Interesse. Die Tageszeitungen der Besatzungszonen berichteten laufend und brachten die Verbrechen zur Sprache – schließlich dienten die Prozesse auch der Umerziehung der Deutschen. Die NS-Prozesse wie auch die Bilder der befreiten Konzentrationslager bekräftigten im Ausland die Neigung, die Deutschen zu verteufeln. Im Inland weckten die Urteile des IMT den Eindruck, dass die wahren Täter bestraft worden seien – und sorgte so für die Entlastung der Mehrheit. Bei den meisten Zeitgenossen war der Prozess jedoch schon bald als "Siegerjustiz" verschrien. Warum kamen, fragten sie beispielsweise in Leserbriefen, die Verfehlungen der alliierten Seite wie der sowjetische Angriff auf Polen, die Erschießung polnischer Offiziere in Katyn oder die "Terrorangriffe" aus der Luft auf die deutsche Zivilbevölkerung nicht zur Sprache? Auch musste sich das Gericht den Vorwurf gefallen lassen, gegen das Rückwirkungsverbot zu verstoßen, demzufolge eine Tat nur bestraft werden kann, wenn ihre Strafbarkeit vor der Begehung gesetzlich bestimmt war (nulla poene sine lege). Allerdings verstießen die Tatbestände des Kriegsverbrechens und des Verbrechens gegen die Menschlichkeit gegen das Kriegs- und damalige Strafrecht. Der Briand-Kellog-Pakt von 1929, den auch Deutschland unterzeichnet hatte, verbot den Krieg als Instrument zur Lösung internationaler Konflikte. Auch im deutschen Widerstand, vor allem im Kreisauer Kreis, hatte man die Bestrafung von Rechtsverstößen gefordert. Klar ist auch, dass der Nürnberger Prozess eine unumgängliche Aufklärungsfunktion erfüllte, die an den Kriegsplänen, der verbrecherischen Herrschaftspraxis und dem Vernichtungskrieg keinen Zweifel ließ. Durch die Beschaffung des umfangreichen Beweismaterials wurde zudem eine bis heute wertvolle Grundlage für die geschichtswissenschaftliche Erforschung des NS-Regimes und des Zweiten Weltkriegs geschaffen. Die Nürnberger Prozesse setzten in vielerlei Hinsicht neue Standards für die Ahndung von Verstößen gegen internationales Recht. Die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes 2001 in Den Haag folgte diesem Vorbild von 1945.
Nürnberger Nachfolgeprozesse
Nach dem alliierten Sondergericht in Nürnberg fanden Prozesse in den einzelnen Besatzungszonen statt. Die Oberbefehlshaber konnten aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 vom 20. Dezember 1945 ihrerseits Personen vor Gericht stellen, wie das insbesondere in den zwölf Nürnberger "Nachfolgeprozessen" unter amerikanischer Militärgerichtsbarkeit geschehen ist. Bis in den April 1949, wenige Tage vor Gründung der Bundesrepublik, führten die Amerikaner Prozesse gegen knapp 200 Funktionsträger des Dritten Reiches: gegen prominente Ärzte, Juristen, Industrielle, Diplomaten, Beamte und Generale. Zwölf "Fälle" wurden verhandelt, die im ersten Nürnberger Prozess 1945/46 nur beiläufig zur Sprache gekommen waren. Der sogenannte OKW-Prozess (OKW=Oberkommando der Wehrmacht) gegen Wilhelm Ritter von Leeb und andere (Fall 12) sowie der Prozess gegen die sogenannten Südost-Generale (Fall 7) beispielsweise hing damit zusammen, dass das IMT den Generalstab nicht als eine verbrecherische Organisation anerkannt hatte, ausdrücklich um die Beschuldigten individuell anklagen und in Einzelverfahren aburteilen zu können. Am verbrecherischen Charakter ihres Tuns hegte das Gericht dagegen keinen Zweifel – das wurde später immer wieder übersehen. In gesonderten Verfahren ging es nun auch um Friedrich Flick (Fall 5), den IG-Farben-Konzern, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (Fall 10) sowie die leitenden Funktionsträger, um das SS-Rasse- und Siedlungsamt (Fall 8), das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (Fall 4), im "Wilhelmstraßen-Prozeß" um das Auswärtige Amt (Fall 11) und schließlich um die Einsatzgruppen (Fall 9). In diesen "Nürnberger Nachfolgeprozessen" fielen die Urteile deutlich milder aus, als das noch vor dem Internationalen Militärgerichtshof der Fall gewesen war.
QuellentextGeneralstab und Oberkommando der Wehrmacht vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg
"Die Anklagevertretung hat auch verlangt, den Generalstab und Oberkommando der deutschen Wehrmacht zu einer verbrecherischen Organisation zu erklären. Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß Generalstab und Oberkommando nicht für verbrecherisch erklärt werden sollten. Ist auch die Anzahl der beschuldigten Personen größer als im Falle der Reichsregierung, so ist sie doch so klein, daß Einzelprozesse gegen diese Offiziere den hier verfolgten Zweck besser erreichen würden, als die verlangte Erklärung. Aber ein noch zwingenderer Grund ist nach der Meinung des Gerichtshofes darin zu ersehen, daß Generalstab und Oberkommando weder eine "Organisation", noch eine "Gruppe" im Sinne der im Artikel 9 des Statuts gebrauchten Bezeichnungen ist.
[…]
Obwohl der Gerichtshof der Meinung ist, daß die im Artikel 9 enthaltene Bezeichnung "Gruppe" mehr enthalten muß, als eine Anhäufung von Offizieren, ist ihm doch viel Beweisstoff über die Teilnahme dieser Offiziere an der Planung und Führung des Angriffskrieges und an der Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgelegt worden. Dieses Beweisergebnis ist gegen viele von ihnen klar und überzeugend.
Sie sind in großem Maße verantwortlich gewesen für die Leiden und Nöte, die über Millionen Männer, Frauen und Kinder gekommen sind. Sie sind ein Schandfleck für das ehrenhafte Waffenhandwerk geworden. Ohne ihre militärische Führung wären die Angriffsgelüste Hitlers und seiner Nazi-Kumpane akademisch und ohne Folgen geblieben. Wenn diese Offiziere auch nicht eine Gruppe nach dem Wortlaut des Statuts bildeten, so waren sie doch sicher eine rücksichtslose militärische Kaste. Der zeitgenössische deutsche Militarismus erlebte mit seinen jüngsten Verbündeten, dem Nationalsozialismus, eine kurze Blütezeit, wie er sie in der Vergangenheit kaum schöner gekannt hat.
Viele dieser Männer haben mit dem Soldateneid des Gehorsams gegenüber militärischen Befehlen ihren Spott getrieben. Wenn es ihrer Verteidigung zweckdienlich ist, so sagen sie, sie hatten zu gehorchen; hält man ihnen Hitlers brutale Verbrechen vor, deren allgemeine Kenntnis ihnen nachgewiesen wurde, so sagen sie, sie hätten den Gehorsam verweigert.
Die Wahrheit ist, daß sie an all diesen Verbrechen rege teilgenommen haben oder in schweigender Zustimmung verharrten, wenn vor ihren Augen größer angelegte und empörendere Verbrechen begangen wurden, als die Welt je zu sehen das Unglück hatte. Dies mußte gesagt werden. Wo es der Sachverhalt rechtfertigt, sollen diese Leute vor Gericht gestellt werden, damit jene unter ihnen, die dieser Verbrechen schuldig sind, ihrer Bestrafung nicht entgehen."
Der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg erklärte Generalstab und OKW aus formalen Gründen nicht zu einer "verbrecherischen Organisation". Die Betroffenen, denen Verbrechen nachgewiesen wurden, sollten vielmehr in separaten Gerichtsverfahren angeklagt werden.
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg, Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 311-314.
Schließlich gab es zahlreiche weitere Prozesse auf der Basis der vom Joint Chief of Staff erlassenen Direktive 1023/10, mit der die Vereinigten Stabschefs am 15. Juli 1945 die Besatzungsarmeen in allen vier Zonen zur umfassenden Aufarbeitung der Kriegsverbrechen vor Militärgerichten verpflichtet hatten. In diesen Einzelverfahren stand nicht die NS-Elite, sondern das "einfache Mordpersonal" im Vordergrund. Die Prozesse vor sowjetischen und britischen Militärgerichtshöfen fanden an unterschiedlichen Orten statt, in der französischen Zone urteilte das Tribunal Général in Rastatt, in der amerikanischen Zone wurde in Darmstadt, Ludwigsburg und Dachau verhandelt.
Blick auf die Richterbank im Dachau-Hauptprozess, dem ersten Kriegsverbrecherprozess der U.S. Army in der amerikanischen Besatzungszone am Militärgericht im Internierungslager Dachau vom 15. November bis zum 13. Dezember 1945. (© Public Domain)
Blick auf die Richterbank im Dachau-Hauptprozess, dem ersten Kriegsverbrecherprozess der U.S. Army in der amerikanischen Besatzungszone am Militärgericht im Internierungslager Dachau vom 15. November bis zum 13. Dezember 1945. (© Public Domain)
Zu den Prozessen – die meisten (489) fanden im Internierungslager Dachau statt – zählten die sechs Hauptverfahren, die nach dem jeweiligen Konzentrationslager benannt wurden: Dachau (15.11.-13.12.1945), Buchenwald (11.4.-14.8.1947), Flossenbürg (12.6.1946-22.1.1947), Mauthausen (29.3.-13.5.1946), Nordhausen/Mittelbau-Dora (-30.12.1947) sowie Mühldorf (1.4.-13.5.1947). Die hier ermittelten Sachverhalte dienten als Beweismittel in den etwa 250 Anschlussverfahren gegen weitere Angehörige der Lagerverwaltung und der Wachmannschaften. Hinzu kamen die "Fliegerprozesse", in denen es um die Misshandlung und Tötung alliierter Piloten ging, die abgeschossen und in deutsche Kriegsgefangenschaft gelangt waren. Eine weitere Gruppe umfasste unterschiedliche Verfahren wie den Hadamar-Prozess gegen Angehörige der Landesheil- und Pflegeanstalt Hadamar bei Wiesbaden, wo im Rahmen des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms etwa 15.000 Menschen ermordet worden waren, sowie den Malmedy-Prozess, in dem es um die Ermordung amerikanischer Kriegsgefangener durch Angehörige der Waffen-SS ging. Viele der Täter, die wegen schwerer Verbrechen zu Haftstrafen verurteilt worden waren, wurden in den 1950er-Jahren begnadigt und gelangten nach kurzem Arrest wieder auf freien Fuß. Die westdeutsche Öffentlichkeit, nicht zuletzt die Veteranen, setzten sich für die Freilassung ihrer, wie sie meinten, zu Unrecht verurteilten Kameraden ein. Sie sahen in der Amnestie eine Voraussetzung für eine deutsche Wiederbewaffnung. Parallel zu den Westalliierten führten auch andere Staaten wie Frankreich, Polen und Jugoslawien Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher. Von besonderer Bedeutung war die Strafverfolgung in der Sowjetunion. Nach ersten Prozessen noch während des Krieges im Juli und Dezember 1943 in Krasnodar und Charkow folgten im Januar und Februar 1946 die Prozesse in Riga und Minsk gegen ehemalige Angehörige von Wehrmacht, Polizei und SD. Über zwei Dutzend der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und erhängt. Bei all diesen Prozessen ignorierte die Sowjetunion weitgehend rechtsstaatliche Standards. Die Exekutionen fanden in der Öffentlichkeit vor jeweils mehreren 10.000 Zuschauern statt, was wiederum den Charakter der Prozesse als „Schauprozesse“ belegte. Ebenso wurden gegen Ende der 1940er Jahre tausende von deutschen Kriegsgefangenen summarisch als Kriegsverbrecher zur Zwangsarbeit in Straflagern verurteilt; sie wurden erst 1955 nach Deutschland entlassen.